Hinweise des Tages II

Jens Berger
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Jens Berger – Vorbild Island
  2. Thomas Fricke – Der ESM und die Demokratiewächter
  3. Eurokrise
  4. Europaparlament geht auf Konfrontation mit Merkel-Kurs und fordert Schuldentilgungsfonds und Förderung von nachhaltigem Wachstum
  5. Kenneth Rogoff – Die Aufrüstung in der Finanzwirtschaft muss enden
  6. Paul Krugman: „Der Euro war ein romantisches Hirngespinst“
  7. Joseph Stiglitz – Was auch Romney kapieren muss
  8. Simon Johnson – Was die USA unter “fiskalkonservativ” verstehen
  9. Keinen Ablasshandel mit Steuerhinterziehern!
  10. Frankreichs Reiche steigen besser aus
  11. Ein Ethikkodex für Ökonomen
  12. Rente und Altersarmut
  13. Die „Schleckerisierung“ der Lufthansa
  14. Einkommensunterschiede bei tariflicher Bezahlung in der Altenhilfe bis zu 38 Prozent
  15. Geheimsache Kriegshilfe
  16. Für eine offene, lebendige Gesellschaft
  17. Bäuchlings

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Jens Berger – Vorbild Island
    Island, das die internationale Bankenkrise als Erstes traf, war so etwas wie der Kanarienvogel in der Goldmine des Finanzsystems. Bergleute hatten den Vogel einst eingesetzt, um vor tödlichen Gasen im Schacht zu warnen.
    Angelockt von hohen Zinsen pumpten internationale Banken, Fonds und Kleinanleger über Jahre hinweg Milliardensummen in das weitestgehend deregulierte Bankensystem der 300.000-Seelen-Insel. Am Vorabend der Krise hatten die drei größten Banken des Landes eine Bilanzsumme, die dem Neunfachen der Wirtschaftskraft des Landes entsprach.
    Islands Geschäftsmodell, langfristig vergebene Kredite kurzfristig zu refinanzieren, platzte jedoch in der Finanzkrise. Eigentlich hätte der isländische Kanarienvogel im Herbst 2008 am aufsteigenden Gemisch aus toxischen Wertpapieren ersticken müssen. Er zwitschert heute jedoch wieder munter und rettete sein Leben auf eine eher unkonventionelle Art und Wiese. Island ließ seine Banken pleitegehen, kürzte keine wichtigen Staatsausgaben und rettete seine Bürger.
    Quelle: taz
  2. Thomas Fricke – Der ESM und die Demokratiewächter
    Die Kläger poltern, Europas Dauerrettungsschirm schränke nationales Budgetrecht ein. Damit malen sie ein arg romantisches Bild von der Macht von Abgeordneten in Krisenzeiten.
    Die Buchstabenkombi hat das Zeug, zum Reizwort des Jahres zu werden. Gemeint ist der ESM, jener europäische Sicherungsmechanismus, gegen den es so viele Klagen gibt. Und über den das Bundesverfassungsgericht kommenden Mittwoch urteilt.
    Für die Kläger kommen mit dem ESM “unkalkulierbare Risiken” auf Deutschland zu. Werde das Geld für angeschlagene Länder abgerufen, seien das für uns Ausgaben. Und die Entscheidung über Ausgaben wie Einnahmen müsse “in der Hand des Bundestags bleiben”.
    Klingt in der Tat demokratiefeindlich, klar. Die Frage ist nur, welche Wahl unsere Abgeordneten hätten, wenn es den ESM als Sicherung nicht gäbe – wie viele Risiken und unkalkulierbare Ausgaben es dann gäbe. Und ob das tiefere Problem nicht in der De-facto-Macht von Leuten an den Finanzmärkten liegt, die jahrelang wie blind in Länder investiert haben, um dann panisch wegzulaufen, der Herde hinterher – was gewählte Politiker zu Entscheidungen drängt, die mit Budgethoheit so viel zu tun haben wie Tante Erna mit Speeddating. […]
    Natürlich hinterlässt all das ein schlechtes Gefühl demokratischer Ohnmacht. Nur hilft es relativ wenig, deshalb jetzt die Feuerwehr abzuschaffen, nur weil die auch vieles nass macht. Da sollten sich unsere Abgeordneten und Richter eher überlegen, ob das tiefere Problem und Demokratieloch nicht darin liegt, dass wankelmütige Finanzmärkte binnen Tagen die Zinsen auf Staatsanleihen eines Landes hochschießen lassen, damit parlamentarisch verabschiedete Budgets pulverisieren und die aufgescheuchten Regierungen zu Notprogrammen nötigen können, die dann durch Parlamente gepeitscht werden – um die heiligen Märkte zu besänftigen. So wie es demokratisch gewählte Abgeordnete aus Krisenländern auf entwürdigende Art derzeit erleben.
    Quelle: FTD
  3. Eurokrise
    1. Axel Troost, Euro-Krise und kein Ende − Wege aus der Krise
      Folienvortrag auf der Fraktionsklausur der Bundestagsfraktion am 4. September 2012
      Quelle: Axel Troost [PDF – 537.3 KB]
    2. What’s really happening in Greece?
      Well, It’s Draghi-day today. According to expectations, he will announce that countries like Greece will have to stick to the deals. But can they?

      Quelle: Real World Economics Review
    3. The Consequences of Austerity Policies in Portugal
      • The main characteristics of the Portuguese economy since 2000 are low growth, a rising current account deficit and indebtedness. In the period 2000–2007 Portuguese GDP increased at an annual average rate of 1.4 per cent. The current account deficit, which was 3.5 per cent of GDP in 1995, quickly deteriorated under the EMU to reach 12.5 per cent in 2008
      • The shift from fiscal stimulus to austerity took place in March 2010. In April 2011, assistance was requested from the EU and in the same month a Memorandum of Understanding was negotiated with the troika. Austerity and structural adjustment policies were geared towards reducing the government deficit and debt and rebalancing the current account by cutting wages (»internal devaluation«).
      • The austerity measures adopted since March 2010 are having a strong recessionary impact. Unemployment rates have climbed to unprecedented heights, reaching 15.6 per cent in the first quarter of 2012. Youth unemployment (15–24) has reached 36.2 per cent. Nominal wages contracted by 3.9 per cent between the third quarter of 2010 and the first quarter of 2012.
      • As it is becoming clear that austerity will fail to deliver its promises – the deficit is out of control and the public debt keeps growing – clear signs of what the IMF call »reform fatigue« are discernible. However, this discontent tends to take the form, not of the emergence of a political alternative, but rather of the increasing alienation of the public from what it perceives as a corrupt and dishonest political class.

      Quelle: Friedrich Ebert Stiftung [PDF – 206 KB]

  4. Europaparlament geht auf Konfrontation mit Merkel-Kurs und fordert Schuldentilgungsfonds und Förderung von nachhaltigem Wachstum
    Das Plenum des Europäischen Parlaments hat heute dem Ausschuss für Wirtschaft- und Währung (ECON) das Mandat zu den Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission zum Economic Governance-Double Pack (“Two-Pack”) erteilt. Die erste Verordnung (Ferreira-Bericht) gestaltet die Regeln für die Mitgliedsstaaten im Defizitverfahren aus. Die zweite definiert erstmals Regeln für Länder unter den Rettungsschirmen wie Griechenland, Portugal und Irland (Gauzès-Bericht)
    Quelle: Sven Giegold

    Anmerkung JB: Diese Entwicklung lässt hoffen. Leider wird „Europa“ nicht durch das Europaparlament, sondern durch die demokratisch wesentlich schlechter legitimierte EU-Kommission regiert.

  5. Kenneth Rogoff – Die Aufrüstung in der Finanzwirtschaft muss enden
    Viele Menschen stellen sich die Frage, ob Regulierungsbeamte und Gesetzgeber eigentlich die Fehler im Finanzsystem behoben haben, die die Welt fast an den Rand einer zweiten großen Depression gebracht hätten. Die kurze Antwort lautet: Nein.
    Zwar ist die Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Wiederholung der finanziellen Kernschmelze von 2008 ist dadurch stark reduziert, dass sich die meisten Investoren, Regulierungsbeamten, Konsumenten und sogar Politiker an diese finanzielle Nahtoderfahrung noch eine Weile erinnern werden. Daher kann es noch eine Weile dauern, bis die Sorglosigkeit wieder voll zuschlägt.
    Aber abgesehen davon hat sich fundamental wenig geändert. Die nach der Krise eingeführten Gesetze und Regulierungsmaßnahmen waren hauptsächlich Flickschusterei, um den Status Quo beibehalten zu können. Politiker und Regulierer haben weder den politischen Mut noch die intellektuelle Überzeugung, die für die Rückkehr zu einem viel klareren und ehrlicheren System erforderlich sind.
    Quelle: Project Syndicate
  6. Paul Krugman: „Der Euro war ein romantisches Hirngespinst“
    Was die Einheitswährung momentan ausbadet? Ihre Konstruktionsfehler. Und überstehen wird Europa diese Krise nur, wenn es einen Hauch Inflation zulässt und sich nicht weiterhin ausschließlich an Sparmaßnahmen klammert. Das zumindest meint der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften.
    Quelle: L´Express via Presseurop
  7. Joseph Stiglitz – Was auch Romney kapieren muss
    Die Reichen einer Gesellschaft dürfen sich nicht um die Finanzierung des Staates herummogeln. Sonst wird die Marktwirtschaft als System nicht überleben. […]
    Aber öffentliche Güter kosten Geld, und es ist wichtig, dass jeder sich angemessen an ihrer Finanzierung beteiligt. Darüber, was dies bedeutet, kann man zwar unterschiedlicher Meinung sein, aber diejenigen an der Spitze der Einkommenspyramide, die 15 Prozent ihres angegebenen Einkommens versteuern (Geld in Steueroasen wie den Kaimaninseln und anderen muss den US-Behörden nicht bekannt gegeben werden), zahlen sicher keinen angemessenen Beitrag. Ein altes Sprichwort besagt, dass ein Fisch vom Kopf her zu stinken beginnt. Wenn Präsidenten und ihre Angehörigen keine fairen Steuern zahlen, wie können wir dann erwarten, dass es alle anderen tun? Und wenn es keiner tut, wie können wir dann die öffentlichen Güter finanzieren, die wir brauchen?
    Voraussetzung für das Steuersystem in Demokratien ist ein Geist von Vertrauen und Zusammenarbeit. Würde jeder so viel Zeit und Ressourcen in die Vermeidung von Steuern stecken wie die Reichen, würde das Steuersystem entweder zusammenbrechen, oder es müsste viel mehr Überwachung und Zwang geben. Beide Alternativen sind nicht akzeptabel. Eine Marktwirtschaft kann nicht funktionieren, wenn jede Vereinbarung gesetzlich durchgesetzt werden muss. Sie kann nur überleben, wenn das System allgemein als fair wahrgenommen wird. Neue Forschungen haben ergeben, dass die Ansicht, das Wirtschaftssystem sei unfair, sowohl Zusammenarbeit als auch Initiative unterminiert. Immer mehr Amerikaner glauben, ihr Wirtschaftssystem sei unfair. Diese wahrgenommene Ungerechtigkeit spiegelt sich im Steuersystem.
    Quelle: FTD
  8. Simon Johnson – Was die USA unter “fiskalkonservativ” verstehen
    Politisch ist es egal, wie hoch die Schulden sind: Das ist ein reaganscher Leitsatz der „Fiskalkonservativen“. Das seltsame Ergebnis: Wenn die Welt instabil wird, flüchtet sie in Dollar – selbst wenn die USA der Grund für die Instabilität sind.
    In den meisten Ländern bedeutet “fiskalkonservativ” zu sein, sich viele Gedanken über das Haushaltsdefizit und den Schuldenstand zu machen und diese Themen ganz oben auf die politische Agenda zu setzen. In vielen Ländern der Eurozone sind diese “Fiskalkonservativen” heute eine mächtige Gruppe. Sie besteht darauf, dass die Staatseinnahmen gestärkt und die Ausgaben unter Kontrolle gebracht werden müssen. Auch in Großbritannien zeigen sich in letzter Zeit führende (Fiskal-) Konservative willens, Steuern zu erhöhen und zukünftige Ausgaben zu begrenzen.
    Die Vereinigten Staaten funktionieren völlig anders. Den “fiskalkonservativen” Politikern dort ist es wichtiger, Steuern zu senken, unabhängig von den Auswirkungen auf das US-Haushaltsdefizit und die Gesamtsumme der ausstehenden Schulden. Einer dieser Politiker ist Paul Ryan, republikanischer Anwärter auf das Amt des Vizepräsidenten, der sich neben dem Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney im November zur Wahl stellt.
    Die amerikanischen Politiker waren aber nicht immer so. 1960 zum Beispiel schlugen die Berater von Präsident Dwight D. Eisenhower vor, die Steuern senken, um den Weg für seinen Vizepräsidenten Richard Nixon zum Präsidenten zu ebnen. Eisenhower lehnte das ab. Zum Teil, weil er Nixon nicht besonders mochte oder vertraute. Vor allem aber, weil er seinem Nachfolger einen ausgeglicheneren Haushalt hinterlassen wollte.
    Warum scheren sich US-Fiskalkonservative im Vergleich zu ihren Kollegen in anderen Ländern heutzutage so wenig um ihre Staatsschulden?
    Quelle: FTD
  9. Keinen Ablasshandel mit Steuerhinterziehern!
    Das politische Gezerre um das deutsch–schweizerische Steuerabkommen wird immer grotesker. Nun hat die Justizministerin den neuesten Gipfel der Ungeheuerlichkeiten erklommen.
    Sie erwägt eine Gesetzesinitiative, um der deutschen Finanzverwaltung den Ankauf von Datenträgern mit gestohlenen Bankdaten zu untersagen. Damit soll ein wichtiges Druckmittel gegenüber Steuerhinterziehern verboten werden, das durch höchstrichterliche Rechtsprechung ausdrücklich gebilligt wurde. Durch den Ankauf solcher CDs sind in den vergangenen Jahren rund zwei Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen gespült worden. Nicht zu ermessen ist die abschreckende Wirkung dieser CD-Käufe.

    Keine Frage: Anstatt sich auf illegal beschaffte Daten verlassen zu müssen, wäre es die bessere Lösung, dafür zu sorgen, die Gelegenheiten für Hinterziehungsdelikte von vornherein zu minimieren und die Finanzverwaltung zu befähigen, ihren Pflichten gründlicher nachzukommen. Aber genau das geschieht nicht. Nach wie vor können deutsche Steuerhinterzieher in der Schweiz anonym bleiben, denn in den deutschen Finanzämtern müssten dringend tausende Stellen besetzt werden. Dies sind auch maßgebliche Gründe dafür, dass Deutschland und die Schweiz fragwürdige Spitzenplätze im internationalen Ranking der Schattenfinanzplätze des Netzwerks Steuergerechtigkeit einnehmen (siehe Abbildung). Wer nur den Datenankauf verbieten will, ohne die Defizite im Vollzug und im Steuerrecht gründlich anzugehen, münzt Recht zu Unrecht um.
    Quelle: DGB klartext

  10. Frankreichs Reiche steigen besser aus
    Eine geplante neue Steuer für reiche Franzosen wird einer Zeitung zufolge nicht so belastend ausfallen wie erwartet. Präsident Francois Hollande hatte im Wahlkampf versprochen, auf Jahreseinkünfte über eine Million Euro eine Steuer von 75 Prozent zu erheben.
    Wie “Le Figaro” nun am Donnerstag ohne Angaben von Quellen berichtete, soll für die neue Abgabe nur das Einkommen, nicht jedoch Einkünfte aus Kapitalerträgen berücksichtigt werden. Auch sollten bestehende Abgaben verrechnet und nicht zusätzlich erhoben werden.
    Quelle: derStandard.at

    Anmerkung JB: Man hätte sich denken können, dass Hollande in Sachen Reichensteuer „den Steinbrück macht“ und die einzigen Einkommen, die wirklich anstrengungslos sind, nämlich die Kapitalerträge, steuerlich besser stellt.

  11. Ein Ethikkodex für Ökonomen
    Das Ansehen der etablierten Ökonomen ist seit der Wirtschaftskrise angekratzt: Statt zu warnen, haben viele Volkswirte die Krise durch ihre unkritische Haltung zum Markt verstärkt. Nun soll ein Ehrenkodex für Transparenz sorgen. […]
    Wenn Arbeitgeber-Stiftungen oder Finanzhäuser eine größere Rolle bei der Förderung spielen, beeinflussen sie zumindest die Themen, über die geforscht und in der Öffentlichkeit diskutiert wird.
    So ist der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die von Metall-Arbeitgebern finanziert wird, die Liberalisierung ein Herzensanliegen. Solche Arbeitgeber-Stiftungen werden kaum jemand fördern, der sich schon oft für schärferen Kündigungsschutz oder höhere Löhne eingesetzt hat, sagt der Berliner Volkswirtschafts-Professor Sebastian Dullien. Versicherungskonzerne sponsern Volkswirte, die die private Altersvorsorge gut heißen. All das hat die Skepsis gegenüber Ökonomen wachsen lassen. […]
    Der Ethikkodex geht freilich nicht allen Forschern weit genug. „Er schafft zwar einen Schritt zu mehr Transparenz“, sagt der Volkswirt Dullien. „Bei den meisten Fällen finanzieller Vorteilnahme oder Abhängigkeit geht er aber ins Leere.“ So erhielten Ökonomen, die sich für eine kapitalgedeckte Rentenversicherung einsetzen, von Versicherungen schon mal vier- oder fünfstellige Honorare für Vorträge. Um hier mehr Transparenz zu schaffen, müssten Volkswirte die Höhe ihrer Zuwendungen für Vorträge oder Beratungen nennen, ebenso wie die Höhe der Drittmittel für Forschungen.
    Der Volkswirt Sebastian Thieme, der sich in der Berliner Denkfabrik für Wirtschaftsethik engagiert, findet es lobenswert, dass der Verein für Socialpolitik den Kodex entwickelt hat. Allerdings seien die Forderungen oft zu unpräzise. Zudem sei unklar, wie Fehlverhalten bestraft werde.
    Ein Grundproblem der deutschen Volkswirtschaftslehre ist auch vier Jahre nach Beginn der Finanzkrise ihre einseitige Ausrichtung: Der Mainstream ist marktliberal. Kann der Kodex diese „dogmatische Verkrustung“, die kritische Ökonomen wie Thieme beklagen, aufbrechen? Der Volkswirt verweist darauf, dass der Kodex von Forschern Fairness verlangt. „Optimisten mögen darin ein kleines Abrücken vom Markt-Dogmatismus erblicken.“ Denn Fairness bedeute, „auch alternative Sichtweisen als gleichberechtigt zuzulassen“.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  12. Rente und Altersarmut
    Faktisch wurde mit der Präferenz für kapitalgedeckte Renten der Abschied vom Ziel der Lebensstandardsicherung eingeleitet, wie sie seit der Reform 1957 prägend für die Rentenpolitik war. Die Eingriffe in die Rentenformel hatten zur Folge, dass die Bestands- wie die Zugangsrenten in ihrer Höhe nicht mehr dem allgemeinen Einkommenstrend der aktiven Lohnabhängigen folgen, sondern einen zunehmend großen Abstand haben. Im Ergebnis wird das Nettorentenniveau vor Steuern kontinuierlich – nach den Projektionen der Bundesregierung bis 2022 auf 46,2% – sinken; und für 2030 ist im Gesetz eine Niveau-Untergrenze von 43% fixiert.
    Die Konsequenz dieser Entwicklung: Seit dem Jahr 2000 sinken die von der deutschen Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ausgezahlten individuellen Beträge für männliche Neurentner. Wer heute in Rente geht, erhält im Schnitt 7% weniger als jemand, der noch vor zehn Jahren in den Ruhestand wechselte. Wer im Jahr 2000 erstmalig eine Altersrente für langjährig Versicherte erhielt, dem wurden durchschnittlich 1021 Euro pro Monat aus der Rentenkasse überwiesen. Bis 2011 ist der durchschnittliche Zahlbetrag für diese Rentenart bei Neurentnerinnen und Neurentnern auf 953 Euro gesunken. Diese Zahlbeträge sanken in den letzten Jahren zudem durch den Bezug einer Rente vor der Regelaltersgrenze und den damit verbundenen Abschlägen.
    2010 bezogen knapp 674.000 Versicherte erstmals eine Altersrente. 47,5% von ihnen oder fast 320.000 mussten dabei Abschläge in Kauf nehmen, weil sie nicht bis zum 65. Lebensjahr, der Regelaltersgrenze, arbeiteten – dies sicherlich nicht zuletzt durch den wachsenden Leistungsdruck in den Betrieben. Fünf Jahre vorher waren es noch 41,2%, Im Jahr 2000 nur 14,5%. Auch die Höhe der Abschläge legte im vorigen Jahrzehnt kräftig um knapp 80 Euro auf den aktuellen Wert von 113 Euro zu. Ein Rentner, der 45 Jahre lang das Durchschnittseinkommen aller Versicherten bezog, erhält heute eine Monatsrente von 1.236 Euro. Im Durchschnitt gingen die Frührentner drei Jahre und zwei Monate vorher in Ruhestand.
    Bei den Ruheständlern, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen, ist die Entwicklung nach den Statistiken der Rentenversicherung noch dramatischer: Bei ihnen stieg der Anteil der NeurentnerInnen, denen Geld abgezogen wird, von 39,7% im Jahr 2001 auf 96,3% im Jahr 2010. Damit musste in diesem Jahr fast jeder der fast 183.000 neu hinzugekommenen Erwerbsminderungs-RentnerInnen Einbußen beim gesetzlichen Ruhegeld verkraften. Die Folge: Die Zahlbeträge bei den Renten wegen voller Erwerbsminderung sind seit 2000 bis 2011 in Westdeutschland um 14,4 Prozent von durchschnittlich 743 Euro auf 636 Euro und in Ostdeutschland um 12,3 Prozent von 717 Euro auf 629 Euro gesunken. Das sind Beträge, mit denen nicht einmal das Niveau der Grundsicherung bei Erwerbsminderung für 18 bis 64-Jährige in Höhe von durchschnittlich 642 Euro erreicht wird.
    Quelle: Sozialismus aktuell

    passend dazu: Von der Leyen nimmt Kritik an
    Arbeitsministerin von der Leyen räumte unterdessen ein, dass die von ihr vorgeschlagene Zuschussrente nur einen kleinen Teil des Rentenproblems lösen kann. Sie verstehe, wenn Bundeskanzlerin Merkel diesen Teil auf zehn Prozent beziffere, sagte Frau von der Leyen im ZDF. Es handele sich aber um den ersten dringendsten Schritt, der die Gerechtigkeitsfrage für Geringverdiener löse und die Mütter besserstelle.
    Quelle: DLF

  13. Die „Schleckerisierung“ der Lufthansa
    Die Gewerkschaft fürchtet dass mit Zeitarbeit und Auslagerung der Beruf des Flugbegleiters zum Billig-Job verkommt. Und Lufthansa hat schon Fakten geschaffen. Seit drei Monaten fliegt der Kranich vom Berliner Flughafen mit Kabinenpersonal, das über die Zeitarbeitsfirma Aviation Power eingestellt wurde. An dieser Gesellschaft ist Deutschlands größte Fluglinie selbst mit 49 Prozent beteiligt. In sechs Maschinen sollen künftig 240 Leih-Stewardessen zum Einsatz kommen; 170 seien bereits eingestellt worden.
    Quelle: FR
  14. Einkommensunterschiede bei tariflicher Bezahlung in der Altenhilfe bis zu 38 Prozent
    Die tarifliche Vergütung von Mitarbeitern in Altenhilfeeinrichtungen ist sehr unterschiedlich. Für die gleiche Tätigkeit liegen die Jahresgehälter je nach Tarifvertrag um bis zu 38 Prozent auseinander. Das geht aus einer umfangreichen Berechnung der Fachzeitschrift Wohlfahrt Intern hervor.
    Quelle: Wohlfahrt intern
  15. Geheimsache Kriegshilfe
    Offenbar ist die Bundesregierung tiefer in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt, als bislang bekannt. Darauf lassen ihre Antworten – oder besser gesagt: Nichtantworten – auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion über »Aktivitäten der Freien Syrischen Armee in Deutschland« schließen. Ob der Bundesregierung Spendensammlungen zugunsten der Freien Syrischen Armee oder anderer bewaffneter syrischer Oppositionsgruppen in Deutschland bekannt seien, wollte die Linksfraktion wissen. Doch die Regierung verweigert eine öffentliche Auskunft und verweist auf die Geheimschutzstelle des Parlaments. In diese haben Abgeordnete nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit Einblick. Auch ihre Erkenntnisse über aus Deutschland stammende Kämpfer und illegale deutsche Waffenlieferungen für bewaffnete syrische Oppositionsgruppen will die Bundesregierung nicht öffentlich machen. Diese werden unter Verweis auf das »Staatswohl« als geheime Verschlußsache eingestuft, da »ihre Veröffentlichung Rückschlüsse auf die Erkenntnislage« der Geheimdienste zuließe.
    Quelle: Junge Welt
  16. Für eine offene, lebendige Gesellschaft
    Claus Leggewie und Horst Meier legen ein Manifest für eine neue Sicherheitsarchitektur vor
    Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses kleine und dennoch gewaltige Büchlein hat das Zeug, zum Manifest einer neuen linken und linksliberalen Bürgerrechtspolitik zu werden. Mit leidenschaftlicher Sprache und sachlicher Empörung rechnen Claus Leggewie und Horst Meier mit einer aus dem Kalten Krieg stammenden Sicherheitsarchitektur ab. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen sind die Skandale und Vertuschungen des Verfassungsschutzes, dieser ganz und gar nutzlosen, gefährlichen und ein unkontrollierbares Eigenleben führenden Institution.
    Quelle: Neues Deutschland
  17. Bäuchlings
    Die Losungen rechter Parteien und Kandidaten, der angerechteten Mitte und der Presse, klingen einfach, zielgerichtet und suggerieren, dass man ganz genau wisse, worauf es ankomme. Progressive Slogans, manchmal auch als linke Parolen verortet, wirken hingegen oft kompliziert, vertrackt und verkopft und nötigen dem Zuhörer Anstrengung und hohe Aufmerksamkeit ab. Es verwundert nicht, dass das, was die rechtskonservativ modifizierte Mitte der Gesellschaft hören will, aus dem Äther von rechten Gedankenkonstrukteuren kommt. Um fair zu bleiben sei noch darauf hingewiesen, dass rechte Positionen nicht zwangsläufig konservativ sind – sie äußern sich heute weitestgehend über neoliberale Kanäle. Solche rechtsliberalen Parolen sprechen den Bauch an, sparen den Kopf aus. Sie bauen ihre Lösungsversuche und politischen Botschaften auf Bauchgefühl, inzwischen linke Modelle den Kopf bemühen und somit als Stichwortgeber für öffentliche Debatten quasi vollständig ausscheiden.
    Quelle: ad sinistram

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