Haste mal`ne Million? So ein Elend aber auch mit all dem Reichtum …

Haste mal`ne Million? So ein Elend aber auch mit all dem Reichtum …

Haste mal`ne Million? So ein Elend aber auch mit all dem Reichtum …

Ein Artikel von Ralf Wurzbacher

Den 500 vermögendsten Deutschen gehören 1,16 Billionen Euro. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Milliardäre. Das neueste Reichenranking des Manager Magazins ist ein Lehrstück in puncto Umverteilung. Während die Profiteure feiern, schwelgen und prassen, müssen sich immer größere Teile der Bevölkerung in Verzicht üben. Der Bundeskanzler will, dass das so bleibt. von Ralf Wurzbacher.

Deutschland, die ausgepresste Republik. Am Freitag vermeldete die Volksstimme (hinter Bezahlschranke) einen „Negativrekord“ bei der Zahl derer, die im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt auf Unterstützung der Tafeln angewiesen sind. Das zweite Jahr in Folge gingen mehr Menschen in Staßfurt, Hecklingen und Schönebeck zur Armenspeisung. Schon vor elf Monaten hatte dieselbe Zeitung von einer „Verdreifachung der Nutzerzahlen in vier Jahren“ berichtet. Allerdings falle es den Aktiven immer schwerer, genügend Lebensmittelspenden aufzutreiben.

Es wäre ein Leichtes für Dieter Schwarz, der Misere ein Ende zu setzen. Er ist Gründer und Firmenpatriarch der Schwarz-Gruppe mit der Lebensmittelkette Lidl als profitabelstem Pferd im Stall. Sein Vermögen wird auf 46,5 Milliarden Euro geschätzt, womit er einmal mehr seine Spitzenposition als reichster Deutscher behauptet. Der 86-Jährige ist so etwas wie das personifizierte Kontrastprogramm zwischen Reich und Arm. Sein Reibach gründet darauf, dass die Lebensumstände der breiten Bevölkerung in diesem und etlichen anderen Ländern, wo sein Konzern agiert, in den vergangenen Jahrzehnten immer schlechter geworden sind. Mit seinem „Billigkonzept“, das sukzessive teurer wurde, hat er es verstanden, sich in geradezu obszöner Manier an der wachsenden Not der Vielen zu bereichern, zum Schaden von „Gesellschaft, Umwelt und Klima“.

Krümel für die Massen

Das Prinzip dahinter heißt Umverteilung. Das, was den Massen genommen wird, reißen einige Wenige an sich. Dieses Geschäft erledigen willfährige Politiker und nennen es „Reformen“. Das am Donnerstag vom Manager Magazin veröffentlichte Ranking der 500 reichsten Deutschen (hinter Bezahlschranke) zeigt, wie der Hase läuft. Wieder einmal gibt es mehr Milliardäre als im Jahr davor, sieben Stück. Mit 256 an der Zahl stellen sie erstmals über die Hälfte der Riege der Hochbegüterten. Die Rangliste des Wirtschaftsblatts ist zum 25. Mal erschienen – Jubiläum. Seit 2001 hat sich das Gesamtvermögen der Top 100 von 263 Milliarden Euro auf 758 Milliarden Euro nahezu verdreifacht. Dagegen schaffte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lediglich eine Verdopplung. Was belegt: Vom ganzen Kuchen beißen sich die Superreichen immer größere Stücke ab. Der Normalbürger hat sich mit Krümeln zu begnügen.

Schwarz hat sein Haben in einem Jahr um knapp drei Milliarden Euro vermehrt. Auf Platz zwei und drei folgen die BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt mit schätzungsweise 36,1 Milliarden Euro, sowie die Familien Albrecht und Heister, die hinter Aldi Süd stehen, mit rund 27,7 Milliarden Euro. Die Merck-Familie, reich geworden durch den gleichnamigen Pharma- und Chemiekonzern, ist auf Rang vier abgerutscht. Die Mercks werden bei einem Verlust von neun Milliarden Euro als „größter Verlierer“ gehandelt. Bei verbleibenden fast 25 Milliarden Euro erscheint das verkraftbar.

Leidgeplagte Geldsäcke

Für die Liste recherchiert das Magazin unter anderem in Archiven und Registern sowie bei Vermögensverwaltern, Anwälten und Bänkern. In die Betrachtung kommen etwa Beteiligungen, Grund- und Immobilienbesitz, Aktien und Kunstobjekte. Außerdem wird das in Familien- oder Unternehmensstiftungen zur Steuervermeidung verlegte Vermögen berücksichtigt. Treiber der Entwicklung war vor allem die Börse. Der Deutsche Aktienindex legte bis September 2025 im Jahresrückblick um 27 Prozent zu. Nach einem kurzen Dämpfer im Spätsommer ging die DAX-Rallye munter weiter und erreichte gerade wieder ein „neues Rekordhoch“. Den Profiteuren dürfte es mittlerweile also noch einmal besser gehen.

Aber nicht jeder lässt das raushängen. „Reiche rechnen sich gerne arm“, hält das Manager Magazin in einem Begleittext zum Ranking fest. Nicht wenige Milliardärsfamilien verpflichteten ihre Sprösslinge sogar in detaillierten Familienverfassungen dazu, „keine protzigen Autos, Jachten oder Rennpferde spazieren zu führen“. Von Schwarz sei bekannt, dass er zur Fortbewegung in Heilbronn einen Mercedes nutze, „aber bitte ein älteres Modell“. Man könnte fast Mitleid empfinden für die, die beim Geldzählen nicht mehr mitkommen. „Wir (…) rechnen tendenziell konservativ“, schreiben die Macher des Rankings. Nur manchmal überholten die Preise am Markt „unsere Schätzungen in Raketengeschwindigkeit“. Diesmal ging es wohl eher gemächlich zu. Das Buchvermögen der Top-500 legte um 2,9 Prozent auf 1,16 Billionen Euro zu. Beim Spiegel läuft die Größenordnung unter „kaum noch gewachsen“.

Kapital bewegt

„Wie ist es den hiesigen Reichen in den vergangenen zwölf Monaten ergangen?“, fragt das Manager Magazin. Antwort: „Ganz passabel, aber die Nervosität wächst. Stichwort: Trump.“ In vielen Fällen fänden sich „pumperlgesunde Zahlenwerke mit properen, manchmal fast unanständig hohen Gewinnmargen, fetten Cashbeständen und wuchernden Eigenkapitalquoten“. Wer aber tiefer bohre, stoße auf „große Verunsicherung“ wegen der US-Zölle, angespannter Absatzmärkte und der Strukturkrise in der deutschen Automobilbranche. Wehe, Volkswagen kriegt nicht mehr die Kurve. Dann gehen ruck-zuck ein paar Millionen flöten von den Tausenden, die man davon hortet. Deshalb besser gleich auf Rüstungsaktien umsatteln und VW im Regen stehen lassen, worauf das Management mit forciertem Rausschmiss der Belegschaft antwortet, um den Laden wieder in die Spur zu bringen. Mit Kapital lässt sich einfach so viel „Gutes“ tun ….

Zumal in größerem Maßstab. Nach einem ebenfalls am Donnerstag vorgelegten Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam sind die Vermögen von Milliardären innerhalb der Europäischen Union im ersten Halbjahr 2025 um 405 Milliarden Euro auf 2,3 Billionen Euro gestiegen. Im März lebten demnach EU-weit 487 Superreiche, 39 mehr als ein Jahr zuvor, womit im Schnitt alle neun Tage ein neuer dazukam.

3.600 gegen 181 Millionen

Gemäß der Analyse nennen die reichsten 3.600 Menschen der EU so viel ihr Eigen wie die ärmsten 181 Millionen Menschen zusammen. Das entspricht in etwa der Gesamtbevölkerung Deutschlands, Italiens und Spaniens. Andererseits entfielen in erster Linie auf normale Bürger über 80 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Lediglich neun Prozent tragen demnach Unternehmen bei und gerade einmal 0,4 Prozent stammen aus Vermögenssteuern. Bloß Spanien nutzt dieses Instrument, während 1990 noch neun Staaten darauf setzten, darunter auch Deutschland. Zehn Länder verzichten sogar gänzlich auf Erbschaftssteuern. Eine EU-Vermögenssteuer von bis zu fünf Prozent für Millionäre und Milliardäre würde laut Report jährlich 286,5 Milliarden Euro einbringen.

Zitiert wird in einer Medienmitteilung Chiara Putaturo, EU-Steuerexpertin bei Oxfam. Europa bringe Milliardäre in Rekordzahl hervor, während Millionen Europäer Schwierigkeiten hätten, über die Runden zu kommen. „Diese Ungleichheit ist kein Zufall.“ So sieht dies auch Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Während der Reichtum ungebremst zunehme, kämpften Kommunen mit Milliardendefiziten, maroder Infrastruktur und sinkender Leistungsfähigkeit im Bildungs-, Gesundheits- und Pflegesektor. „Hier läuft gewaltig etwas schief.“

Merz lügt und darbt

Der VdK ist Teil eines breiten Bündnisses aus Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, Umweltorganisationen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich mit einem gestern veröffentlichten Aufruf für eine „gerechte Besteuerung“ hoher Vermögen starkmachen. Laut Umfragen unterstützt eine breite Mehrheit der Bevölkerung dieses Anliegen.

Der Bundeskanzler gehört nicht dazu. Er meint, eine Vermögenssteuer sei verfassungswidrig, weil sie „gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt“. Das ist zwar Unsinn, aber auch egal. Friedrich Merz’ (CDU) Vermögen wird übrigens auf zwölf Millionen Euro geschätzt. Arme Sau! Hat wer mal ein Milliönchen für ihn?

Titelbild: Prazis Images/shutterstock.com