Bundesregierung: Russisches Staatsvermögen in der EU für Ukraine-Wiederaufbau enteignen ja, israelisches für Gaza nein

Bundesregierung: Russisches Staatsvermögen in der EU für Ukraine-Wiederaufbau enteignen ja, israelisches für Gaza nein

Bundesregierung: Russisches Staatsvermögen in der EU für Ukraine-Wiederaufbau enteignen ja, israelisches für Gaza nein

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Bundeskanzler Friedrich Merz hat bei der Generaldebatte im Bundestag am 26. November mit Vehemenz erklärt, dass er die im EU-Raum eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank für den Wiederaufbau der Ukraine verfügbar machen will. Auf der Bundespressekonferenz bestätigte sein Sprecher dies und erklärte, das sei „ein ganz wichtiger Schritt“, den die Bundesregierung „mit Hochdruck“ vorantreibe. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung angesichts der enormen Zerstörungen im Gazastreifen und den massiven Finanzlücken für den dortigen Wiederaufbau ähnliche Überlegungen für das Vermögen der israelischen Zentralbank hat. Denn sowohl der Tötungs- als auch der Zerstörungsgrad in Bezug auf zivile Personen und Gebäude liegen in Gaza um ein Vielfaches über den Zahlen in der Ukraine. Von Florian Warweg.

Hintergrund

Israel hat allein im Verlauf der letzten drei Jahre völkerrechtswidrig die souveränen Staaten Libanon, Syrien, Iran und Jemen angegriffen und einen mutmaßlichen Genozid im Gazastreifen zu verantworten. Zudem hält die völkerrechtswidrige Besetzung des Westjordanlandes und von Ost-Jerusalem an.

Nach aktuellen UN-Zahlen (Stand 26. November) hat Israel im Gazastreifen bisher 69.785 Palästinenser getötet, davon 20.179 Kinder und 10.427 Frauen. Das heißt, Kinder machen im sogenannten „Gaza-Krieg“ allein 29 Prozent aller Todesopfer aus. Eine weltweit und historisch einmalige hohe Zahl bei einem kriegerischen Konflikt. Dazu kommen über 170.000 Verletzte, auch darunter überproportional viele Zivilisten und Schwerverletzte.

Zum Vergleich: Im anhaltenden und über 1,5 Jahre länger währenden Krieg in der Ukraine wurden laut UN-Zahlen (Stand Mitte September) bisher 14.383 Zivilisten getötet, darunter 738 Kinder. Dies entspricht rund 5 Prozent aller Todesopfer. Das heißt, die israelische Armee hat innerhalb von zwei Jahren fast sechsfach so viele Kinder getötet wie die russische Armee in 3,5 Jahren.

Ähnlich eklatant sind die Unterschiede bei verletzten Zivilisten (170.965 versus 37.541) und in Bezug auf den Grad an zerstörter ziviler Infrastruktur wie Wohngebäude, Krankenhäuser und Schulen. Während in Gaza beispielsweise 88 Prozent aller zivilen Wohngebäude als beschädigt oder zerstört gelten, schwankt die Zahl für die Ukraine, abhängig von der Quelle, zwischen 8 und 15 Prozent. Statista spricht mit Verweis auf UN-Quellen von 8,6 Prozent, die ZEIT mit Verweis auf eine von US-Aid und dem ukrainischen Kommunikationsministerium finanzierte Studie von 15 Prozent zerstörtem oder beschädigtem Wohngebäudebestand.

Man sollte grundsätzlich aus finanz- und rechtspolitischen Gründen dafür votieren, die Immunität von ausländischem Staatsvermögen im EU-Raum unangetastet zu lassen – aber wie die Bundesregierung angesichts der genannten Zahlen und Hintergründe „argumentieren“ will, dass man ausschließlich russisches Staatsvermögen enteignen will, aber nicht israelisches, wird außerhalb der westlichen Welt nur sehr schwer zu vermitteln sein …

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 26. November 2025

Frage Warweg
Herr Hinterseher, vorhin ist der Umgang mit russischen Assets und deren Nutzung für den Wiederaufbau der Ukraine thematisiert worden. Gibt es auf EU-Ebene Überlegungen, mit Assets der israelischen Zentralbank in der EU einen Teil des Wiederaufbaus von Gaza zu finanzieren?

Hinterseher (AA)
Nein, solche Überlegungen gibt es nicht.

Zusatzfrage Warweg
Darf ich noch nachfragen, wieso nicht?

Hinterseher (AA)
Das ist mir zumindest nicht bekannt.

Zusatzfrage Warweg
Aber gibt es Überlegungen, das anzustreben? Der Zerstörungsgrad in Gaza ist ja immens, wie man so hört, und die Finanzierung des Wiederaufbaus ist nicht ganz gesichert.

Hinterseher (AA)
Ich habe Ihre Frage schon verstanden, aber die Antwort bleibt gleich.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 26.11.2025

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