EU-Wahlkampf: Wie sich die Bilder gleichen

EU-Wahlkampf: Wie sich die Bilder gleichen

EU-Wahlkampf: Wie sich die Bilder gleichen

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Sprachliche Verrohung, Ablenkung von zentralen Themen, eine Flucht nach vorne bei selber angerichteten „Multi-Krisen“: Der EU-Wahlkampf illustriert gut einige gesellschaftliche Tendenzen – und auch, wie sich die dafür Verantwortlichen aus der Affäre ziehen wollen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In diesem Artikel geht es nicht um die detaillierten Inhalte, mit denen die Parteien sich zur EU-Wahl stellen – hier soll nur auf die Wirkung der Plakat-Kampagnen im öffentlichen Raum eingegangen werden.

Die Montage des Titelbilds zeigt Werbesprüche zum einen der Grünen und zum anderen der Bundeswehr. Auch im aktuellen EU-Wahlkampf führen sich die Grünen also mal wieder besonders dreist auf: Anstatt den eigenen Wandel von angeblichen Pazifisten zu den härtesten Kriegstreibern der Republik noch vernebeln oder erklären zu wollen, wird dieser Schritt in Form einer geistigen Überrumpelung als betont normal dargestellt: Man biedert sich sogar mit den eigenen Slogans bei der Bundeswehr an, als sei das die normalste Sache der Welt. Und als sei der, der sich noch über die Entwicklung der Partei oder den kriegerischen Charakter vieler Grüner wundert, einfach nur von gestern. Die heftige Flucht nach vorne der Grünen im vergangenen Bayern-Wahlkampf hatte ich in diesem Artikel beschrieben, einiges davon lässt sich auf den aktuellen Wahlkampf übertragen. Weitere Motive der Grünen zur Europawahl finden sich unter diesem Link.

Mit sprachlicher Verrohung gegen die Verrohung?

Sehr unangenehm fällt der Wahlkampf der Partei „Volt“ auf. Zum einen entfacht diese Partei eine für ihre Größe und Erfolglosigkeit sehr beeindruckende Materialschlacht – man fragt sich, wer diese zahlreichen Plakate eigentlich bezahlt. Außerdem nutzt Volt sprachliche Verrohung, um sich bei jungen Pseudo-Linken anzubiedern, etwa mit dem Spruch „Sei kein Arschloch“, der sich vermutlich auf ein Lied der Band „Die Ärzte“ beziehen soll. „Warum diese deutliche Sprache?“, fragt Volt bezüglich des Plakats selber und antwortet:

Die Wortwahl soll Aufmerksamkeit erregen und ein starkes Statement gegen Rechtsextremismus setzen. (…) Die Wahl der Sprache ist bewusst sehr direkt und soll zur Selbstrefelexion anregen.

Mit Verrohung gegen die Verrohung, oder was? Zu diesem Nonsens ist außerdem zu betonen, dass es eine verbreitete Masche ist, einen sprachlichen Tabubruch dadurch zu „rechtfertigen“, dass man ihn ja „ganz bewusst“ ausführt (und natürlich dadurch, dass man ja zu den „Guten“ gehört, für die andere Kriterien gelten als z.B. für Kritiker der Bundesregierung). Wo zeigt sich eigentlich die in dem Zitat angemahnte Selbstreflexion einer Partei, die den politischen Gegner auf zahlreichen Plakaten etwa im Berliner Stadtbild als „Arschloch“ bezeichnet – und welche Art der gesellschaftlichen Verständigung soll aus dieser Hasssprache entstehen? Ich finde eine jetzt immer noch fortgesetzte sprachliche Verrohung in der Öffentlichkeit einfach nur verantwortungslos. Zusätzlich ist die sprachliche Verrohung (mindestens) wirkungslos im „Kampf gegen Rechts“. Weitere Motive von Volt zur Europawahl finden sich unter diesem Link.

Motive des BSW zur Europawahl finden sich unter diesem Link. Plakate der CDU finden sich hier, die Motive der AfD zur Europawahl finden sich unter diesem Link, die der LINKEN unter diesem Link.

„Maß, Mitte, Frieden“

Mit sprachlicher Verrohung kennt sich auch die FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus. Die Wahlkampf-Idee der FDP mit der „Oma Courage“ ist mutmaßlich mangels kultureller Bildung der Werbetreibenden schön nach hinten losgegangen. Weitere Motive der FDP zur Europawahl finden sich unter diesem Link. Die SPD wirbt unter anderem mit dem Slogan „Maß, Mitte, Frieden“. Auch das ist angesichts der aktuellen militaristischen und polarisierenden SPD-Politik eine dreiste Umkehrung und eine Flucht nach vorne. Weitere Motive der SPD zur Europawahl finden sich unter diesem Link.

Die Titelzeile „Wie sich die Bilder gleichen“ habe ich beim Graphiker Klaus Staeck geborgt, der sie bereits 1972 auf diesem Plakat genutzt hat. Ein weiteres Plakat aus dieser Zeit von Staeck kann als Kommentar zum aktuell massiven und geradezu stolzen Auftrumpfen der Militaristen genutzt werden:

Alle reden vom Frieden – Wir nicht.“

Titelbild: Screenshots Grüne/Bundeswehr

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