Mit Raumverboten gegen die Meinungsfreiheit

Mit Raumverboten gegen die Meinungsfreiheit

Mit Raumverboten gegen die Meinungsfreiheit

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Wer in München eine Veranstaltung organisieren will, in der auch kritische Worte zur Besatzungspolitik Israels fallen oder gar der Missbrauch des Antisemitismus-Vorwurfs thematisiert wird, der hat schlechte Karten. Nun hat es den angesehenen israelischen Soziologen Moshe Zuckermann getroffen, der in der Augustiner-Gaststätte Rumpler sein aktuelles Buch „Der allgegenwärtige Antisemit“ vorstellen wollte. Eine bereits zugesagte Raummiete wurde nach dubiosen Beschwerden wieder abgesagt. Das Buch, das sich auch kritisch mit diffamierenden Antisemitismus-Vorwürfen auseinandersetzt, darf in München wegen diffamierender Antisemitismus-Vorwürfe nicht vorgestellt werden. Das hat den Zuckermann-Verleger Markus J. Karsten zu einem Brief an die Geschäftsführung Augustinerbräu Wagner KG veranlasst. Von Jens Berger.

Erst vor wenigen Wochen hatte Rolf-Henning Hintze auf den NachDenkSeiten den Rechtsstreit um einen Stadtratsbeschluss dokumentiert, der die Vergabe von öffentlichen Räumlichkeiten für Veranstaltungen untersagt, in denen Kritik an der israelischen Besatzungspolitik geübt wird. Schon im Vorfeld dieses Beschlusses war es die diffamierende Kritik einer kleinen Gruppe mit dem irreführenden Namen „Münchner Bürger gegen Antisemitismus und Israelhass“, die nicht nur auf die Stadt, sondern auch auf private Veranstalter und Vermieter massiven Druck ausgeübt hat.

Auch bei der Zuckermann-Veranstaltung spielte diese angebliche „Bürgerinitiative“ eine maßgebliche Rolle. Man hat den Gasthausbetreibern einen Brief geschrieben, in dem Moshe Zuckermann diffamiert wurde („Zuckermann spricht seit einigen Jahren in fast jedes Mikrophon, das ihm ein Neurechter oder Antisemit bietet“) und die Veranstaltung als „einseitige Propagandaveranstaltung, die Israel diffamiert und den Hass auf die Juden schürt“ bezeichnet wurde. Daraufhin haben Gasthausbetreiber die Räumlichkeiten wieder abgesagt.

Dies ist im konkreten Fall besonders infam, da Moshe Zuckermann zwar durchaus streitbar ist, aber auch über einen tadellosen Ruf verfügt. Gastartikel von ihm erschienen unter anderem in der taz, dem Tagesspiegel, der jungen Welt, der Frankfurter Rundschau, der Zeit und den NachDenkSeiten, also einem breiten „Mitte-Links-Medienspektrum“, das nicht unbedingt neurechter oder antisemitischer Tendenzen verdächtig ist. Inhaltlich wurden die Vorwürfe jedoch wahrscheinlich noch nicht einmal überprüft. Die Drohkulisse der selbsternannten „Anti-Antisemitismus-Kämpfer“ reicht schon aus, um Raumverbote zu erwirken und kritische Meinungen zu unterdrücken.

Anhang: Der Brief des Westend-Verlegers Markus J. Karsten an die Geschäftsführung der Augustinerbräu Wagner KG, die die Gaststätte Rumpler betreibt, deren Räumlichkeiten Zuckermann vorenthalten wurden.

GF Herrn Dr. Martin Leibhard
GF Herrn Werner Mayer
GF Herrn Anton Obermeier
AUGUSTINER-BRÄU WAGNER KG
Landsberger Straße 31-35
80339 München

Frankfurt, 25. März 2019

Sehr geehrter Herr Dr. Leibhard, sehr geehrter Herr Mayer, sehr geehrter Herr Obermeier,

den Westend Verlag erreichte ein Schreiben einer sogenannten Bürgerinitiative mbai, in dem ein Autor von uns als „umstrittener Professor Zuckermann“ bezeichnet wird. Bitte gestatten Sie mir, dazu das Folgende festzustellen.

Tatsächlich genießt Herr Zuckermann sowohl in Israel als auch im europäischen Ausland durch seine Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität Tel Aviv als Historiker und Soziologe höchstes Ansehen. Er war über Jahrzehnte an der geisteswissenschaftlichen Fakultät sowie auch bei den Kunst- und Musikwissenschaften der Universität Tel Aviv tätig, mithin auch ein vielgefragter Dozent im israelischen öffentlichen Raum.

Im Weiteren wird zitiert, dass Herr Zuckermann „in fast jedes Mikrophon spräche, dass ihn ein Neurechter hinhalten“ würde. Herr Zuckermann ist nach eigenem Bekunden ein dezidierter Linker und verkehrt vorwiegend in linken und liberalen Kreisen. Wie verträgt sich das?

Herr Zuckermann war im Rahmen des Erscheinens seines neuesten Buches im Herbst 2018 zu einer Pressereise in Deutschland: Ich darf anführen:

  • 3.10.: DLF Rezension
  • 11.10.: Interview Vorwärts
  • 16.10.: Rubikon Interview
  • 19.10.: DLF Kultur Interview
  • 19.10.: WDR5 Interview
  • 19.10.: infosperber.ch Beitrag (Schweiz)
  • 29.10.: Rezension DLF Andruck
  • 18.11.: Interview Journal Frankfurt
  • 20.11.: Rezension SWR2
  • 25.11.: Interview Neues Deutschland
  • 17.12.: Interview Frankfurter Rundschau
  • 17.2.: Interview Kölner Stadt-Anzeiger
  • 17.12.: Süddeutsche Zeitung Rezension
  • 25.1.: MDR Rezension Kultur
  • 13.2.: Rezension Hannoversche Allgemeine Zeitung
  • 1.3.: Rezension in den Dresdner Neuesten Nachrichten

Sie werden Ihre Gründe gehabt haben, die Veranstaltung in Ihren Räumen abzusagen. Diese Gründe sind aber mit den erhobenen Anwürfen gegenüber Herrn Zuckermann nicht vereinbar. Sie scheinen mir vielmehr darin zu liegen, dass der Antisemitismusvorwurf aktuell gerade in Deutschland in fast allen Fällen politisch verbrämt und nicht inhaltlich begründet erhoben wird. Dem konnten oder wollten Sie in Ihrem Falle nicht standhalten. Daraus mache ich Ihnen keinen Vorwurf. Allerdings möchte ich klar zum Ausdruck bringen, dass diese Vorwürfe gegenüber Herrn Zuckermann infam sind und ihr Ursprung im genauen Gegenteil der behaupteten Motivation liegt.

Ignacio Silone, ein italienischer Schriftsteller, dessen Werke im antifaschistischen Widerstand gelesen wurden, der auch Träger des Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft ist, sagte bereits in den 50er-Jahren:

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‹Ich bin der Faschismus›. Nein, er wird sagen: ‹Ich bin der Antifaschismus›.“

Mittlerweile ist der Begriff des Antifaschismus und vor allem auch der des Antisemitismus geradezu entleert und zu einem Slogan verkommen (woran die Verfasser des oben erwähnten Briefes an Sie nun Ihren Anteil zu tragen haben). Und darin, genau darin, sehr geehrte Herren, liegt die große Gefahr. Wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, kann sich jede Woche aufs Neue davon überzeugen.

Kurzum: Ein Finger dieser mbai-Leute zeigt auf Herrn Zuckermann, vier zeigen auf jene selber.

Mit freundlichen Grüßen,
Markus J. Karsten
Verlagsleitung


Titelbild: Yoko Design/shutterstock.com