Die geplante, angestrebte Weltwirtschaftskrise und Versuche zur Rettung (AM’s Wochenrückblick)

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Es ist ja immer wieder erstaunlich, welch einen ausgemachten Stuss ein öffentlich-rechtlicher Sender wie der Deutschlandfunk in den Äther entlassen kann. Und es ist bedrückend mit anzusehen, mit welchem Zynismus wohl dotierte und im allgemeinen Bewusstsein hochgestellte Persönlichkeiten den wirtschaftlichen Niedergang zulasten der Mehrheit predigen können. Im konkreten Fall geht es um ein am vergangenen Montag im Deutschlandfunk ausgestrahltes Interview mit dem Präsidenten der Frankfurt School of Finance and Management, Udo Steffens. Albrecht Müller.

J.K., einer der produktiven Hinweisgeber der NachDenkSeiten hat mich darauf aufmerksam gemacht. Im Interview ging es um die Transaktionssteuer. Der Präsident der als Lobby der Finanzwirtschaft tätigen Hochschule wird als „Finanzexperte“ und nicht als Lobbyist, was korrekt wäre, vorgestellt.
Natürlich sagt er, dass die Transaktionssteuer nur global eingeführt werden kann und dass sie deshalb nicht kommen wird. Das ist immerhin ziemlich ehrlich.

Selbstverständlich haben wir aus der Sicht von Herrn Steffens eine „Euroschuldenkrise“ und keine Bankenkrise. Aus der Sicht des Präsidenten der Lobbyhochschule ist und bleibt „Finance“ eine Zukunftsindustrie. Die Tatsache, dass die Finanzindustrie in Großbritannien einen hohen Anteil des Volkseinkommens – von geschätzten 10 % – absorbiert, nennt er „Beitrag zum Bruttosozialprodukt Großbritanniens.“ Es ist aber kein Wertschöpfungsbeitrag; es sind die 10 %, die sich die Investmentbanker von der britischen Gesellschaft und vielen anderen weltweit holen. Davon, dass der Sektor „Finance“ das Problem haben könnte, weltweit überdimensioniert zu sein, hat Herr Steffens noch nichts gehört, darf er auch nicht. Auch davon nicht, dass dieser Sektor offensichtlich unproduktiv arbeitet. Andernfalls müssten wir Steuerzahler die Banken nicht ständig retten. (Zum Konversionsproblem des Finanzsektors siehe den Beitrag vom 7.1.2009 in den NachDenkSeiten)

Richtig beeindruckend wird es im Interview des Deutschlandfunks mit dem Präsidenten der Finanzhochschule,

  • wenn Steffens behauptet, „die Politik habe unsere finanziellen Möglichkeiten an den Rand gefahren“. Kein Wort davon, dass die Rettung der Banken entscheidende Milliarden gekostet hat: 10 Milliarden ungefähr für die IKB, 18,2 Milliarden für die Commerzbank, über 100 Milliarden für die HRE, etc. Sein Institut in Frankfurt hätte schon lange das Zeitliche gesegnet, wenn wir Steuerzahler nicht eingesprungen wären. Von der Politik gezwungen, von einer Politik, die in den Händen der Finanzwirtschaft ist.
  • Steffens behauptet, dass wir an einer: „Austeritäts- und Katarsispolitik in Europa nicht herumkommen werden“, („Katarsis“ in der Schreibweise des Deutschlandfunks)
  • dass die zu erwartende Rezession „genutzt werden kann, um endlich unsere Sozialsysteme zu entrümpeln, die Anreizsysteme für die Wirtschaftsobjekte richtig zu setzen, um uns dann mit den neuen Herausforderungen, Lateinamerika, Südostasien, letztlich auseinanderzusetzen…“

Herr Armbrüster vom Deutschlandfunk meint dazu:

„Sie sagen da jetzt so ganz lapidar, die Sozialsysteme entrümpeln. Haben wir die nicht in Deutschland schon gehörig entrümpelt?“

Dazu der Hochschulpräsident aus Frankfurt:

„Natürlich haben wir sie gehörig entrümpelt, aber eben nur in Deutschland, und sowohl die Briten als auch die Franzosen wie die Spanier und Italiener werden das wohl nachziehen müssen.“

Einmal abgesehen davon, dass die Behauptung, die Briten hätten „ihre Sozialsysteme nicht entrümpelt“ schlicht falsch ist, bemerkenswert ist, wie ein mit öffentlichen Mitteln geförderter Hochschulpräsident die Verletzung des Sozialstaatsgebots feiert und sich offen zur Austeritätspolitik, also zur bewussten Rezessionspolitik, bekennt. Das wird mit religiöser Sprache verbrämt: „Katarsis“.

Wenn man bedenkt, welches Leid damit über Millionen Menschen in Europa und in anderen Teilen der Welt gebracht wird, dann kann man solche Äußerungen nicht mehr gelassen hinnehmen. Auch deshalb nicht, weil Steffens Meinung auch ungefähr dem entspricht, was die Bundesregierung vertritt. Millionen Menschen bei uns und jetzt Millionen in anderen Ländern sollen durch diese „Katarsis“ gehen: Rezessionen überall in Europa – das Allheilmittel der Wirtschafts- und Finanzpolitik von Zynikern oder Ignoranten.

Gegenwehr

Wir halten – wie einige andere wissenschaftliche und publizistisch tätige Einrichtungen und Personen – gegen diesen Zynismus. Das geschieht auch im befreundeten Ausland. Am 12. Januar 2012 haben die NachDenkSeiten davon berichtet, dass sich zwei prominente Franzosen in Le Monde vehement gegen die Austeritätspolitik wandten und erläutern, dass die EZB ohne Veränderung der europäischen Verträge die in finanziellen Schwierigkeiten geratenen Staaten stützen könnte:

Michel Rocard / Pierre Larrouturou, „Warum sollen Staaten 600-mal mehr als Banken zahlen?“

Jens Berger hat sich am 12.1.2012 zur Transaktionssteuer geäußert und die Zusammenhänge erläutert:
Merkozy und die Finanztransaktionssteuer

Die NachDenkSeiten haben die Präsentation eines neuen Films zu Riester-Rente begleitet.

Am 10. Januar 2012: Das Riester-Dilemma – Porträt einer Jahrhundertreform hier in der ARD-Mediathek und alternativ auch auf YouTube anschauen.

Und noch einmal am 11. Januar 2012:
Revison der Riesterrente – Die klare Lösung wird immer noch verdrängt

Eine Ergänzung dazu ist noch fällig. Es erreichen uns einige interessante weitere Anregungen.

Berichtenswert war uns zudem:
Deutschlands Export boomt auch bei den Rüstungsgeschäften.
Dazu brachten die NachDenkSeiten am 11. Januar 2012 „Bombige Geschäfte

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