Vortrag von Florian Warweg in Nürnberg: Medien, Macht und Manipulation – Ein Blick hinter die Kulissen der Bundespressekonferenz

Vortrag von Florian Warweg in Nürnberg: Medien, Macht und Manipulation – Ein Blick hinter die Kulissen der Bundespressekonferenz

Vortrag von Florian Warweg in Nürnberg: Medien, Macht und Manipulation – Ein Blick hinter die Kulissen der Bundespressekonferenz

Ein Artikel von: Redaktion

Unter dem Titel „Medien, Macht und Manipulation – Ein Blick hinter die Kulissen der Bundespressekonferenz“ hielt NachDenkSeiten-Redakteur Florian Warweg Ende November einen Vortrag in Nürnberg. Eingeladen hatten die Bürgerinitiative „Wir wollen reden” und der dortige NDS-Gesprächskreis. Warweg analysiert, wie es zur aktuellen (Glaubwürdigkeits-)Krise des Mainstream-Journalismus kommen konnte und welche zentralen Faktoren dafür verantwortlich sind. Seine Analyse stützt er auf das von Noam Chomsky und Edward Herman entwickelte Propagandamodell und ergänzt dies um konkrete Beispiele aus seiner eigenen journalistischen Erfahrung. Die NachDenkSeiten dokumentieren den Vortrag und die anschließende Publikumsdiskussion in voller Länge.

Vortrag:

Publikumsdiskussion:

Verschriftlichung des Vortrags: Medien, Macht und Manipulation

Was ist im journalistisch-medialen Feld in den letzten Jahren geschehen, dass die Qualität der Berichterstattung und das Vertrauen in die Medien so massiv gelitten hat? Ich will heute in meinem Vortrag versuchen, kurz nachzuzeichnen, was meiner Meinung nach die Bruchstellen für die derzeitige Situation sind, auch anhand meiner eigenen Vita, und dann aufzeigen, was es für methodische Mittel gibt, um neben dem subjektiven Empfinden sachlich-analytisch nachvollziehen zu können, was derzeit passiert.

Es gibt eine ungeheure Unzufriedenheit mit der aktuellen Verfasstheit der Medien in diesem Land. Und das sind nicht nur individuelle Empfindungen von Euch oder mir. Das bestätigen zahlreiche Umfragen von bürgerlichen Umfrageinstituten in den letzten Jahren.

So haben laut der letzten verfügbaren repräsentativen Civey-Umfrage von Juli 2025, 49,7 Prozent der befragten Bundesbürger, also fast jeder zweite, das Gefühl, dass man seine Meinung nicht mehr frei äußern kann. Nur zum Vergleich: bei der Umfrage mit derselben Fragestellung im Jahr 2011 gaben damals nur 26 Prozent an, dieses Gefühl zu haben. Massiv gesunken ist auch das grundsätzliche Vertrauen in die Medien: Eine ebenfalls repräsentative Umfrage im Auftrag von ntv kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der Bundesbürger (54 Prozent) sogenannten Leit-Medien nicht mehr vertraut. Und eine kürzliche Forsa-Umfrage ergab zudem, dass satte 43 Prozent der befragten Bundesbürger erklärten, ihrem Eindruck nach, sei der Journalismus in den letzten Jahren qualitativ merklich schlechter geworden.

Das sind Zahlen, die haben es durchaus in sich.

In meinem eigenen Umfeld stellte insbesondere die extrem einseitige Ukraine-Berichterstattung in deutschen Medien ab 2014 einen ersten signifikanten Bruch dar. Mein eigenes diesbezügliches „Erweckungserlebnis“, um das kurz zu schildern, reicht etwas weiter zurück. Ich bin 1979 in Magdeburg, also der damaligen DDR, geboren. Und seit ich bewusst Erinnerungen habe, lief bei uns zuerst die „Aktuelle Kamera” um 19:30 Uhr und danach die „Tagesschau”. Als Radiosender hörten wir den NDR. Und selbst als Neun- oder Zehnjähriger war man natürlich in der Lage, die Unterschiede wahrzunehmen zwischen dem, was in der „Aktuellen Kamera” verlautbart wurde und, was in der „Tagesschau” oder bei den NDR-Nachrichten erzählt wurde. Das führte, wage ich zu behaupten, in Folge bei einem Großteil der in der DDR Sozialisierten zu einem kritischeren Medienkonsum. Zudem haben die etablierten „Leitmedien“ wie Spiegel, Süddeutsche, FAZ oder Zeit im Osten nie eine vergleichbare Meinungsmacht wie im Westen der Republik entwickeln können. Sie müssen sich nur mal die Verkaufs- und Abozahlen besagter Medien in Magdeburg, Schwerin oder Dresden anschauen. Die sind quasi nicht existent.

Persönliches Schlüsselerlebnis

Aber zurück zu dem, was bei mir persönlich ein Schlüsselerlebnis war und den Blick erstmals wirklich geschärft hat für die Defizite in der Berichterstattung bundesdeutscher Medien.

Ich habe 2000 angefangen, in Tübingen Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Lateinamerika zu studieren. In diesem Zusammenhang hatte ich dann das Glück und die Möglichkeiten, fast ganz Lateinamerika zu bereisen, und ich studierte und arbeitete länger in Chile sowie Peru und forschte zu Kolumbien, Kuba und Venezuela. Erst durch diese intensive Beschäftigung mit Lateinamerika wurde mir mit der Zeit bewusst, wie schlecht recherchiert, oberflächlich und vor allem unglaublich einseitig die Berichterstattung zu dieser Region in deutschen Medien war und auch weiterhin ist.

Insbesondere die Berichterstattung und die Art der genutzten Quellen zu Venezuela unter Chávez ab 2000 war geradezu hanebüchen. Es war in gewisser Weise eine Vorwegnahme der Ukraine-Berichterstattung. Zu Wort kamen fast ausschließlich Oppositionsvertreter und deren Unterstützer, als Quellen wurden ebenso, übrigens bis heute, fast nur Infos aus rechten Oppositionskreisen und – entsprechenden Medien genutzt. Im Gegensatz zum medial hier verankerten Diskurs der angeblich staatlich kontrollierten Presselandschaft in Venezuela, sind bis heute 80 Prozent aller TV- und Printmedien in privater Hand und stehen zudem überwiegend der rechtsliberalen bis rechtskonservativen Opposition nahe. So viel zu diesem angeblichen Beleg für die „Chavez- oder Maduro-Diktatur“.

Ähnliche Erfahrung mit der Qualität der bundesdeutschen Auslandsberichterstattung hatten auch fast alle meine Kommilitonen gemacht, die längere Zeit in Nahost oder Afrika verbracht hatten. Ein Aspekt ist hier natürlich auch das komplette Zurückfahren von Auslandkorrespondenten. Selbst die ARD hat z.B. mittlerweile keinen einzigen Korrespondenten mehr im spanischsprachigen Teil Südamerikas. Ob Berichterstattung zu Chile, Bolivien, Venezuela oder Kolumbien – der einzige ARD-Korrespondent in der Region sitzt und berichtet aus dem brasilianischen Rio de Janeiro. Profunde Berichterstattung aus den restlichen 12 Ländern Südamerikas ist damit eigentlich ausgeschlossen. Verkauft wurde das Einstampfen des Korrespondentennetzes von der ARD übrigens als „crossmediale und zukunftsorientierte Strukturreform“. Nun ja…

Doch sind dies für die meisten Bundesbürger ohnehin periphere Regionen ohne persönlichen Zugang und Relevanz und eine einseitige Berichterstattung fällt ihnen da gar nicht auf. Dies änderte sich erst im Falle der Berichterstattung zur Ukraine-Krise ab 2014 und der sich damit auch signifikant ändernden Russland-Berichterstattung. Da gab es meiner Wahrnehmung nach einen ersten größeren Bruch im Medienvertrauen, zumindest in einem Teil der Gesellschaft. Es gab einfach mehr persönliche Bezugspunkte, mehr Wirtschaftskontakte, eigene Erfahrungswerte und Bekannte – sowie, nicht ganz irrelevant – es gab ab 2014 mit RT DE, auch ein Medium, dass in deutscher Sprache eine andere Perspektive ermöglichte und somit einen direkten Vergleich möglich machte, ähnlich wie meine zuvor geschilderte noch kindliche Erfahrung von Aktueller Kamera versus Tagesschau. So dass die Einseitigkeit offensichtlicher wurde.

Diese Einseitigkeit war keine subjektive Wahrnehmung. Eine groß angelegte wissenschaftliche Analyse der Uni Mainz und München zur Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg von Dezember 2022 bestätigt dies umfassend.

Dazu kam ab 2020 eine sehr homogene, um nicht zu sagen hochtendenziöse, Berichterstattung zu den Corona-Maßnahmen in Deutschland, die bei vielen Bundesbürgern wohl erstmals einen wirklichen bewusst wahrgenommenen Bruch darstellte zwischen medialer Darstellung und der eigenen, dieser medialen Darstellung oft diametral entgegenstehenden Erfahrung.

Plötzlich bemerkten nicht nur eine Handvoll Nerds mit Regional-Expertise, sondern Millionen, dass alle Perspektiven, die der vorherrschenden Erzählung widersprachen, einfach ignoriert wurden. Und wenn dies nicht ausreichte, wurde versucht, diese Sichtweisen mit voller medialer Breitseite zu delegitimieren. Mit der Folge, dass sich Millionen Bundesbürger von den Medien in diesem Land nicht mehr mit ihrer Kritik, ihren Fragen und Wahrnehmungen repräsentiert fühlten.

Ab Ende 2023 wurden wir dann noch Zeugen einer ebenfalls über weite Strecken hochtendenziösen und einseitig zugunsten Israels ausfallenden Berichterstattung zum Gaza-Krieg und einer breiten medialen Diffamierung von inländischen Protesten gegen die israelische Kriegsführung.

Dies nur als grobe, unvollständige Zusammenfassung und Überblick über die meiner Meinung nach einschneidenden Momente in der medialen Berichterstattung der letzten Jahre und die dadurch provozierte Entfremdung von vielen Medienkonsumenten.

Doch habe ich bisher ja eher individuelle Wahrnehmungen und Erschütterungen anhand meiner eigenen Erfahrung und Beobachtung meines Umfelds geschildert.

Dies erklärt aber natürlich nicht die Verfasstheit und Krise des bundesdeutschen Mediensystems an sich. Es gab in den letzten Jahren durchaus einige hilfreiche Veröffentlichungen, die versuchen, dieses Thema systematisch aufzubereiten.

In seinem Buch „Mainstream” beschreibt der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger das Verhältnis zwischen Alpha-Journalisten und Politik als Symbiose, bestimmt vom Tauschgeschäft „Information gegen Publizität”. Der Journalist bekommt Informationen und verschafft im Gegenzug seiner Quelle (oder deren Anliegen) Öffentlichkeit, eine gefährliche Nähe, so Krüger, welche die demokratische Funktion der Medien untergrabe.

Michael Meyen, noch Prof. für Medienwissenschaft an der Uni München, hat 2021 „DIE PROPAGANDA-MATRIX“ veröffentlicht, in welcher er von vier „Arenen“ ausgeht, welche die mediale Diskursordnung bestimmen.

1. Die herrschende Ideologie,
2. Die Medialisierung (also alles was Menschen tun, damit sie oder was ihnen wichtig erscheint, gut in den Medien dargestellt wird),
3. Die Medienorganisation und
4. Das Journalistische Feld (d.h. Berufsideologie, Prägungen etc.).

Die letzte Veröffentlichung in diesem Zusammenhang die für Aufmerksamkeit sorgte, ist das Buch die „Vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer. Sie diagnostizieren in diesem Buch ein „frappierend einheitliches Meinungsbild“, insbesondere in Bezug auf den Ukraine-Krieg und die Forderung nach immer mehr Waffen und Delegitimierung aller Stimmen, die sich anders äußern. Und allein wie dieses Buch im Großteil des bundesdeutschen Feuilletons rezipiert wurde, bestätigt die These eindrucksvoll. Man könnte aber auch auf die skandalisierende Berichterstattung über Vorträge der ehemaligen ARD-Moskau-Korrespondentin Krone-Schmalz oder der von der Uni Bonn mit fadenscheinigen Gründen geschassten Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerót verweisen.

Ich persönlich finde aber für eine Analyse des Zustandes der deutschen Medienlandschaft einen Klassiker aus den 1980er Jahren zielführender. 1988 veröffentlichten Noam Chomsky und Edward Herman das Buch „Manufacturing Consent“ auf Deutsch wurde dies mit „Konsensfabrik“ übersetzt. (Dieses Buch, wurde Anfang der 2000er Jahre nochmals aktualisiert und der Westend-Verlag hat 2024 eine Neuauflage auf Deutsch rausgebracht).

Hauptthese ist, dass die Massenmedien eine – ich zitiere- „wirkungsvolle und mächtige ideologische Institutionen sind, die eine systemerhaltende Propagandafunktion erfüllen. Sie stützen sich auf die Kräfte des Marktes, internalisierte Annahmen und eine Selbstzensur, dabei besteht aber kein offener Zwang.“ Zitat Ende.

Das von Chomsky & Co dafür entwickelte Propagandamodell umfasst fünf Filter und besagt, dass Medien in kapitalistischen Demokratien einen gesellschaftlichen Konsens im Sinne der wirtschaftlichen und politischen Eliten herstellen.

Die fünf Filter auf dem Weg zur Produktion von Konsens lauten:

  1. Größe, Besitzverhältnisse und Profitorientierung
  2. Werbung
  3. Quellen der Massenmedien
  4. Flak (negative Reaktion der Mächtigen auf kritische Berichterstattung)
  5. Herrschende Ideologie als Kontrollmechanismus (im Sinne eines Feindbildaufbaus)

Beginnen wir mit dem ersten Filter, den Eigentumsverhältnissen hier in der Bundesrepublik. In Deutschland beherrscht etwas mehr als eine Handvoll von Konzern-Verlagen einen Großteil des privaten Presse- und allgemeinen Nachrichten-Marktes, sowohl was den Print- als auch den Onlinebereich angeht:

  1. Bertelsmann (20 Mrd. Umsatz, RTL, Spiegel)
  2. Axel Springer (4 Mrd.)
  3. Holtzbrinck-Verlagsgruppe (3,6 Mrd., Tagesspiegel, Handelsblatt)
  4. Burda Media (2,9, Focus, Super Ilu)
  5. Bauer Media Group (2,2 Mrd., Bravo, Cosmopolitan und ein Großteil der ostdeutschen Regionalzeitungen)
  6. etwas abgeschlagen folgt die Funke Mediengruppe (1,1 Mrd.)
  7. sowie zum Schluss, mit knapp 1 Mrd. die Madsack Mediengruppe, an der, nicht zu vergessen, die SPD mit ihrem Medienbeteiligungsunternehmen „Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft“ mit über 23 % den größten Anteil hält.

Auch wenn der Verlag Nürnberger Presse hier in der Stadt ein de facto Monopol ausübt und egal was man journalistisch von Nürnberger Nachrichten (NN) und Nürnberger Zeitung (NZ) halten mag, aber immerhin gehören die Zeitungen nicht zu den genannten dominierenden medialen Großkonzernen und damit stellt Nürnberg mittlerweile eine ziemliche Ausnahme in der Medienlandschaft der BRD dar.

Die genannten Medien-Konzerne dominieren aber nicht nur den Pressemarkt, sondern in den letzten 20 Jahren auch zunehmend die journalistische Ausbildung in diesem Land: Die Henri-Nannen-Schule gehört größtenteils Bertelsmann, dann gibt es noch die Springer-Akademie, die Holtzbrinck-Schule, die Burda-Journalisten-Schule sowie die Bauer Media Academy. Bei den letzten vier sagen die Namen ja schon, wer inhaltlich und finanziell hinter diesen Journalisten-Schulen steht. (Alle mit Sitz im Westen).

Dann gibt es noch die Deutsche Journalisten Schule in München, die gehört nicht direkt einem Konzern, aber alle genannten Konzerne kofinanzieren diese und dann gibt es noch Zuschüsse vom hiesigen Freistaat.

Das heißt, hinter den großen und zentralen Ausbildungsstätten für Journalisten in Deutschland stecken die einflussreichsten Medienkonzerne der Republik.

Es versteht sich fast von selbst, was für eine enorme Filterwirkung von dieser Art der Ausbildungsrealität auf angehende Journalisten ausgeht. Menschen, die etwa das herrschende Wirtschaftssystem hinterfragen oder auch nur eine kritischere Haltung zur aktuellen Rolle Deutschlands im Ukraine-Krieg einnehmen oder zu Israels Agieren in Gaza, werden im Zweifel in so einem Kontext bereits bei der Vorauswahl rausgefiltert oder sind halt gezwungen sich langfristig zu verbiegen und zu verstellen.

Apropos Filter und Prägungen, hier ist noch zu erwähnen, dass die familiäre Weitergabe des Berufes von einer Generation zur nächsten bei Journalisten ähnlich hoch ausgeprägt ist wie sonst nur noch bei Medizinern und Anwälten. Was natürlich nochmal einen zusätzlichen sozialen Filter in der Branche mit sich bringt. Wenn Papa Feuilleton-Chef der Süddeutschen ist, dann…

In diesen Kontext passt auch das Ergebnis der Journalismusstudie der Uni Dortmund von 2024. Dort wurde repräsentativ die Wahlpräferenz von Journalisten abgefragt (von privat bis ÖRR). 41 % gaben die Grünen an, dann folgt mit 16 % die SPD, CDU 8 %, Linke 6% und BSW 1 %, AfD wurde gar nicht genannt.

Noch ausgeprägter wird dies auf Ebene der Volontäre. Eine repräsentative Umfrage bei ARD-Volontären ergab bei der Wahlpräferenz 57 Prozent Grüne und 3 Prozent CDU. (Volontäre sind im Zweifel die Führungskräfte von morgen…).

Und egal wie man sich selbst politisch verortetet, aber wenn man diese Zahlen jetzt in Bezug setzt zur Stimmverteilung bei der letzten Bundestagswahl ergibt sich eine enorme Differenz zwischen den politischen Präferenzen der Mehrheit der Journalisten und der gesamtgesellschaftlichen Mehrheit.

Aber zurück zu Chomskys Filter-Modell und seinem zweiten Filter: Der Werbung bzw. dem Anzeigengeschäft.

Ein Großteil aller überregionalen Tageszeitungen und auch Regionalzeitungen befinden sich im Besitz von Konzernen, welche bis heute ihre Printerzeugnisse zum größten Teil über Anzeigen-Werbung finanzieren oder besser gesagt, finanzierten.

Denn beinahe ausnahmslos sinken seit mindestens anderthalb Jahrzehnten nicht nur massiv die Auflagen sondern damit verbunden auch die Einnahmen via Anzeigen, und damit auch die Renditen. Um dies an einer konkreten Zahl deutlich zu machen:

2019 betrug das Anzeigengeschäft der deutschen Printmedien noch 2,1 Mrd. Euro. Ein Jahr später lag dies bei nur noch 1,8 Mrd. Diese Tendenz setzt sich bis heute fort, hier kam ab 2022 zumindest im Printgeschäft auch noch der massiv gestiegene Papier- und allgemeine Produktionspreis hinzu. 2023 sank der Anzeigenerlös bereits auf 1,6 Mrd Euro und 2024 auf 1,4 Mrd. Ein sattes Minus von 700 Millionen Euro innerhalb von nur 5 Jahren – also rund 140 Mio.

Im konkreten Fall führen die sinkenden Werbeeinnahmen zum einen zu einer größeren Abhängigkeit von den verbliebenden Werbepartnern und damit auch zu einem mutmaßlichen Anstieg der inneren Zensur-Schere. Vielleicht doch lieber auf die Enthüllungsstory über VW verzichten, denkt der verantwortliche Cicero-Redakteur (fiktives Beispiel), wissend, dass dieser Konzern als einer der wenigen relevanten Anzeigen-Kunden übriggeblieben ist.

Zum anderen führt dieser Niedergang an Werbeeinnahmen aus privaten Quellen zu einer zunehmenden Querfinanzierung durch staatliche Stellen, mit ähnlicher Konsequenz. Man wird sich in der PR-Abteilung und Redaktion von ZEIT oder Süddeutsche 3-mal überlegen, ob man z.B. die Aussagen des amtierenden Verteidigungsministers kritisiert, wenn aktuell die Hauptwerbeeinnahmen dieser Zeitungen aus dem Topf dieses Ministeriums stammen.

Die Aufgabe der Medien als Vierte Gewalt, als watch dog und Kontrolleur der Politik, insbesondere der Exekutive, wird angesichts dieser zunehmenden Querfinanzierung und damit auch zunehmender Abhängigkeit von Regierungszahlungen geradezu ad absurdum geführt.

Hier sei zudem noch auf die (2023) bekannt gewordenen Zahlungen in Höhe von 2,3 Millionen Euro der Bundesregierung an ausgewählte Journalisten allein in den letzten fünf Jahren erwähnt. Diese „Einzelhonorare“ für Moderation oder Konzepterstellung im Auftrag von Ministerien beliefen sich teilweise im fünfstelligen Bereich und entsprachen damit mehreren durchschnittlichen Monatslöhnen.

Kommen wir aber jetzt zum dritten Filter von Chomskys Modell, der Abhängigkeit der Massenmedien von gewissen Quellen.

Insbesondere die sogenannten „Leitmedien“ sind für ihre Berichterstattung abhängig von „offiziellen Quellen“, die zumeist von Behörden, Regierungsvertretern und Konzernen bereitgestellt werden. Angesichts von zunehmend ausgedünnten Redaktionen, selbst bei größeren Medien, führt dies zu zwei prinzipiellen und zunehmenden Einschränkungen sowie Abhängigkeiten:

Erstens: Man ist froh, überhaupt ein Statement, eine Information bekommen zu haben, am besten noch exklusiv. Da gibt es neben der Tatsache, dass der jeweilige Redakteur kaum noch die Recherchezeit hat, um die Aussagen dieser Quelle gegenzuchecken und zu hinterfragen, den anderen Aspekt, dass es auch grundsätzlich wenig Motivation gibt, dies zu tun, denn man will sich die Quelle (und zudem oft noch potenziellen Anzeigenkunden) ja gewogen halten. Dies erklärt übrigens auch teilweise die oft sehr angepassten und wenig kritischen Fragen auf der Bundespressekonferenz, aber dazu später mehr.

Zum Aspekt der „Exklusivität“ noch kurz ein Verweis auf das Vorgehen der CIA während des Vietnam-Krieges. Der NSA-Whistleblower Edward Snowden hatte 2023 einen spannenden Ausschnitt aus einem Interview von 1983 mit dem CIA-Agenten Frank Snepp veröffentlicht, der exemplarisch die Fallstricke von „exklusiven“ News beleuchtet. Snepp schildert dort, wie er in Vietnam von 1969 bis 1976 im Auftrag der CIA-Chefetage die renommiertesten Korrespondenten von New York Times, Newsweek etc. mit angeblich exklusiven News versorgte. Das waren aber alles durchweg erfundene Geschichten, die nur dazu dienten, den Vietcong zu diffamieren und die Pro-Kriegsstimmung in den USA am Laufen zu halten. Fast alle Journalisten bissen an und wollten unbedingt die „exklusiven“ CIA-News. Kaum jemand versuchte diese zu verifizieren, zu froh war man über diesen angeblichen exklusiven Zugang. Snepp distanzierte sich später von seinem Agieren und ging an die Öffentlichkeit. Die CIA verklagte ihn daraufhin. Aber nicht etwa, weil er etwas Falsches gesagt hätte, sondern weil er aus Sicht des US-Geheimdienstes „Berufsgeheimnisse“ über den manipulativen Umgang der CIA mit der Presse verraten hatte.

Doch zurück nach Deutschland. Führen wir uns mal beispielhaft die Kräfteverhältnisse von einer potenziellen offiziellen „Quelle“ im Verhältnis zu Journalisten vor Augen: Im Bundespresseamt, das keine andere Aufgabe hat, als die Bundesregierung und insbesondere den Kanzler in ein gutes Licht zu stellen und Journalisten mit entsprechenden Infos zu versorgen, arbeiten insgesamt 480 feste Mitarbeiter. Das Budget beträgt jährlich über 180 Millionen Euro. Daneben gibt es Hunderte weitere Mitarbeiter in den Presseabteilungen der anderen Ministerien. Von diesem Personalschlüssel und Budget kann eine durchschnittliche Redaktion nur träumen.

Zweitens: Die Abhängigkeit von Nachrichtenagenturen nimmt massiv zu. Im konkreten deutschen Fall zeigt sich dies in der zunehmenden Bedeutung und Direktübernahme von Beiträgen der Deutschen Presseagentur (dpa), die in der Bundesrepublik eine de facto Monopolstellung inne hat.

Selbst bei Zeitungen, die sich eine gewisse diskursive Offenheit erlauben, wie etwa der Berliner Zeitung, setzte sich bis vor kurzem der Politik-Teil in der Printausgabe zu fast 100% aus Direktübernahmen von dpa-Artikeln zusammen. Das führt zu einer enormen diskursiven Dominanz und Framing-Möglichkeiten. Dies zeigt sich besonders ausgeprägt an Wochenenden, in denen die Redaktionen noch dünner besetzt sind als sonst. Das Phänomen, dass zahlreiche Zeitungen und auch deren Online-Ausgaben oft genau identische Überschriften und Artikel haben, zeigt sich aus diesem Grund insbesondere am WE und bei den Montagsausgaben.

Zur Framing- und Manipulationsmacht der dpa ein Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung. Die dpa zitierte im Februar 2021 Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff in einer Tickermeldung, die so unter anderem direkt von der Süddeutschen, ZEIT und vielen anderen deutschen Medien übernommen wurde, mit den Worten:

„Es ist wichtig, direkt das russische Regime zu treffen“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.”

Da ostdeutsche Ministerpräsidenten, im Gegensatz zu ihren westlichen Kollegen, den Terminus „Regime“ in Bezug auf Russland eigentlich nie öffentlich benutzen (zumindest bis 2022), fragte ich damals aus journalistischer Neugierde direkt beim Regierungssprecher von Sachsen-Anhalt, Dr. Matthias Schuppen, nach, ob Herr Haseloff dies wirklich so formuliert hat. Dieser schickte mir umgehend die autorisierten Zitate des Ministerpräsidenten und erklärte: „Von ‚Regime‘ ist darin keine Rede, es heißt dort ‚Verantwortliche‘“. Die dpa änderte dies zwar später, aber wirklich erst nach meiner damaligen Nachfrage beim Pressesprecher und dann bei der dpa.

Man stelle sich das Medienecho und insbesondere die Reaktion der selbsternannten „Faktenchecker“ (deren Rolle ist nochmal ein ganz eigenes Thema, dass den heutigen Rahmen sprengen würde) vor, wenn nicht die dpa, sondern eine nicht-westliche Nachrichtenagentur wie die russische TASS oder die chinesische Xinhua einem deutschen Ministerpräsidenten ein so verfälschtes Zitat in den Mund gelegt hätte.

Vor diesem Hintergrund wirft es natürlich auch ein bezeichnendes Licht, dass ausgerechnet die dpa, die täglich Dutzende Artikel raushaut, davon regelmäßig einige auf fragwürdiger Quellenbasis, mittlerweile eine der größten Faktencheck-Abteilungen in der Bundesrepublik führt und in diesem Zusammenhang auch mit Facebook zusammenarbeitet und dafür entsprechend bis heute entlohnt wird. Zuckerberg hat nämlich interessanterweise nur in den USA die Zusammenarbeit mit den Faktencheckern aufgekündigt, nicht in Europa.

Es ist in diesem Zusammenhang, welch Überraschung, kein einziges Beispiel bekannt, dass dpa-Faktenchecker sich mal einen ihrer eigenen Artikel vorgenommen hätten.

Die rund 170 Gesellschafter der dpa sind übrigens ausschließlich Medienunternehmen wie Verlage und Rundfunkanstalten. Damit sind Gesellschafter und Kunden der Nachrichtenagentur größtenteils identisch. Ein verqueres und meines Wissens weltweit einzigartiges Konstrukt.

Falls es aber doch mal dazu kommt, dass die Grenzen des Sagbaren aus Sicht der Politik- und Wirtschaftseliten übertreten werden, greift der vierte Filter. Chomsky und Herman nennen dies FLAK (in direkter Referenz auf die deutsche Flugabwehrkanone).

Bei Nicht-Gefallen von Berichterstattung wird es laut und hässlich und es wird mit schwerem Geschütz geschossen. Es folgen Anrufe, Drohungen – Anzeigen nicht mehr zu schalten bis hin zur Absetzung oder nicht Verlängerung von Arbeitsverträgen. Ein eklatantes Beispiel ist etwa die Nicht-Verlängerung des Arbeitsvertrages des der CDU politisch nicht genehmen ZDF-Chefredakteurs und ehemaligen Weltspiegel-Moderators Nikolaus Brender 2009. Soviel übrigens auch zur proklamierten „Staatsferne“ des ZDF-Verwaltungsrats, in dem sich die Unionsparteien damals tatsächlich mit ihrer Forderung durchsetzen konnten, den ihnen zu „links“ agierenden Brender abzusetzen.

Unter „Flak“ fallen aber auch subtilere Einflussmaßnahmen, wie etwa die vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall initiierte und finanzierte „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Sie flankierte die mediale Durchsetzung der Agenda 2010. Und dies sehr erfolgreich. Im Ansatz zunächst kritische Berichterstattung zu Hartz IV, etwa im Spiegel, verschwand nach Interventionen der Initiative recht schnell, unter anderem in dem es gelang, Begriffe wie „Reform“ oder „Eigenverantwortung“ in den medialen Diskurs im Sinne der Unternehmerverbände einzuführen. Damit änderte sich nachweislich das massenmediale Urteil zur damaligen rot-grünen Agendapolitik.

Eine kleine aber vielsagende Anekdote wie diese „Flak“ auch aussehen kann, kann ich aus der Bundespressekonferenz beisteuern. Ein deutscher Mitarbeiter einer ausländischen Nachrichtenagentur saß lange Zeit hinter mir in der BPK und wir kamen dann irgendwann ins Gespräch und ich fragte ihn, wieso er zwar in der BPK sitzt sich aber seit Wochen nie zu Wort meldet.

Seine Antwort: Er hätte zu Beginn seiner Präsenz in der BPK eine Frage zu Julian Assange gestellt. Am nächsten Tag habe ihn der Chefredakteur in sein Büro rufen lassen. Die japanische Botschaft hätte sich bei ihm gemeldet und erklärt, dass Auswärtige Amt hätte sich über die Frage in der BPK beschwert und zu verstehen gegeben, dass es besser wäre, dieses Thema nicht zu thematisieren. Der Chefredakteur nannte das „Info-Loop“ (Agentur war „Jiji Press“) und erklärte ihm, dass dies durchaus üblich sei bei sensiblen Themen im „Gastland“. Seitdem saß der noch recht junge Journalist nur noch eingeschüchtert und schweigsam in der BPK. Er verließ dann nach einigen Monaten die BPK und die Agentur – weil sein Vertrag nicht verlängert wurde.

Abschließend führt Chomsky als fünften Filter „Herrschende Ideologie als Kontrollmechanismus“ im Sinne eines Feindbildaufbaus ein. Im Falle der USA der 1980er Jahre nennt Chomsky den Antikommunismus als wirkmächtigsten ideologischen Kit. Sie können jetzt einwenden, dass Antikommunismus heute nicht mehr so wirkmächtig ist wie noch in den 1980er Jahren. Damit haben Sie wohl recht. Aber lassen Sie mich aus der Einführung Chomskys zum fünften Filter zitieren:

„Wenn der Triumph des Kommunismus das schlimmste vorstellbare Ergebnis ist, wird die Unterstützung des Faschismus im Ausland als kleineres Übel gerechtfertigt. Die Ablehnung von Sozialdemokraten, die zu nachgiebig gegenüber den Kommunisten sind und ihnen “in die Hände spielen”, wird mit ähnlichen Begriffen rationalisiert. Die Liberalen im eigenen Land, die oft beschuldigt werden, prokommunistisch oder unzureichend antikommunistisch zu sein, sind ständig in der Defensive in einem kulturellen Milieu, in dem der Antikommunismus die vorherrschende Religion ist.“

Ersetzen Sie einfach „Kommunismus“ durch „Russland“ oder „Kreml“ und die Analyse von Chomsky ist plötzlich wieder hochaktuell und genau so als Filterelement auch auf Deutschland anwendbar. Man denke nur an den medialen Umgang mit Precht, Krone-Schmalz, dem langjährigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich oder Ulrike Guérot.

Der Vorteil des Propagandamodells von Chomsky und Herman liegt meiner Ansicht nach vor allem darin begründet, dass es, im Gegensatz zu den in Deutschland prominenten Erklärungsansätzen, den Fokus vor allem auf die ökonomischen Bedingungen der massenmedialen Produktion von „Informationen“ und deren Manipulationen legt. Die Frage nach den Besitzverhältnissen der Medien fehlt zum Beispiel im Buch von Precht und Welzer komplett. Ich glaube, auch aus eigenem Erleben, dass materialistische Aspekte eher als Erklärungsmuster für den Zustand der deutschen Medienlandschaft dienen als moralisch oder psychologisch argumentierende Ansätze.

Vor über hundert Jahren, im Jahr 1913 erklärte Léon Jouhaux, legendärer Generalsekretär der sozialistischen Gewerkschaft CGT nach einer Schmutzkampagne aller Pariser Tageszeitungen gegen die linke französische Gewerkschaft wegen der Organisation einer umfassenden Streikbewegung:

« Que signifie une presse libre, si elle demeure aux mains des dominants? »

„Was bedeutet eine freie Presse, wenn sie in den Händen der Herrschenden bleibt?“

Genau diese Frage können und müssen wir uns heute noch genauso stellen.

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