Israels Krieg – es ist hoffnungslos

Israels Krieg – es ist hoffnungslos

Israels Krieg – es ist hoffnungslos

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Nachdem Israel gestern einen Luftangriff auf das Hamas-Verhandlungsteam in Katar ausgeführt hat, haben sowohl im Westen als auch in der arabischen Welt einmal mehr altbekannte Rituale eingesetzt. Man vergießt Krokodilstränen und tut so, als sei man empört – Schlafwandler und Phrasendrescher. Israels ewige Schutzmächte USA und Deutschland sowie arabische Staatschefs, denen das Schicksal der Palästinenser herzlich egal ist, gehören zum festen Repertoire der einstudierten Empörung. Und sage noch mal wer, „wir“ hätten aus der Geschichte gelernt. Ein desillusionierter Kommentar von Jens Berger.

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Die Herren Merz und Wadephul sind erstaunt. Der Angriff auf Katar sei nicht vom Völkerrecht gedeckt gewesen! Ei der Daus! Waren Israels Angriffe auf iranischen, libanesischen, syrischen, jemenitischen und erst gestern vermeintlich auch auf tunesischen Boden etwa durch das Völkerrecht gedeckt? Ist der Völkermord in Gaza durch das Völkerrecht gedeckt? Man muss diese rhetorischen Fragen nicht ernsthaft diskutieren, sondern sollte erstaunt sein, dass ein deutscher Kanzler und ein deutscher Außenminister mit ihren gespielten wie absurden Erstaunensäußerungen überhaupt durchkommen.

Und nun? Sind die beiden Politgranden jetzt so erstaunt, dass sie ihrem Erstaunen auch Taten folgen lassen? Werden sie sich jetzt beispielsweise auf EU-Ebene für eine Aussetzung des Assoziationsabkommens einsetzen? Natürlich nicht. Erstaunen hin, Erstaunen her. Selbst wenn die EU-Kommission nun Maßnahmen vorschlägt, wird Deutschland dies sicher zu blockieren wissen. Israel hat eine Carte blanche bei allem, was es tut. Das ist ja angeblich unsere Staatsraison. Ist das so? Mich hat keiner gefragt. Sie etwa?

Aber damit sind wir nicht allein. Auch in den USA wird ja regelmäßig die gleiche Tragikomödie gespielt. Man ist erstaunt, brabbelt ein paar kritische Worte und setzt daraufhin doch wieder all seine politische, militärische und wirtschaftliche Macht ein, um Israel zu schützen. Ganze 49 Mal haben die USA bereits im UN-Sicherheitsrat durch ihr Veto eine ansonsten einstimmige Resolution gegen Israel verhindert. Da kann UN-Generalsekretär Guterres den Angriff auf Katar noch so oft eine „flagrante Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Katars” nennen und da können Staaten wie Algerien und Pakistan noch so oft den UN-Sicherheitsrat wegen des Angriffs anrufen – Folgen wird dies ohnehin nicht haben, da die USA wieder einmal ihr Veto einlegen und Israel vor den Folgen seiner Verbrechen beschützen werden.

Öffentlich zelebriert wird auch wieder das alte Spiel „Wer wusste von was“. Wusste Trump Bescheid? Wussten die Kataris Bescheid? Ist das überhaupt relevant? Wenige Stunden nach dem Angriff hatte Katar zumindest nichts Besseres zu tun, als seine Vermittlerrolle zwischen Israel und der Hamas aufzukündigen – so lange, bis „beide Parteien ihre Bereitschaft und Ernsthaftigkeit zeigen, den brutalen Krieg zu beenden“. Also bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Einen größeren Gefallen könnte Katar der israelischen Regierung gar nicht machen. Nun kann Netanjahu darauf verweisen, dass es seitens der Hamas gar kein Verhandlungsangebot gäbe und die leidige – vor allem in Israel heiß debattierte – Frage, warum man keine Verhandlungen über die immer noch verschleppten Geiseln führe, stellt sich nicht mehr. Mission accomplished. Zwar haben die israelischen Angriffe – arabischen Medien zufolge – die Hamas-„Führungsspitze“ in Katar verfehlt, ihr Ziel – den letzten Verhandlungsdraht zu kappen – haben sie dennoch erfüllt.

Aber ja. Die Araber. Auch die arabischen Staats- und Regierungschefs geben sich im Ticker von Al-Jazeera mal wieder ganz empört. Und täglich grüßt das Murmeltier. Werden dieser Empörung irgendwelche Taten folgen? Natürlich nicht. Die Palästinenser sind den arabischen Regierungen mittlerweile herzlich egal. Dennoch stellt die „palästinensische Frage“ für sie einen Ritt auf der Rasierklinge dar, fühlen sich ihre Untertanen doch mit den Palästinensern verbunden. Wie viel davon nun ritualisierter Klimbim und wie viel ernstzunehmende Empörung ist, ist von außen freilich schwer zu sagen.

Die Palästinenser sind – so hart das klingt – die Opfer einer zynischen Realpolitik. Der Völkermord wird dem „größeren Interesse“ untergeordnet. Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt? In der Schule haben wir damals Rolf Hochhuths Drama „Der Stellvertreter“ besprochen, in dem es um das Schweigen des Papstes zum Holocaust geht. Aber es war ja nicht nur der Papst, irgendwie war damals die ganze politische Welt trotz besseren Wissens eher ambivalent in dieser Frage. Damals waren wir Schüler uns einig – sowas wird nie wieder passieren. Nie wieder? Wie naiv wir doch waren.

Titelbild: e-crow/shutterstock.com