Urteilsverkündung in Sachen Ulrike Guérot

Urteilsverkündung in Sachen Ulrike Guérot

Urteilsverkündung in Sachen Ulrike Guérot

Maike Gosch
Ein Artikel von: Maike Gosch

Heute wurde das Urteil im Berufungsprozess in Sachen Ulrike Guérot veröffentlicht. Das Landesarbeitsgericht Köln hat darin die Berufung Guérots zurückgewiesen und die Kündigung der Politikwissenschaftlerin und Autorin durch die Universität Bonn bestätigt. Wir haben mit Ulrike Guérot und ihren Anwälten gesprochen. Ein Artikel von Maike Gosch.

Die Universität Bonn hatte Guérot im Februar 2023 wegen Plagiatsvorwürfen gekündigt. Dagegen klagte diese, doch das Arbeitsgericht Bonn wies ihre Klage in erster Instanz ab. Hiergegen richtete sich die Berufung, die aber nun auch zurückgewiesen wurde. Eine Revision wurde nicht zugelassen, sodass der Rechtsweg zunächst erschöpft ist (bis auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsklage).

Ulrike Guérot erklärt im Gespräch mit den NDS:

„Ich nehme das Urteil zur Kenntnis, halte es jedoch sowohl juristisch als auch politisch für fragwürdig. Die Entscheidung betrifft nicht nur meine Person, sondern stellt grundsätzliche Fragen zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit und abweichender Meinung im akademischen Raum. Meine Anwälte und ich werden die Begründung daraufhin prüfen, ob wir dagegen Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht einlegen.“

Und sie ergänzt:

„Das LAG hat übrigens rechtswidrig darauf verzichtet, die Urteilsbegründung bereits jetzt vorzulegen, weswegen wir noch warten müssen, um das Urteil inhaltlich prüfen zu können.“

Dann fügt sie noch hinzu:

„Ich habe in den letzten Stunden viel Zuspruch bekommen aus Frankreich, den Niederlanden, Portugal und Italien, es gab also eine europaweite Anteilnahme. Und es zeigt auch: Das Urteil wird europaweit beobachtet und fällt vielen auf.“

Die Begründung des Urteils liegt tatsächlich noch nicht vor, was laut Guérots Anwalt Rainer Thesen unüblich sei und auch dem Gesetz widerspreche. Er verweist auf § 310 Abs. 2 ZPO (Zivilprozessordnung), der besagt:

„(2) Wird das Urteil nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, so muss es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefasst sein.“

Die mündliche Verhandlung hatte bereits im Mai und Juni 2025 stattgefunden, sodass § 310 Abs. 2 einschlägig sein dürfte.

„Ich bin seit fast 50 Jahren als Anwalt zugelassen, aber das habe ich noch nicht erlebt“, kommentiert Thesen.

Auf unsere Nachfrage zu diesem Vorgehen erklärte die Pressedezernentin des LAG Köln, dass es sich hierbei um einen regulären Vorgang handele, da die Urteilsbegründung zunächst verfasst und dann den Parteien zugestellt werden müsse und dies einige Zeit in Anspruch nehme. Auf mehrfache Nachfrage nach einem Zustellungstermin erklärte sie, dass es mit der Verfassung und Zusendung der Urteilsgründe nicht mehr allzu lange dauern sollte.

In der Pressemitteilung des Gerichts werden zumindest kursorisch als Gründe für die abschlägige Entscheidung benannt:

„Das Landesarbeitsgericht entschied, die Klägerin sei bereits im Rahmen des Bewerbungsverfahrens verpflichtet gewesen, wahrheitsgemäße Angaben zu den Tatsachen zu machen, die ihre Eignung für die ausgeschriebene Stelle als Professorin begründen und nur solche Werke als habilitationsadäquate Arbeiten vorzulegen, die den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis entsprächen. Durch die Vorlage einer mit Plagiaten behafteten Veröffentlichung habe die Klägerin diese Pflichten verletzt. Nach Überzeugung der Kammer habe die Klägerin dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Werk nicht den wissenschaftlichen Standards genügte. Dies sei insbesondere durch die Anzahl nicht ausreichend gekennzeichneter Übernahmen aus anderen Publikationen belegt.“

Nach einer mündlichen Verhandlung, in der die Richter keinen Hinweis gegeben hatten, in welche Richtung sie tendierten, schien der Ausgang des Prozesses zunächst offen. In dem Vergleichsvorschlag des Gerichts, den Frau Guérot ablehnte, weil er keine Zurücknahme der Plagiatsvorwürfe durch die Universität Bonn enthielt, hatte allerdings die ungewöhnliche Höhe der angebotenen Abfindung bei Frau Guérot und ihren Vertretern die Erwartungen geweckt, dass das LAG die Kündigung ähnlich skeptisch betrachtete wie sie. Die Enttäuschung über das Urteil ist dementsprechend groß.

Guérots Anwalt, Rainer Thesen, wollte sich zu dem Urteil noch nicht inhaltlich äußern, ohne die Begründung vorliegen zu haben und auf die rechtlichen Argumente eingehen zu können. Die Anwälte sowie Frau Guérot erwarten die Urteilsbegründung nun mit Spannung.

Wir werden über den weiteren Verlauf berichten und voraussichtlich nächste Woche einen Text von Frau Guérot hierzu veröffentlichen.

Titelbild: Screenshot ZDF

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!