Stimmen aus der Ukraine: Die Zukunft der Linken

Stimmen aus der Ukraine: Die Zukunft der Linken

Stimmen aus der Ukraine: Die Zukunft der Linken

Ein Artikel von Maxim Goldarb

Vor zehn Jahren kam in der Ukraine durch einen Staatsstreich ein rechtes oligarchisches Regime mit einer nationalistischen Ideologie an die Macht, das sich vollständig dem US-Imperialismus unterordnete. Unter der Herrschaft von Wolodymyr Selenskyj ist dieses Regime endgültig totalitär geworden. Die Opposition wurde zerschlagen, alle linken Parteien, einschließlich der unseren, wurden verboten. Tausende von Menschen landeten wegen ihrer politischen Überzeugungen im Gefängnis und einige wurden sogar gezielt getötet. Unter dem Lärm des Krieges haben sich die Oligarchen und ihre Stellvertreter in aller Konsequenz daran gemacht, jede Gefahr eines Verlustes ihrer unersättlichen Macht und ihres Reichtums, den sie aus der Ukraine geraubt haben, zu verhindern: Durch den Versuch, alle verbliebenen linken Kräfte in der Ukraine auszumerzen. Von Maxim Goldarb.

Es ist kaum zu glauben, aber was in den letzten Jahren in der Ukraine beim Umgang mit der linken Opposition passiert ist, ähnelt sehr dem, was in Spanien während des Franco-Regimes geschah. Dazu gesellen sich der Zusammenbruch der Wirtschaft, die Verarmung der Mehrheit der Arbeiter und der Krieg, den die Behörden im Interesse des Weltimperialismus führen.

Nun bewegt sich auch die derzeitig neoliberal ausgerichtete Europäische Union, die sich der weltweiten Finanz- und Politikelite unterordnet, immer schneller auf einen großen Krieg zu, der sich zu einem dritten Weltkrieg auswachsen könnte.

Die kapitalistisch geprägten Regierungen auf der ganzen Welt und insbesondere hier in Europa haben gelernt, menschliche Probleme und Schwierigkeiten, die durch ihre Schuld und die Schuld ihrer Herren, der Oligarchen, entstanden sind, geschickt auszunutzen und die Gesellschaft zu spalten. Ein aktuelles Beispiel ist der Umgang mit den derzeitigen Protestwellen von Bauern, Arbeitern und Angestellten in den meisten europäischen Ländern, verursacht durch ungerechte Steuerverteilung, Missbrauch von Haushaltsgeldern und verstärkte militärische Rhetorik der Behörden. Das Einzige, was derzeit massiv steigt, sind die Militärausgaben – dagegen stehen ebenso massive Einsparungen etwa bei sozialer Infrastruktur und Bildung.

Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass ein Großteil der Welt dieser Form des unersättlichen Kapitalismus überdrüssig ist – die Proteste in Europa sind ein lebhafter Beweis dafür. Die Menschen suchen nach anderen Varianten der Staatsstruktur und warten auf die Ankunft von Politikern mit menschlichen Gesichtern und Ansichten, von Führern und Abgeordneten, die willens und in der Lage sind, das System der Herrschaft, der Ausplünderung und der hemmungslosen Akkumulation und des Konsums, das der menschlichen Gemeinschaft aufgezwungen wurde, grundlegend zu ändern. Ein System, in dem eine kleine Handvoll Menschen Milliarden und deren Leben und Schicksal kontrolliert; in dem tausend Familien den Reichtum des Planeten geplündert haben und über ihn verfügen, der eigentlich allen Menschen der Erde gehören sollte.

Kurz vor dem Krieg, in nur wenigen Monaten, erhielten wir, die linken Kräfte in der Ukraine, fantastische Unterstützung aus der Bevölkerung: Der Zuwachs an Parteimitgliedern pro Monat betrug durchschnittlich 3.000 bis 5.000 Menschen, die persönliche Präsidentenbewertung des Parteivorsitzenden (die wir vorher nie gemessen hatten) stieg in den letzten drei Vorkriegsmonaten signifikant an. Und all dies, obwohl es massive Zensur und keinen Zugang zu Fernsehkanälen und Zeitungen gab. Ich habe deshalb keinen Zweifel, dass linke Ideen, die Ideen eines gesunden, modernen Sozialismus, in meinem Land in Zukunft Mehrheiten erringen kann.

Heute hat die moderne linke Bewegung zwei Arten von Konkurrenten. Die offensichtlichen sind die rechten Parteien und ihre oligarchischen Sponsoren. Dazu kommen die pseudolinken Parteien, die sich in den nationalen Parlamenten und Regierungen und im Europäischen Parlament verschanzt haben, sich vor den Menschen verstecken und sich hinter einst sozialistischen Namen und Slogans verstecken, aber in Wirklichkeit längst nicht mehr links im eigentlichen Sinne sind.

Ein Paradebeispiel ist die deutsche Sozialdemokratische Partei (SPD), ihre Regierung und ihr Kanzler Olaf Scholz. Es ist offensichtlich, dass sie schon lange nichts mehr mit den Ideen der Sozialdemokratie und des Sozialismus zu tun haben, sondern sich offen auf die Seite der Oligarchen und des Kapitalismus stellen, deren Interessen schützen und dabei ihr eigenes Land und Volk ruinieren.

Für uns, die ukrainischen Linken, ist auch die Haltung der deutschen Sozialdemokraten und ihrer Schwesternparteien aus anderen europäischen Ländern zu den ukrainischen Ereignissen sehr aufschlussreich. Wie können Politiker, die sich selbst als Linke bezeichnen, die Fortsetzung des Krieges befürworten und sich an der beispiellosen Militarisierung Europas und der Ukraine seit vielen Jahrzehnten beteiligen? Wie können Politiker, die sich selbst als Linke bezeichnen, das radikal-nationalistische Regime in der Ukraine unterstützen, das alle linken Parteien verboten hat, das die Verwendung der roten Fahne und das Singen der Internationale unter Strafe stellt, das Straßen nach Nazi-Kollaborateuren wie Stepan Bandera, Roman Shukhevych und der SS-Division „Galizien“ benennt und diese als offizielle Staatshelden hofiert?

Pseudolinke wie Scholz und Co. sind für aufrichtige Linke oft noch gefährlicher als die Rechte. Denn die Pseudo-Linken, die traditionelle sozialistische Namen, Farben und Rhetorik verwenden, aber eine neoliberale und militaristische Politik verfolgen, diskreditieren linke Ideen in den Augen der arbeitenden Bevölkerung und ermutigen sie zu der Annahme, dass Linke und Liberale sich nicht voneinander unterscheiden.

Umso wichtiger ist es jedoch, dass sich die Linke – die Linke nicht nur dem Namen nach, sondern auch ihrem Wesen nach – eindeutig von der Pseudolinken distanziert und den Arbeitnehmern eine echte Alternative zur derzeitigen Politik der Regierungen der Europäischen Union bietet, dass sie nicht nur die Gefahr eines sinkenden Lebensstandards und einer Zunahme der sozialen Probleme aufzeigt, sondern auch die Gefahr, dass sich Europa rasch auf einen großen Krieg zubewegt.

Der beginnende Wahlkampf zum Europäischen Parlament böte eine echte Gelegenheit zu zeigen, dass die Linke dabei ist, ein neues Kapitel aufzuschlagen …

Titelbild: Shutterstock / phoelixDE