AfD-Verbotsdebatte – kontraproduktiv und gefährlich

AfD-Verbotsdebatte – kontraproduktiv und gefährlich

AfD-Verbotsdebatte – kontraproduktiv und gefährlich

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Das Wahljahr 2024 könnte zum erfolgreichsten Jahr der AfD werden – erst die Europawahl und dann drei Landtagswahlen, bei denen die AfD in den Umfragen zurzeit die teils deutlich stärkste Partei ist. Wenn man sich vor Augen hält, dass sich vor allem SPD, Grüne und Linkspartei die Bekämpfung der AfD seit Jahren auf ihre Fahnen geschrieben haben, kann man nur feststellen, dass dieser Kampf auf ganzer Linie gescheitert ist. Das ist nicht überraschend, haben doch diese Parteien immer noch nicht verstanden, warum die Menschen der AfD zuströmen. Das nun immer wieder von diesen Parteien ins Spiel gebrachte Verbot der AfD ist eine Fortsetzung dieses kontraproduktiven Kurses. Man kann – und muss – die AfD scharf kritisieren. Sie verbieten zu wollen, ist jedoch nicht nur aussichtslos, sondern zeugt auch von einer antidemokratischen Einstellung. Dadurch wird die Spaltung der Gesellschaft forciert und letzten Endes die AfD sogar gestärkt. Ein Kommentar von Jens Berger.

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Was soll ein Sachse denken, wenn er hört, die SPD-Vorsitzende Saskia Esken will die AfD verbieten? Hier eine Partei, die in den jüngsten Umfragen auf sechs Prozent kommt und um ihren Einzug in den Landtag bangen muss – dort eine Partei, die in den Umfragen bei 34 Prozent steht. Jeder dritte wahlberechtigte Sachse muss sich also nun von einer Partei, die zumindest in Sachsen selbst keine Relevanz hat, anhören, dass ihm seine demokratische Willenserklärung verboten werden soll? Mit Verlaub, das ist anmaßend und antidemokratisch.

Was hat denn die AfD so stark gemacht? Erlebt Deutschland zurzeit einen Rechtsruck? Ich meine, Nein. Es mag einen rechtsextremen Kern von AfD-Wählern geben, der die Partei tatsächlich wegen ihrer Positionen auf dem Feld der Migrationspolitik oder ihrer reaktionären Wertepolitik wählt. Der Großteil derjenigen, die in den Umfragen angeben, die AfD wählen zu wollen, würde sein Kreuzchen aber nicht wegen, sondern trotz dieser Positionen bei der AfD machen. Man fühlt sich von der Ampel nicht vertreten, ausgegrenzt und ignoriert. In den Oppositionsparteien CDU und Linkspartei sieht man auch keine Alternative, da diese auf den aktuellen politischen Schlachtfeldern vom Heizungsgesetz über CO2-Besteuerung bis hin zum Ukrainekrieg ganz ähnliche Positionen wie die Ampelparteien vertreten. Man geht auf Fundamentalopposition und sieht sich als Opposition gegen einen Meinungsmainstream, der nicht nur von den „etablierten Parteien“, sondern auch einem Großteil der traditionellen Medien mit Nachdruck vertreten wird. Es geht hier nicht um links oder rechts, sondern um Konformisten gegen Nonkonformisten.

Die AfD versteht es, sich als Sprachrohr der Nonkonformisten zu gerieren. Dass sie das geschafft hat, ist erstaunlich, vertritt sie doch in sehr vielen Bereichen als neoliberale Partei durchaus Positionen, die im Mainstream anschlussfähig sind. Um Inhalte scheint es den meisten Anhängern der AfD jedoch ohnehin nicht zu gehen. Das identitätsstiftende Merkmal ist vielmehr, „dagegen“ zu sein – gegen den Mainstream der Mitte mit all seinen Facetten. Und was meinen Sie, passiert, wenn der Mainstream der Mitte nun die AfD verbieten will?

Die Antwort ist einfach. Seit Jahren versucht man, die AfD durch Ausgrenzung zu bekämpfen. Egal wie man nun selbst zu dieser Partei steht; man muss doch erkennen, dass diese Strategie die AfD am Ende nur noch stärker gemacht hat. Das ist ja auch kaum überraschend, wurde so Unzufriedenen auf ihrem Weg zur Fundamentalopposition gezeigt, welche Partei das Sammelbecken der Unzufriedenen und Fundamentaloppositionellen ist. Ein Verbotsverfahren würde diesen Trend nicht abschwächen, sondern verstärken. Und dann?

Dabei ließe sich die AfD doch so einfach „bekämpfen“. Die derzeitige politische Einfalt müsste nur durch eine politische Vielfalt abgewechselt werden. Erst wenn der Eispanzer der Konformität aufgebrochen wird und der Mainstream der Mitte einer offenen und ehrlichen politischen Debatte weicht, wird man vielleicht die derzeitige Spaltung der Gesellschaft überwinden können.

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Titelbild: NAN2535/shutterstock.com

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