Leserbriefe zu „Und seid ihr nicht (kriegs-)willig, so brauch‘ ich Gewalt“
Renate Dillmann berichtet hier von der Polizeigewalt bei der Demo gegen Aufrüstung am 30. August 2025 in Köln. Im Normalfall würden Demonstrationen zeigen, dass die Bürger eines Staates unzufrieden sind. Der Zweck dieses Protests sei von den nationalen Leitmedien als „Antikriegsdemonstration“ vorgestellt worden. Nicht nur bei dieser, sondern eigentlich bei jeder Demonstration würden sie die Frage nach „der Gewalt“ stellen – jedoch lediglich auf Seiten der Demonstranten. Für den Kriegskurs müsse „eine neue nationale Einheit her, und wenn sie nicht da ist, wird sie erzwungen“. Wir haben dazu interessante Zuschriften bekommen und danken dafür. Es folgt nun eine Auswahl der Leserbriefe. Für Sie zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief
Sehr geehrte Renate Dillmann,
danke für diesen wichtigen Artikel!
Ich sehe hinter dieser staatsseitigen Strategie Ähnlichkeiten zum polizeilichen/staatlichen Vorgehen bei den coronakritischen Demos – die Bevölkerung gegeneinander aufbringen bzw. die Kritiker zu Sündenböcken machen zu kriminalisieren!
Und dabei geht es immer um das selbe – die Bevölkerungsmehrheit hinter das Vorgehen des Staates (hier kriegstüchtig/-willig zu werden) zu bringen bzw. sie dort zu halten (wozu meiner Meinung nach auch die Anwendung von (Polizei)Gewalt gegen Kritiker zur Abschreckung gehört). Denn ohne die Bevölkerungsmehrheit hinter sich zu wissen bzw. hinter sich zu halten ist der Staatsapparat über kurz oder lang handlungsunfähig! Und das wollen die Regierenden/Verantwortlichen um jeden Preis (!) vermeiden – und hier heiligt der Zweck (z.B. Gewalt) die Mittel!
Herzliche Grüße
Andreas Rommel
2. Leserbrief
Vielen Dank für diesen Beitrag. Massive paramilitärische Polizeipräsenz verhindert die Artikulation von Meinungen und Forderungen wie den Diskurs mit Nicht-Teilnehmern am Straßenrand. Die anmaßende Ordnungsmacht isoliert, vorverurteilt und kriminalisiert Demonstrationsteilnehmer. Sie drangsaliert mit Verboten und teils irrwitzigen Auflagen. Es war einmal, dass eine Demonstration lediglich angemeldet werden musste und die Polizei ihre Durchführung zu gewährleisten hatte. Wer heute ohne Genehmigung der Polizei mit Plakat in der Hand spazieren geht, muss mit massiven Behinderungen der Institutionen rechnen, die ursprünglich für seinen Schutz errichtet wurden. Der Bürger muss dringend umdenken. Nicht mit Polizeipräsenz lebt man sicher, sondern dort, wo weit und breit kein Polizist zu sehen ist.
Freundliche Grüße
Christian Meissner
3. Leserbrief
Liebe Frau Dillmann,
ich wollte mich auf diesem Weg bei Ihnen für den Text zur Friedensdemo am 30.08. in Köln auf den Nachdenkseiten bedanken. Das ist die bisher tiefgehendste Analyse zu der Macht- und Gewaltdynamik, die am Samstag ihren brutalen Ausdruck auf einer friedlichen Demo gefunden hat. Ich selbst bin 51 Jahre alt, war von Anfang an dabei, erstaunt und schockiert über das martialische Auftreten der Polizei, ebenso erstaunt und erfreut darüber, dass die hauptsächlich jungen Leute des Camps „Rheinmetall entwaffnen“ sich von den andauernden Behinderungen, Schikanen und Störmanövern der Polizei nicht haben provozieren lassen, sondern ausnahmslos friedlich blieben. Im Kessel selbst war ich nicht, bin aber auf Verletzte und Augenzeugen getroffen. Ihr Text arbeitet präzise und aus verschiedenen Hinsichten am Konkreten – der kleinen Demo in Köln – das Allgemeine – die, auf jeder Ebene (Medien, Politik, Polizei) mit Gewalt betriebene Einheitsbildung hinsichtlich Militarisierung und Krieg – heraus. Durch dieses einstmals gekannte, heute leider, wie so vieles, in Vergessenheit geratene, dialektische Verfahren leistet Ihr Text etwas, das im heutigen Medienrauschen leider nur noch ganz selten anzutreffen ist – einen Beitrag zum Verstehen.
Meinen ganz herzlichen Dank dafür,
Christina Weiss
4. Leserbrief
Liebe Mannschaft der Nachdenkseiten,
ich schicke Ihnen eine – stark gekürzte – Version meines Zuschauerbriefes, den ich am 27. Januar 2014 an das ZDF geschrieben habe, weil das ZDF die Gewaltexzesse durch Rechtsextremisten auf dem Maidan, mit denen diese – unterstützt durch die USA, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußte – zielgerichtet die russlandfreundliche ukrainische Regierung stürzen wollten, bereits acht Wochen lang positiv als „Protest“ dargestellt hatte.
Im Gegensatz dazu ist die brutale Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, die in Köln gegen Krieg demonstrieren, sowie die verharmlosende Darstellung dieser Polizeigewalt durch die Medien bei gleichzeitiger diffamierender Darstellung dieser Demonstranten durch die Medien äußerst bezeichnend.
Offensichtlich wollen die Herrschenden jegliche Kritik an ihrer Kriegspolitik und an ihrer Kriegspropaganda mit allen Mitteln unterdrücken.
Hier mein Zuschauerbrief an das ZDF vom 27. Januar 2014:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe am 25. Januar [2014], wie auch in den vergangenen Wochen, Ihre Berichte über die gewalttätigen Demonstrationen in der Ukraine gesehen. Ich habe den Eindruck, als ob Sie auch noch Sympathien für diese gewalttätigen Demonstranten aufbringen.
Da werden LKWs und Busse umgestürzt und angezündet; da wird mir roher Gewalt, mit Stahlstangen, auf Polizisten eingeschlagen, Molotow-Cocktails geworfen, mit Gewalt in öffentliche Gebäude eingedrungen. Wenn das bei uns in der BRD passieren würde, dann würden alle Medien und Politiker von „Randalieren und gewaltbereiten Chaoten“ sprechen, „gegen die mit aller Härte vorgegangen werden muß.“
Aber die Korrespondentin sagt wörtlich:
„Wenn zwei dieser Oppositionspolitiker jetzt ein Platz in der Regierung angeboten wird, dann wird das den Demonstranten, die seit zwei Monaten in der Kälte ausharren, nicht genügen“;
so, als ob sie diese Gewaltexzesse durch die Randalierer rechtfertigen würde. […]
Der Boxer Klitschkow wird als „Oppositionsführer“ dargestellt […] Daß ihm im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in der BRD Sendezeit zur Verfügung gestellt wird, so daß er gegenüber der ukrainischen Polizei fordern darf, sie solle keine Befehle ausführen und sich nicht auf die Seite von angeblichen „Straftätern“ stellen (er meint damit die Regierung), ist der Gipfel.
[…]
Wenn bei uns ein Oppositionsführer die Polizei aufrufen würde, keine Befehle auszuführen, dann würde er in den Medien dargestellt als einer, der sich auf die Seite von „Randalieren und gewaltbereiten Chaoten“ stellt.
[…]
Das heißt: wenn im Ausland gewaltbereite Straftäter Gewalt ausüben, dann wird das von unseren Politikern und Medien als völlig in Ordnung dargestellt, solange es gegen die Russen geht (oder zumindest gegen eine rußlandfreundliche Regierung). Dann erhalten diese gewalttätigen Straftäter und Brandstifter sogar breite moralische Unterstützung durch unsere Politiker und Medien.
Aber: wenn im Gegensatz dazu friedliche Demonstranten bei uns in der BRD protestieren – aber eben nicht gegen Rußland, sondern gegen die großen Banken, die unsere Demokratie zerstören, 2012 – die „Blockupy“-Proteste, dann werden diese Menschen als angebliche „Randalierer und gewaltbereite Chaoten“ verunglimpft. […]
Als 2007 beim G-8-Gipfel in Heiligendamm (Mecklenburg) tausende Menschen gegen die Politik von Merkel & Co demonstrierten, wurde in den Medien systematisch die folgende Lüge verbreitet: der Redner auf der Tribüne habe angeblich zur Gewalt aufgerufen. Er habe angeblich gesagt:
„Wir müssen den Krieg in die Demonstration hineintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“
Ein komplette Lüge, die von fast allen Medien verbreitet wurde.
In Wirklichkeit sagte der Redner:
„Beim letzten Gegengipfel haben wir in den Arbeitsgruppen das Thema Krieg nicht in die Diskussion mit aufgenommen, denn wir haben uns nur mit wirtschaftlichen Fragestellungen beschäftigt. Wir müssen aber das Thema Krieg mit hineinnehmen, denn ohne Frieden ist alle nichts.“
Also das genaue Gegenteil von dem, was in den Medien verbreitet wurde.
Auch hier war es das Ziel, friedliche Demonstranten, […] die der Macht der großen Konzerne im Wege stehen, zu verunglimpfen […].
Heute hingegen wird die organisierte Gewalt in Kiew, die man angesichts dieser Exzesse nicht einmal mehr nur als gewalttätige Unruhen bezeichnen kann, in den Medien als „Protest“ bezeichnet.
Daß in fast allen Medien nicht darüber berichtet wird (außer im Neuen Deutschland und in der Jungen Welt), daß inzwischen neofaschistische Banden und Organisationen die Gewalttätigkeiten in Kiew bestimmen und bereits antisemitische Forderungen stellen, halte ich nun für völlig verantwortungslos.
[…]
PS:
wir sollten den Russen und ihren Verbündeten dankbar sein, daß sie uns vom Faschismus befreit haben, denn wir Deutschen haben das nicht selber fertiggebracht. Heute, am 27. Januar vor 70 Jahren (1944) wurde die deutsche Blockade Leningrads aufgebrochen. Wir Deutschen sollten also den Russen gegenüber etwas mehr Demut zeigen und ihnen und ihren Partnern nicht permanent vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Fauser
Die Antwort des ZDF, sinngemäß:
„Danke für Ihr Interesse …“, ohne inhaltlich auf meinen Brief einzugehen.
[xxx folgende Abschnitte habe ich für die Zusammenfassung für den 4. Sept. 2025 herausgenommen, damit es nicht zu lang wird xxx]
Ich kann mich noch gut erinnern, daß im Jahr 2002 der damalige US-Präsident Bush, der die völkerrechtswidrigen Angriffskriege gegen Afghanistan (2001) und den Irak (2003) befahl, Berlin besuchte. (Den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 befahl sein Vorgänger Clinton – und wir Deutschen haben jedesmal als gehorsame Vasallen mitgemacht.) Nach offiziellen Angaben protestierten 100.000 Menschen gegen die Politik Bushs. Aber selbst auf einem seriösen Sender wie Phoenix wurde minutenlang – und zwar regelrecht sensationslüstern – darüber berichtet, daß aus dieser Menge der 100.000 Demonstranten eine Flasche geworfen worden sein soll und ob denn vielleicht doch eine Möglichkeit bestünde, daß die „Gewalt“ (!) eskalieren könnte, um eben – wie üblich – die Demonstranten in ein schlechtes Licht zu rücken.
Als hingegen im Sommer 2004, auf dem Höhepunkt der Proteste gegen die menschenverachtenden Hartz-Gesetze, sich nach einigen Wochen Neonazis und die NPD an die Proteste anhängten, um aus diesen Protesten parteipolitischen Nutzen zu ziehen, und gleichzeitig aber die Demonstranten bedrohten; da wurde sofort und geradezu erfreut darüber berichtet, daß angeblich die „Linken und die Rechten“ und „die PDS Seite an Seite mit den Braunen“ demonstrieren würden. Und unsere demokratische Frau Merkel, damals noch nicht Kanzlerin, sagte nach den Landtagswahlen vom 19. September 2004 in Sachsen und Brandenburg in den ZDF-Nachrichten:
„Wichtig ist, daß die Extremen, die sehr stark geworden sind mit über 30% in Sachsen und Brandenburg, bekämpft werden können.“
Auf diese Weise wird seit 1990 die Wahrheit verbogen […].
Ich wünsche mir mehr Sachlichkeit, mehr Ehrlichkeit und vor allem mehr Zivilcourage gegenüber den Mächtigen; und zwar gegenüber den Mächtigen nicht in der fernen Ukraine, sondern in Deutschland. Das wäre sehr gut für unsere Demokratie.
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