Die neoliberalen Stiftungen sehen eine Chance, ihren politischen Einfluss zu stärken

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Die Bertelsmann Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Stiftung Marktwirtschaft und die Friedrich-Naumann-Stiftung haben eine Studie unter dem Titel „Bildungspolitik im föderativen System und internationaler Einfluss“ veröffentlicht. Sie sehen in der „Lagerauseinandersetzung“ zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik ein Einfallstor, um ihren politischen Einfluss weiter zu stärken.

Der Autor, Michael Buse, erkennt in der „Lagerauseinandersetzung“ zwischen Bund und Ländern über die Zuständigkeiten in der Bildungspolitik „eine neue Chance“ u.a. für die Stiftungen „Einfluss auf die bildungspolitische Reformdiskussion in Deutschland zu nehmen und für eine angemessene Rezeption solcher Reformanstöße zu sorgen, die von außen an Deutschland herangetragen werden“ vor allem durch die EU, die OECD oder die Weltbank und die WHO.

Über den Einfluss etwa der Bertelsmann Stiftung auf die Politik in Bund und Ländern wurde auf den NachDenkSeiten schon oft berichtet. Wir haben kritisiert, wie diese finanzkräftige Institution unter dem neutralen, ja sogar als gemeinnützig anerkannten Deckmantel einer Stiftung z.B. über das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ohne demokratische Legitimation sich sozusagen als „verlängerter Schreibtisch“ für viele Bildungsministerien etabliert und ihre interessengesteuerte Reformkonzepte „hoffähig“ gemacht hat. Am sichtbarsten etwa bei der Kampagne zur Einführung von Studiengebühren.

Oft wird man ja als „Verschwörungstheoretiker“ abgetan, wenn man solche undemokratischen, interessengeleitete Einflussnahmen auf die Politik beklagt, deshalb nutzen wir gerne die Gelegenheit, die Planungen über solche Machenschaften einmal unmittelbar aus einer Studie des konservativen „Stiftungsquartetts“ zitieren zu können.

Die Bertelsmann Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Stiftung Marktwirtschaft und die Friedrich-Naumann-Stiftung geben eine Schriftenreiche „Forum Föderalismus 2004“ heraus. In einer dieser „Studien“ schreibt Michael Buse, Professor für Politische Wissenschaft, ehemaliger stellvertretender Generalsekretär der Bund-Länder-Kommission und Leiter des Bereichs Bildungsplanung über die „neue Rolle für Stiftungen und Nicht-Regierungsorganisationen“ nach der Reform des Föderalismus in Deutschland u.a.: „In dem Maße, wie sich die Bundesregierung aus der gemeinsamen Bildungsplanung nach der Föderalismusreform ganz oder teilweise zurückzieht, bzw. in der bereits jetzt schon abzusehenden Tendenz von Seiten einiger Länder, sich dem Bemühen um eine gemeinsame Bildungsplanung durch eine ´Politik des leeren Tisches` zu entziehen (der hessische Ministerpräsident Koch lässt grüßen (WL)), stellt sich die Frage, wie die bildungspolitischen Themen, die von den inter- und supranationalen Organisationen an Deutschland herangetragen werden…wirksam in den Prozess der politischen Meinungsbildung eingebracht werden können.“
Der Autor erwartet auch nach einer Reform des Föderalismus eine „Lagerauseinandersetzung“ und, dass es nach einem „schlaglichtartigen Austausch politischer Positionen…schwer fallen (wird), eine sachgerechte und differenzierte Auseinandersetzung mit Potenzialen und Chancen, Risiken und Nachteilen von Veränderungs- und Reformvorschlägen in den verschiedenen Teilbereichen des Bildungssystems…zu führen.“ Geradezu visionär wird hier die derzeitige Blockadepolitik des hessischen Ministerpräsidenten in der Frage der Förderung der Spitzenforschung durch den Bund vorhergesagt – oder gehört das schon zu einer abgesprochenen Strategie?

Der Autor rät den Stiftungen, aus dieser „Lagerauseinandersetzung“ Honig zu saugen: „Hier ergibt sich eine neue Chance für die nicht in der alltäglichen parteipolitischen Auseinandersetzung stehenden Stiftungen und Nicht-Regierungsorganisationen, Einfluss auf die bildungspolitische Reformdiskussion in Deutschland nehmen…zu können“.

„Durch Gutachten, Stellungnahmen und Memoranden, die Veranstaltung von Workshops, wissenschaftliche Fachtagungen, medienwirksame Großveranstaltungen und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit können bildungspolitische Teilthemen…in der öffentlichen Wahrnehmung verstärkt verankert und damit auch der politischen Reformdiskussion in Deutschland nachhaltige Impulse vermittelt werden.“
Der Autor gestattet damit der Öffentlichkeit einen Blick in den – meist versteckten – Werkzeugkasten zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und zur Einflussnahme auf die Politik durch die ach so „gemeinnützigen“ Stiftungen geöffnet.

Nun geben sich ja vor allem auch die Bertelsmann Stiftung ja nicht nur gemeinnützig sondern natürlich auch noch völlig neutral und wissenschaftlich objektiv. Unvorsichtiger Weise gibt der Autor diesmal aber auch die Ziele preis: „Um insbesondere die Rezeption internationaler Einflüsse angemessen wahrnehmen und vermitteln zu können, werden die Stiftungen personelle Kapazitäten und Wahrnehmungsstrategien stärker auf die inter- und supranationalen Organisationen, wie die Europäische Union, die OECD, die UNESCO, den Europarat, die Weltbank und die Welthandelsorganisation, ausrichten müssen“.
Was man vor allem von der Weltbank, der WTO, der OECD aber auch von der Europäischen Union auf dem Feld der Bildung erwarten darf, ist belegt, wenn auch noch viel zu wenig öffentlich bekannt: Die Privatisierung der Bildung und der Bildungseinrichtungen und Effizienzsteigerung durch Wettbewerb und mehr Markt und vor allem Bildung als privates Investment in „Humankapital“.

Solche politisch angeblich so „neutrale“ Zielsetzung kann jeder, der Ohren hat, um zu hören und der Augen hat, um zu lesen, schon bisher aus den Studien oder Workshops vor allem der Bertelsmann Stiftung erkennen.

Mit der Selbstparalyse der Bildungspolitik durch den Zuständigkeitsstreit im Rahmen der Föderalismusreform und in der Entmachtung des Bundes und der gegenseitigen Blockade der Länder, sehen die neoliberalen Stiftungen eine noch größere Chance ihre Ziele durchzusetzen.

Quelle: Bertelsmann Stiftung »