Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag Ende Juni beschlossen die Staats- und Regierungschefs scheinbar mal ebenso, ihre Militärhaushalte in den nächsten Jahren zu verdrei- bis zu vervierfachen. Dabei handelt es sich um gewaltige Summen im dreistelligen Milliardenbereich. Es handelt sich um Steuergelder und Kredite, die eine unglaubliche Belastung nicht erst für künftige Generationen darstellen, sondern sich bereits in den nächsten Haushalten bemerkbar machen werden. Werden die Regierungen der NATO-Staaten das tatsächlich umsetzen oder wird das Ausgabenziel an den Realitäten westlicher Demokratien (Sozialproteste) scheitern? Wie auch immer: Mit dieser Herausforderung hat die NATO sich vermutlich ihre eigene suizidale Zeitbombe gebaut. Von Alexander Neu.
Dem fatalen Beschluss vorausgegangen waren die Sorgen der europäischen „Partner“, US-Präsident D. Trump könnte die NATO verlassen oder zumindest das angebliche Schutzversprechen – fixiert in Artikel 5 des NATO-Statuts – auf seine Weise interpretieren, nämlich keinen materialisierten Schutz zu gewährleisten, sondern nur warme Worte zu formulieren, was übrigens Artikel 5 auch ausdrücklich ermöglicht.
Um den US-Präsidenten milde zu stimmen, verstieg sich der neue NATO-Generalsekretär M. Rutte in an Peinlichkeit und Infantilität nicht mehr zu übertreffende Schleimrhetorik, die D. Trump so sehr schmeichelte, dass er diese direkt öffentlich machte und damit M. Rutte gewollt oder ungewollt der Lächerlichkeit preisgab:
„Herr Präsident, lieber Donald,
Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für Ihr entschlossenes Handeln im Iran. Das war wirklich außergewöhnlich und etwas, das niemand sonst gewagt hat. Es gibt uns allen mehr Sicherheit. Sie fliegen heute Abend in Den Haag zu einem weiteren großen Erfolg. Es war nicht einfach, aber wir haben sie alle dazu gebracht, die 5 Prozent zu unterschreiben!
Donald, Sie haben uns zu einem wirklich wichtigen Moment für Amerika, Europa und die Welt geführt. Sie werden etwas erreichen, was seit Jahrzehnten kein amerikanischer Präsident geschafft hätte.
Europa wird dafür einen großen Preis zahlen, wie es sich gehört, und es wird Ihr Sieg sein. Gute Reise und wir sehen uns beim Abendessen mit Seiner Majestät!“
Jedenfalls spurten – mit Ausnahme Spaniens, das sich der Forderung D. Trumps klar widersetzte – die europäischen NATO-Verbündeten und präsentierten ihrem neuen „Daddy“ Donald die 5-Prozent-BIP-Militärausgaben. (Tatsächlich äußerte M. Rutte das Wort „Daddy“ mit Blick auf D. Trump auf der NATO-Pressekonferenz.)
Und dieser Beschluss wurde natürlich auch wohlwollend von den journalistischen Hofschranzen begleitet, ohne tatsächlich die Konsequenzen, geschweige denn den sicherheitspolitischen Kontext und mögliche Folgen für die NATO selbst, aber auch hinsichtlich eines entfesselten globalen Rüstungswettlaufs zu beleuchten. Denn die Folgen dieses Beschlusses könnten mittelfristig zum Gegenteil des beabsichtigten Ziels führen: Zum Kollaps der NATO.
Im folgenden Beitrag sollen drei Aspekte beleuchtet werden:
- Ist die sicherheitspolitische Lage tatsächlich so, wie sie uns von Politik und Mainstreammedien erklärt wird?
- Welche tatsächlichen Militärausgaben und somit Kosten erzeugt der 5-Prozent-BIP-Beschluss und welche Konsequenzen hat dies für die Staatshaushalte der europäischen NATO-Staaten?
- Wird dieser Beschluss tatsächlich von allen Staaten umgesetzt oder erodiert das Ziel angesichts der damit einhergehenden realpolitischen Herausforderungen und führt vielleicht sogar zum Kollaps der NATO?
Erstens – Sicherheitspolitische Lage
Der direkte Krieg zwischen der Ukraine und Russland als auch der – mittlerweile seitens der US-Regierung offen konzedierte – Stellvertreterkrieg schaffen, sofern der geostrategische und historische Kontext aus dem Diskurs ausgeblendet wird – und das wird er weitgehend tatsächlich in Politik und Medienberichterstattung -, tatsächlich Unsicherheiten und lassen den gesellschaftlichen Wunsch nach militärischer Stärke der NATO-Mitgliedsstaaten nachvollziehbar erscheinen. Und unsere niemals danebenliegenden und medial omnipräsenten und somit den Diskurs bestimmenden „Sicherheitsexperten“ verfügen über die „gesicherte“ Erkenntnis, Russland werde Europa zeitnah angreifen. Und das im Zeitraum von 2025 („letzter Friedenssommer“ etc.) bis 2029/30.
Ob indessen Moskau diese ihm unterstellten Absichten wirklich hegt oder nicht, ist mehr als strittig. Denn niemand – mit Ausnahme natürlich unserer hellseherischen „Sicherheitsexperten“ und der sie begleitenden Massenmedien – kann in die Köpfe russischer Politikentscheider schauen. Zumindest gibt es meines Kenntnisstandes nach keine öffentlich zugänglichen offiziellen Informationen, Dokumente oder Erklärungen russischer Politikentscheider, die dies nahelegen könnten.
Und betrachtet man die Faktenlage on the ground, bleibt festzustellen: Seit mehr als drei Jahren kämpft Russland in der Ost-Ukraine um buchstäblich jeden Meter mit enormen personellen und materiellen Verlusten. Erfolgreiche Bodenoffensiven schauen anders aus. Von einem Überrennen der ukrainischen Front kann nun wirklich bislang keine Rede sein. Und dann soll Russland also Polen oder gar Deutschland angreifen?
Bis vor Kurzem hieß es einerseits, die Russen kämpften auf verlorenem Posten in der Ukraine, sie kämpften mit Spaten und veralteten Waffensystemen, hätten absehbar keine Munition mehr und die russische Kriegswirtschaft stehe vor dem Kollaps u.s.w. Andererseits heißt es zeitgleich, die Russen werden demnächst die NATO angreifen. Entweder glauben die „Experten“, Politiker und Medien, mit der Präsentation dieses Widerspruchs die Öffentlichkeit wirklich täuschen zu können, sprich für absolut blöde zu halten, oder aber Politik, Mainstreammedien und „Experten“ sind derart ideologisiert, dass ihnen selbst der Widerspruch nicht mehr auffällt. Diese Absurdität ist kaum noch zu übertreffen.
Und selbst, wenn die russische Armee mit ihren konventionellen Waffenfähigkeiten bis zum Brandenburger Tor vorstieße, wie will Moskau die Territorien zwischen Kiew und Berlin kontrollieren angesichts der gesellschaftlichen Widerstände und der damit verbundenen Unwägbarkeiten? Dazu hat Moskau weder die finanziellen, materiellen, militärischen und personellen Fähigkeiten. Wenn überhaupt, könnte es zu einem militärischen Zwischenfall im Ostseeraum und dem Baltikum angesichts der wachsenden Eskalation (versuchte oder erfolgte Festsetzung russischer Tanker und entsprechende Spiegelaktionen Russlands etc.) kommen.
Und hier sind wir auch beim Kern der Analyse. Über welche finanziellen, personellen und somit auch militärischen Fähigkeiten verfügt die Russische Föderation im Vergleich zur NATO?
Zweitens – Militärausgaben
NATO und Russland
Laut dem in Stockholm ansässigen renommierten SIPRI-Instituts, welches jährlich die weltweiten Daten zu militärischen Fähigkeiten und Ausgaben publiziert, lagen die weltweiten Militärausgaben in 2024 bei 2,7 Billionen US-Dollar (2.700 Mrd. US-Dollar).
Davon entfallen auf die 32 NATO-Mitgliedsstaaten rund 1.506 Mrd. US-Dollar (rd. 1.400 Mrd. Euro) und auf die übrige Welt rund 1.194 Mrd. US-Dollar. Also 32 von 192 Staaten dieser Welt generieren 55 Prozent der weltweiten Militärausgaben.
Grafik: Alexander Neu
2024 lagen die durchschnittlichen Militärausgaben aller NATO-Staaten zusammen gemessen am BiP bei 2,71 Prozent. Dass heißt, es müssen im Durchschnitt noch 2,29 Prozent hinzukommen, um das 5-Prozent-Ziel zu erreichen. Damit sähe die Verteilung unter der Voraussetzung, die übrige Welt würde ihre Militärausgaben nicht erhöhen, wie folgt aus:
Die NATO-Mitgliedsstaaten verausgabten bei 5 Prozent vom BIP (Stand BIP 2024) 2.778 Mrd. US-Dollar, während die übrige Welt bei 1.194 Mrd. US-Dollar bliebe. Nach diesem Rechenmodell stiegen die weltweiten Militärausgaben auf 3.972 Mrd. US-Dollar. Auf die NATO entfielen dann rund 70 Prozent und auf den Rest der Welt rund 30 Prozent der weltweiten Militärausgaben.
Grafik: Alexander Neu
Von den 1.506 Mrd. US-Dollar verausgabten die USA 997 Mrd. Dollar (SiPRi). Dass sind rund 37 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Mit anderen Worten: Die Militärausgaben der USA betragen mehr als ein Drittel der weltweiten Militärausgaben.
Die übrigen 31 NATO-Staaten (abgesehen von Kanada alles europäische Staaten) verausgabten rund 509 Mrd. Dollar für ihr Militär. Das sind rund 33 Prozent – also ein Drittel europäischer Anteil plus Kanada an NATO-Militärausgaben. Im weltweiten Vergleich verausgabten die europäischen NATO-Staaten (ohne Kanada) 480 Mrd. Dollar, also rund 17 Prozent der weltweiten Militärausgaben.
Deutschland verausgabte nach NATO-Kriterien rund 90,5 Mrd. Euro für militärische Belange. Das sind rund 6 Prozent der NATO-Militärausgaben. Insgesamt sind die Ausgaben der NATO seit 2022 massiv angestiegen.
Russland verausgabte 2024 rund 149 Mrd. US-Dollar. Im Vergleich dazu: Im Jahr 2021 waren es noch rund 66 Mrd. US-Dollar. Die Ausgaben wurden seitdem mehr als verdoppelt angesichts der Kriegskosten Russlands. Kaufkraftbereinigt betragen die russischen Militärausgaben etwa zwischen 460 – 470 Mrd. US-Dollar, liegen mithin auf der Höhe aller europäischen Mitgliedsstaaten zusammen.
Um den Vergleich plastisch darzustellen: Die NATO gab 2024 etwa 10-mal so viel Steuergelder für ihr Militär aus wie die Russische Föderation. Und kaufkraftbereinigt immer noch mehr als dreimal so viel.
Deutschland
Bei der Analyse der Militärausgaben darf man sich nicht täuschen lassen, wenn die Bundesregierung oder die Medien von den Ausgaben des Einzelplans 14, des Finanzplans für die Bundeswehr, reden. Tatsächlich sind einige Ausgaben nicht in diesem Einzelplan, sondern auch in anderen Einzelplänen des Bundeshaushaltsplans versteckt. Alle Ausgaben, die einen militärischen Bezug ausweisen, also der Einzelplan 14 plus alle Ausgaben, die jenseits des Einzelplans 14 im Bundeshaushaltsplan versteckt sind, nennt man Militärausgaben nach „NATO-Kriterien“. Die Summe der deutschen Militärausgaben ist insbesondere ab 2022 stark angestiegen. Hintergrund ist das sogenannte „Sondervermögen“ für die Bundeswehr von 100 Mrd. Euro zusätzlich im Kontext des offenen Russland-Ukraine-Krieges. Hierzu wurde Artikel 87a um folgenden Teilabsatz ergänzt:
„(1a) Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen für die Bundeswehr mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. (…).“
Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein Vermögen, sondern um zusätzliche Schulden, die wie selbstverständlich an der Schuldenbremse qua Verfassungsänderung vorbei gemacht wurden. Die Nutzung des euphemistischen Begriffs des „Sondervermögens“, statt der Sonderschulden, könnte ein Ausdruck dessen sein, wie die politische Klasse den mündigen Staatsbürger und Wähler tatsächlich sieht.
Und die trostspendende Formulierung „einmalig“ in der GG-Änderung ist drei Jahre später denn auch Geschichte. Wir leben wohl nicht mehr in Zeiten des Trostes, sondern der harten Realitäten, so dürfte der damals designierte und nun amtierende Bundeskanzler F. Merz auch gedacht haben, als er am 18. März erneut die Verfassungshürden für weitere Verschuldungen (Aushebelung der Schuldenbremse) mit entsprechender Zweidrittelmehrheit des noch alten, abgewählten Bundestages veränderte, um Tür und Tor für die von ihm angekündigten unbegrenzten Militärausgaben zu öffnen und somit seinen Anspruch auf europäische Führungsverantwortung zu unterstreichen.
Mit der Verfassungsänderung werden die Kreditaufnahmemöglichkeiten für die ambitionierte Finanzierung der Bundeswehr nicht in einem Fixbetrag formuliert, sondern prozentual. In Artikel 109 Grundgesetz wird festgehalten: Alle Militärausgaben, die mehr als ein Prozent des jeweiligen Jahres-BIPs übersteigen, können an der Schuldenbremse vorbei mit Krediten finanziert werden, und das ganz ohne Obergrenze.
Die NATO beschloss also Ende Juni, die Mitgliedsstaaten müssen bis 2035 – also binnen 10 Jahren – ihr Militärbudget auf 5 Prozent des BIP erhöhen. 3,5 Prozent sollen in direkte militärische Maßnahmen (Rüstungsbeschaffung, Gehälter, Ausbildung etc.) und 1,5 Prozent in militärisch relevante Infrastruktur wie Brücken, Straßen, Industrie etc. investiert werden. Böse Zungen könnten nahelegen, dass zwar bislang nicht genug Steuergelder für die Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur vorhanden waren, aber dank D. Trumps Führungsstärke und seinen 5 Prozent nun deutsche Brücken und Straßen endlich saniert werden können.
Im Folgenden sollen ein paar Rechenmodelle ausweisen, welche Kosten auf den Steuerzahler in Deutschland zukommen:
Wenn das deutsche BIP im Jahre 2026 4,4 Billionen € betrüge (2024 lag es bei 4,3 Billionen Euro), so stiegen die Militärausgaben bei 5 Prozent des BIP auf ca. 220 Mrd. Euro. Von diesem Betrag würden 44 Mrd. € aus dem Steuersäckel direkt und weitere 176 Mrd. € kreditiert werden. Und diese Schuldenaufnahmen sind nicht einmalig, sondern, sobald die 5 Prozent erreicht sind, jährlich – variierend je nach jährlichem BIP.
Um die Belastung für den Bundeshaushalt selbst umzurechnen, ist folgendes Rechenmodell realitätsnah: Nimmt man den Bundeshaushalt 2025 mit 503 Mrd. Euro als Maßstab, so betrügen die Militärausgaben mit 220 Mrd.€ (5 Prozent des BIP) rund 44 Prozent des Bundeshaushaltes.
Grafik: Alexander Neu
Und diese Schulden müssen nun auch mit Zinsen zurückgezahlt werden. Damit werden die Belastungen, angesichts sich stets verändernder Zinsbeträge, für den Steuerzahler unberechenbar. Die Mehrkosten müssen selbstverständlich in anderen Bereichen des Bundeshaushaltes eingespart werden. Welche von den übrigen 14 Bundesministerien und wie viel diese einsparen werden müssen, wird sich zeigen. Aber auch der Protest der Straße dürfte anstehen, wenn der Sozialstaat gegen Null gefahren wird und somit die Verarmung in der deutschen Gesellschaft zwangsläufig weit in die bisherige Mittelschicht ausgreifen wird. Es steht womöglich der Kampf der sozialen Schichten gegen eine Regierungspolitik an, die sehenden Auges die Verarmung der eigenen Menschen vorantreibt. Etwas sarkastisch könnte man sagen: Nun, die Wähler haben halt so entschieden. Aber der Ernst der Lage verbietet diesen Sarkasmus.
5 Prozent BIP für die NATO-Mitgliedsstaaten – oder das Ende der NATO
Diese Zwischenüberschrift hat eine doppelte Bedeutung:
Angesichts der ambivalenten Äußerungen D. Trumps befürchten die europäischen NATO-Juniorpartner, Trump könnte aus der NATO austreten oder sie zumindest einen stillen Tod sterben lassen, da Artikel 5 für die USA keine Verpflichtung mehr darstelle. Daher erfüllen sie brav und bisweilen eingepeitscht durch den NATO-Generalsekretär die 5-Prozent-BIP-Forderung, zumindest als Beschluss erst einmal.
Aber liefern sie auch tatsächlich, soll heißen, werden die NATO-Mitgliedsstaaten tatsächlich ihr Militärbudget in den nächsten 10 Jahren stufenweise auf 5 Prozent anheben? Werden sie den wahrscheinlichen Protesten der Straße nachgeben oder werden sie gegen ihre Bevölkerung durchregieren? Wird es überhaupt Sozialproteste geben? Wenn nein, dann hätten die Regierungen freie Hand. Denn die staatsbürgerliche Passivität ist die schwächste Legitimation für eine Regierung, aber sie ist eine Legitimation. Was aber, wenn sie der Straße nachgeben müssen? Die Krise mit den USA hinsichtlich der NATO wäre wieder akut.
Vielleicht setzen die europäischen Regierungen gegenüber D. Trump auch hier auf die Methode „Problem Aussitzen“, bis ein anderer Präsident kommen wird – vorzugsweise ein Präsident der Demokraten, der mehr Verständnis für und Mitleid mit den gebeutelten Europäern haben wird. Diese Zeit-These ist nicht unrealistisch, wissen die Regierungen der europäischen NATO-Mitgliedsstaaten doch, dass die hohen Militärbudgets ohne massive Verarmung ihrer Bevölkerung und einhergehender Wirtschaftskrisen dank Konsumverlusten nicht zu haben sein werden.
Aber was, wenn die Methode „Aussitzen“ an der Realität scheitert, wenn D. Trump oder sein Vize J.D. Vance bleiben? Gerne möchte D. Trump eine dritte Amtszeit und interpretiert die Verfassung auf seine Weise. Selbst wenn nicht, J.D. Vance ist bislang ebenfalls als Hardliner wahrzunehmen. Oder vielleicht betrachten auch die Demokraten die 5-Prozent-BIP-Regelung als richtig und alternativlos. Und wenn die europäischen NATO-Junioren sich faktisch weigern, die Militärbudgets in den vereinbarten Maßen zu erhöhen, dürften Konflikte im NATO-Gebälk anstehen. Konflikte, die zentrifugale Kräfte freisetzen. Die Erosion der NATO begänne spätestens dann.
So oder so, die europäischen Regierungen haben sich selbstverschuldet in ein Dilemma begeben – entweder sie dienen den USA und D. Trump oder sie haben das Wohl ihrer eigenen Länder und somit ihrer eigenen Bevölkerungen prioritär im Blick. Die auf dem NATO-Gipfel in Den Haag gefeierte Einigkeit auch über den Beschluss, künftig Hunderte, ja Tausende Milliarden Steuergelder ins Militär zu stecken, ist eine tickende Zeitbombe für die NATO selbst.
Einen ersten Vorgeschmack über neue Disharmonien im Bündnis der Bündnisse gibt es bereits. Gestärkt durch die Unterwürfigkeit der europäischen Staats- und Regierungschefs auf dem NATO-Gipfel geht D. Trump wie selbstverständlich davon aus, dass die Europäer nun die Zeche nicht nur für den Wiederaufbau der Ukraine, sondern auch für die fortgesetzte Verteidigung der Ukraine zahlen werden.
Der NATO-Generalsekretär dient ihm, wie erwartet. Bei einem Treffen zwischen D. Trump und M. Rutte am 14. Juli im Weißen Haus hat es offensichtlich eine Einigung gegeben, wonach die USA, so D. Trump, „Waffen der Spitzenklasse herstellen und sie an die NATO liefern“ werde. Für die Kosten kämen die NATO-Mitgliedsländer dann auf. M. Rutte dankte es auf seine Weise:
„So, Herr Präsident, lieber Donald, das ist wirklich eine große Sache. Sie wollen, dass die Ukraine sich weiter verteidigen kann, aber Sie wollen auch, dass die Europäer dafür bezahlen. Was vollkommen logisch ist.“
Man möchte sich die Augen reiben. Nutzt aber nichts. Er hat es so gesagt. Was für den NATO-Generalsekretär logisch und wohl auch für D. Trump ein gutes „Geschäft“ ist, ist offensichtlich nicht für alle europäischen NATO-Staaten ein gutes „Geschäft“, zumal M. Rutte wohl seine Kompetenzen als Generalsekretär einer intergouvernementalen Regierungsorganisation wohl überschritten haben dürfte, die ihm offensichtlich nicht das Votum für die Selbstaufgabe Europas gegeben haben.
Und D. Trump, mal eben so ohne vorherige Absprachen mit den übrigen Staats- und Regierungschefs der NATO, erklärt schon mal ganz selbstbewusst, die Europäer würden das nun alles bezahlen.
Zwar schreitet Deutschland unter Führung der europäischen Führungskraft F. Merz schon mal voran und kauft US-amerikanische Patriot-Luftabwehrsysteme für die Ukraine, während zentrale Wahlkampfversprechen wie die Senkung der Stromsteuer plötzlich doch nicht finanzierbar seien. Mehr noch: Laut einem Beitrag in der Süddeutschen und dem US-Magazin Politico wird Deutschland als die treibende, ja initiierende Kraft europäischer Waffenkäufe für die Ukraine identifiziert. Gefolgt von den nordischen Ländern, Großbritannien und Kanada. Hingegen verabschieden sich Frankreich, Spanien, Italien, Tschechien und Ungarn bereits aus dem für die USA und der Ukraine anvisiertem günstigen Projekt.
Beginnt die NATO-Kohäsion bereits jetzt schon in der Frage der Ukraine-Subventionierung zu bröckeln, bevor überhaupt die ersten nationalen Militärbudgets in Richtung 5 Prozent des BIP beschlossen sind?
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