Hinweise des Tages

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Ausverkauft – Wie das Gemeinwohl zur Privatsache wird; Rösler kündigt Umbau des Gesundheitssystems an; Geldsorgen halten Abiturienten vom Studium ab: Blogger gegen Berlusconi; In der Wirtschaftskrise sinkt die Solidarität; Wie Versicherer tricksen; Die Freiheit, den Klimawandel zu leugnen; Die Hochschulen kämpfen mit Formen ohne Inhalt; Enthüllung über Dutschke-Attentäter. (JK/AM)

  1. Lektüreempfehlung: Ausverkauft – Wie das Gemeinwohl zur Privatsache wird
  2. Rösler kündigt Umbau des Gesundheitssystems “in kleinen Schritten” an: „Man darf die Menschen auf dem Weg dahin nicht überfordern“.
  3. Philipp Röslers Schweizer Käse
  4. Geldsorgen halten Abiturienten vom Studium ab
  5. “Basta!” – Blogger gegen Berlusconi
  6. In der Wirtschaftskrise sinkt die Solidarität, Feindbilder gewinnen an Stärke, Diskriminierung nimmt zu.
  7. Wie Versicherer tricksen
  8. Steuersenkungen – Die Länder können es noch richten
  9. Wieso das Steuergeschenk eine Farce ist
  10. Die Freiheit, den Klimawandel zu leugnen
  11. Pikantes Gesetz soll Eon-Kraftwerk retten
  12. Die Hochschulen kämpfen mit Formen ohne Inhalt
  13. Hochschulen und Studium in der Dauer-Reform
  14. Enthüllung über Dutschke-Attentäter
  15. Kapitalismus abwracken
  16. Aus Lohn-Fehlern lernen
  17. Mexiko: Opfer der NAFTA
  18. ZDF muss Personalie Chefredakteur lösen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Lektüreempfehlung: Ausverkauft – Wie das Gemeinwohl zur Privatsache wird
    Ob Gesundheitswesen oder Bildung, Schienennetze oder Internet, Luftraum oder Weltmeere – die öffentlichen Güter wecken kommerzielle Begehrlichkeiten. Das war schon immer so. Neu ist, dass der Staat sich zum Gehilfen privater Interessen macht.
    Robert Darnton, Ulrike Herrmann, Ingo Schulze u.a. beschreiben die Schäden, Risiken und Nebenwirkungen des Privatisierungswahns.
    Quelle: Edition LE MONDE diplomatique No. 6

    Anmerkung JK: ich denke diese Ausgabe der Edition LE MONDE diplomatique kann man uneingeschränkt empfehlen. Findet man darin doch das Thema Privatisierung in all seinen Facetten in der bewährten guten redaktionellen Aufbereitung der LE MONDE diplomatique dargestellt.

  2. Rösler kündigt Umbau des Gesundheitssystems “in kleinen Schritten” an: „Man darf die Menschen auf dem Weg dahin nicht überfordern“
    Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will die Finanzierung der Krankenversicherung schrittweise auf einkommensunabhängige Prämien umstellen. Trotz der Kritik des CSU-Chefs Horst Seehofer an der Prämie, erwartet Rösler, dass alle Regierungsparteien die Umstellung mittragen.
    Quelle 1: Deutschlandradio (Text)
    Quelle 2: Deutschlandradio (Audio-Podcast, mp3, ca. 25 min, ca. Ca. 11,5 MB)

    Anmerkung JK: Gesundheitsminister Rösler argumentiert tatsächlich, dass es bei der Entwicklung des Gesundheitssystems um das Prinzip der Solidarität gehen muss – der Starke hilft den Schwachen. Ansonsten hören wir nur das übliche Geblubber, dass die Lohnnebenkosten stabil bzw. niedriger werden müssen, damit Arbeitsplätze entstehen – in einem fairen Wettbewerb. Erstaunlich ist der schwach vorbereitete Moderator, der sich mit seinen teilweise unlogischen Fragen von seinem Studiogast vorführen lassen muss.
    „Wenn also die Sekretärin genau so viel wie der Bankdirektor zahlt, dann – sagen Sie – kann das nur funktionieren, wenn es hier einen sozialen Ausgleich gibt. Wie soll der funktionieren?
    Rösler: Die Sekretärin wird ja nicht den gleichen Beitrag bezahlen wie der Bankdirektor. Denn der Bankdirektor bekommt keinen Sozialausgleich, womöglich bekommt man eine günstige Prämie, weil man eben einen steuerlichen Sozialausgleich bekommt. Und jetzt ist es so – nur damit da kein falscher Eindruck entsteht -, dass meistens der Bankdirektor gar nicht in die Solidargemeinschaft einbezahlt, jedenfalls nicht in die der gesetzlichen Krankenversicherung, weil er gar nicht teilnimmt an der gesetzlichen Krankenversicherung. Bankdirektoren verdienen meist so viel, dass sie oberhalb der Versicherungspflichtgrenze liegen, und dann können sie aus der gesetzlichen Krankenversicherung in die private Krankenversicherung wechseln.

    Und wo bleibt der Patient in diesem System von mehr Wettbewerb, von mehr Eigenverantwortung? In der Vergangenheit hieß das eigentlich immer, er muss mehr zahlen.
    Rösler: Gerade eben, in der Frage davor, haben Sie selber festgestellt, dass zum Beispiel im Arzneimittelbereich, im Generikabereich, durch den Wettbewerb, den man sich einmal angucken muss, ob der noch so fair ist oder nicht, aber durch diesen Wettbewerb in jedem Fall die Preise gesunken sind. Und gesunkene Preise sind im Interesse der Versicherten, sind im Interesse der Patienten, also ein gutes Beispiel dafür, dass Wettbewerb im Interesse der Menschen ist.

  3. Philipp Röslers Schweizer Käse
    Keiner kann behaupten, er hätte nichts gewusst: “Wir setzen auf Eigenverantwortung”, und “Wettbewerb in der Krankenversicherung, im Bereich der Gesundheit heißt Wahlfreiheit für Patienten und Versicherte”. Der da in zwei Sätzen im Deutschen Bundestag die Karten auf den Tisch gelegt hat, ist unser neuer Gesundheitsminister, den jeder so sympathisch findet. Das bewährte, 126 Jahre alte Solidarsystem soll abgeschafft und durch ein privatwirtschaftliches ersetzt werden. Die Kopfpauschale ist das Ziel.
    Das soll ein Vorbild für uns sein? Man zerstört eine soziale, solidarische Krankenversicherung, ersetzt sie durch ein unsoziales, gewinnorientiertes System und “federt” die unsozialen Folgen dann mit enormen Summen aus Steuergeldern ab. Gnade uns Gott!
    In einem privatwirtschaftlichen Versicherungssystem kommt es teuer, dass nicht nur die eigentlichen Krankheitskosten zu bezahlen sind, sondern auch noch die Rendite der Investoren.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  4. Geldsorgen halten Abiturienten vom Studium ab
    Man kann es drehen, wie man will: Wenn junge Leute an eine Uni oder Fachhochschule gehen könnten, aber nicht wollen, liegt es vor allem am Geld.
    Wie stark Geldsorgen verhindern, dass in Deutschland mehr Schulabgänger ein Studium beginnen, belegt die vorläufige Fassung einer Studie, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Danach lässt ein knappes Drittel der potentiellen Studenten das Ticket für ein Hochschulstudium ungenutzt verfallen – vor allem, weil sie fürchten, sich ein Studium nicht leisten zu können, oder weil sie schnell eigenes Geld verdienen wollen.
    Eine große Studienbremse ist laut der HIS-Studie die Campusmaut. Die bis zu 500 Euro pro Semester werden seit drei bis vier Jahren in fünf Bundesländern von den Studenten kassiert. Zweck der Maut war neben einem Finanzplus für die Hochschulen von Anfang an mehr Zug im Studium. Es sollte Druck entstehen auf sogenannte Bummelstudenten: Unentschiedene sollten sich nicht mehr an den Hochschulen herumdrücken, und die, die kamen, sollten möglichst schnell studieren – Studiengebühren als Abschreckung. In Hessen sind die Studiengebühren seit anderthalb Jahren wieder abgeschafft, im Saarland soll es bald soweit sein. Das kleine Land verzeichnete im November mit 15 Prozent Zuwachs den stärksten Anstieg der Erstsemesterzahlen 2009.
    Schon in der vergangenen Untersuchung des Absolventenjahrgangs 2006 mahnten die Forscher, 18.000 Schüler mit Hochschulreife hätten ein Studium nicht angetreten, weil sie wegen der Studiengebühren davor zurückschreckten. Auch damals rangierten neben der Gebühr finanzielle Nöte und der Wunsch, Geld zu verdienen, ganz vorn in der Liste der Gründe gegen ein Studium. Das Ergebnis veröffentlichte Schavans Ministerium damals erst im Herbst, nach dem Dresdner Bildungsgipfel.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JK: Na so was, wo doch angeblich Studiengebühren keinen vom Studium abhalten, der wirklich studieren will.

  5. “Basta!” – Blogger gegen Berlusconi
    Bei den Protesten gegen seine rechtsgerichtete Regierung in Rom sind nach Angaben der Veranstalter mehr als 350.000 Menschen unterwegs gewesen. 700 Busse und vier Sonderzüge brachten Demonstranten aus ganz Italien in die Hauptstadt. Sie folgten dem Aufruf einer Gruppe regierungskritischer Blogger auf der Internet-Plattform Facebook, die seit zwei Monaten zu einem “No Berlusconi Day” mobilisierten. Es handelte sich um die erste fast ausschließlich über das Internet organisierte Protestkundgebung in Italien.
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: Ein Hinweis darauf, dass Internet-Blogs so einiges bewegen können.

  6. In der Wirtschaftskrise sinkt die Solidarität, Feindbilder gewinnen an Stärke, Diskriminierung nimmt zu.
    Der aktuelle Jahresbericht, den das Forscherteam an diesem Freitag in Berlin präsentiert, kommt zu einem alarmierenden Befund: Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise bröselt der gesellschaftliche Zusammenhalt, werden zentrale Normen wie Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichwertigkeit von Menschen in Frage gestellt. So glauben fast 65 Prozent derjenigen Befragten, die sich von der aktuellen Krise selbst betroffen fühlen, dass in Deutschland zu viele schwache Gruppen mitversorgt werden müssen.
    Bestätigt wird durch die Bielefelder Studie, was schon andere Erhebungen der jüngeren Zeit ergeben haben: Die globale Krise hat das Vertrauen in das kapitalistische Wirtschaftssystem so nachhaltig erschüttert, wie das vor kurzem noch undenkbar gewesen wäre. Zwar glauben fast 90 Prozent, dass Banker und Spekulanten die Hauptschuldigen an der Krise sind, mehr als 70 Prozent sehen die Verantwortung dafür aber auch beim Wirtschaftssystem an sich. Die politische Reaktion der Deutschen auf die Krise ist für das Land zwar auf den ersten Blick beruhigend, auf den zweiten Blick hingegen beklemmend. Denn anders als es sich beispielsweise die Linkspartei erhofft hatte, findet im Zeichen der Krise keineswegs eine Repolitisierung der Bevölkerung statt. Soziale Unruhen, wie sie SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan vor einigen Monaten noch an die Wand gemalt hat, drohen nach Einschätzung der Bielefelder Wissenschaftler nicht. Es findet genau das Gegenteil statt: Die Menschen flüchten sich in Apathie und Resignation, es breitet sich, so die Studie, eine “hoffnungslose Unzufriedenheit” aus. Für die Politik scheint das zunächst bequem zu sein: keine brennenden Vorstädte oder besetzten Fabriken wie anderswo.
    Quelle: SZ

    Anmerkung: Erschreckend, vor allem das Desinteresse der Politik an dieser Entwicklung.

  7. Wie Versicherer tricksen
    Durch Verfahrenstricks einer britischen Lebensversicherung müssen tausende Anleger in Deutschland um ihr Geld fürchten. Die Clerical Medical Investment Group ist dabei, ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu verhindern, das für sie ungünstig ausfallen könnte. Damit es am 16. Dezember nicht zu dem Piloturteil kommt, hat sie dafür gesorgt, dass ein Ehepaar kurzfristig die Revision vor dem BGH zurückzog. Auch ein zweites Musterverfahren könnte auf diese Art beendet werden.
    Quelle: FR
  8. Steuersenkungen – Die Länder können es noch richten
    Das Steuerpaket der schwarz-gelben Koalition hat die erste parlamentarische Hürde überwunden. Der Bundestag stimmte am Freitag wie erwartet mit der Mehrheit von Union und FDP für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das Einnahmeausfälle für Bund, Länder und Gemeinden von 8,5 Milliarden Euro vorsieht.
    Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, warf der Koalition vor, die sozialen Gegensätze in Deutschland zu verschärfen. “Sie begünstigen ausschließlich Reiche”, meinte Gysi. Der grüne Wirtschaftsexperte Fritz Kuhn nannte die Pläne ein “Schuldenbeschleunigungsgesetz”. SPD-Finanzexpertin Nicolette Kressl sprach von “Flickwerk” und einer vertanen Chance, etwas für das Wachstum und das Land zu tun.
    Mit den Steuersenkungen wollen Union und FDP beginnen, ihre Wahlkampfversprechen für mehr Netto umzusetzen. Der große Schritt mit einer noch deutlicheren Entlastung soll 2011 folgen, ist aber auch in den eigenen Reihen wegen der Haushaltsnöte umstritten. Schon die schwarz-rote Vorgängerregierung hatte Entlastungen von 14 Milliarden für kommendes Jahr beschlossen. Von Markus Sievers.
    Quelle: FR

    Anmerkung JK: Interessant die Analyse der konjunkturellen Wirkung des sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes. Fazit: Konjunktureffekt faktisch null.

    Mit ähnlichem Tenor …

  9. Wieso das Steuergeschenk eine Farce ist
    Die Koalition hat die versprochenen Steuersenkungen durch den Bundestag geboxt – offizieller Name: Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Tatsächlich handelt es sich um ein Volksverdummungsbeschleunigungsgesetz. Eine Abrechnung in fünf Punkten.
    Hamburg – Die Koalitionsmehrheit im Bundestag stand problemlos. Am Freitagvormittag boxte die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz durchs Parlament. Angesichts des wohlklingenden Namens könnte man denken: Was für eine gute Nachricht für unser Land! Denn bald wird wieder in die Hände gespuckt, und es geht aufwärts!
    Tatsächlich gibt es keinen Grund zur Freude. Es ist nicht zu erwarten, dass dieses Gesetz “den Einbruch des wirtschaftlichen Wachstums so schnell wie möglich überwinden und neue Impulse für einen stabilen und dynamischen Aufschwung setzen” wird, wie es in der Begründung steht – vielmehr handelt es sich um ein Volksverdummungsbeschleunigungsgesetz.
    Quelle: SPIEGEL
  10. Die Freiheit, den Klimawandel zu leugnen
    Drei Tage vor dem Kopenhagen-Gipfel soll in Berlin eine “Internationale Klimakonferenz” stattfinden. Einer der Veranstalter ist das “Liberale Institut” der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Skeptikern und Leugnern der Erderwärmung wird die Veranstaltung ein Podium bieten – einige von ihnen stehen seit langem wegen Zuwendungen von US-Ölkonzernen wie Exxon in der Kritik.
    “Wir füllen die Idee der Freiheit mit Leben”, lautet das Motto des Liberalen Instituts der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. “Politischen Grundsatzfragen” will es sich widmen – und dabei zuweilen unbequeme Antworten auf die Probleme der Zeit” geben. Am 4. Dezember lädt das Liberale Institut zu einer “Internationalen Klimakonferenz” nach Berlin. Im Vier-Sterne-Hotel Melia, direkt am Bahnhof Friedrichstraße, wird ein eintägiges “Update zur Klimaforschung” versprochen – doch als Kooperationspartner hat sich die FDP-nahe Denkstube ausgerechnet zwei Speerspitzen der deutschen und internationalen Klimaleugner ausgesucht: das “Europäische Institut für Klima und Energie e.V.” (EIKE) aus Jena und das “Committee for a Constructive Tomorrow” (CFACT), einen konservativen Think Tank aus Washington.
    Quelle: Wir Klimaretter

    Anmerkung JK: Tja, was darf man von einer Stiftung erwarten, die auch die Putsch-Regierung in Honduras unterstützt.

    Ergänzung AM: Der Disput um den Klimawandel eskaliert zur Zeit. Auch in der kleinen Redaktion der NDS gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Wir werden informieren.

  11. Pikantes Gesetz soll Eon-Kraftwerk retten
    Die Mehrheitsfraktion in NRW will den Klimaschutz-Paragrafen streichen und so das geplante Eon-Kraftwerk in Datteln vor dem Abriss bewahren. Ein Schritt, der Deutschland bei der Klima-Konferenz in Kopenhagen blamieren würde. Umweltschützer bezeichnen das Vorhaben als unglaublich.
    Die Landesregierung will offenbar mit Gesetzesänderungen das Eon-Kohlekraftwerk in Datteln vor dem Abriss bewahren. Dafür sollen aus einem Gesetzestext politische Ziele zum Klimaschutz in NRW gestrichen werden – ein Ansinnen, mit dem sich Deutschland bei der Klima-Konferenz in Kopenhagen blamieren würde.
    Laut Kabinettsbeschluss soll im Eiltempo der Landesentwicklungsplan geändert werden, um Standortkriterien für Kraftwerke anzupassen. Zudem haben sich die Fraktionen von CDU und FDP im Landtag in einem Antrag dafür ausgesprochen, Paragraf 26 im Gesetz zur Landesentwicklung ersatzlos zu streichen. Dieser Passus ist die landesplanerische Grundlage für einen umweltverträglichen Ausbau der Energiewirtschaft: Anzustreben sei, in NRW erneuerbare und heimische Energien zu nutzen.
    Quelle: Der Westen
  12. Die Hochschulen kämpfen mit Formen ohne Inhalt
    In vielen Abiturzeitungen gibt es ein Poster zum Rausnehmen. Darauf lachen junge Leute stolz in die Kamera. Auf der Rückseite findet sich meist ein Nachruf auf jene, die über die Jahre durchgefallen und abgegangen sind, die Irregeleiteten. Die Liste ihrer Namen ist oft länger als die der Absolventen. An Realschulen, Hauptschulen, Gesamtschulen das gleiche Bild. Alle Jahre beklagt ein Jahrgang, dass etwas falsch läuft im Bildungssystem.
    Alle Bildungspolitiker bestätigen dies. Sie ersetzen deshalb tradierte Strukturen in Schule und Universität durch vermeintlich bessere. Die Bildungslandschaft hat sich darüber grausam diversifiziert. 16 Bundesländer – 16 Systeme. Dazu konnte es kommen, weil den Debatten eines gemein ist: Es geht in ihnen kaum einmal um Inhalte, nie um Geist. Bildungsdiskussionen beschäftigen sich mit Strukturen. Es geht nicht darum, was und wie gelernt werden soll und in welcher Atmosphäre.
    Doch so lässt sich selbst ein notwendiger Wandel nicht vermitteln. Darum protestieren die Studenten gegen Bachelor und Master, darum unterschrieben so viele Hamburger gegen das längere gemeinsame Lernen, darum schimpfen die Bayern auf das achtjährige Gymnasium. Die Strukturen kommen einfach über die Menschen. „Ich habe den Eindruck, dass in anderen Bundesländern der Faktor Stabilität unterschätzt wird“, sagt Sachsens Kultusminister Roland Wöller (CDU) der „Welt am Sonntag“.
    Quelle: WELT

    Anmerkung JK: Relativ differenzierter Artikel für die Welt.

  13. Hochschulen und Studium in der Dauer-Reform
    Seit Monaten protestieren SchülerInnen und Studierende gegen die Bildungssituation an Schulen und Hochschulen. Und gerade die studentische Kritik an den Studienbedingungen in den reformierten Bachelor- und Masterstudiengängen fand erstaunlich viel politischen Beifall. Fast könnte man meinen, die Reformen wären von niemandem gewollt worden. Die Umstrukturierung von Studium und Hochschule ist jedoch ein langer und in sich konsistenter Reformvorgang, dessen Elemente und Logik hier nachzulesen sind.
    Quelle: Studis online

    Anmerkung JK: Sehr ausführlicher und informativer Artikel.

  14. Enthüllung über Dutschke-Attentäter
    Fast scheint es, als müssten alle paar Monate dramatische Momente der jüngsten deutschen Zeitgeschichte umgeschrieben werden. Dabei erweisen sich bislang unbekannte Stasi-Akten immer wieder als geradezu unheimliches Langzeitgedächtnis der gesamtdeutschen Historie – mit eingebautem Zeitzünder.
    Nun sorgt eine weitere Enthüllung aus Stasi-Quellen dafür, dass auch das zweite zentrale Ereignis der Studentenrevolte von 1968, das Attentat auf die SDS-Ikone Rudi Dutschke, in neuem Licht erscheint – wenige Tage vor dem 30. Todestag des Studentenführers an Heiligabend.
    Josef Bachmann, ein 23-jähriger Hilfsarbeiter, der am Gründonnerstag 1968 Dutschke mit drei Schüssen lebensgefährlich verletzte, galt stets als wirrer, rechtsradikaler Einzeltäter, aufgehetzt von “Bild”-Schlagzeilen und Parolen der “Deutschen Nationalzeitung”: “Stoppt Dutschke jetzt! Sonst gibt es Bürgerkrieg.”
    Der SPIEGEL fand heraus, dass sich Bachmann vor dem Mordversuch an Dutschke schon länger in der aktiven Neonazi-Szene im niedersächsischen Peine bewegt hatte, von dem Neonazi Wolfgang Sachse Waffen und Munition erhielt, an Schießübungen teilnahm und mit seinen braunen Gesinnungsfreunden mehrfach die innerdeutsche Grenze zur DDR attackierte – mit Schüssen, Steinwürfen auf Minen und dem Niederreißen einzelner Zaunabschnitte.
    Quelle: SPIEGEL
  15. Kapitalismus abwracken
    Der untote Marx steht wieder auf, die “Kritische Theorie” wird reanimiert, selbst die Neoliberalen betreiben das Geschäft der Anpassung an die neuen Verhältnisse. Das Denken ändert scheinbar die Richtung: Mit der neuen Kapitalismuskritik ist viel Neues, viel Bedenkenswertes unterwegs. Detlef Berentzen hat sich auf den Weg zu Konservativen, Bedenkenträgern, Kritikern und Radikalen gemacht und die tatsächlichen Chancen für einen “Dritten Weg” erkundet.
    Quelle 1: SWR
    Quelle 2: Audiodatei

    Anmerkung JK: Eigentlich ein recht guter Radiobeitrag zum Thema Finanzkrise und Kapitalismus. Allerdings kommt darin auch der Soziologe Heinz Bude zu Wort, der als engagierter Sozialforscher und vielfacher Buchautor vorgestellt wird, und zwar ohne dass auf dessen neoliberalen Hintergrund hingewiesen wird (mehr dazu z.B. hier „Mit Blindheit geschlagen: Wie Marxisten dem neoliberalen Soziologen Heinz Bude zu einem linken Image verhelfen“. Auch teile ich die Meinung des Autors nicht, dass Marx uns zur Finanzkrise nichts zu sagen hat. Aber ich denke die NDS-Leser sind kritisch genug, sich ihr eigenes Urteil zu bilden.

  16. Aus Lohn-Fehlern lernen
    Der Chef der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, spricht  über die Lohnrunde im öffentlichen Dienst und asiatische Lehren.
    “Wir müssen den Fehler vermeiden, den Japan in den 1990er Jahren gemacht hat. Die Politik hat zu früh auf einen Konsolidierungskurs gesetzt. Und das Lohnniveau ist über Jahre gesunken. Das war auch deshalb möglich, weil die Flächentarifverträge aufgebrochen und durch Haustarifverträge ersetzt wurden. Und die schaukelten sich gegenseitig nach unten. Sparpolitik und Lohnsenkung haben dazu geführt, dass Japan seit 20 Jahren in der Deflationskrise steckt. Wir müssen aus solchen lohnpolitischen Fehlern lernen. Das heißt: Ein Lohnplus ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht dringend nötig. Wir müssen die Binnennachfrage stützen, damit die Wirtschaft nicht wieder in die Krise gerät.”
    Quelle: FR
  17. Mexiko: Opfer der NAFTA
    Lateinamerikas zweitgrößte Volkswirtschaft schrumpfte in den vergangenen zwölf Monaten um fast zehn Prozent. Auf dem übrigen Subkontinent liegt das Minus im Schnitt nur bei 1,9 Prozent. Ursache ist die enorme Abhängigkeit Mexikos vom großen Nachbarn USA. Dorthin gingen im vergangenen Jahr 80 Prozent aller Exporte. Besonders betroffen von der Rezession waren Schlüsselsektoren wie Automobilindustrie und Tourismus. Doch auch die Transport- und Logistikbranche sowie die Bauindustrie erwischte es hart. Obendrein werden die Überweisungen der Arbeitsemigranten in diesem Jahr voraussichtlich um 16 Prozent auf 21,1 Milliarden Dollar sinken. Sie sind traditionell die zweitwichtigste Devisenquelle. Auch vom Erdöl ist keine Rettung zu erwarten, denn aufgrund ineffizienter Fördermethoden, zur Neige gehender Altquellen und mangelnder Investitionen in die Erschließung neuer ist die durchschnittliche Tagesproduktion von 2004 bis Oktober 2009 um fast ein Viertel von 3,4 auf 2,6 Millionen Barrel gefallen. Daß die Öleinnahmen immer noch 35 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen, liegt nur daran, daß die Steuerquote bei nur elf Prozent liegt – gerade halb soviel wie im neoliberalen Musterland Chile. Die offizielle Erwerbslosenquote stieg binnen Jahresfrist von 3,5 auf 6,5 Prozent, während der durchschnittliche Stundenlohn von 4,70 auf 3,80 Dollar sank. Nach Untersuchungen der Weltbank hat die Zahl der Mexikaner, die mit weniger als vier Dollar am Tag auskommen müssen, von 2006 bis 2009 um zehn Millionen zugenommen. Damit liegt der Anteil der Armen inzwischen bei über 60 Prozent.
    Das britische Wirtschaftsmagazin The Economist kritisierte Mitte November offen die Abhängigkeit von der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA, die eine »strukturelle Schwäche« darstelle. Sie habe »Mexiko hochgradig vom Gesundheitszustand der amerikanischen Wirtschaft abhängig gemacht und insbesondere von einigen wenigen Sparten des grenzüberschreitenden Geschäftes« wie der Automobilindustrie, dem Baugewerbe und dem Tourismus. Die Botschaft, sich verstärkt in andere Richtungen zu orientieren und dabei die EU nicht zu vergessen, ist unüberhörbar. Unterdessen setzt der Harvard-Absolvent Calderón auf Bewährtes: Steuererhöhungen und massive Einsparungen im öffentlichen Sektor. Als erstes wurde die Mehrwertsteuer auf 16 Prozent angehoben.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung OP: Marktöffnung ist eben nicht alles. Mit der globalen Finanzkrise wird die die heutige Form der Globalisierung generell in Frage gestellt. Es hat sich für viele weniger entwickelte Volkswirtschaften eben nicht gerechnet, sich den hochentwickelten Industriestaaten vollständig zu öffnen, wenn sie nicht über eine Marktmacht verfügten wie z.B. China, das diesen Öffnungsprozeß bis heute kontrollieren kann. – Dies haben auch die osteuropäischen Beitrittsländer bitter erfahren müssen. Ein Beispiel: Zur Abwendung eines Staatsbankrotts infolge der Krise erhielt Lettland eine Kreditzusage über insgesamt 7,5 Milliarden Euro durch die EU und den IWF mit der Auflage, sich aus der Krise zu sparen. Inzwischen werden die Staatsausgaben praktisch durch den IWF kontrolliert. Viele Schulen und Krankenhäuser sind geschlossen worden. Der Haushalt des Gesundheitsministeriums wurde halbiert. Für Routineoperationen, die bis vor kurzem vom Staat übernommen wurden, müssen jetzt zur Gänze die Patienten aufkommen. Eine Gallen-OP kostet etwa 600 Euro, die Durchschnittsrente in Lettland  liegt aber bei 155 Euro pro Monat. Ärzte und Krankenschwestern verlassen fluchtartig das Land und werden z. B in Skandinavien mit offenen Armen empfangen. Kommt uns das nicht aus zahlreichen Länderberichten der 3.Welt sehr vertraut vor? Die Europäische Integration erweist sich immer mehr als die Integration weniger entwickelten Staaten in die hochentwickelten Märkte des Europäischen Binnenmarkts, d.h. ein Aspekt ökonomischer Globalisierung. Die europäischen Metropolen mögen gewinnen, in den die Rändern entwickeln sich Dritte-Welt-Zustände. Der Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa hat gewiß seinen Anteil, aber die neoliberalen Gegenstrategien, das Vertrauen in reine Marktmechanismen sind genauso in Frage gestellt. Im Europa der Märkte nimmt angesichts der Krise wie im Rest der Welt die Desintegration innerhalb wie zwischen den Staaten stetig zu.

  18. ZDF muss Personalie Chefredakteur lösen
    Dem Proporzdenken nach hätte die größten Chancen der derzeitige Hauptstadtstudioleiter Peter Frey (52). Er hat kein Parteibuch in der Tasche, käme für die Konservativen und Sozialdemokraten gleichermaßen in Betracht. Seine hohe Beliebtheit intern und auch unter Politikern sprechen außerdem für seine Nominierung.
    Quelle: Focus

    Anmerkung OP: Nur so am Rande: Peter Frey führte das berüchtigte ZDF Sommerinterview mit Oskar Lafontaine. Ein schlagendes Beispiel dafür, dass man kein Parteibuch braucht, um Partei zu sein.

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