Mathias Bröckers zum Kennedy-Mord: „Es geht bei dieser Blockade um einen Staatsstreich“

Mathias Bröckers zum Kennedy-Mord: „Es geht bei dieser Blockade um einen Staatsstreich“

Mathias Bröckers zum Kennedy-Mord: „Es geht bei dieser Blockade um einen Staatsstreich“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Nur der deep state, wie er heute genannt wird, ein Netzwerk von Leuten aus Geheimdiensten, Militärs, staatlichen Behörden und Medien konnten eine solche Inszenierung durchführen“ – das sagt Bestseller-Autor Mathias Bröckers im Interview mit den NachDenkSeiten zur Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy. In seinem Buch „JFK – Staatsstreich in Amerika“ hat der Journalist den Fall genau unter die Lupe genommen. Warum Akten im Fall Kennedy noch immer nicht einfach der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, aber auch über die Hintergründe des Falls, spricht Bröckers im Interview. Der Mord an „JFK“ jährte sich am 22. November zum 60. Mal. Von Marcus Klöckner.

Herr Bröckers, in Deutschland heißt es immer mal wieder, wenn Akten unter Verschluss kommen, dass das „Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes“ bei Veröffentlichung gefährdet sein könnte. In den USA ist im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von brisanten Akten von einer „Gefahr für die nationale Sicherheit“ die Rede. Sie haben gerade Ihr Buch „JFK – Staatsstreich in Amerika“ mit einem aktualisierten Vorwort veröffentlicht. Was Kennedy angeht, sind noch immer Akten unter Verschluss. Immerhin sind 60 Jahre vergangen. Was steckt hinter der Blockadehaltung?

Gute Frage, denn Personenschutz kann es nicht mehr sein. Beamte, Militärs, Agenten, Staatsbedienstete, die im Vorfeld, im Umfeld und der Nachbereitung des Mords irgendwie aktiv waren und deren Identität es möglicherweise zu „schützen“ gilt, leben nicht mehr. Es geht bei dieser Blockade um Höheres als um das Vertuschen persönlicher Fehltritte oder Gesetzeswidrigkeiten, es geht um einen Staatsstreich, um einen „regime change“ , die gewaltsame Beseitigung eines demokratisch gewählten Präsidenten – nicht irgendwo in Amerika, sondern im eigenen Land, den Vereinigten Staaten. Die Tatsache, dass Präsident Kennedy nicht von einem wirren, „kommunistischen“ Einzeltäter ermordet wurde, sondern in einer konzertierten Aktion von CIA, Militärs und angeheuerten Scharfschützen, ist unzumutbar für den Mythos USA als „exzeptionalistisches“ Vorbild von Demokratie und Freiheit. Deshalb haben sowohl Barack Obama, als auch Donald Trump und jetzt Joe Biden den 1992 erlassenen „JFK Records Act“ ignoriert, nach dem bis zum Oktober 2017 sämtliche Behördendokumente im Zusammenhang mit dem Kennedy-Mord veröffentlicht werden müssen. Trotz anderslautender Ankündigungen aller drei Präsidenten gibt es offensichtlich höhere Mächte, die eine Offenlegung nach wie vor verhindern. Mit einem Erlass hat Biden jetzt weitere Veröffentlichungen der über 4.600 geheimgehaltenen Dokumente unter einen „Transparenzplan“ gestellt, der unter Aufsicht der … Trommelwirbel … CIA steht. Mit dieser eleganten Promotion des Bocks zum Gärtner ist das Gesetz außer Kraft gesetzt und die Blockade für die nächsten Jahrzehnte gesichert.

Was erhofft sich die Kennedy-Forschung denn noch von den geheimgehaltenen Dokumenten?

Sicher nicht die Smoking gun. Ein Telegramm „Morgen Kennedy ermorden!, gez.: XYZ“ wird sich nicht darunter finden, aber weitere Puzzlesteine, die ein schon zu weiten Teilen sehr deutliches Bild komplettieren. Wie zum Beispiel die Steuerunterlagen von Lee Harvey Oswald, auf denen man sehen könnte, von wo er Gehalt bezogen hat. Wären es nur die Fabriken und Firmen, wo er gearbeitet hat, würden wir seine Einkommensquellen schon längst kennen, wenn er aber ein inoffizieller Mitarbeiter des FBI war, müssen seine Verdienste aus den Jahren 60/61 top secret bleiben. Auch die Reiseunterlagen und Abrechnungen der Agenten William Harvey, der für Special Operations zuständig war und Kontakte zu Killerkommandos unterhielt, bleiben Staatsgeheimnis, ebenso wie die Akten des CIA-Mannes Joannides, der für die verdeckten Propagandaoperationen aus dem CIA-Büro Miami zuständig war und die Studentenzeitung finanzierte, die als erste das Narrativ von Oswald als pro-kubanischem Kommunisten lancierte, das einen Tag später von der New York Times und allen anderen Medien aufgegriffen wurde. Das sind nur einige Beispiele von vielen weiteren, für die es keinen nachvollziehbaren Grund zur Geheimhaltung gibt, außer dem einen, dass sie nämlich die tiefe Verstrickung staatlicher Stellen in diesen Mord belegen. Bei der Planung, der Ausführung und der Nachbereitung.

Haben Sie eine Vermutung, wie das genau abgelaufen ist? Wer hat JFK ermordet?

Auf die Frage, wer die Schützen konkret waren, habe ich mich im Buch weniger konzentriert als darauf, dass es Lee Harvey Oswald nicht gewesen sein kann, von hinten aus dem 5. Stock des Schulbuchlagers mit einem Versandhaus-Schießprügel für 19 Dollar. Der berühmte Film des Textilunternehmers Abraham Zapruder, der die Vorbeifahrt des Präsidenten gefilmt hatte, zeigt deutlich, dass Kennedys Kopf von vorne rechts getroffen wird und Blut und Gehirnmasse nach hinten herausspritzen. Deshalb wurde der Warren-Kommission, die den Fall untersuchen sollte, statt des Originals des Films nur eine geschnittene Schwarz-Weiß-Kopie gezeigt. Dafür hatte Allen Dulles gesorgt, der die Kommission leitete und sicherstellte, dass bei dieser „Untersuchung“ das gewünschte Ergebnis – der verwirrte Einzeltäter Oswald – herauskam. Auch Dulles war ein zum Gärtner promovierter Bock, denn Kennedy hatte ihn ein Jahr zuvor als Chef der CIA gefeuert, wegen der von ihm eingefädelten und gescheiterten Schweinebucht-Invasion auf Kuba. Weil er Angriffe der US-Luftwaffe für diesen „regime change“ abgelehnt hatte, war der frisch ins Amt gekommene Kennedy von Anfang an ein rotes Tuch für CIA und Militärs.

Was den Ablauf der Ermordung betrifft: In Chicago, Tampa und Dallas, den Stationen der Wahlkampftour Kennedys im November 1963, wurden Attentate geplant, mit Hilfe von „privaten“ Mafia-Schützen, mit von der CIA vorbereiteten Sündenböcken und mit falschen Spuren, die eine „glaubhafte Abstreitbarkeit“ sicherstellen. Die ersten beiden Anschlagsversuche scheitern, der in Dallas ist am 22. November dann erfolgreich. Und wird, angefangen mit manipulierten Obduktionsfotos und -berichten, über das sofort lancierte Narrativ vom verwirrten Einzeltäter, der passenderweise nach zwei Tagen von einem anderen verwirrten Einzeltäter, dem Clubbesitzer Jack Ruby, erschossen wird, ins Geschichtslexikon transportiert.

Was sind für Sie die stärksten Hinweise darauf, die Ihre These untermauern?

Keine fremde Macht, weder die Sowjetunion, noch Kuba, noch Israel, noch das organisierte Verbrechen, die in diversen Publikationen als Hintermänner verdächtigt werden, hätte das Attentat so durchführen und nachbereiten können – einen Einzeltäter als Sündenbock sofort verhaften, ihm mit einer sofortigen (Nicht-)Ermittlung alle Schuld in die Schuhe schieben und diese Legende über Jahrzehnte aufrecht und vor Forschern und Historikern Dokumente bis heute geheim halten…. Nur der deep state, wie er heute genannt wird, ein Netzwerk von Leuten aus Geheimdiensten, Militärs, staatlichen Behörden und Medien konnte eine solche Inszenierung durchführen.

Was würde passieren, wenn anhand von Dokumenten bekannt würde, dass der eigene Staat hinter der Ermordung des Präsidenten steckt? Was würde das bedeuten?

Es würde einen großen Prozess historischer Aufarbeitung und demokratischer Selbstläuterung bedeuten, bei dem die „Leuchtende Stadt auf dem Hügel“ sich den dunklen Seiten ihrer mörderischen Politik seit Kennedy stellen müsste. Das wird natürlich nicht geschehen. JFK wollte die US-Truppen aus Vietnam abziehen, er wollte das atomare Wettrüsten beenden, einen Friedensvertrag mit der Sowjetunion schließen und er wollte die CIA „in tausend Stücke schlagen“ und ein Ende ihrer verdeckten para-militärischen Operationen überall auf der Welt. Als klassischer Kalter Krieger ins Amt gekommen, hatte er sich zu einem „Peacenik“ gewandelt, der mit einer zweiten Amtszeit, die er mit einem Erdrutschsieg gewonnen hätte, zu einer echten Gefahr für den „militärisch-industriellen Komplex“ geworden wäre. Vor dessen zunehmender Einflussnahme auf die Politik hatte Kennedys Vorgänger Eisenhower in seiner Abschiedsrede ausdrücklich gewarnt. Und würde der Kennedy-Mord öffentlich aufgearbeitet, könnte man die Entwicklung vom MIK zum MICIMAT („Military-Industrial-Congressional-Intelligence-Media-Academia-Think-Tank“)-Komplex, wie ihn der CIA-Veteran Ray McGovern nennt, sehr gut aufzeichnen – und auf die Idee kommen, seinen Einfluss einzudämmen. Deshalb wird eine solche Aufarbeitung nicht stattfinden.

Vor kurzem erschien ein Artikel im Spiegel mit der Überschrift: Ex-Leibwächter zweifelt an der »magischen Kugel«. Was sind Ihre Gedanken dazu?

Jeder Mensch mit einem IQ über Zimmertemperatur musste die Behauptung einer einzigen Gewehrkugel, die zuerst Kennedy tötet und dann dem vor ihm sitzenden Gouverneur Conally fünf weitere Verletzungen beibringt, als Märchen abtun. Dass noch heute Geschichten darüber in einem ehemaligen Nachrichtenmagazin erscheinen, zeigt, welche Macht Fake News wie die magische Kugel haben. Wenn sie nur penetrant und dauerhaft aus allen MICIMAT-Kanonen gefeuert werden, landen sie im Geschichtsbuch. Willkommen in Brainwashington DC. Nachdem das bei Kennedy so gut funktionierte, konnte man nach der magischen Kugel bei 9/11 dann auch problemlos die Legende von Osama und den 19 Teppichmessern auftischen, die mit zwei Flugzeugen drei Wolkenkratzer pulverisiert haben sollen.

Die Annahme, dass Kennedy Opfer einer Staatsverschwörung wurde, haben große Medien in schöner Regelmäßigkeit als unsinnige Verschwörungstheorie abgetan. Dreht sich der Wind?

Das glaube ich nicht. Der neutrale Begriff „Verschwörungstheorie“ – A und B verabreden sich hinter dem Rücken von C, um sich einen Vorteil zu verschaffen – wird mit dem Kennedymord zu einem Kampfbegriff im Informationskrieg. Die Ungereimtheiten der Einzeltäter-Hypothese und Fragwürdigkeiten der Warren-Ermittlung waren einigen Journalisten und Autoren aufgefallen, die Artikel und Bücher dazu publizierten. Dazu erging im April 1964 dann ein Memo der CIA an alle ihre Stationen, dass es sich bei dieser Kritik um „Verschwörungstheorien“ handelt, die allein aus kommerziellen Gründen oder vom kommunistischen Ausland gesteuert veröffentlicht würden. Den CIA-Büros wurden Anleitungen gegeben, wie diese „Verschwörungstheoretiker“ diskreditiert werden und welche Argumente sie den lokalen Kontakten und „Eliten“ dazu liefern sollten. Mit dieser PR-Aktion wird der neutrale Begriff zur Diffamierungsvokabel, zu einer Diskurskeule, mit der jede Kritik an offiziellen Narrativen abgewürgt werden kann.

Mit dem Kennedy-Mord und seiner medialen Nachbereitung wird das erstmals erfolgreich durchexerziert und ist seitdem eine bewährte Strategie des Wahrnehmungsmanagements, was man in voller Blüte dann auch nach 9/11 und in der Covid-„Pandemie“ erleben konnte. Und das so inflationär, dass „Verschwörungs-Theorie“ allein schon nicht mehr ausreicht und um -Legenden, -Mythen, -Ideologien erweitert werden musste. Deshalb glaube ich auch nicht, dass sich in Sachen JFK der Wind dreht. Es sei denn, sein Neffe RFK jr., der als unabhängiger Kandidat bei der nächsten US-Wahl antritt, würde ins Weiße Haus einziehen. Aber das ist äußerst unwahrscheinlich – im US-amerikanischen „Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln“ (Gore Vidal) ist kein Platz für unabhängige Kandidaten. Die imperiale Kriegsmaschine muss sich weiterdrehen, wer sich dagegenstellt, kann vor aller Augen öffentlich hingerichtet werden und die mächtige Medienmaschine sorgt dann dafür, dass niemand etwas gesehen hat. Für jeden von Kennedys Nachfolgern hat der 22. November 1963 ein unübersehbares Fanal gesetzt.

Lesetipp: Mathias Bröckers: JFK- Staatsstreich in Amerika. Westend. 23. Oktober 2023. 304 Seiten, 14 Euro.

Titelbild: Buchcover JFK- Staatsstreich in Amerika.