Positionspapier der evangelischen Kirche: Grünes Licht für Kriegstüchtigkeit

Positionspapier der evangelischen Kirche: Grünes Licht für Kriegstüchtigkeit

Positionspapier der evangelischen Kirche: Grünes Licht für Kriegstüchtigkeit

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Unter dem Titel Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick. Evangelische Friedensethik angesichts neuer Herausforderungen hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Positionspapier veröffentlicht. Der Medienmainstream applaudiert – verständlich. Die Schrift wirkt, als käme sie direkt aus dem Bundestag. Grundsätzlich ist die evangelische Kirche, so wie die Politik, selbstverständlich für Frieden, aber … Mit frommen Worten und theologischer Raffinesse positioniert sie sich aber auf eine Weise, dass sie der vorherrschenden Konfrontations- und Aufrüstungspolitik als Steigbügelhalter dient. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

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Sieben Mal kommt in dem rund 150 Seiten umfassenden Positionspapier der Name Jesus vor. Das ist bemerkenswert wenig. Fast wirkt es so, als wolle jene Kirche, die sich in ihrem Christentum doch auf Jesus zu stützen hat wie keine andere, sich in einer gewissen – formulieren wir es höflich – Zurückhaltung üben. Wer sich das gerade von der Evangelischen Kirche veröffentlichte Positionspapier anschaut, versteht schnell, warum das so ist. Wie kann eine Kirche den Weg des Friedens mit Jesus gehen, wenn sie gleichzeitig dem größten Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik nicht im Weg stehen will? Wie kann eine Kirche eine an Jesus orientierte Friedenshaltung darlegen, wenn sie sogar dem politischen Großvorhaben „Kriegstüchtigkeit“ mit atemberaubender Gedankenakrobatik ihren Segen erteilen will?

Man muss nicht einmal die Bibel gut kennen, um zu verstehen: Das würde sehr schwierig werden. Doch damit keine Missverständnisse entstehen: Auch ein solches Unterfangen wäre dieser Evangelischen Kirche zuzutrauen. Ob auf den rund 150 Seiten nur siebenmal der Name Jesus auftaucht oder tausendmal: Am Ende stünde – „Überraschung“! – dort zu lesen, was auch nun da steht. Denn eines ist klar: Diese Kirche will sich nicht gegen die vorherrschende Politik stellen. Diese Kirche will das tun, was längst als „gute“ alte Kirchentradition bezeichnet werden darf: Der Politik zur Seite stehen – auf eine furchtbar scheinfromme Weise.

Da erdreistet sich diese Kirche tatsächlich, auf das Jesu-Gebot der Feindes- und Nächstenliebe einzugehen und davon zu sprechen, dass genau dieses Gebot ihr „ethisches Leitbild“ sei, während sie ein lautes, eindeutiges „Waffen nieder!“ im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine nicht über ihre Lippen bekommt. Da gebraucht diese Kirche sagenhafte 22 Mal den Begriff „Wehrpflicht“, aber sie erhebt kein einziges Mal ihre Stimme gegen die teils brutalen Zwangsrekrutierungen in der Ukraine, die in unzähligen Videos festgehalten wurden. Und es wird noch „besser“: Nicht einmal „präventive“ Militärschläge verurteilen die „Repräsentanten“ Gottes:

Wenn friedliche Mittel der Konfliktbearbeitung ausgeschöpft sind und bewaffnete Gegenwehr die einzig verbleibende Möglichkeit zur Abwehr einer existenziellen Bedrohung darstellt, kann aus ethischer wie völkerrechtlicher Perspektive eine präventive militärische Reaktion gerechtfertigt sein.

Besser hätte es kein NATO-Vertreter formulieren können. So geht es weiter, Zeile um Zeile. Frieden? Ja! Selbstverständlich! Gewiss! Immer! Aber!

So wird das nichts mit einer kirchlichen Friedensposition, die diesen Namen verdient. Was diese Kirche hier abliefert, ist ein Eiertanz, der nun mal aufgeführt werden muss, wenn der fromme Schein nicht verloren gehen darf und der Politik zugleich die Stange zu halten ist.

Insofern Kriegstüchtigkeit auf die Bereitschaft zielt, die eigenen Werte auch unter Androhung und im äußersten Fall unter Einsatz ethisch verantworteter Gewalt zu verteidigen, nimmt dieser Terminus ein Anliegen auf, das mit der hier entwickelten Position vereinbar ist.

Eine Kirche, die sich wahrlich für Frieden einsetzen will, würde der Politik bei dem Begriff kriegstüchtig mit ihrem nackten Hintern ins Gesicht springen. Sie würde „Zeter und Mordio!“ schreien und nicht nur zaghaft davon sprechen, dass der Begriff nur mit „äußerster Zurückhaltung“ gebraucht werden solle.

„Die Kirche ist“, so heißt es weiter in dem Positionspapier, „keine politische Entscheidungsinstanz, aber sie begleitet das öffentliche Ringen um Orientierung mit theologischer Stimme“.

Was in diesem Positionspapier von der Evangelischen Kirche geliefert wird, hat mit einem „öffentlichen Ringen um Orientierung mit theologischer Stimme“ nichts zu tun. Es ist die verdeckte und zugleich doch offene Parteinahme für eine Politik, die unter dem Einsatz von Halbwahrheiten, Lügen, Auslassungen, Manipulation und massiver Propaganda Feindbildaufbau betreibt.

Dass einer solchen Kirche der Medienmainstream applaudiert, war zu erwarten.

„Die evangelische Kirche“, so kommentiert die FAZ, „bricht mit ihrem Pazifismus. Sie bejaht nunmehr Gewalt gegen Aggressoren, um die Demokratie zu schützen und Frieden wiederherzustellen. Das war bitter nötig.“

Eine Kirche, die in friedenspolitischen Positionen von der FAZ unterstützt wird? Also einer Zeitung, die kommentierte: „Es gibt kein Recht auf Fahnenflucht“.

Diese Kirche ist längst in jenem Abgrund gelandet, über dem sie zu thronen vorgibt. Diese Kirche spricht von einem „russischen Angriffskrieg“, während sie den Begriff Stellvertreterkrieg unausgesprochen lässt. Diese Kirche will keine „politische Entscheidungsinstanz“ sein, aber spielt durch ihre Ignoranz und ihre Einseitigkeit den politischen Entscheidungsinstanzen die Bälle zu. Wo das Wort Gottes sich entfalten sollte, entfalten sich lauwarme, gefällige, herrschaftsnahe Positionen. Hätte Jesus das gewollt?

Titelbild: CameraObscura82/shutterstock.com

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