Hinweise des Tages II

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Bundestagswahl
  2. Thomas Fricke – Kehrseiten eines Sparbrötchen-Aufschwungs
  3. Ambrose Evans-Pritchard: Meine ehrerbietige Entschuldigung an Herrn Schäuble
  4. Nochmals: „Sie haben es in der Hand“
  5. EuWiKon 3 – Panel: Geld und Fiskalpolitik in Europa
  6. Athen bräuchte minus 14 Prozent Zinsen
  7. Ben Bernanke mit Rückwärtssalto oder Notenbanker in der Finanzmarktkuppel – ratlos
  8. Fünf Jahre Lehman und nichts gelernt
  9. Deutschland nimmt weniger Steuern ein
  10. Und wieder wächst die Blase
  11. Beispiellose Reaktionen auf beispiellose Krise
  12. Paul Krugman: The Crazy Party – Die wahnwitzige Partei
  13. Verzicht als Sachzwang?
  14. TTIP: Die Wunschlisten der Lobbyisten
  15. Universität äußert sich zu Schäfers-Affäre: Wir basteln uns eine Wahrheit
  16. Fragen an den Autor- Daniela Dahn – Wir sind der Staat
  17. Georg Schramm bei Pelzig: die Bananenrepublik
  18. Klaus Stuttmann – Ich will keinen Politiker kennenlernen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bundestagswahl
    1. Wie Unternehmen im Wahlkampf mitmischen
      Firmen spielen bei der Bundestagswahl eine wichtige Rolle als Unterstützer. Tengelmann schaltet eine Anzeige, BMW spendiert den Parteien Fahrzeuge, andere geben Geld. Experten kritisieren die mangelnde Transparenz …
      Selten ist dabei die Unterstützung so offensichtlich wie die von Tengelmann. Die Unternehmensgruppe aus Mülheim an der Ruhr schaltete am Freitag eine ganzseitige Anzeige im Handelsblatt und gab darin eine Wahlempfehlung zugunsten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab.
      Andere Unternehmen öffneten für die Parteien in den letzten Wochen noch einmal das Portemonnaie. Ob Großkonzern oder Mittelständler macht dabei keinen Unterschied. Allein der Verband der Chemischen Industrie (VCI) gab im Juli und August der CDU 100.000 Euro und der FDP 64.000 Euro, wie aus den Veröffentlichungen der Bundestagsverwaltung zur Parteienfinanzierung hervorgeht. Mitglied im VCI sind internationale Unternehmen wie BASF, Bayer oder Evonik. Auch SPD und die Grünen wurden laut VCI mit 50.000 bzw. 10.000 Euro bedacht. Die letzte bekannte Großspende kam aus dem Sauerland: Die Mittelständler vom Märkischen Arbeitgeberverband unterstützten die CDU. Diese durfte sich am 19. August über 60.000 Euro freuen.
      Quelle: Handelsblatt

      Anmerkung WL: Leider haben sämtliche Oppositionsparteien keine Strategie gegen die Kampagnen des „Großen Geldes“ entwickelt.

      passend dazu: Krankenkassen machen Wahlkampf
      In einem Schreiben an ihre rund 400.000 Mitglieder warnte die Kasse eindringlich vor einer Bürgerversicherung, die SPD, Grüne und Linke bei einem Wahlsieg durchsetzen wollen. Dass sich eine gesetzliche Krankenkasse derart klar politisch positioniert und damit praktisch eine Wahlempfehlung abgibt, ist ungewöhnlich. Zwar haben sich einige Verbände gesetzlicher Kassen ebenfalls gegen eine Bürgerversicherung ausgesprochen, etwa die Betriebskrankenkassen. Der Ton war dabei aber erheblich moderater. Auch die privaten Krankenversicherungen machen wenige Tage vor der Wahl massiv Front gegen SPD, Grüne und Linkspartei. In einem Schreiben der Barmenia Krankenversicherung heißt es, die Parteien wollten eine Einheitskrankenkasse und damit eine Zerschlagung der privaten Krankenversicherung. Das führe zu einer „echten Zwei-Klassen-Medizin“ mit längeren Wartezeiten für Operationen, Ausschluss und Rationierung von medizinischen Leistungen oder Einschränkungen in der Therapiefreiheit, warnt das Unternehmen und fragt am Ende: „Wollen Sie das?“
      Quelle 1: Berliner Zeitung
      Quelle 2: SPIEGEL Online [PDF – 860 KB]

      Anmerkung Orlando Pascheit: Jenseits der fragwürdigen Thesen der HEK hat endlich das Bundesversicherungsamt dieses Schreiben als unzulässige Wahlbeeinflussung beanstandet und Ermittlungen gegen die HEK aufgenommen. Der Spiegel berichtet: Zwar stehe es Krankenkassen grundsätzlich zu, sich kritisch mit dem Gesundheitswesen auseinanderzusetzen, teilte das Bundesversicherungsamt mit. Auch sei es ihnen erlaubt, ihre Haltung den Versicherten mitzuteilen. Allerdings seien die Krankenkassen dabei zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Das gelte insbesondere im Vorfeld politischer Wahlen. Die Kassen hätten daher “jede Form der Wahlbeeinflussung zu unterlassen”.

    2. SPD-Führung bringt ihren Sündenbock in Stellung
      … Heute sind Informationen bekannt geworden, wonach die SPD-Parteilinke in der vergangenen Woche Bedingungen für eine Große Koalition gestellt haben soll. Die Parteispitze ist verärgert ob des Vorgangs, ist aber wohl selbst für die gezielte Indiskretion verantwortlich …
      Die Parteilinke mit einer gezielten Indiskretion als Sündenbock in Stellung zu bringen, gehört deshalb zu einer wohl durchdachten Strategie. Bereits zu Beginn dieser Woche hat Susanne Höll von der Süddeutschen über Planspiele für den Tag danach berichtet und dabei exklusive Informationen ohne genaue Quellenangabe präsentiert …
      Der Kanzlerkandidat ist jetzt durch die Parteilinke ersetzt worden, um die Diskussion von Steinbrück weg zu lenken. Den Medien gefallen innerparteiliche Auseinandersetzungen sowieso viel lieber. Das wissen auch die Seeheimer und Netzwerker in der SPD.
      Quelle: Tautenhahn Blog
    3. Wie der Wähler zum Spekulanten degradiert wird
      Die Forschungsgruppe Wahlen hat erstmals drei Tage vor dem Wahltermin eine Umfrage veröffentlicht. Eine der Begründungen für diese Abkehr von der früheren demoskopischen Enthaltsamkeit in der letzten Wahlkampfwoche lautete, den Wählern eine Orientierungshilfe für seine Wahlentscheidung zu geben. Damit wird das relativ neue Phänomen einer hohen Zahl unentschlossener und noch nicht festgelegter Wähler kurz vor dem Wahltag reflektiert. Nur warum sollen diese Umfragen zu diesem Zeitpunkt noch eine Orientierungshilfe sein? Für die Beurteilung der programmatischen und inhaltlichen Aussagen der Parteien sind Umfragen überflüssig. Dahinter steckt ein Verständnis vom Wähler, der sich zunehmend auf die Rolle des bloßen Mehrheitsbeschaffers reduzieren lässt. Dabei kann er mit seiner Wahlentscheidung die politische Zukunft der Bundesrepublik mitbestimmen. Es wird die zukünftige Entwicklung in diesem Land prägen, welche Regierungskoalition an die Macht kommt. Und ob FDP, AfD oder Piraten den Einzug in den Bundestag schaffen oder nicht. Der sogenannte taktische Wähler wird somit zu seiner eigenen Karikatur, wenn er die Funktionslogik des politischen Betriebs nachvollzieht – und deren Kalküle zur Grundlage seiner eigenen Wahlentscheidung macht.
      Quelle: Wiesaussieht
    4. Der Einzelkämpfer
      Wolfgang Nešković hat sich mit SPD, Grünen und Linken zerstritten und kandidiert nun alleine für den Bundestag. Der Querdenker könnte Geschichte schreiben
      Er ist ein Linker und kämpft gegen die Linken. Er ist ein Querdenker und lässt sich seine Meinung nicht vorschreiben. Er ist ein Direktkandidat für den Bundestag und könnte Geschichte schreiben.
      Wolfgang Nešković, 65 Jahre alt, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, will ohne die Unterstützung einer Partei in das Parlament einziehen, das hat es bislang nur im Jahr 1949 gegeben. Die Chancen für Nešković stehen nicht allzu schlecht. Er kandidiert in der Brandenburger Lausitz, im Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße. Vor vier Jahren holte er hier 30 Prozent der Stimmen und damit das Direktmandat – damals jedoch noch als Bewerber der Linkspartei.
      Seitdem hat sich allerhand verändert, in Brandenburg ist die Linke jetzt in der Regierung, und trägt den braunkohlefreundlichen Kurs der SPD mit. Nešković hat sich mit der Partei zerstritten und will es nun alleine in den Bundestag schaffen. Gegen die Kandidatin der Linken. Mit Hilfe der Bürger.
      Quelle: Der Freitag
  2. Thomas Fricke – Kehrseiten eines Sparbrötchen-Aufschwungs
    Wahlzeit ist Bilanzzeit, gelegentlich allerdings eher grobschlächtiger Art. So wie jetzt, kurz vor der Bundestagswahl am Sonntag. Dabei wäre es gerade jetzt ziemlich hilfreich, genauer hinzusehen, wie stark Deutschlands ach so starke Wirtschaft wirklich ist. Das Ergebnis könnte ernüchternd ausfallen – ernüchternder jedenfalls, als es der latente Überschwang nicht nur auf manchem Wahlplakat im Land vermuten lässt. Die Deutschen bekommen derzeit zunehmend die gefährlichen Kehrseiten eines Sparbrötchen-Aufschwungs zu spüren. Stoff genug für die nächste ganz große Krise in ein paar Jahren. […]
    Es hat etwas Groteskes, sich über solche Exportbilanzen zu freuen. […] Es ist gruselig, wie wenig davon hierzulande die Rede ist. Zumal in einem Wahlkampf, in dem es ja eigentlich um die Vermeidung künftiger Probleme und Krisen gehen sollte. In Brüssel hat Angela Merkel dafür gesorgt, dass selbst derart untragbare Überschüsse keine Rüge nach sich ziehen, anders als das ursprünglich geplant war und makroökonomisch vernünftig wäre. Fatal. Dabei wäre das im Grunde in unserem eigenen Interesse.
    Quelle: WirtschaftsWunder
  3. Ambrose Evans-Pritchard: Meine ehrerbietige Entschuldigung an Herrn Schäuble
    Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kann sich voll und ganz bestätigt fühlen.
    Ich jedenfalls liege auf der ganzen Linie schief. Deutschlands disziplinarische Auflagen für die Eurozone sind ein Bombenerfolg. Und ich schäme mich jetzt, das so anders gesehen zu haben.
    Wie der weise, geduldige und ach so bescheidene Herr Schäuble heute in der Financial Times schreibt, reden und schreiben die Euroskeptiker sagenhaften Blödsinn. “Vergessen Sie die Miesmacher: Europa wird gerade gerettet”, so die Schlagzeile.
    Quelle: The Telegraph
  4. Nochmals: „Sie haben es in der Hand“
    Unser Leser A.C. schickte uns noch eine interessante Grafik von André Kühnlenz aus WeitwinkelSubjektiv über die Auseinanderentwicklung von nominaler Lohnentwicklung und Produktivität:

    Konsens, welcher Konsens?

  5. EuWiKon 3 – Panel: Geld und Fiskalpolitik in Europa
    Teilnehmer: Lucas Zeise (Finanzjournalist), Joachim Paul (Fraktionsvorsitzender der PIRATEN in NRW) und Nicolai Haehnle (AG Geldordnung und Finanzpoliltik)
    Quelle: Piratenpartei via YouTube

    Anmerkung JB: Die Diskussionsrunde ist sehr sehenswert. Nicht minder interessant sind auch die Panels zur Jugendarbeitslosigkeit, zu Wirtschaft, Antikorruption & Lobbyismus (u.a. mit Rudolf Schmenger) und zum Thema Neue Wirtschaftsordnung. Vor allem für diejenigen, die sich noch nicht mit den Inhalten der Piratenpartei abseits der Netzpolitik beschäftigt haben, könnten diese Panels sehr informativ sein.

  6. Athen bräuchte minus 14 Prozent Zinsen
    […] Doch eine aktuelle Untersuchung von Zsolt Darvas, Ökonom an der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, zeigt, dass Europas Währungsraum geteilt bleibt. Die zentralisierte Geldpolitik für die gesamte Eurozone wird den ökonomischen Realitäten in der Union kaum gerecht, betont die Studie, die derStandard.at vorliegt. “Die Ökonomie würde angesichts der Wirtschaftslage in Irland, Spanien oder Griechenland negative Zinsen rechtfertigen”, so Darvas.
    In Griechenland wären sogar Zinsen von minus 14 Prozent ökonomisch sinnvoll, in Spanien immerhin Sätze von minus 3,6 Prozent. Und in Portugal wäre die optimale Rate angesichts der flauen Wirtschaftslage minus 4,2 Prozent. Weil aber negative Zinsen für die EZB keine Option sind, könnte die Geldpolitik für Südeuropa etwa mit Anleihekäufen weiter gelockert werden.
    Quelle: derStandard.at
  7. Ben Bernanke mit Rückwärtssalto oder Notenbanker in der Finanzmarktkuppel – ratlos
    Ist es nicht toll? Seit gestern haben die Werteschaffer an den Finanzmärkten wieder in ungeheurem Maße Werte geschaffen. Die Aktien sind mehr wert, die Rohstoffe sind mehr wert, die Staatsanleihen sowieso und die Währungen vieler Schwellenländer sind über Nacht auch wertvoller geworden. Und das alles, weil Herr Bernanke nach mehr oder weniger vollmundigen Ankündigungen einen Salto rückwärts gemacht hat und nun doch nicht so schnell von seiner superlockeren Geldpolitik lässt.
    Das ist die neue Welt der Finanzmärkte in Reinkultur. Die Investitionstätigkeit liegt in der ganzen Welt am Boden, die Konjunktur kommt auch fünf Jahre nach Beginn der Rezession nicht auf die Füße, die Arbeitslosigkeit ist überall untragbar hoch, es droht globale Deflation, aber die Bewertungen all der Dinge, die ausweislich der realen Flaute überhaupt nicht gebraucht werden, steigt ins Unermessliche.
    Quelle: Flassbeck Economics
  8. Fünf Jahre Lehman und nichts gelernt
    In der Finanzpresse wird gerade das fünfjährige Jubiläum der Pleite von Lehman Brothers begangen. Sie gilt als der Beginn der Finanzkrise, in der die OECD-Länder immer noch stecken. Ich würde den Beginn allerdings eher auf den Sommer 2007 datieren, als der amerikanische Hypothekenmarkt zusammenbrach, der europäische Geldmarkt auf einmal illiquide wurde und die Düsseldorfer IKB gerettet werden musste. Die Banken hatten sich damals plötzlich nicht mehr gegenseitig über den Weg getraut, weil sie den Verdacht hatten, dass sich viele von ihnen mit amerikanischen (asset backed) “Wertpapieren” verzockt hatten – was sich ja bald als zutreffend erwies. Im Sommer und Herbst des Jahres 2007 begann sowohl in den reichen Ländern als auch in den wichtigsten Schwellenländern ein starker Rückgang der Aktienkurse und – wenn auch nur in den Ländern mit guter Bonität – ein scharfer Rückgang der Anleiherenditen.
    Quelle: ZEIT Herdentrieb
  9. Deutschland nimmt weniger Steuern ein
    Zwei Tage vor der Bundestagswahl in Deutschland überrascht Finanzminister Wolfgang Schäuble die Bürger mit schlechten Nachrichten: Erstmals seit Mai 2012 verbuchte der Fiskus im August geringere Einnahmen als im Jahr zuvor. Der am Freitag veröffentlichte Monatsbericht des Finanzministeriums weist ein Minus von 2,4 Prozent aus. Die Beamten machen dafür mehrere Sondereffekte verantwortlich, darunter höhere Abführungen an die EU. Absehbar ist, dass die Opposition im Wahlkampf-Endspurt den Einbruch zum Anlass nehmen wird, mit Schäubles Haushaltspolitik abzurechnen …
    Trotz der Sondereffekte verdeutlichten die Steuereinnahmen im August aber auch, dass sich das Tempo weiter verlangsamt, mit dem die Steuereinnahmen in den vergangenen Jahren rasant gestiegen waren. Der stete Geldregen war ein wesentlicher Faktor bei der Sanierung der Haushalte von Bund und Ländern in Deutschland, ebenso die niedrigen Zinsen auf alte Staatsschulden. Die Opposition kritisiert, Schäuble habe weder für einen Abschwung noch für steigende Zinsen Vorsorge getroffen.
    Quelle: der Standard
  10. Und wieder wächst die Blase
    Die nächste Finanzmarktkrise ist lediglich eine Frage der Zeit – nur nimmt sie diesmal wahrscheinlich nicht in den USA ihren Ausgang, sondern in den Schwellenländern, vielleicht in Indonesien oder in der Türkei. Warum dieser Pessimismus? Hat die US-Notenbank Fed nicht gerade das einzig Richtige gemacht und die Zinsen auf ihrem Tiefststand belassen? – Wegen der extrem niedrigen Zinsen in den USA und Europa suchen Anleger nach renditeträchtigeren Anlagen, zum Beispiel in den Schwellenländern. Dort löste das viele Geld einen höchst instabilen Boom aus, insbesondere auf den Immobilienmärkten. Auch in den USA selbst gelten Immobilien ebenso wie Aktien inzwischen wieder als sehr teuer. Man spricht nur diesmal nicht von Blasenbildung, sondern von “Vermögenspreisinflation”.In Wirklichkeit aber unterscheidet sich die Situation kaum von den Nullerjahren – auch wenn die Fed diesmal gerne frühzeitiger reagiert hätte. Aber der Druck, die Party noch ein bisschen laufen zu lassen, ist stark. Wenn die Schwellenländer jetzt nicht die Zeit, die ihnen die aktuelle Entscheidung gibt, für starke Reformen nutzen, wird auch diesmal ein böser Kater folgen. Und die einfache Bevölkerung in den Krisenländern wird die Zeche zahlen.
    Quelle: taz
  11. Beispiellose Reaktionen auf beispiellose Krise
    Hat die seit dem Kollaps der US-Bank Lehman verfolgte Politik eine nachhaltige Stabilisierung gebracht oder zeigen sich bereits neue Risse im globalen System, so fragen sich Marktteilnehmer. Scott Minerd, Anlagechef der US-Finanzfirma Guggenheim Partners, betont, dass es in den vergangenen 50 Jahren nur 16 Situationen gegeben habe, in denen die Zinsen über 20% in einem Zeitraum von 200 Tagen gestiegen seien. Der jüngste Zinsanstieg sei – prozentual – der bisher heftigste gewesen. Für die Wirtschaft bedeute dies ein langsameres Einkommenswachstum. Scharf kritisiert die Politik nach dem Lehman-Kollaps Guy Haselmann, Direktor der Scotia Capital. Nach fünf Jahren mit Tiefstzinsen, negativen Realzinsen, Billionen Dollar von Haushaltdefiziten, weiteren Billionen Dollar von Wertpapierkäufen durch die US-Notenbank und zahllosen stimulierenden Massnahmen durch andere Notenbanken hinke die globale Wirtschaft nur dahin. Als «too big to fail» geltende Banken seien noch grösser. Die Spekulation mit Finanzwerten habe neue Höhen erreicht. Während Entscheidungsträger glauben, Wirtschaftswachstum und Inflation werde das Schuldenproblem lösen, sei der Schuldenabbau der bessere Weg. Er sei zwar schmerzhaft, reinige aber von Exzessen.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Hat tatsächlich die geldpolitische Lockerung in den USA in den vergangenen Jahren Milliarden Dollar in Schwellenländer strömen lassen? Nachdem die Zentralbanker um Ben Bernanke beschlossen haben, entgegen früheren Ansagen an einer Politik der geldpolitischen Lockerung festzuhalten, müsste das Kapital wieder in die Schwellenländer zurückfließen. Tatsächlich reagierten die Börsen nicht nur hierzulande, sondern auch in den Schwellenländern mit hohen Kursgewinnen auf die Ankündigung der US-Notenbank.
    Nur, hat nicht gerade die frühere Ankündigung Bernankes, die Anleihekäufe zu verringern und für 2014 gar zu stoppen, aufgezeigt, dass der Zufluss von ‘Hot Money’ diesen Länder wenig nutzt, ja sie in eine gefährliche Abhängigkeit bringen? Der Titel eines IWF- Aufsatz bringt es schön auf den Punkt: “Capital Flows are Fickle: Anytime, Anywhere” [PDF – 745 KB].
    Die fundamentalen Daten zeigten für diese Länder lange vor Bernankes “Androhung” eine Abschwächung der Wirtschaftsleistung an. So ist z.B. das türkische Wirtschaftswachstum 2012 um 6,6 Prozent auf 2,2 Prozent zurückgegangen.
    Interessant ist in diesem Zusammenhang die These, die Daniel Gros vertritt: Nicht die quantitative Lockerung in den USA, stecke hinter den großen Verschiebungen in den globalen Leistungsbilanzen, da sich das amerikanische Zahlungsbilanzdefizit in den letzten Jahren nicht erheblich verändert habe. Er verweist auf den Umschwung der Leistungsbilanz der Eurozone von einem Defizit von nahezu 75 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf einen Überschuss von nahezu 230 Milliarden Euro. Die schwache Nachfrage in Europa sei der wirkliche Grund, warum sich die Leistungsbilanzen der Schwellenländer verschlechtert hätten.
    André Kühnlenz in WeitwinkelSubjektiv konkretisiert den Beitrag den Deutschland zur globalen Geldflut leistet: “Deutschland sammelt ohnehin so viele Exportüberschüsse an – als hätten wir noch nie einen Cent verloren im Ausland. Die Erlöse legen wir natürlich weiter im Ausland: In den zwölf Monaten bis Juli waren es laut Kapitalbilanz der Bundesbank bereits 250 Mrd. Euro – das sind 70 Prozent mehr als in den zwölf Monaten bis Juli 2012. Das sind sagenhafte 9 Prozent unserer Wirtschaftsleistung oder 50mal die Kosten für den neuen Flughafen in Berlin.” Und Kühnlenz klärt dann dankenswerterweise auf, dass diese Kapital nicht direkt in die Schwellenländer fließen muss, um dort wirksam zu werden: “Selbst wenn die Deutschen, Italiener oder Spanier ihre Ersparnisse komplett in US-Staatsanleihen angelegt hätten: Am Ende sind wir Europäer es, die für Geldflut in die Schwellenländer verantwortlich sind – auch wenn der letzte Dollar, der in Brasilien, Indien oder Indonesien gelandet ist, vielleicht von einem Pensionsfonds aus den USA investiert wurde.”

  12. Paul Krugman: The Crazy Party – Die wahnwitzige Partei
    Momentan aber scheint es sehr wahrscheinlich, dass die republikanische Partei die Finanzierung der Regierung verweigern und so zu Beginn des kommenden Monats einen Regierungsstillstand erzwingen wird, sofern Präsident Obama nicht die Gesundheitsreform aufgibt, die das Kernstück seiner Präsidentschaft ist. Die republikanische Führung weiß sehr wohl, dass das keine gute Idee ist, aber bis vor kurzem bestand ihr Bemühen um Mäßigung darin, den Radikalen in ihrer Partei dringend von einer Geiselnahme Amerikas wegen des Staatshaushaltes abzuraten, nur um ein paar Wochen zu warten und dann stattdessen eine Geiselnahme wegen der Schuldengrenze anzugehen. Jetzt haben sie auch diese Aufschiebetaktik aufgegeben. Als Neuestes hört man, dass der Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner seine Bemühungen um einen ehrenwerten Rückzug in der Haushaltsdebatte aufgegeben hat, womit einem Regierungsstillstand nichts mehr im Wege steht, mit möglicherweise einer Schuldenkrise als Folge davon.
    Quelle: New York Times
  13. Verzicht als Sachzwang?
    Die Behauptung, künftig immer mehr Alte könnten von künftig immer weniger Jungen nicht mehr ernährt werden, die Rente, wie wir sie kennen, sei also nicht mehr finanzierbar, ist sofort stammtischfähig. Aber sie ist nachweislich falsch.
    Quelle: Die Gazette [PDF – 145 KB]
  14. TTIP: Die Wunschlisten der Lobbyisten
    Bei den Verhandlungen geht es u.a. um Urheberrechte und Gentechnik. Über Brancheninteressen und deren Vertreter erfährt die Zivilgesellschaft wenig – zu sagen hat sie ohnehin nichts. […]
    Wer genauer wissen möchte, was mit TTIP auf Europa zukommt, muss die Papiere durcharbeiten, die allerlei Lobbyorganisationen und Interessenvertretungen bei der EU eingereicht haben. Zwar ist nicht zu erwarten, dass die EU alle Wünsche, die dort an sie herangetragen werden, erfüllen wird. Aber immerhin bieten diese Vorstöße einen Gesamtüberblick über das Themenfeld.
    Auffällig ist zunächst, dass die Zivilgesellschaft nur ausgesprochen schwach vertreten ist. Nur ein einziges der insgesamt 52 eingereichten Stakeholder-Papiere vertritt explizit ihre Interessen. Es stammt von einer Organisation mit dem bezeichnenden Namen „Plateforme contre le transatlantisme“.
    Quelle: Carta
  15. Universität äußert sich zu Schäfers-Affäre: Wir basteln uns eine Wahrheit
    In der Nebentätigkeiten-Affäre um Professor Wolfgang Schäfers hat die Universität einen weiteren Schritt vollzogen, um sich so etwas ähnliches wie eine Wahrheit zurechtzuzimmern.
    Quelle: regensburg-digital.de

    Anmerkung unseres Lesers F.P.: Zwar nur eine lokale Nachricht, aber sie zeigt sehr schön die Verquickung von Ämtern bzw. Professoren-Posten und einer Tätigkeit in der Wirtschaft. Was der Herr in seinem Institut “lehrt”, möchte ich gar nicht wissen. Dazu wurde extra ein nagelneuer Luxusbau aufs Uni-Gelände gepflanzt, der Blick und Grünfläche verschandelt. Regensburg scheint diesbezüglich eine gewisse Tradition zu haben: Kaum ist die berüchtigte Südfinanz pleite gegangen, gibt es gleich ein ganzes neues Institut für diesen Geschäftszweig.

  16. Fragen an den Autor- Daniela Dahn – Wir sind der Staat
    Daniela Dahn, “Wir sind der Staat! Warum Volk sein nicht genügt”. Wir unsere Demokratie behindert durch das Rechtssystem und die Besitzverhältnisse? Gibt es noch Gewaltenteilung? Wer hat das Sagen?
    Quelle: SR2 – Podcast
  17. Georg Schramm bei Pelzig: die Bananenrepublik
    Quelle: YouTube
  18. Klaus Stuttmann – Ich will keinen Politiker kennenlernen
    Klaus Stuttmann gehört zu den wichtigsten Karikaturisten in Deutschland. Im ausführlichen Interview spricht er über Merkels Mundwinkel, Steinbrücks Augen, politische Witzfiguren, sinkendes Niveau, die Zukunft seines Berufes und wie einst das Faxgerät für eine Revolution sorgte.
    Quelle: Planet Interview

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