Wegen Japans militärische Unterstützung für Taiwan: Steigende Spannungen mit China und Deutschland zündelt mit

Wegen Japans militärische Unterstützung für Taiwan: Steigende Spannungen mit China und Deutschland zündelt mit

Wegen Japans militärische Unterstützung für Taiwan: Steigende Spannungen mit China und Deutschland zündelt mit

Christian Wagner
Ein Artikel von Christian Wagner

„Kommt es in der Taiwanstraße zur Gewalt, würde Japan militärisch eingreifen.“ Mit dieser Aussage setzt Japans neue Ministerpräsidentin Sanae Takaichi 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein gefährliches Signal. Auch Außenminister Wadephul verschärft den Ton. Mehr denn je braucht es jetzt Diplomatie und Besonnenheit, bevor die Lage weiter entgleitet. Von Christian Wagner.

Was ist das Kernproblem in den japanisch-chinesischen Beziehungen?

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Taxi in Peking. Der Fahrer, ein älterer Mann, dessen Großvater im Krieg gegen Japan starb, dreht das Radio auf. Die Nachricht über die Erklärung der japanischen Ministerpräsidentin Sanae Takaichi entfacht sofort seine Wut: „Die Japaner wollen wieder Krieg – nach all den Jahren!“ Dabei spielt der genaue Wortlaut oder Kontext von Takaichis Aussage kaum eine Rolle; entscheidend sind die tief verwurzelten, schmerzlichen Erinnerungen der Menschen. Dass Japan bis heute keine umfassende offizielle Entschuldigung für seine abscheulichen Kriegsverbrechen ausgesprochen hat, ist in China kein Randaspekt, sondern ein zentraler Bestandteil nationaler Identität. Jeder Schritt Japans wird durch die Linse historischer Verletzungen betrachtet. Es ist ein Aspekt, der in westlichen Analysen oft unterschätzt wird.

Historisch betrachtet sind Japan und Taiwan für China Sonderfälle. Taiwan, stets als Teil Chinas betrachtet, wurde nach dem Vertrag von Shimonoseki 1895 von Japan annektiert und kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg über die Kairoer und Potsdamer Erklärungen sowie die Kapitulationsurkunde Japans 1945 unter chinesische Verwaltung zurück. Doch diese Verwaltung endete mit der Besatzung separatistischer Kräfte – bis heute. Mit der Gründung der Volksrepublik China 1949 beanspruchte Peking die Insel Taiwan als Teil seines Territoriums, völkerrechtlich bestätigt durch die UN-Resolution 2758 von 1971. 1982 schlug Deng Xiaoping sogar mit „Ein Land, zwei Systeme“ einen Rahmen vor, der Taiwan Autonomie bei gleichzeitiger Rückkehr unter chinesische Souveränität ermöglichen sollte. Formal, rechtlich und historisch ist somit die Insel Teil von China – heute jedoch aufgrund geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen Spielball vieler Nationen, so auch Japans.

Wird Japan wieder eine Militärmacht? Ein Déjà-vu 1931 zu 2025

Japan, das ressourcenarme Inselreich, erlebt ein unheimliches Déjà-vu, das an frühere Krisen erinnert. In den 1930er-Jahren war das Land stark auf Öl, Kohle, Eisen und Nahrungsmittel aus dem Ausland angewiesen. Bevölkerungswachstum und die Große Depression führten zu einer existenziellen Krise. Ohne Expansion drohte wirtschaftlicher Kollaps. Nationalistische Propaganda rechtfertigte den Angriff auf andere Länder als „Befreiung Asiens“ – doch die Realität war brutale Kriegsführung. Ab 1931 besetzte Japan die Mandschurei, ab 1937 China und ab 1941 Südostasien, bis das US-Ölembargo den Angriff auf Pearl Harbor auslöste. Millionen Tote, Atombomben und Besatzung mit einer großen Anzahl an Kriegsverbrechen waren die Folgen, wie das Nanjing-Massaker 1937/1938 mit über 300.000 Toten. Und wie schon erwähnt: Japan entschuldigte sich nie.

Heute, 2025, spiegeln sich ähnliche strukturelle Probleme wider. Japans Wirtschaft stagniert seit über 20 Jahren, belastet von einer Staatsverschuldung von über 260 Prozent des BIP, Deflation und Nullzinspolitik. Die Bevölkerung schrumpft und altert rapide, während fast 100 Prozent der Energie importiert werden müssen. Unternehmen horten Gewinne, investieren jedoch kaum. Soziale Probleme treten nun im Jahr 2025 offen zutage: Straßenprostitution und steigende Kriminalität untergraben das gesellschaftliche Bild Japans. Gleichzeitig verschärfen eine neuartige prekäre Migrationslage und die unsichere US-Sicherheitsgarantie das politische Gleichgewicht. Japan steht erneut vor einem komplexen Spannungsfeld aus wirtschaftlichen, sozialen und geopolitischen Herausforderungen – was nun unter diesen ungünstigen Bedingungen zur militärischen Aufrüstung führt.

Berlins Blockdenken und Wadephuls Warnung

Die Eskalation reicht bis nach Europa. In Deutschland verschiebt sich das außenpolitische Koordinatensystem spürbar, wie die Rede von Außenminister Johann Wadephul beim 40-jährigen Jubiläum des Japanisch-Deutschen Zentrums in Berlin im Herbst 2025 – vor der Rede von Sanae Takaichi – zeigt.

„Angesichts einer ähnlichen historischen Erfahrung überrascht es nicht, dass Japan und Deutschland die Rolle des Militärischen traditionell zurückhaltend werteten. Aber wenn wir heute auf die Lage schauen, im Indopazifik und in Europa, und die Bedrohungen für unsere Sicherheit wahrnehmen, dann sind wir uns einig: Wir müssen mehr Verantwortung für unsere Sicherheit übernehmen, weil deutsche und japanische Sicherheitsinteressen eng miteinander verknüpft sind – auch wenn zwischen Berlin und Tokyo 9.000 Kilometer Flugstrecke liegen. Unsere Länder befinden sich beide an der westlichen bzw. östlichen Flanke eines sich zusehends formenden Blocks aus China und Russland.“

80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ist diese Formulierung alles andere als trivial; sie signalisiert eine wachsende Blockbildung, die Deutschland und Japan als Bollwerk gegen einen vermeintlichen „Block aus China und Russland“ positioniert und dabei eigene historische Ambivalenzen ausblendet. Kurz darauf ist Wadepuhl aufgrund „Terminlicher Probleme“ nicht nach China gekommen. Der Antrag im Bundestag vom 11. November 2025 (Drucksache 21/2719) der Fraktionen CDU/CSU und SPD zur Einsetzung einer Kommission zur Überprüfung sicherheitsrelevanter Wirtschaftsbeziehungen zu China unterstreicht das: Sie soll Wertschöpfungsketten analysieren, Abhängigkeiten in Energie, Rohstoffen und Technologien identifizieren, chinesische Investitionen in kritischer Infrastruktur bewerten, Risiken bei Kooperationen prüfen und internationale Modelle wie Japans einbeziehen, um sogenanntes De-Risking [Risikominimierung – Anm. d. Red.] voranzutreiben.

De-Risking für eine mögliche Kriegsauseinandersetzung mit China?

Der Ausweg: Wandel durch Handel – oder der Preis der Ressourcenarmut

Am Ende zeichnet sich ein vielschichtiges Bild: China, Japan und Deutschland ringen jeweils mit historischen Lasten, innenpolitischen Unsicherheiten und strategischen Fehleinschätzungen. Im Zentrum dieser geopolitischen Matrix steht die Insel Taiwan – ein Ort, an dem rationale Entscheidungen immer wieder von Emotionen, Medienhype und historischen Reflexen überschattet werden. Die Volksrepublik China hat formal und völkerrechtlich Anspruch auf Taiwan und die Wiedervereinigung. Was jedoch die Herzen der Menschen angeht, muss man sich oft die Arbeit machen, die Herzen zu erobern.

In diesem Spannungsfeld kommt Chinas Besonnenheit besondere Bedeutung zu, während emotionale Überhitzung fatale Folgen hätte. Zugleich darf der Westen seine eigene Geschichte nicht außer Acht lassen, wenn er ernsthaft zur Stabilität beitragen will. Genau hier zeigt sich der Mangel an Diplomaten, die nicht Karrieren und Narrative bedienen, sondern Brücken bauen.

Ein Ausweg liegt im Prinzip des „Wandels durch Handel“, wie es frühere deutsche China-Politik war. Deutschland und Japan, beide ressourcenarme Länder, können Konflikte auf Dauer nicht allein bewältigen; ihre Macht ist begrenzt. Die Diskussion um Abhängigkeiten ist bereits absurd. Sie sind nämlich geographisch und naturgegeben: Lithium wächst nicht in Berlin an den Bäumen, Ölquellen sind nicht in Tokios Parks verbuddelt. Eine völlige Entkopplung würde Stagnation und Verfall beschleunigen, während gezielte Kooperation Wandel ermöglichen kann – und notwendig ist, um Stabilität zu gewährleisten und Arbeitsplätze zu sichern. Enge wirtschaftliche Verflechtungen schaffen Vertrauen, dämpfen Eskalationen und bremsen die Spirale aus Misstrauen und Überdehnung.

Die Zeit für echte, emotionsbewusste Diplomatie drängt – bevor rhetorische Konflikte zur harten Realität werden.

Titelbild: hyotographics / shutterstock

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