Neue Studie findet keinerlei Beleg für „russische Spur“ bei Drohnenvorfällen in Westeuropa – Was sagt Bundesregierung?

Neue Studie findet keinerlei Beleg für „russische Spur“ bei Drohnenvorfällen in Westeuropa – Was sagt Bundesregierung?

Neue Studie findet keinerlei Beleg für „russische Spur“ bei Drohnenvorfällen in Westeuropa – Was sagt Bundesregierung?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Niederländische Analysten haben einen Großteil der angeblichen “russischen Drohnen”-Sichtungen der letzten Monate in Europa untersucht. Für Westeuropa wurde kein einziger Fall gefunden, in dem eine Verbindung zu Russland nachgewiesen werden konnte. Ein Großteil der untersuchten “Drohnensichtungen” stellte sich im Nachhinein zudem als optische Fehlsichtungen heraus, zurückzuführen auf Lichter an Hubschraubern, Flugzeuge im Landeanflug und hell leuchtende Sterne. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund unter anderem wissen, welche Rückschlüsse die Bundesregierung aus dieser Studie zieht, da insbesondere Kanzler Merz explizit davon gesprochen hatte, „dass Russland hinter den meisten dieser Drohnen-Flüge steckt“. Von Florian Warweg

Hintergrund

Die niederländische Tageszeitung Trouw hat zusammen mit der Organisation „Dronewatch“ einen Großteil der „Drohnensichtungen“ von September bis November 2025 in der EU analysiert. Ihr Ergebnis:

“In den meisten Fällen wurde nie eine Drohne bestätigt – und es gibt fast keine konkreten Hinweise auf eine Beteiligung ausländischer Akteure.“

Für Westeuropa fanden die niederländischen Analysten keinen einzigen Fall, in dem eine Verbindung zu Russland nachgewiesen werden konnte. „Belegte Fälle“ beschränken sich auf drei Drohnenvorfälle in Polen und Moldau, bei denen mutmaßlich fehlgeleite russische Drohnen in den dortigen Luftraum eingedrungen waren. Die meisten der 61 analysierten “Drohnensichtungen” waren zudem laut der Analyse gar keine Drohnen, sondern stellten sich im Nachhinein als Fehlsichtungen heraus: Lichter an Hubschraubern, Flugzeuge im Landeanflug, hell scheinende Sterne etc..

In der Einleitung der Studie heißt es dazu:

„Seit Monaten wird Europa durch Berichte über Drohnen in der Nähe von Flughäfen, Häfen und Militärstandorten beunruhigt. Die Warnmeldungen führten zu öffentlicher Besorgnis, vorübergehenden Schließungen und Spekulationen über eine Beteiligung Russlands. Eine Analyse von mehr als sechzig Vorfällen durch Trouw und Dronewatch zeichnet jedoch ein anderes Bild: In den meisten Fällen wurde nie eine Drohne bestätigt – und es gibt fast keine konkreten Hinweise auf eine Beteiligung ausländischer Akteure.“

Aufschlüsselung aller 61 analysierten Drohnen Meldungen

  • Weißer Kreis: Keine Drohne, anderes Objekt – Anzahl:14
  • Blauer Punkt: Keine Beweise / Herkunft unbekannt – Anzahl: 41
  • Orangener Punkt: Bestätigte russische Drohne – Anzahl: 3
  • Graues Viereck: Bestätigte Hobby- oder Touristendrohne – Anzahl: 3

Quelle: Dronewatch

Bundesregierung und Kanzler heizen Drohnenhysterie ohne jede faktische Grundlage weiter an

Ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen der Studie stehen die regelmäßen Äußerungen führender Regierungspolitiker von CDU und SPD, die bis heute im Kontext von „hybrider Bedrohung“ auf Russland als verantwortlich für die meisten der „Drohnenvorfälle“ verweisen.

So erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz im Interview mit der ARD-Moderatorin Caren Miosga die Drohnensichtungen zu einer „ernsthaften Bedrohung unserer Sicherheit“ und erwähnte in diesem Zusammenhang namentlich die Flughäfen in Frankfurt und Kopenhagen Anfang Oktober 2025:

Außer dem Flughafen München sind in den vergangenen Tagen auch Frankfurt und Kopenhagen betroffen gewesen. Unsere Vermutung ist, dass Russland hinter den meisten dieser Drohnen-Flüge steckt. Diese Bedrohung kommt von denen, die uns testen wollen”.

Bereits zum Zeitpunkt der Äußerung von Kanzler Merz war bereits bekannt, dass der Drohnenvorfall am 3. Oktober am Frankfurter Flughafen auf einen 41-jährigen „Hobbydrohnenpiloten“ zurückzuführen war. Ein Pressesprecher der Bundespolizei hatte dazu bereits am 4. Oktober erklärt, der Mann habe „nach aktuellen Erkenntnissen seine neu erworbene Drohne kurz testen“ wollen. Weiter führte der Sprecher aus, dass es „keine Hinweise auf Verbindungen des festgenommenen 41-Jährigen zu Russland“ gegeben habe.

Eine Sprecherin der Flugabwehrraketengruppe 21 (FlaRakGrp 21) der Bundeswehr sah sich sogar gezwungen, Medienberichte des SPIEGEL zu angeblichen Drohnenflügen über Flugabwehrstellungen umfassend zu dementieren:

Am Standort Sanitz sowie an den weiteren Standorten der FlaRakGrp 21 gab es entgegen der Medienberichte keine registrierten Drohnenüberflüge.“

Ähnlich äußerte sich auch Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und erklärte, dass bei einem Großteil der Sichtungen in ihrem Bundesland Experten illegale, kritische Drohnen-Überflüge mittlerweile ausschließen würden.

Verbaler Rückwärtsgang auch in Dänemark

Ähnlich fragwürdig sind die entsprechenden Äußerungen von Merz in Bezug auf die angeblichen „Drohnen“-Vorfälle rund um den Kopenhagener Flughafen zu bewerten. Zwar hatte Ende September Mette Frederiksen, die sozialdemokratische Ministerpräsidentin, explizit von einem „Drohnenangriff“ und Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen von einer „hybriden Attacke“ gesprochen und dabei explizit Bezug zu Russland hergestellt. Eine Woche später allerdings, am 4. Oktober, also einen ganzen Tag vor den Aussagen von Merz bei Miosga, berichtete die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Dänemarks, DR, von einer Pressekonferenz des Verteidigungsministers sowie des Chefs des dänischen Militärgeheimdienstes, Thomas Ahrenkiel, und dass dabei im Vergleich zur letzten Woche eine „spürbare Veränderung in der Rhetorik, insbesondere seitens des Verteidigungsministers“, festgestellt werden konnte. Verteidigungsminister Poulsen hatte auf der Pressekonferenz recht kleinlaut erklärt:

Ich glaube, die Lehre aus dem, was wir in Bezug auf Drohnenbeobachtungen gesehen haben – oder was wir jetzt eher als Luftbeobachtungen bezeichnen –, ist, dass es viele verschiedene Dinge erfordert, um ganz genau zu sehen, ob es sich um eine Drohne oder um andere Objekte handelt.“

Auf die aktuelle Frage der NachDenkSeiten auf welcher faktischen Grundlage, die Bundesregierung bis heute, trotz fehlender Belege, einen Großteil der Drohnensichtungen eine russische Involvierung zuschreibt, erwiderte Vizeregierungssprecher Meyer, dass genau dies „der Wesenszug von hybriden Angriffen“ sei, dass man nicht genau wisse wer dahinter stecke:

„Der Wesenszug von hybriden Angriffen ist ja genau, dass damit Unsicherheit geschürt werden soll, dass dann immer einmal wieder in Frage gestellt werden soll, wer denn eigentlich genau dahintersteckt. (…). Ich kann jedenfalls noch einmal sagen, dass die hybride Bedrohung, die aus Russland ausgeht, in keiner Weise kleingeredet werden sollte, in keiner Weise. Die ist sehr real. Das stützt sich natürlich auf alle möglichen Informationen, die wir in unterschiedlichen Bereichen haben. Ich glaube, daran gibt es auch überhaupt keinen Zweifel.“

Diese hochoffizielle Darstellung der Bundesregierung lässt sich wie folgt zusammenfassen: ‚Im Zweifel war es halt der Russe…‘.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 3. Dezember 2025

Frage Warweg
Herr Meyer, Sie hatten gerade noch einmal von hybriden Angriffen Russlands und im Kontext damit auch vom Eindringen in den Luftraum gesprochen. Jetzt wurde erst kürzlich eine umfassende Studie von einer niederländischen Tageszeitung und einer anderen niederländischen Organisation veröffentlicht, die sich explizit den Drohnensichtungen gewidmet haben. Die sind zum Schluss gekommen, dass von den Drohnensichtungen von September bis heute zumindest in Westeuropa keine einzige Russland zugeschrieben werden könne. Ein Großteil wurde tatsächlich auf Hubschrauber, hell leuchtende Sterne, etc. zurückgeführt.

Vorsitzende Hamberger
Könnten Sie bitte zur Frage kommen?

Zusatzfrage Warweg
Ja. Ganz kurz zur Einleitung ein bisschen Kontext für Herrn Meyer! – Die Frage dahinter lautet, ob der Bundesregierung diese Studie vorliegt und was der Kanzler denn für Rückschlüsse daraus zieht, auch eingedenk seiner recht expliziten Aussagen, in denen er tatsächlich explizit von einer sehr wahrscheinlich russischen Täterschaft bei diesen drohenden Vorfällen gesprochen hat, etwa am 5. Oktober.

Vizeregierungssprecher Meyer
Mir ist diese Studie nicht bekannt. Aber es ist schon eine gewagte These, die hybriden Bedrohungen, die von Russland ausgehen, hier einmal eben mit einem Federstrich oder auch mit Verweis auf Berichterstattung so zur Seite zu wischen.

Zuruf Warweg
Das habe ich nicht getan. Ich habe nur auf die Drohnenproblematik verwiesen.

Meyer
Das ist der Eindruck, der bei mir in der Frage entstanden ist, wie Sie sie an mich gestellt haben.

Zuruf Warweg
War falsch!

Meyer
Ich kann jedenfalls noch einmal sagen, dass die hybride Bedrohung, die aus Russland ausgeht, in keiner Weise kleingeredet werden sollte, in keiner Weise. Die ist sehr real. Das stützt sich natürlich auf alle möglichen Informationen, die wir in unterschiedlichen Bereichen haben. Ich glaube, daran gibt es auch überhaupt keinen Zweifel.

Zusatzfrage Warweg
Aber ich habe noch eine Verständnisfrage sowohl an Sie, Herr Meyer, als auch an Herrn Müller. Jetzt war diese Drohnenthematik in den letzten Monaten ja wirklich sehr präsent, auch immer mit Verweis auf Russland. Deswegen würde mich interessieren, wie viele Belege in der Rückschau denn mittlerweile, Anfang Dezember 2025, der Bundesregierung dafür vorliegen, dass es sich tatsächlich um Drohnen, die auch in irgendeinem Kontext zu Russland stehen, gehandelt hat?

Meyer
Ich würde noch einmal einen Satz sagen: Der Wesenszug von hybriden Angriffen ist ja genau, dass damit Unsicherheit geschürt werden soll, dass dann immer einmal wieder in Frage gestellt werden soll, wer denn eigentlich genau dahintersteckt. Wir erleben bei diesen hybriden Angriffen, wie gesagt, in der gesamten Bandbreite – Cyberangriffe, auch Desinformationen und andere Dinge, die wir dort sehen -, dass die für Verunsicherung sorgen sollen. Die sollen sicherlich auch Einfluss auf Entscheidungen nehmen, die in Europa getroffen werden. Wie gesagt, ich warne wirklich davor, diese Gefahr kleinzureden. Wie gesagt, der Wesenszug von hybriden Angriffen ist ja genau, diese Unsicherheit zu erzeugen, die vielleicht auch in Ihrer Frage ein bisschen mitschwang. Aber vielleicht sagt Herr Müller noch einmal etwas zum Konkreten.

Müller (BMVg)
Genau, ich wollte auch auf den Wesenszug dieser hybriden Bedrohung eingehen. Eine Auswertung eines Onlineportals einer niederländischen Zeitung ist für uns, finde ich, nicht maßgeblich für eine Bewertung. Das sage ich ganz eindeutig.

Zuruf Warweg
Ich habe ja nach Ihren Beispielen gefragt!

Müller (BMVg)
Lassen Sie mich bitte ausreden, das wäre sehr freundlich. Danke sehr. – Wir nutzen für ein Gesamtlagebild natürlich eine vielfältige Informationsbreite. Dazu gehören auch Nachrichten und Erkenntnisse unserer Partner und unserer eigenen Quellen, die andere nicht haben. Natürlich nutzen wir darüber hinaus Informationen, die sich mittelbar ergeben, also über die Technik, über Zielobjekte, was genau in welchem Umfang vorgefallen ist. Daraus ergeben sich Korrelationen, und daraus leiten wir unsere Bewertungen ab. Ich sehe aktuell keinen Grund, aus dem wir unsere Bewertungen der letzten Monate korrigieren müssten.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 03.12.2025

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