Hinweise des Tages II

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Geheimer Prüfbericht: Der BND bricht dutzendfach Gesetz und Verfassung – allein in Bad Aibling (Updates)
  2. Kommentar zur Armenien-Debatte: Eine Distanzierung, die nicht so heißen darf
  3. Wahl in Mecklenburg-Vorpommern – Der Systemfehler
  4. Überschussreserven: Banken parken 1.022.000.000.000 Euro bei der EZB
  5. Kanadierin zu Protest gegen Ceta – „Der Widerstand in der EU inspiriert“
  6. Finanzmarktpolitik: Premiere – Europaparlament blockiert Umsetzungsregeln für komplexe Anlageprodukte (PRIIPs)
  7. Hartz-IV-Empfänger: Jobcenter sollen “sozialwidriges Verhalten” sanktionieren
  8. Arbeitsunrecht in der EU
  9. Deutsche arbeiten immer länger – oft 48 Wochenstunden
  10. Das Märchen vom grünen Wachstum: Über die Kehrseite der Windräder, Elektroautos und CO2-Kompensationen
  11. Ausbeuter vor Gericht: Brandopfer verklagen Kik
  12. Lobbyisten des Silicon Valley
  13. Lang leben die Malocher*innen!
  14. Von der Leyen droht G36-Debakel
  15. Das Recht, richtig zitiert zu werden
  16. Bekloppte Nachrichten
  17. Dieser P(o)etry-Slammer zerlegt die AfD besser als Jennifer Rostock

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Geheimer Prüfbericht: Der BND bricht dutzendfach Gesetz und Verfassung – allein in Bad Aibling (Updates)
    Der BND hat die Daten seiner Massenüberwachung illegal gespeichert und muss sie unverzüglich löschen. Das stellt die Bundesdatenschutzbeauftragte in einem geheimen Bericht fest, den wir veröffentlichen. Sie kritisiert schwerwiegende Rechtsverstöße und massive Beschränkungen ihrer Kontrollkompetenz.
    Als Edward Snowden vor drei Jahren enthüllte, dass Geheimdienste die digitale Welt nahezu vollständig überwachen, war die Reaktion der Bundesregierung, die Affäre für beendet zu erklären. Nur eine kleine Behörde leistete Widerstand: Der damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar schickte seine Mitarbeiter zu einem Kontrollbesuch in die BND-Abhörstation Bad Aibling. Der BND befürchtete dadurch eine „sehr kritische Öffentlichkeit“. Aus dem Besuch entstand ein viele Seiten dicker „Sachstandsbericht“. Doch der ist „streng geheim“ gestempelt und damit nur wenigen Menschen zugänglich.
    Zusätzlich ließ die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff eine rechtliche Bewertung dieser Erkenntnisse anfertigen und schickte sie an Geheimdienst-Staatssekretär Fritsche und Ex-BND-Präsident Schindler. Aber dieses Schreiben ist noch immer „geheim“ gestempelt, und wird uns daher per Informationsfreiheitsgesetz verweigert. Kai Biermann fragte auf Zeit Online: „Geheim, weil peinlich?“ Wir haben diese Rechtsbewertung jetzt erhalten und veröffentlichen das Dokument – wie gewohnt – in Volltext.
    18 schwerwiegende Rechtsverstöße, zwölf offizielle Beanstandungen
    Der Bericht ist in der Tat peinlich für Auslandsgeheimdienst und Bundeskanzleramt: Auf 60 Seiten stellt die oberste Datenschutzbeauftragte gleich 18 schwerwiegende Rechtsverstöße fest und spricht zwölf offizielle Beanstandungen aus. Eine solche Beanstandung nach Bundesdatenschutzgesetz ist das schärfste Mittel, das der Datenschutzbehörde rechtlich zur Verfügung steht. Noch nie hat eine Behörde so viele Beanstandungen auf einmal erhalten. Sonst spricht die oberste Datenschützerin so viele Beanstandungen in einem ganzen Jahr aus – an alle Behörden und Stellen, für die sie zuständig ist, zusammen.
    Quelle: Netzpolitik.org

    dazu: Geheimbericht der Bundesdatenschutzbeauftragten bringt BND in große Bedrängnis
    Der eigentlich geheim eingestufte Prüfbericht der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff zur BND-NSA-Kooperation in Bad Aibling ist im Netz. Den deutschen Spionen stellt er ein verheerendes Zeugnis aus.
    Die Bilanz der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff zur Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendiensts (BND) mit der NSA am Horchposten in Bad Aibling könnte kaum fataler ausfallen: 18 massive Rechtsverstöße hat sie ausgemacht, “die herausragende Bedeutung haben und Kernbereiche der Aufgabenerfüllung des BND betreffen”, zwölf offizielle Beanstandungen ausgesprochen.
    Dies geht aus dem einschlägigen, geheim eingestuften Prüfbericht der CDU-Politikerin vom März hervor, den Netzpolitik.org im Volltext online gestellt hat.
    Parallel haben NDR und WDR die rund 60 Seiten und die darauf wiederholt festgestellten “systematischen Gesetzesverstöße” ausgewertet. Ihr Resümee: Die Vorwürfe seien so schwerwiegend, dass der BND wohl “weite Teile seiner Arbeit in Bad Aibling einstellen müsste”.
    Quelle: Heise

  2. Kommentar zur Armenien-Debatte: Eine Distanzierung, die nicht so heißen darf
    Was für ein Eiertanz: Um den Ärger mit der Türkei zu dämpfen, erklärt Regierungssprecher Steffen Seibert, die Armenien-Resolution, in der der Türkei ein Völkermord an den Armeniern am Anfang des 20. Jahrhunderts vorgeworfen wird, sei für die Regierung nicht rechtsverbindlich.
    Diese Klarstellung war erwartet worden, der SPIEGEL hatte zuerst darüber berichtet. Die Türkei machte sie in Gesprächen mit deutschen Diplomaten zur Bedingung, damit deutsche Abgeordnete wieder zu den Bundeswehrsoldaten am Stützpunkt Incirlik reisen können.
    Seibert und alle anderen Koalitionäre erklären nun leutselig, das sei keine Distanzierung von der Resolution des Parlaments. Das ist politische Irreführung für Anfänger. Denn Seiberts Äußerung ist natürlich doch eine Distanzierung, sie darf nur nicht so heißen. Schließlich soll das deutsche Publikum nicht den Eindruck erhalten, Merkel und die Regierung machten den Kotau vor dem Autokraten Erdogan. Zwei Landtagswahlen stehen vor der Tür, und Erdogan ist in Deutschland ungefähr so beliebt wie Hagel im August.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Jetzt haben wir es also endlich schwarz auf weiß: Resolutionen des Bundestages haben keine bindende Wirkung. Also ob wir das nicht schon längst geahnt hätten. Es mag ja durchaus juristisch so sein, dass eine Resolution keine rechtliche Wirkung entfaltet, aber welches Signal mit derlei diplomatischen Mätzchen ausgelöst wird, ist auch klar. Wird dem staunenden deutschen Wähler doch damit nichts anderes gesagt als: Was das Volk denkt, interssiert uns nur am Rande, entscheiden tut ohnehin nur die Regierung und hier insbesondere die Kanzlerin. Eine Kanzlerin, die einseits durch das “Wir schaffen das”-Credo so tut, als ob sie in der Mitte des Volkes stünde, andererseits aber durch derartige Alleingänge wie den Erdogan-Kotau wieder einmal zeigt, dass sie die eigentliche deutsche Alleinherrscherin ist, die das (Wahl)-Volk gefälligst zu lieben hat!

    Ergänzende Anmerkung Jens Berger: „Was für ein Eiertanz“ – diesem Satz kann man sich vollumfänglich anschließen. Jedoch nicht nur die Politik vollzieht einen Eiertanz, auch die Medien nehmen sich hier nichts. Der SPIEGEL ist stolz wie Bolle, dass er „zuerst darüber berichtet hat“ und die Distanzierung korrekt als eine solche bezeichnet hat. Dann kommt Stefan Seibert und dementiert – man habe sich nicht distanziert und dieses „Dementi“, richtiger wäre „Eiertanz“, wird von zahlreichen Medien 1:1 übernommen. Die richtige Schlussfolgerung, Merkel vollzieht den Kotau, wischt die kanzlerinnenverliebte Süddeutsche bereits proaktiv weg und auch der SPIEGEL fängt nun an zu wackeln, da man sich offenbar nicht traut, Merkels Türkeipolitik zu kritisieren. Also eiert man kräftig um die Begrifflichkeiten herum und greift letztlich zur indirekten Rede: „Schließlich soll das deutsche Publikum nicht den Eindruck erhalten, Merkel und die Regierung machten den Kotau vor dem Autokraten Erdogan“. Warum so defensiv? Die Politik hat nun ihre „Distanzierung, die nicht so heißen darf“ und die Medien haben ihren „Kotau, der nicht so heißen darf“. Und das Publikum schüttelt den Kopf und wählt AfD. Toll!

    dazu: Gregor Gysi
    Der Kotau vor Erdogan ist ein ungeheuerlicher Skandal: Dass sich die Bundesregierung de facto von der Armenien-Resolution des Bundestages distanziert und damit auf die Erpressung von Erdogan hin bereit ist, die feststehende Tatsache zu leugnen, dass es vor 100 Jahren in der Türkei einen Völkermord an den Armenierinnen und Armeniern gab, ist ein ungeheuerlicher Skandal. Eine Regierung, die sich von den USA zu Sanktionen gegen Russland, zum Wegsehen gegenüber dem Ausspähen ihrer Bürgerinnen und Bürger durch einen amerikanischen Geheimdienst und nun auch von Erdogan erpressen lässt, gibt ihre Eigenständigkeit und Souveränität in beachtlichem Umfang auf. Und wozu das Ganze? Weil Erdogan anderenfalls nicht erlaubt, dass Bundestagsabgeordnete die auf einem türkischen Militärstützpunkt stationierten Bundeswehrsoldaten besuchen. Es gibt auch eine souveräne Reaktion auf Erdogans Erpressung: Die Stationierung wird beendet. Im Übrigen ist dieses Verhalten der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag grundgesetzwidrig. Der Bundestag steht über der Bundesregierung, sie ist ihm rechenschaftspflichtig und wird von ihm kontrolliert. Sie hat nicht das Recht, ihn zu negieren, zu missachten.
    Quelle: Gregor Gysi auf Facebook

  3. Wahl in Mecklenburg-Vorpommern – Der Systemfehler
    Nach der Landtagswahl wird Ratlosigkeit herrschen über die Wahlbeteiligung und den Aufstieg der AfD. Warum das Desinteresse, warum dieser Frust? […]
    Ja, es stimmt, Mecklenburg-Vorpommern ist immer noch ein strukturschwaches Bundesland, jedenfalls im Vergleich zu Ländern im Westen. Aber fährt man durchs Land, wird man von schnellen Autos überholt. An den Seen und an der Küste gibt es keine freien Hotelzimmer. An den Landstraßen ragen Windräder in den Himmel. In den Dörfern und Städten sieht man frisch sanierte Häuser und riesige Discounter. Sie stehen an perfekt ausgebauten Straßen, deren Alleebäume diesen magischen Halbschatten spenden, wegen dem es viele Menschen hierher zieht, in den Osten. Kein Zweifel, Mecklenburg-Vorpommern ist schön. Es herrscht moderater Wohlstand.
    Die soziologische These, nach der privater wirtschaftlicher Wohlstand Demokratie erzeugt und festigt, greift dennoch nicht. AfD zu wählen, können sich laut letzten Umfragen zwanzig Prozent der Befragten vorstellen. Warum? Viel ist die Rede von Abstiegsängsten, von Abwehr und Resignation. Als Grund wird immer mal die Retraumatisierungstheorie angeführt, Ostdeutsche seien durch die Nachwendeerfahrung privater Brüche nicht bereit für weitere Veränderungen.
    Ja, die Wende hat die Werftindustrie plattgemacht, die EU hat den Tod der Küstenfischerei besiegelt, die Arbeitsplätze in der fischverarbeitenden Industrie sind futsch. Dennoch gibt es auch Erfolgsgeschichten. Die Natur, Mecklenburg-Vorpommerns größter Schatz, hat sich erholt. Das Land ist an milliardenschwere Straßenprojekte angebunden worden, die dem Tourismus gut tun. Die Universitäten und Hochschulen sind heiß begehrt. Die Bürger führen ein sicheres, komfortables Leben nach westlichen Standards. Jeden Morgen geht die Sonne über ihrem friedlichen Land auf.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “[F]risch sanierte Häuser und riesige Discounter” – wie kann man nur unter diesen romantischen Umständen (hat jemand was gegen Discounter auf der grünen Wiese?) der Wahl fernbleiben oder, noch schlimmer, AfD wählen? Die Beschreibungen der taz sind typisch für alle Blätter, die die neoliberale Merkelrepublik schönreden wollen. Deutschland geht es doch gut! Solange man auf diesem oberflächlichen “Analyseniveau” verharrt, bleibt der Aufstieg der AfD natürlich unerklärlich.

    Vielleicht mal einen Bericht lesen von jemandem, der näher dran ist:

    Arbeitnehmer in MV – Der Lohnkeller der Nation
    Trotz positiver Entwicklungen: Arbeitnehmer in MV verdienen noch immer rund ein Fünftel weniger als Kollegen in anderen Bundesländern
    Die jüngsten Daten zur Lohnentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern zeigen nach Ansicht der Linken den noch immer großen Nachholbedarf im Land. Bei allen positiven Entwicklungen gebe es mehr Schatten als Licht. Dazu gehöre, dass Arbeitnehmer im Nordosten trotz Lohnzuwächsen im vorigen Jahr mit 25 828 Euro im Schnitt noch immer ein Fünftel weniger verdienten als ihre Kollegen im bundesweiten Vergleich.
    „Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sollte daher endlich aufhören, die Entwicklung des Landes in rosaroten Farben zu malen“, erklärte der Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Helmut Holter. Der Oppositionspolitiker verwies auf Antworten der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage seiner Fraktion zur „sozioökonomischen Entwicklung in MV“.
    Daraus geht hervor, dass Mecklenburg-Vorpommern 2015 unter den Flächenländern mit 10,4 Prozent erneut die höchste Arbeitslosenquote hatte. Mit 14,3 Prozent war die Quote der Hartz-IV-Bezieher nach Sachsen-Anhalt am zweithöchsten. Mit 42 Prozent erreichte der Anteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben den niedrigsten Wert aller Bundesländer. Im Bundesdurchschnitt sind den Angaben zufolge 58 Prozent der Arbeitnehmer in Firmen mit Tarifbindung beschäftigt.
    Diese Zahlen seien „ernüchternd“, sagte Holter und forderte einen Politikwechsel. „Anderenfalls wird es Mecklenburg-Vorpommern als strukturschwaches Bundesland nie aus dem Tabellenkeller schaffen.“ […]
    Der durchschnittliche Bruttolohn eines Arbeitnehmers im Nordosten liege mit 2100 Euro im Monat um 37 Prozent unter dem Verdienst in Hamburg und um 22 Prozent unter dem in Schleswig-Holstein. Diese Lohnspreizung müsse geschlossen werden, sagte der Gewerkschafter.
    Die Unternehmerschaft in MV sieht derlei Forderungen mit Skepsis. „Die Lohnentwicklung muss sich immer auch nach der Entwicklung der Wirtschaftskraft richten. Und da gab es schon immer regionale Unterschiede“, sagte Lothar Wilken vom Unternehmerdachverband VUMV.
    Quelle: SVZ.de

    Die höchste Arbeitslosigkeit unter allen Flächenländern, die zweithöchste Quote von Hartz-IV-Betroffenen, mit Abstand die niedrigsten Löhne: man kann nicht alle Wahlentscheidungen aus der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung erklären, aber einen Hinweis gibt sie doch. Wenn man sich mal mit der Realität beschäftigen will. Auch eine bewußte Wahlenthaltung kann schließlich bedeuten, daß sich die Betroffenen gar nichts mehr von einer Politik versprechen, die 25 Jahre lang nicht oder wenig geliefert hat; und die AfD wählt man, so interpretiert, möglicherweise, um Rabatz zu schlagen und “damit sich mal was ändert”.

  4. Überschussreserven: Banken parken 1.022.000.000.000 Euro bei der EZB
    Die Guthaben der Banken bei der Europäischen Zentralbank haben zum ersten Mal die Marke von einer Billion Euro überschritten. Für die Geldinstitute ist das ein Minusgeschäft. […]
    Die Überschussreserven geben das Guthaben der Banken bei der EZB an, das über die sogenannte Mindestreserve hinausgeht. Damit kann die Notenbank das Zinsniveau und die Kreditvergabe der Banken grob steuern. Normalerweise ist der Überschuss über die Pflichtreserve hinaus sehr gering. Aufgrund der massiven Wertpapierkäufe der EZB sind die Guthaben der Banken aber angeschwollen.
    Die EZB hatte im März 2015 erstmals damit begonnen, Wertpapiere zu kaufen. Seither hat sie Wertpapiere von öffentlichen Schuldnern wie Staaten im Wert von 990 Milliarden Euro erworben. Darüber hinaus kauft sie weitere Vermögenswerte wie Unternehmensanleihen, besicherte Bankanleihen und Kreditverbriefungen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Staatsverschuldung paradox. Nun hat die EZB den Banken „Wertpapiere von öffentlichen Schuldnern“ (das dürften zum größten Teil Staatsanleihen sein) im Wert von fast einer Billion Euro abgekauft und alle Beteiligten haben Probleme: Die Staaten, weil die Konjunktur dümpelt und die hohe Gesamtverschuldung sie lähmt, die Banken, weil die Konjunktur dümpelt, zu wenig Kredite nachgefragt werden und daher die Zinsen im Keller bleiben und schließlich die EZB, weil sie keiner ihrer Aufgaben in dieser Situation so richtig nachkommen kann. Was wäre wenn. Was wäre, wenn die EZB diese Billion an Staatsschulden einfach wie ein Zauberer in einem schwarzen Zylinder verschwinden lassen würde? Die Staaten hätten wieder finanziellen Spielraum, könnten die Konjunktur aktiv ankurbeln, es würde mehr Kredite nachgefragt, die Zinsen steigen wieder, die Banken gesunden und die EZB hat ihr Inflationsziel wieder in Reichweite. Aber nein, darüber darf man ja offensichtlich noch nicht einmal diskutieren. Wir wollen die Krise nicht beenden.

  5. Kanadierin zu Protest gegen Ceta – „Der Widerstand in der EU inspiriert“
    Die kanadische Handelsexpertin Sujata Dey bedauert die unkritische Haltung der Kanadier zum Freihandel. Doch bei Ceta hat sie Hoffnung.
    Quelle: taz
  6. Finanzmarktpolitik: Premiere – Europaparlament blockiert Umsetzungsregeln für komplexe Anlageprodukte (PRIIPs)
    Ein Kernbestandteil der EU-Finanzmarktreformen ist das von Europarlament und Rat der Mitgliedsstaaten im April 2014 beschlossene einheitliche und leicht verständliche Finanzprodukte-Informationsblatt. Dies wird im Rahmen der sogenannten “PRIIPs-Verordnung” (EU-Sprech: “Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte”) eingeführt. Momentan arbeiten das Europaparlament, die Europäische Kommission und der Rat der Mitgliedsstaaten an der Umsetzung dieser Verordnung.
    Ein wichtiger Schritt in diesem Arbeitsprozess ist die gestrige Abstimmung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europaparlaments über die Detailvorschläge zur Umsetzung der PRIIPs-Verordnung (“delegated regulation”/”delegierte Verordnung”). Die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) haben die Detailvorschläge erarbeitet, bevor sie von der Europäischen Kommission verabschiedet wurden. Die zuständigen Europaabgeordneten sowie Vertreter von Kommission und ESAs standen während des bisherigen Arbeitsprozesses miteinander in Kontakt. Mit der gestrigen Abstimmung hat der ECON-Ausschuss des Europaparlaments seine Position zu den PRIIIPs-Umsetzungsregeln
    beschlossen. Wichtiges Ergebnis Grüner Arbeit: Der Verbraucherschutz stand im Zentrum der Kritik der Europaabgeordneten an den Detailvorschlägen der Kommission. Der nächste Schritt wird im September die Abstimmung der Europaabgeordneten im Plenum sein. Zwischen den beiden Abstimmungen sind Verhandlungen zwischen den zuständigen Parlamentsvertretern und der Kommission zu den Detailvorschlägen geplant.
    Quelle: Sven Giegold
  7. Hartz-IV-Empfänger: Jobcenter sollen “sozialwidriges Verhalten” sanktionieren
    Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will einem Bericht zufolge schärfer gegen Hartz-IV-Empfänger vorgehen, die ihre Bedürftigkeit selbst verursacht oder verschlimmert haben. Demnach sollen Betroffene, die ihre Hilfebedürftigkeit selbst herbeiführen, sie verschärfen oder nicht verringern, künftig sämtliche erhaltenen Leistungen für bis zu drei Jahre zurückzahlen müssen, berichtete die “Bild”-Zeitung unter Berufung auf eine neue Weisung der BA an die Jobcenter. Selbst der Wert von Essensgutscheinen müsste dann erstattet werden.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung unseres Leser J.A.: Wir sind in Deutschland anscheinend sooo dicht davor, daß Hartz-IV-Betroffene wegen des Bezugs von Sozialleistungen ins Gefängnis kommen. Zu Recht, denn natürlich sind die Hartz-IV-Betroffenen schuld daran, daß es fünf bis sechs Millionen Arbeitslose, ein viel zu geringes Wirtschaftswachstum, viel zu niedrige Löhne und viel zu wenige freie Stellen gibt. Gespannt bin ich auf die Ausführungsbestimmungen: wie kann den das Jobcenter Essensgutscheine zurückfordern (müssen die wieder ausgespuckt werden?) oder Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (oder die in Anspruch genommenen Gesundheitsleistungen?), und zwar von Menschen, die überhaupt kein Geld haben? Sollen die Betroffenen dann jahrzehntelang Schulden abarbeiten – und würde das nicht den “Anreiz” zur Stellensuche deutlich verringern? Diese Regierung und diese Republik werden immer verrückter.

    dazu: Wo soll das enden? Übergewichtige und Ganzkörpertätowierte könnte man doch auch … Ein Kommentar zum “sozialwidrigen Verhalten”, das die Jobcenter sanktionieren sollen
    In der Online-Ausgabe der BILD-Zeitung wurde man mit dieser Meldung konfrontiert: »Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verschärft die Gangart gegenüber Hartz-IV-Empfängern. Schärfer ahnden sollen die Ämter laut einer neuen internen BA-Weisung „sozialwidriges Verhalten“ von Hartz-Empfängern.« Das hat Spiegel Online aufgegriffen: Jobcenter sollen “sozialwidriges Verhalten” sanktionieren. Dort erfahren wir mit Bezug auf den BILD-Artikel, der sich wiederum auf eine neue Weisung der BA an die Jobcenter beruft: »Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will … schärfer gegen Hartz-IV-Empfänger vorgehen, die ihre Bedürftigkeit selbst verursacht oder verschlimmert haben. Demnach sollen Betroffene, die ihre Hilfebedürftigkeit selbst herbeiführen, sie verschärfen oder nicht verringern, künftig sämtliche erhaltenen Leistungen für bis zu drei Jahre zurückzahlen müssen. Strenger ahnden sollen die Ämter demnach auch “sozialwidriges Verhalten” von Hartz-Empfängern.«
    Was muss man sich denn darunter vorstellen – “sozialwidriges Verhalten”? Beginnen wir mit der “mildesten” Variante, weil sie immer wieder gerne angeführt wird und sich vielen Beobachtern auch als ein bewusstes Fehlverhalten darstellt, das man ahnden kann/soll: »Hartz-IV-Empfänger, die bezahlte Jobs grundlos ablehnen und deshalb weiter von Hartz IV abhängig bleiben«, die fallen unter diese Kategorie, wobei hier gar nicht thematisiert werden soll, dass es in praxi gar nicht so einfach ist, diesen Tatbestand eindeutig festzustellen.
    Aber die neue Weisungslage hat es in sich: »Betroffen seien etwa Berufskraftfahrer, die den Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer verlieren und dann auf Hartz IV angewiesen sind … Die schärferen Bestimmungen könnten demnach auch Mütter treffen, die sich weigern, die Namen der Väter ihrer Kinder zu nennen. Denn dieser müsste möglicherweise Unterhalt zahlen, das Jobcenter müsste dann weniger Leistungen an die Mütter überweisen.«
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik

    Anmerkung Christian Reimann: Da die SPD politisch die Verantwortung für die BA trägt – die ach so linke Frau Nahles (SPD) ist Bundesministerin für Arbeit und Soziales – kann bzw. muss angenommen werden, dass die Partei mit diesen Verschärfungen einverstanden ist und billigend in Kauf nimmt, dass die Betroffenen – sei es aus Protest oder Überzeugung – nationalistische und rechte Parteien wählen. Die SPD hat offenbar aus den verheerenden Wirkungen der Politik der Agenda 2010 keine oder die falschen Schlüsse gezogen: Immer noch meint sie wohl die “kleinen Leute” wie Zitronen auspressen zu können während die Reichen und Vermögenden dieses Landes mit Samthandschuhen behandelt werden.

  8. Arbeitsunrecht in der EU
    Die Europäische Union hat viele Krisen: bankrotte Privatbanken, überschuldete Staaten, wirtschaftliche Stagnation. Doch die am meisten verdrängte und verzerrt dargestellte Krise ist die der abhängigen Arbeit. Das gilt nicht nur für Griechenland und den Kosovo, sondern auch für die mächtigsten Staaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
    Mit den Worten »Es geht uns allen gut« beschönigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2013 schlicht die tiefste Krise, die die Bundesrepublik je hatte. Acht Millionen Menschen arbeiten hierzulande nach Angaben der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im Niedriglohnsektor: Arbeitslose, die dazu regelrecht erpresst werden, Mindestlöhner, Werkvertragler, »Aufstocker«, aber auch zwangsweise Teilzeitarbeitende und Leiharbeiter, Mehrfachjobber, Ein-Euro-Jobber, befristet Beschäftigte, weiterschuftende Rentner. Nicht zu vergessen die ausgewählten Hungernden, die sich täglich bei den eintausend mildtätigen Tafeln etwas zu essen holen dürfen. Zur Beschönigung wird statistisch getrickst und gelogen. Zum Beispiel: Schon wer eine Stunde in der Woche gegen Bezahlung arbeitet, gilt als beschäftigt, gilt nicht mehr als arbeitslos!
    Die tiefe Krise der abhängigen Arbeit geht noch weiter. Unternehmenschefs nötigen Beschäftigte zu immer mehr unbezahlten Überstunden. Gegenwärtig pressen Unternehmen ihren Beschäftigten mindestens 40 Milliarden Euro jährlich an unbezahlten Überstunden ab. Während Millionen Beschäftigte mit Vollzeitstellen 45 und auch viel mehr Stunden in der Woche arbeiten, sind Millionen andere Beschäftigte gezwungen, sich mit 15 oder 20 bezahlten Stunden über Wasser zu halten.
    Die Krise geht noch tiefer. Rechtsbrüche sind an der Tagesordnung. Erpressung und Nötigung sind Straftaten. 20-Stunden-Verträge etwa für Reinigungskräfte im Hotel zeigen: Die Arbeit ist in der vorgegebenen Zeit gar nicht zu schaffen, es muss länger gearbeitet werden, aber nur 20 Stunden werden bezahlt. Laut dem am Donnerstag veröffentlichten Ausbildungsreport 2016 des DGB leisten Auszubildende im Hotelgewerbe durchschnittlich 5,8 Überstunden.
    Quelle: Werner Rügemer in der jungen Welt
  9. Deutsche arbeiten immer länger – oft 48 Wochenstunden
    Die Deutschen arbeiten immer länger und immer häufiger auch am Wochenende. Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervor, die unserer Berliner Redaktion vorliegt. Demnach ist die Zahl der Beschäftigten, die regelmäßig länger als 48 Stunden in der Woche arbeiten, in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen – von 1,3 Millionen im Jahr 1995 auf 1,7 Millionen 2015. (…)
    Die Linke warnte vor einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeiten. “Immer mehr Menschen arbeiten schon jetzt abends, nachts oder am Wochenende. Aber anstatt der Ausbreitung atypischer Arbeitszeiten und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken einen Riegel vorzuschieben, will Bundesarbeitsministerin Nahles das Arbeitszeitgesetz noch weiter aufweichen”, sagte Linken-Sozialexpertin Jutta Krellmann. “Das ist ein schlechter Witz. Ich fordere Frau Nahles auf, sich in der Debatte um flexible Arbeitszeiten endlich an den Bedürfnissen der Beschäftigten zu orientieren statt nur an denen der Unternehmen.” Eine wirksame Anti-Stress-Verordnung und die Reduzierung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit “waren wegweisende Signale”, so Krellmann weiter.
    Quelle: Passauer Neue Presse
  10. Das Märchen vom grünen Wachstum: Über die Kehrseite der Windräder, Elektroautos und CO2-Kompensationen
    In Teil 1 dieser Analyse wurde aufgezeigt, warum die derzeitigen CO2-Märkte keine ausreichende Lösung für die Überwindung der Klima-Problematik sind. Doch nur zu sagen, nur der Markt wäre schuld, greift zu kurz. Denn allzu oft sind auch wir Konsumenten schuld, wenn wir denken, nachhaltig zu handeln, aber in Wahrheit das Klima immer stärker anheizen. Denn die grünen Technologien sind nur so wirksam wie wir es zulassen. Und während das Modell des grünen Wachstums auf dem Papier schlüssig klingt, zeigen sich gravierende Mängel in der Praxis. So machen beispielsweise Rebound-Effekte vermeintliche Effizienz-Gewinne zunichte, so dass die Problematik des Klimawandels und der Umweltzerstörung mithilfe des vermeintlich „grünen Konsums“ nur etwas verlangsamt, nicht aber gestoppt wird. Zur Lösung der Klimaproblematik braucht es einen massiven globalen Eingriff zur Erhöhung des Preises für fossile Energieträger. Diese Lösung ist allerdings nur praktikabel, wenn die Förderländer die Produktion nicht gleichzeitig ausweiten, um von den hohen Preisen noch stärker zu profitieren.
    Quelle: Zebralogs
  11. Ausbeuter vor Gericht: Brandopfer verklagen Kik
    Am 11.September 2012 forderte „die Globalisierung“ besonders viele Opfer: 260 Menschen starben bei einem Fabrikbrand in Karachi (Bangladesh), 32 wurden verletzt. Hauptkunde der Fabrik von „Ali Enterprises“ war nach eigenen Angaben der deutsche Textildiscounter KiK. Vier Betroffene des Brandes haben am 13. März 2015 beim Landgericht Dortmund Klage auf Schadensersatz gegen KiK eingereicht -jetzt wurde ihnen Prozesskostenhilfe gewährt. Immerhin ein Hinweis auf Erfolgsaussichten. Die erstmalige Klage von Opfern gnadenloser Ausbeutung durch Westkonzerne vor einem Westgericht löst Panik unter Top-Managern aus. Ihre auf Outsourcing von Arbeit und Verantwortung gegründete Machtordnung ist in Gefahr: Hoffnung für Millionen Sklavenarbeiter im Süden. Und eine Schlappe für die BWL-Professorin Evi Hartmann, deren Buch „Wie viele Sklaven halten Sie?“ die Konzernverantwortung ableugnen und durch moralische Haftung der prekarisierten Käufer von Kik-Billigkleidung ersetzen wollte. Prof. Hartmann verdient ihr Geld damit, ihren Studenten beizubringen, wie man Lieferketten in Billiglohnländer organisiert.
    Vor Gericht wird es vor allem um die Fragen gehen: Waren die Feuerschutzregeln bei Ali Enterprises ungenügend, fehlten Notausgänge und Feuerlöscher? Und wenn ja: Trifft den deutschen Großkonzern Kik als „Auftraggeber“ eine Mitschuld? Die Billigklamottenfirma hat ihren Zulieferer Ali Enterprises bis zu 75 Prozent ausgelastet. Für die Kläger klares Kennzeichen einer Scheinselbständigkeit, wie man sie beim Ausquetschen von Prekarisierten auch hierzulande kennt. Der Auftraggeber Kik stünde dann in einer besonderen Verantwortung, weil er faktisch über die Arbeitsbedingungen mitentschieden hat -entweder direkt durch Hineinregieren, aber zumindestens über ausbeuterisch tiefe Abnahmepreise, die strikte Kostensenkung fordern. Die Anwälte von Kik sehen dies natürlich ganz anders und streiten jede Haftungsmöglichkeit ab.
    Muhammad Hanif, Muhammad Jabbir, Abdul Aziz Khan Yousuf Zai und Saeeda Khatoon gehören zur Selbstorganisation der Betroffenen, der Baldia Factory Fire Affectees Association, und fordern je 30.000 Euro Schmerzensgeld. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und medico international unterstützen die Klage, die Rechtsanwalt Dr. Remo Klinger aus Berlin eingereicht hat.
    Quelle: Jasminrevolution
  12. Lobbyisten des Silicon Valley
    Wie amerikanische Technologiekonzerne ihre politischen Ideen verbreiten
    Apple ist sauer. “Die Europäische Kommission will die Geschichte von Apple in Europa neu schreiben”, schimpft der Konzern und warnt vor “tiefgreifenden und schädlichen Auswirkungen auf Investitionen und Arbeitsplätze” in Europa. Der ungewohnt scharfe Ton hat damit zu tun, dass die Kommission von Apple bis zu 13 Milliarden Euro Steuern nachfordert. Doch auch die politische Rückendeckung aus der Heimat dürfte Apple dazu ermutigt haben. Erst vor Tagen hatte das Finanzministerium aus Washington die Europäer vor den Folgen einer Steuernachforderung gewarnt.
    Diese Einigkeit mag Zufall sein, vielleicht aber auch die Folge guter Lobbyarbeit. Denn nicht nur Apple, auch andere Technologiefirmen vertrauen längst nicht mehr allein auf die Zugkraft ihrer Produkte. Sie wissen, dass ihr wirtschaftlicher Erfolg ebenso von politischen Rahmenbedingungen abhängt. So kämpft das Silicon Valley in Washington um Gehör – bei sehr vielen Themen.
    Für ein neues Einwanderungsrecht setzt sich seit drei Jahren die Organisation FWD.us ein. Auf der Liste ihrer Initiatoren und Unterstützer stehen Mark Zuckerberg von Facebook, Microsoft-Gründer Bill Gates, Google-Chairman Eric Schmidt, Kevin Systrom von Instagram und fast hundert weitere Namen aus der Technologieszene und von ihren Geldgebern. Ihre Mission ist offen politisch. FWD.us will Perspektiven für die elf Millionen inoffiziellen Einwanderer in den USA erreichen und auch künftig qualifizierte Arbeitskräfte ins Land locken. Pläne des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, illegale Immigranten ausweisen zu wollen, bezeichnet die Organisation als “inhuman und enorm teuer”. Obwohl ihre Gründer innovativ sind, bedient sich FWD.us geradezu klassischer Methoden des Lobbying: Prominente wie Zuckerberg schreiben vor wichtigen Gerichtsterminen offene Briefe an den Supreme Court, einfache Bürger werden ermuntert, sich an ihre Kongressabgeordneten zu wenden.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Das Silicon Valley gibt es jetzt seit ca. 50 Jahren. Von Anfang an war sehr viel Geld im Spiel, von Anfang wurde heftig lobbyiert und von Anfang an hat sich die US-Regierung für die Interessen der Silicon-Valley-Firmen gegenüber ausländischen Unternehmen eingesetzt. Daß diese Firmen ihre Gewinne durch ein möglichst exklusives Patentrecht, möglichst niedrige Steuern und eine möglichst großzügige Einwanderungsregelung, also Arbeitskräfteüberangebot und niedrige Gehälter, sichern und erhöhen wollen, ist keine exotische Neuigkeit. Daß große Kapitalien großen Einfluß auf die Politik nehmen, ist übrigens in Deutschland exakt genauso und dem Kapitalismus inhärent.

  13. Lang leben die Malocher*innen!
    Patienten strömen herein, der Wartebereich ist voll, die Behandlungsräume belegt. Rettungswagen fahren vor. Viele Patienten sind hier eigentlich falsch, sie bräuchten einen Termin beim Facharzt, den sie haben können – irgendwann. Schmerzen haben sie aber jetzt. Also bleiben sie. Ungeduld und Unwohlsein machen manchen aggressiv. Ausbaden dürfen es die Pflegerinnen und Pfleger. Sie kriegen Ärger und Ängste ab, müssen trotzdem Freundlichkeit und Zuversicht ausstrahlen und sind oft bereits selbst am Limit. Nach acht, neun Tagen Schichtdienst ist das normal. Notaufnahmen sind in diesem Lande, wie eigentlich alle medizinischen Abteilungen in Krankenhäusern, personell unterbesetzt. Es fehlen Planstellen, die die verbliebenen Pfleger auffangen müssen. Das ist gesundheitspolitisch gewollt und vorgesehen, das hiesige Gesundheitssystem schafft kranke Gesundheitssystemarbeiter.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  14. Von der Leyen droht G36-Debakel
    Verteidigungsministerin von der Leyen lässt das G36-Gewehr bei der Bundeswehr ausmustern – wegen vermeintlicher Mängel. Dass es die gar nicht gibt, will der Hersteller per Gericht feststellen lassen. Im heute erwarteten Urteil droht der Ministerin eine peinliche Niederlage.
    Eigentlich ist bei der Bundeswehr der Freitag ein sehr entspannter Tag. Selbst im Bendlerblock, dem Berliner Amtssitz von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, ist ab mittags kaum noch jemand zu erreichen. Das Wochenende beginnt früh bei den deutschen Streitkräften. Doch heute ist das wohl anders.
    Mit Nervosität schaut man von der Spree an den Rhein. Denn das Landgericht Koblenz entscheidet in einem Fall, der sich für von der Leyen zu einem politischen Debakel entwickeln könnte. Es geht um das Standard-Sturmgewehr der Bundeswehr, das G36 des schwäbischen Herstellers Heckler&Koch. Die Ministerin hatte 2015 medienwirksam verkündet, dass die Waffe “keine Zukunft in der Bundeswehr” habe. Grund waren Präzisionsmängel in Extremsituationen – also etwa, wenn das Gewehr über längere Zeit Dauerfeuer schießt oder sich durch Sonneneinstrahlung ungewöhnlich stark erhitzt.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Jens Berger: Wenn dies ein „peinliche Niederlage“ für von der Leyen ist, so ist es eine „peinliche Niederlage“ mit Ansage. Lesen Sie sich dazu doch bitte meinen Artikel G36-Affäre – Nichts ist so, wie es scheint aus dem letzten Jahr durch.

  15. Das Recht, richtig zitiert zu werden
    Mit sinnentstellenden Verkürzungen von Äußerungen des AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen hätten sich viele Medien keinen Gefallen getan, kommentiert Silke Hasselmann. Es sollte für Journalisten selbstverständlich sein, sich nicht zum Handlanger von Kampagnen zu machen. Der Wähler und Bürger habe ein Recht darauf, das ganze Bild serviert zu bekommen.
    Und wieder ist es passiert. Wieder ist es intellektuell unredlich, und wieder ist es dumm. Denn zumindest im Sinne der Urheber dürfte es mehr schaden als nützen, dass sie Jörg Meuthens Einlassung sinnentstellend verkürzen.
    Lernen wir es nie? Man müsse “in einem Parlament in der Sache abstimmen”, hatte der AfD-Bundesvorsitzende auf eine Frage der Zeitung “Mannheimer Morgen” erwidert. Und dann hinzugefügt: “Wenn die NPD vernünftige Vorschläge macht, würden wir genauso wenig gegen sie stimmen, wie wenn das bei den Linken der Fall wäre.”
    Wie fielen die Schlagzeilen und Reaktionen aus Politik und Medien überwiegend aus? Der Tenor lautete: “AfD in Mecklenburg-Vorpommern will mit NPD kooperieren”. Wahlweise “paktieren”. Dabei hätte die Nachricht aus lauten können: “AfD will mit den LINKEN zusammenarbeiten”. Nichts dergleichen. […]
    Ich verteidige nicht die AfD, Jörg Meuthen oder das, was er gesagt hat. Aber ich verteidige das Recht, richtig zitiert zu werden. Beziehungsweise – als mündiger Leser, Hörer, Bürger, Wähler – das ganze Bild serviert zu bekommen.
    Quelle: Deutschlandfunk
  16. Bekloppte Nachrichten
    Vor wenigen Monaten wurde bekannt, dass Facebooks News-Kuratoren, welche die Rubrik „Trending Topics“, eine Art Nachrichtenticker, mit Inhalten bestücken sollten, Vorgaben für die Quellenauswahl bekamen. So sollten Websites wie die der „New York Times“ bevorzugt, konservative wie das Portal „Breitbart News“ hingegen weniger berücksichtigt werden. Die Kuratoren, darunter einige Journalisten, sollten zudem den Namen des Konkurrenten Twitter in der Titelzeile vermeiden und stattdessen von „sozialen Medien“ schreiben. Der Bericht über die Anweisungen schlug hohe Wellen. Kritiker warfen dem Konzern vor, die Nachrichtenauswahl zu manipulieren. Der Handelsausschuss des amerikanischen Senats verlangte eine schriftliche Erklärung, der Facebook-Chef Mark Zuckerberg musste sich vor dem Gremium rechtfertigen.
    Nun hat Facebook sein fünfzehnköpfiges Nachrichten-Team gefeuert und durch einen Algorithmus ersetzt. Das Kalkül war, dass eine Maschine neutraler sei als der Mensch. Facebook teilte mit, das Ziel, topaktuelle Nachrichten „für so viele Leute wie möglich zu erschließen“, sei „schwer zu erreichen, wenn wir einzig auf von Hand zusammengefasste Themen zurückgreifen würden“. Ein algorithmisch gesteuerter Prozess erlaube es, „Trending Topics“ zu ordnen und mehr Themen abzudecken sowie diese mehr Menschen weltweit zur Verfügung zu stellen. Das klang wie eine unfreiwillige Reminiszenz an den amerikanischen Ingenieur Frederick W. Taylor, der einmal schrieb: „Alle Denkarbeit muss aus dem Betrieb herausgenommen und in der Planungsabteilung konzentriert werden.“
    Quelle: FAZ

    dazu auch: Nachrichten im Netzwerk: Facebook hat ein Trend-Problem
    Was am Montag bei Facebook vorgefallen ist, passiert im Internet ständig: Eine falsche Nachricht, ein sogenannter Hoax, wurde vielen Nutzern des sozialen Netzwerks angezeigt. Verbreitet wurde der Hoax aber an prominenter Stelle, über Facebooks Trending-Liste.
    US-Nutzer bekommen hier Stichworte zu sehen, die gerade viel Interesse finden. Ganz oben auf dieser Liste stand Montag der Name “Megyn Kelly”. Fuhren Nutzer mit dem Cursor darüber, zeigte Facebook ihnen einen Artikel zum Thema, die Quelle war ein Blog aus dem rechten Spektrum. In dem Text wird behauptet, der US-Fernsehsender Fox News würde die Star-Moderatorin rausschmeißen.
    Diese Nachricht allerdings war falsch. Wenige Stunden später verschwand Megyn Kelly dann auch wieder aus der Trending-Liste, berichtet die “Washington Post”.
    Dieser Vorfall wäre nicht unbedingt eine Meldung wert, doch er passiert zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt – genau, während Facebook im Bereich der Trending-Liste nach der richtigen Balance zwischen Mensch und Maschine sucht.
    Quelle: Spiegel Online

  17. Dieser P(o)etry-Slammer zerlegt die AfD besser als Jennifer Rostock
    Poetry-Slams bestehen aus Typen, die denken, sie wären lustig; Mädchen, die ihre unbedeutenden Gedanken erst in einen Notizblock mit Paris-Aufdruck schreiben und diese dann betont nachdenklich auf der Bühne vortragen; und Professoren, die auch mal wieder was Wildes machen wollen und für die Wortspiele die ultimative Form der verbalen Selbstbefriedigung sind. Im Publikum sitzen Mädchen mit gemusterten Strumpfhosen, die diesen einen Typen—verzeih, Slammer—ganz heiß finden und Jungs, die auch gerne ihren Text vortragen würden, sich aber nicht trauen.
    Quelle: Vice

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