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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. UN-Sonderberichterstatter: US-Sanktionen verletzen Völkerrecht und Menschenrechte
  2. Pamela Anderson über Julian Assange – “Er sagte zu mir: Rette mein Leben!”
  3. Hier haben die Gelbwesten recht
  4. Libyen: Routinemässig Folter und Vergewaltigung
  5. Die Lösung liegt in höheren Staatsausgaben
  6. Umsatzsteuerkarusselle: Scholz macht sich mitschuldig an Terroranschlägen
  7. Da können Investoren nur jubeln
  8. Die Party der Banker geht weiter
  9. Ein Jahr Nebenjob als Uber-Fahrer: Von Handgreiflichkeiten und Hungerlohn
  10. Mietpreis-Explosion und Wohnungsnotstand – Ursachen und Alternativen
  11. Ökonomisierung der Krankenhäuser – Traurige Diagnose
  12. Ministerin Klöckner will Zahl der Lebensmittelkontrollen verringern
  13. Die Rx-Boni-Debatte ist eine Blamage für die SPD
  14. China „zutiefst enttäuscht“ über neue Zollpläne der USA
  15. Gesetzgebung in der Blackbox: Wie demokratisch ist die EU?
  16. Auf dem Weg in den Euro kämpft Kroatien mit der Wut der Bürger
  17. Keine Nazis in der Ukraine? Rosa-Luxemburg-Stiftung rüttelt an Mythos
  18. Sozialismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. UN-Sonderberichterstatter: US-Sanktionen verletzen Völkerrecht und Menschenrechte
    Der vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzte unabhängige Experte Idriss Jazairy hat seine “tiefe Besorgnis” angesichts neuer Zwangsmaßnahmen der US-Regierung gegen Kuba, Venezuela und den Iran geäußert. Die Verhängung von Sanktionen für politische Zwecke verletze die Menschenrechte und die Normen des internationalen Verhaltens, so Jazairy. Sie könnten “von Menschen verursachte humanitäre Katastrophen von beispiellosem Ausmaß” auslösen.
    “Regime change durch Wirtschaftsmaßnahmen, die zur Beschneidung der grundlegenden Menschenrechte und zu Hungersnot führen können, ist nie eine akzeptierte Praxis in den internationalen Beziehungen gewesen”, erklärte der UN-Experte aus Algerien. Jazairy war vom UN-Menschenrechtsrat zum ersten Sonderberichterstatter über die negativen Folgen einseitiger Zwangsmaßnahmen berufen worden. Er nahm seine Arbeit im Mai 2015 auf und hat sich wiederholt gegen die Sanktionen der USA gegen Venezuela ausgesprochen.
    Schwerwiegende politische Differenzen zwischen Regierungen dürften niemals gelöst werden, indem “wirtschaftliche und humanitäre Katastrophen herbeigeführt werden, die die einfachen Menschen zu deren Schachfiguren und Geiseln macht”, mahnt er in einem aktuellen Bericht.
    Die Umsetzung von Titel III des Helms Burton Act, der US-Bürgern Klagen gegen kubanische Körperschaften und ausländische Unternehmen wegen des nach der Revolution1959 beschlagnahmten und verwendeten Eigentums erlaubt, habe die Proteste der Europäischen Union und Kanadas ignoriert und stelle einen direkten Angriff auf europäische und kanadische Unternehmen in Kuba dar, wo sie die wichtigsten ausländischen Investoren seien, führte Jazairy aus.
    Quelle: amerika21

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch “Trumps Venezuela-Sanktionen töteten 40.000 Menschen“.

    Dazu: Sieben Irrtümer über Sanktionen
    Selten sind sie erfolgreich. Auch im Iran werden die US-Sanktionen weder Reformen noch einen Regimewechsel bewirken. (…)
    Tatsächlich wird die große Mehrheit der Sanktionen von großen Ländern gegen kleine Länder verhängt. Derzeit haben die USA weltweit fast 8.000 Sanktionen in Kraft, wobei der Iran das bei weitem größte staatliche Ziel ist. Darüber hinaus hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seit den 1960er Jahren 30 multilaterale Sanktionsregelungen auf Grundlage von Artikel 41 der UN-Charta verhängt. Die erfolgreichste von ihnen dürfte eine Schlüsselrolle bei der Beendigung der Apartheid-Regime in Südafrika und Südrhodesien (dem heutigen Simbabwe) gespielt haben. Neben bestimmten Ländern hat die UNO auch Sanktionen gegen nichtstaatliche Akteure wie Al Kaida, die Taliban und in jüngerer Zeit den sogenannten Islamischen Staat verhängt.
    Höchst zweifelhaft bleibt jedoch, dass der Iran seine Politik, geschweige denn sein Regime, angesichts der Sanktionen von Trump ändern wird. Die einfache Wahrheit über Wirtschaftssanktionen ist, dass sie zwar weit verbreitet, aber oft vergeblich sind. Eine umfassende Studie über 170 Fälle aus dem 20. Jahrhundert, in denen Sanktionen verhängt wurden, kam zu dem Schluss, dass lediglich ein Drittel die erklärten Ziele erreicht hat. Eine andere Studie schätzt die Erfolgsquote von Sanktionssystemen auf weniger als 5 Prozent.
    Quelle: IPG

    Anmerkung Christian Reimann: Die Hardliner in Washington scheinen jedoch etwa so zu denken: Entweder führen die Länder wie Iran „freiwillig“ Reformen durch oder es wird versucht, den Regimewechsel – mit viel Ablenkung, Meinungsmache und Propaganda – militärisch durchzusetzen.

  2. Pamela Anderson über Julian Assange – “Er sagte zu mir: Rette mein Leben!”
    […] SPIEGEL ONLINE: Welchen Eindruck hatten Sie von Julian Assange?
    Anderson: Als er schließlich auftauchte, berührte es mich, dass er viel dünner war als vor rund einem Jahr, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er muss etwa zehn Kilo abgenommen haben.
    SPIEGEL ONLINE: Wie sind seine Haftbedingungen?
    Anderson: Er sitzt mindestens 23 Stunden am Tag alleine in seiner kleinen Zelle. Er kann keine Briefe verschicken, weil er kein Adressbuch dabei hat. Er bekommt bisher keine Bücher aus der Gefängnisbibliothek. Er bekommt keine Akten, um sich auf sein Auslieferungsverfahren vorzubereiten. Er bekommt keine Nachrichten, abgesehen von BBC und Chanel 4 in einem kleinen Fernseher, aber den haben ihm die Wächter wieder weggenommen.
    Quelle: SPIEGEL Online
  3. Hier haben die Gelbwesten recht
    Der Protest der französischen Gelbwesten ist ein Ventil für Unzufriedenheit, die sonst nur den Populisten helfen würde. Eigentlich müssten sie in ganz Europa demonstrieren – auch in Deutschland. (…)
    Die Ausrede liegt auf der Hand: Wir Deutsche sind einfach tüchtiger und deshalb besser dran. Kein Wunder also, wenn all die kleinen Leute bei uns keine gelbe Weste überziehen.
    Doch die Ausrede stimmt nicht. Das zeigt eine über 25 Jahre laufende Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung über die ungleiche Einkommensentwicklung in Deutschland. Die Studie liest sich wie eine Beweisführung für die Notwendigkeit von Gelbwesten-Protesten in Deutschland. Sie umfasst das Vierteljahrhundert von der Wiedervereinigung 1991 bis zum Jahr 2016. Trotz einer insgesamt blendenden volkswirtschaftlichen Entwicklung gelingt es Deutschland in dieser Zeit nicht, die Einkommen der ärmeren Bevölkerungshälfte wesentlich zu verbessern. (…)
    Über viele Jahre verfehlt Deutschland die Uno-Ziele zur Reduktion der Einkommensungleichheit. Von Jahr zu Jahr steigt der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit eines Landes misst. Erschreckend ist vor allem die sture Regelmäßigkeit der Zahlen: Ob bei besserer oder schlechterer Konjunktur, die gering verdienenden Deutschen kommen einfach nicht zum Zuge. Der deutsche Aufschwung seit der Jahrtausendwende, das deutsche Exportwunder, der enorme Leistungsbilanzüberschuss über viele hundert Milliarden Euro in den letzten Jahren – das alles hat für die ärmere Bevölkerungshälfte der Deutschen nicht viel gebracht. Sie verdient inflationsbereinigt heute zum Teil etwas weniger, zum Teil etwas mehr als im Jahr 1991. Als wäre in dem Vierteljahrhundert der Turbo-Globalisierung seit der Wiedervereinigung nichts passiert.
    “Was hat die Gelbwestenbewegung über Europa zu sagen?” fragte die Pariser Zeitung “Libération” kürzlich den französischen Spitzenökonomen Thomas Piketty. Piketty antwortete: “Sie verlangt Gerechtigkeit mit dem Gefühl, dass das System der Globalisierung mit seinem starken finanzpolitischen Standortwettbewerb in Europa die höheren Einkommensgruppen bevorteilt.” Heute lesen sich die DIW-Zahlen, als hätte sie Piketty selbst geschrieben, frei nach den Thesen seines Weltbestsellers “Das Kapital im 21. Jahrhundert”, der die wachsende Ungleichheit als Wesenszug des Kapitalismus beschreibt.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Was ist nur mit dem SPIEGEL los? Ganz unerwartete Einsichten des neoliberalen Zentralorgans: die Gelbwesten sind nicht Ausdruck von Populismus, sondern von gestiegener Armut, ein europaweites Phänomen? Und die Niedriglöhner in Deutschland hätten mindestens denselben Grund zu protestieren, weil es ihnen sogar noch schlechter geht als den Franzosen, nicht besser – tun es aber nicht, weil ihnen womöglich schon der letzte Rest Selbstbewußtsein fehlt. Bei so viel Einsicht fällt dann die seltsame Argumentation umso mehr auf: “der enorme Leistungsbilanzüberschuss über viele hundert Milliarden Euro […] hat für die ärmere Bevölkerungshälfte der Deutschen nicht viel gebracht”, weil ein Exportüberschuss das Resultat von gezielten Lohnsenkungen (der ärmeren Bevölkerungshäfte) ist – von einem Exportüberschuss profitieren immer nur die Arbeitgeber, darunter leiden die Arbeitnehmer. Und diese Katastrophenentwicklung der letzten 28 Jahre inklusive verrottender Infrastruktur, Leistungsbilanzüberschüsse und zunehmender öffentlicher und privater Armut und Obdachlosigkeit als “insgesamt blendende[…] volkswirtschaftliche[…] Entwicklung” zu bezeichnen, zeugt von einer zynischen Weltsicht. Den eigenen ziemlich erheblichen Einfluss bei der Durchsetzung der neoliberalen Agenda erwähnt der SPIEGEL gleich gar nicht. Aber immerhin: ein Anfang ist gemacht. Die Abkehr von den Mainstream-Parteien und die Neigung zum Populismus könnte also ihre Ursache in den dramatisch verschlechterten Lebensbedingungen haben, so so.

  4. Libyen: Routinemässig Folter und Vergewaltigung
    Die systematische Gewalt gegen Flüchtende wird immer grausamer. Eine Ursache dafür ist die zunehmende Abschottung Europas.
    Flüchtlinge und Migranten, die versuchen, von Afrika nach Europa zu gelangen, sind in offiziellen wie inoffiziellen libyschen Haftanstalten routinemässig sexueller Gewalt ausgesetzt, ergab eine Umfrage der «Women’s Refugee Commission». Die Grausamkeiten werden immer schlimmer, sagt die Organisation, die zwischen Oktober 2015 und November 2018 Flüchtlinge in Italien sowie Beteiligte wie Seenotretter, Menschenrechtsexperten und lokale Informanten befragt und Informationen anderer Organisationen zusammengetragen hat. Betroffen sei jeder, der durch Libyen fliehe, Männer wie Frauen, Erwachsene wie Kinder, Muslime wie Christen. Andere Organisationen bestätigen diese Angaben.
    «Sexuelle Gewalt wird zur Erpressung, Unterwerfung, Bestrafung und Unterhaltung eingesetzt und beinhaltet häufig Elemente tiefer Grausamkeit und psychologischer Folter», fasst der Bericht zusammen. Die Überlebenden, die es nach Europa schaffen, tragen die psychischen und physischen Spuren Libyens. Zu den sichtbaren Spuren zählen Verbrennungen, Schusswunden, Narben und ungewollte Schwangerschaften, zu den unsichtbaren Albträume, Schlaflosigkeit, Traumata. (…)
    Wer von Banden gefangen, von Menschenhändlern gekidnappt, von Schleppern verkauft oder in einem der inoffiziellen Lager gefangen gehalten wird, dem droht ein noch schlimmeres Schicksal: Erpressung, Folter, Tod. Oft werden Folter und Vergewaltigung gefilmt, um von Angehörigen Geld zu erpressen. Ist nichts mehr zu holen, werden die Opfer zu Tode gequält oder teilweise regelrecht hingerichtet, um Platz für neue zu schaffen. Meist so, dass andere Gefangene sehen, was ihnen bevorsteht. Das bestätigt ein Bericht der Vereinten Nationen.
    Wer unter diesen Umständen von «Asyltourismus» spricht, ist mehr als zynisch. Misshandlungen von Flüchtenden in libyschen Lagern sind seit Jahren bekannt. Seit Europa auf Druck von innen seine Grenzen immer weiter schliesst, hat sich die Lage verschärft. Die zunehmende Grausamkeit gegenüber Flüchtlingen sei eine direkte Folge dieser Abschottung, sagt Sarah Chynoweth, Leiterin des Projekts zu sexueller Gewalt bei der «Women’s Refugee Commission». Seit die Einnahmen der Schlepper durch Überfahrten zurückgegangen seien, griffen sie zu immer extremeren Formen der Folter, um Lösegeld zu erpressen.
    Quelle: infosperber.ch

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Der Bericht ist so grausam, dass die Situation der Flüchtlinge in Libyen nicht verschwiegen werden darf. Das „Nicht-Handeln“ und das Schweigen der westlichen „Wertegemeinschaft“ zu diesen kriminellen, Machenschaften, Menschen verachteten Umständen in den libyschen Flüchtlingslagern ist nur vergleichbar, mit dem Schweigen zu den Vorgängen in den KZ-Lagern in der NS-Zeit. Hier werden die neoliberalen Machenschaften in Libyen deutsch sichtbar. Wer hierzu schweigt, macht sich mitschuldig.

  5. Die Lösung liegt in höheren Staatsausgaben
    Das Hauptproblem der Eurozone ist die Nachfrageschwäche. Die Schuldenbremse, der Stabilitätspakt und der Fetisch der „Schwarzen Null“ verhindern das Gedeihen des europäischen Projektes. (…)
    Seinen Artikel über Modern Monetary Theory (MMT) vom 28. April 2019 beginnt der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, mit dem folgenden Satz: „Verfechter der ‚modernen Geldtheorie‘ fordern, dass sich Staaten nach Bedarf durch die Notenpresse finanzieren.“ Leider ist diese Aussage unwahr – keiner der MMT-Autoren fordert dies. Im Vordergrund stehen andere Ideen.
    Der direkte Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank ist ein beliebtes Thema in der Ökonomik. In der Eurozone ist es verboten, in Kanada zumindest in Maßen erlaubt. Während in Europa die Griechen auf Sparkurs getrimmt wurden, ist Kanada nicht für Hyperinflation, Währungsturbulenzen oder Aufblähen des staatlichen Sektors bekannt. Um 2015 herum gab es auch in Deutschland und Europa eine Debatte über das „monetary financing“, unter anderem in Gewerkschaftskreisen in Person von Silke Tober oder Andrew Watt. (…)
    Mithilfe der MMT lässt sich also die wirtschaftliche Lage des Euroraums sehr gut analysieren. Das Hauptproblem ist die Nachfrageschwäche. Private Ausgaben bei gegebenen staatlichen Ausgaben reichen in der Eurozone nicht aus, um die Beschäftigung auf einen ausreichend hohen Stand zu bringen. Der Staat könnte quasi kostenlos mehr Steuergutschriften ausgeben, allerdings ist ihm in der Eurozone durch die zu restriktiven Fiskalregeln kein ausreichender Spielraum gegeben. Schuldenbremse und Stabilitäts- und Wachstumspakt einerseits sowie der Fetisch der „Schwarzen Null“ verhindern das wirtschaftliche Gedeihen des europäischen Projektes.
    Die Lösung liegt nicht in einer Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank (EZB), sondern in einer Steigerung der Staatsausgaben. Dafür gibt es gleich mehrere Lösungen. So könnte beispielsweise die Europäische Kommission die 3-Prozent-Grenze bei den staatlichen Defiziten in Zeiten von Rezessionen aussetzen und den nationalen Regierungen erlauben, ihre Staatsausgaben von Jahr zu Jahr in Höhe von bis zu 2 Prozent (Inflationsziel) zu steigern. Oder die 3 Prozent werden ausgesetzt, solange die Arbeitslosigkeit über 5 Prozent liegt. Oder ein europäisches Finanzministerium finanziert sich über Eurobonds, welche die EZB auf dem Sekundärmarkt unbegrenzt aufkaufen darf, und gibt zusätzliche Milliarden aus. Oder die Europäische Investitionsbank (EIB) legt deutlich mehr grüne Anleihen in Milliardenhöhe auf, die als Schulden der EIB und nicht der Euroländer verbucht werden.
    Sollte all dies nicht passieren, dann können natürlich Länder der Eurozone auch zu ihren nationalen Währungen zurückkehren, um dann wieder Mehrausgaben finanzieren zu können. Dies allerdings würde die wirtschaftliche Struktur Europas stark belasten, denn dann müsste Deutschland weniger exportieren und mehr konsumieren und der Rest der Eurozone weniger importieren und mehr selbst produzieren.
    Quelle: Dirk Ehnts in Frankfurter Allgemeine
  6. Umsatzsteuerkarusselle: Scholz macht sich mitschuldig an Terroranschlägen
    Attac hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz aufgefordert, eine Harmonisierung der Umsatzsteuer in der EU nicht weiter zu blockieren und dem Betrug mit Umsatzsteuerkarussellen endlich ein Ende zu setzen.
    “Es ist unbegreiflich, dass Deutschland und andere Länder einen Richtlinienvorschlag der EU blockieren, weil sie sich gegenseitig nicht über den Weg trauen. Durch diese Blockade nehmen sie hin, dass Milliarden Euro bei Terroristen und in Steueroasen landen statt in einem Finanzamt eines EU-Landes”, sagt Attac-Steuerexperte Detlev von Larcher. “Mit seiner Weigerung einer Harmonisierung der Umsatzsteuer in Europa zuzustimmen, macht Scholz sich mitschuldig an der Finanzierung von Anschlägen durch Al Kaida und andere Terroristen.” (…)
    Dabei hat die EU-Kommission ein einfaches Verfahren vorgeschlagen, das die Karusselle und damit den Steuerdiebstahl sofort stoppen würde. Dazu müssten sich Deutschland und die anderen EU-Staaten entschließen, Handelsgeschäfte zwischen den Mitgliedsstaaten steuerlich so zu behandeln wie nationale Handelsgeschäfte. „Doch die Länder befürchten offenbar, dass die Umsatzsteuer, die einem Land zusteht, aber durch den Handel in einem Finanzamt eines anderen Landes landet, nicht zurückgeführt wird“, stellt Karl-Martin Hentschel von der Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern fest. „Es ist unfassbar, was da geschieht, nur weil sich die Finanzminister der EU-Länder nicht über den Weg trauen.“
    Attac verlangt von der Bundesregierung, ihre Blockadehaltung sofort aufzugeben und in anderen EU-Ländern für die Verabschiedung der Richtlinie gegen den Karussellbetrug im Ministerrat einzutreten. Zudem muss Scholz seine Weigerung aufgeben, dem Betrugswarnsystem der EU (TNA) beizutreten.
    Quelle: attac
  7. Da können Investoren nur jubeln
    Das Handelsabkommen enthält Klagemöglichkeiten für Konzerne, aber keine verbindlichen Pflichten zur Einhaltung der Menschenrechte.
    6,1 Milliarden Euro Schadensersatz fordert Vattenfall vor einem internationalen Schiedsgericht von Deutschland. Der Atomausstieg habe die zukünftigen Gewinne des Konzerns zunichtegemacht, so das Argument des Energieversorgers. Das Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) enthält ebensolche Klagerechte für Konzerne vor Schiedsgerichten. Der Europäische Gerichtshof hat sie Ende April für rechtens erklärt. Wenn die europäischen Mitgliedstaaten dem Abkommen zustimmen, dann könnten weitere Milliardenklagen nach dem Muster von Vattenfall folgen.
    Der EuGH ist mit seinem Gutachten auf der Linie der EU-Kommission, die sich um eine Neugestaltung und Ausweitung von Konzernklagerechten bemüht. Dadurch werden die Rechte transnationaler Unternehmen weiter gestärkt, statt ihnen verbindliche Pflichten aufzuerlegen, um die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren. Umso ungerechter, da ArbeitnehmerInnen und VerbraucherInnen keine exklusiven Klagemöglichkeiten erhalten, wenn ihre Rechte verletzt werden.
    Zudem können Staaten durch drohende Entschädigungszahlungen abgeschreckt werden, fortschrittliche Politik zu machen. Der EuGH erkennt die Möglichkeit einer solchen abschreckenden Wirkung durch Konzernklagerechte an. Gleichzeitig meint er, dass weitere Klauseln des Vertrags ausreichend davor schützten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Investoren oft nur mit Klagen drohen müssen, damit der Staat Regulierungen abschwächt oder zurück nimmt.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Sicher, auch Deutschland alleine (und andere Mitgliedsstaaten der EU) hat solche negativen Handelsabkommen mit Sonderklagerechten abgeschlossen, siehe der erwähnte Fall Vattenfall. Aber die EU ist kein bißchen fortschrittlicher, sondern mindestens genauso konzernhörig. Ich würde gerne erfahren, warum die taz diese negativen Punkte benennt und dann in fast jedem Artikel zu dem Schluss kommt, die EU müsse man erfinden, wenn es sie nicht gäbe, und vor dem Zerfall der EU warnt. Undemokratisch, autoritär, von Lobbyisten dominiert. Was spricht jetzt noch mal für die EU? Und woher kommt dieses weit verbreitete Unwohlsein, die Ablehnung gar, die die EU erfährt: gibt es dafür etwa keinen rationalen Kern?

  8. Die Party der Banker geht weiter
    Am 15. September 2008 meldeten die Agenturen die Pleite der US-Bank Lehman Brothers. Es war die größte Pleite eines Unternehmens, die die Welt je gesehen hat – und hatte fatale Folgen. Wie sieht es nach zehn Jahren aus? (…)
    New York 2018: “Es gab genug Warnhinweise, dass es zum Crash kommt. Doch die Gier war größer. Und auch jetzt lechzen die Anleger da drüben wieder nach mehr Rendite!”, sagt Larry McDonald, ehemaliger Vize-Präsident bei der US-Bank Lehman Brothers.
    Er sitzt im 50. Stock eines schicken Apartmenthauses am Hudson River. Von seinem Schreibtisch kann er bis zum Financial District der Wall Street schauen. Er beobachtet heute als Autor den Markt und schreibt Investment-Reports. (…)
    Riskante Finanzgeschäfte gehören für Banker weiter zum Alltag. Private Schulden, billiges Geld und undurchsichtige Finanzprodukte – eine gefährliche Mischung, die in einem explosiven Umfeld aus Gier und Wahnsinn schon bald den nächsten Crash auslösen könnten.
    Christoph Kaserer von der TU München erklärt diese Entwicklung so: “Die großen internationalen Banken haben – wie fast alle Banken – ihre Bilanzsummen kräftig ausgedehnt. Das heißt, wenn eine dieser großen Banken in eine Schieflage gerät, werden wir auch heute nicht drum herumkommen, dass es eine Rettung durch den Steuerzahler gibt.”
    Die Autoren stoßen immer wieder auf deutliche Indizien, dass die Finanzkrise keineswegs vorbei ist. Im Gegenteil: 2018 gibt es erstaunliche Parallelen zu der Zeit kurz vor dem Mega-Crash.
    Quelle: 3sat
  9. Ein Jahr Nebenjob als Uber-Fahrer: Von Handgreiflichkeiten und Hungerlohn
    Unser USA-Korrespondent Friedemann Diederichs hat ein Jahr lang nebenbei als Uber-Fahrer gearbeitet. Die nüchterne Bilanz seines nächtlichen Nebenjobs: Handgreiflichkeiten, Hungerlohn und schmutzige Tricks sind keine Ausnahme, sondern an der Tagesordnung. Am Freitag ging der „Rideshare“-Gigant an die Börse. (…)
    Ein Trip im April zeigt, warum es beim Uber-Prinzip nur einen großen Gewinner gibt – und Millionen Verlierer, die sich wie Hamster im Rad abstrampeln, ohne jemals finanziell ans Ziel zu kommen. Ich fahre den Bauingenieur John vom Flughafen zu seinem Haus. Es ist später Abend und regnet ohne Unterlass. Weil nur wenige Uber-Fahrer unterwegs sind, greift die sogenannte „Surge“-Abrechnung. Das heißt: Der Passagier zahlt das Zwei-, Drei- oder Vierfache des Normaltarifs.
    Die Fahrt dauert genau 15 Minuten und 30 Sekunden, wobei Uber seit Jüngstem wenigstens bei großen Entfernungen die Anfahrtszeit zum Abholen mitrechnet – aber nie die oft langen Wartezeiten an Airports beispielsweise. John wird für den Trip durch seine bei Uber gespeicherte Kreditkarte mit 30,63 Dollar zur Kasse gebeten. Von diesem Betrag erhalte ich am Ende gerade einmal 13,88 Dollar. Der Löwenanteil, fast 50 Prozent, geht mit 14,75 Dollar an Uber, die verbleibenden knapp zwei Dollar sind staatliche Gebühren.
    Ist das fair? Und was subventioniert eigentlich der Fahrer mit diesem hohen Uber-Prozentsatz? Gary Davies, der regelmäßig auf Social-Media-Bulletinboards Uber und Lyft analysiert, hat eine düstere Vision dazu: „Ubers Brot und Butter ist, Tausende von ,Angestellten‘ zu finden, die dumm genug sind, sich als ,unabhängige Unternehmer‘ zu betätigen, die Billigarbeit leisten und Geld einem Konzern verschaffen, dessen ultimatives Ziel es ist, die gleichen Fahrer irgendwann durch selbstfahrende Autos zu ersetzen.“
    Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung

    Dazu: Das System Uber – aus Sicht der Fahrer
    Was, wenn der Chef eine Maschine ist? Für mehrere Millionen Menschen sei das schon der Fall, sagt Alex Rosenblat. Sie arbeiten für Algorithmen – jene der Fahrdienst-Apps Uber und Lyft. Für die Fahrer bedeute das: Dauerüberwachung, automatisierte Manipulation – und die ständige Drohung, nicht mehr arbeiten zu dürfen, ohne zu wissen, warum. Die kanadische Ethnografin ist viel “geubert”. Sehr viel. 5000 Meilen in drei Jahren, in 25 Städten der USA und Kanada. Sie hat dabei 125 Fahrer interviewt. Ihre Erkenntnisse über die Hauptpersonen der “Gig Economy” stehen in ihrem Buch “Uberland”, über das sie in dieser Woche auf der Digitalkonferenz Republica in Berlin sprach.
    Das Uber-Modell ist für sie Vorgeschmack auf eine Zukunft, in der Algorithmen Menschen sagen, wo sie sich wann aufhalten sollen, ihr Einkommen immer wieder herauf- oder heruntersetzen, und sie immer wieder durch ein Dauerfeuer von Anreizen dazu bringen, zu arbeiten. “Uber ist fähig, die Arbeitsbedingungen der Fahrer und die Preise zu manipulieren.” Das Unternehmen tue so, als sei seine App nur ein technisches Hilfsmittel, “wie eine Kreditkarte – aber die Technologie ist nicht neutral”. Der “algorithmische Boss” sei im Uberland längst Realität.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  10. Mietpreis-Explosion und Wohnungsnotstand – Ursachen und Alternativen
    Appelle an die Sozialpflichtigkeit des Wohnungseigentums sind nutzlos! Privater Wohnungsbau und Wohnungsvermietung verfolgen kein soziales Ziel. Der Zweck von Investitionen in den Wohnungssektor ist die Rendite. Ein anderes Interesse gibt es nicht. Eine soziale Wohnversorgung muss daher immer gegen private Gewinninteressen durchgesetzt werden.
    Der kapitalistische Wohnungsmarkt zielt auf die Versorgung einer zahlungskräftigen Nachfrage, nicht derjenigen, die auf preiswerte Wohnungen angewiesen sind. Eine soziale Wohnungsversorgung setzt eine leistbare und bedarfgerechte Wohnungsversorgung voraus. Insbesondere die Haushalte mit geringen Einkommen sollten nicht mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Wohnkosten ausgeben, damit noch was zum Leben übrigbleibt. Bei Einkommen zum Mindestlohn, prekärer Beschäftigung und kleinen Renten sprechen wir von Mietpreisen unter 5 Euro/m2, wenn die Kriterien der Leistbarkeit erfüllt werden sollen. Allein in den Großstädten fehlen schon jetzt etwa 2 Millionen leistbare Wohnungen.
    Quelle: Andrej Holm und Claus Schreer auf Telepolis
  11. Ökonomisierung der Krankenhäuser – Traurige Diagnose
    Im Krankenhaus sollte es nicht in erster Linie um Geld gehen. Und doch herrschen an den Hospitälern in Deutschland chronisch Kostendruck und Personalmangel. Die Lukrativität einer Behandlung ist zum Dreh- und Angelpunkt geworden. Woran kranken deutsche Krankenhäuser? […]
    Ein Verfahren, das von den Krankenkassen gut bezahlt wird, das jedoch hohe Anforderungen an die Mitarbeiter stellt. Anfangs ließ es sich in seiner Klinik auch gut an, erinnert sich Wolf-Dieter Ludwig. Doch dann wurde es immer schwieriger: Als die Klinikleitung – wie so oft während seiner 18-jährigen Karriere als Chefarzt – wieder einmal wechselte, setzte der neue Geschäftsführer den Rotstift bei den Personalkosten an:
    „Die Ökonomisierung hat höchste Priorität gehabt. Personal wurde eingespart. Vernünftige Gespräche mit Geschäftsführern und den ärztlichen Direktoren bzw. Pflegedienstleitungen fanden nicht in dem Umfang statt, wie es notwendig war. Wir waren untergeordnet dem Geschäftsführer und haben mit Geschäftsführern, die meistens Anfang 30 Jahre alt waren, Betriebswirte, nicht wirklich die medizinischen Probleme besprechen können.“
    Die Ökonomie bestimmt den Alltag. Mit solchen Erfahrungen steht Wolf-Dieter Ludwig, der Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ist, nicht allein da. Im Spannungsfeld zwischen Medizin und Pflege und deren ethischen Prinzipien auf der einen Seite und der Wirtschaftlichkeit auf der anderen, hat sich der Schwerpunkt in Richtung Ökonomie verschoben – gleichgültig, ob sich die Häuser in privater Trägerschaft befinden, in gemeinnütziger oder öffentlicher: Nur wer Gewinne erzielt, kann sich halten.
    Quelle: Deutschlandfunk
  12. Ministerin Klöckner will Zahl der Lebensmittelkontrollen verringern
    Staatliche Lebensmittelinspektionen sollen nach SPIEGEL-Informationen seltener werden. Das gilt auch für Fleischbetriebe, die der höchsten Risikoklasse zugeordnet sind. (…)
    Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch warnt vor einem erhöhten Risiko für Verbraucher, sollte die Vorschrift im Dezember wie geplant verabschiedet werden. Dann müssten etwa in Fleischbetrieben, die der höchsten Risikoklasse zugeordnet sind, statt täglich nur noch “häufiger als monatlich” Routinekontrollen stattfinden. In einem Restaurant, in dem schwere Hygienemängel festgestellt wurden, wären sie statt viertel- nur noch halbjährlich vorgeschrieben, so der Entwurf.
    Die neue Verordnung werde die Ressourcen der amtlichen Lebensmittelüberwachung noch wirksamer auf “Problembetriebe” fokussieren und die Effizienz steigern, so eine Sprecherin des Ministeriums. Das Gegenteil sei der Fall, erklärt dagegen Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.
    Für Lebensmittelbetriebe mit erhöhtem Risiko könnten sogar weniger Kontrollbesuche vorgegeben werden. Das Ministerium bestreitet eine Verringerung der Kontrolldichte. Foodwatch will den Entwurf sowie die amtliche Begründung dafür am Sonntag auf ihrer Internetseite veröffentlichen. (…)
    Schon jetzt finden wegen Personalmangels vielerorts zu wenig Überprüfungen statt. Nicht einmal jeder zweite Betrieb, der mit Lebensmitteln hantiert, wird jährlich durchleuchtet. “Doch statt mehr Personal in den Ämtern einzustellen, will Frau Klöckner die Kontrollhäufigkeit dem Personalmangel anpassen”, kritisiert Rücker. (…)
    2017 hatte sich die Beanstandungsquote, also die Zahl der auffällig gewordenen Betriebe, wie durch ein Wunder von rund 25 Prozent auf 13,6 Prozent halbiert. Aber nicht, weil die Betriebe plötzlich weniger Hygiene-Verfehlungen begingen. Sondern weil die statistische Erfassung geändert wurde.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Anzahl der Kontrollen verringern, obwohl schon heute viel zu wenig kontrolliert wird… Klöckner hat sich auch u. a. massiv für Glyphosat eingesetzt und auch ansonsten immer die Interessen der Landwirtschaftsindustrie vertreten. Der Schutz der Verbraucher oder gar, Gott bewahre, der Tiere spielen für die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erkennbar keine Rolle, auch wenn das Ministerium so heißt.

    Ergänzende Anmerkung Christian Reimann: Eigentlich ein weiterer Grund, um auch diese Ministerin – zusammen mit Frau von der Leyen – von ihren Ämtern zu entlassen …

  13. Die Rx-Boni-Debatte ist eine Blamage für die SPD
    Dass es in der CDU marktliberale Strömungen gibt, wissen die Apotheker schon länger. Die SPD hingegen ist eine Partei, die eigentlich seit Jahren für das Ende der Zwei-Klassen-Medizin kämpft. In der Arzneimittelversorgung wollen Union und SPD jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass sich die Medikamentenpreise für PKV- und GKV-Versicherte unterscheiden. Dass es nun unbedingt die privaten Krankenversicherungen sind, die (auch) die Sozialdemokraten daran erinnern, dass offene Rx-Preise den Verbraucherschutz gefährden, ist für die SPD schlichtweg peinlich, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. (…)
    Das Verhalten der SPD in der Debatte um die Rx-Preisbindung hingegen ist von Widersprüchen geprägt – spätestens seit der Bundestagswahl 2017. Denn es gab wohl kein Thema, das die Sozialdemokraten im Sommer 2017 so hartnäckig beackerten wie die Zwei-Klassen-Medizin. Man denke nur an die Forderung einer einheitlichen Honorarordnung für Ärzte. Ein Auszug aus dem SPD-Bundestagswahlprogramm: „Bislang werden Privatpatientinnen und -patienten oftmals bevorzugt, da ihre Behandlung höher vergütet wird. Das werden wir beenden. Damit richtet sich die Vergütung medizinischer Leistungen nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten und nicht danach, ob sie privat oder gesetzlich versichert sind.“
    Menschen, die sich mit der aktuellen politischen Diskussion im Apothekenmarkt beschäftigen, lässt dieser Abschnitt aus dem SPD-Programm verblüfft zurück. Denn im Apothekenmarkt ist es gerade die SPD, die seit Jahren für Deregulierungen kämpft. Dass mit Lauterbach und Co. das Rx-Versandverbot nicht zu machen war, steht noch auf einem anderen Blatt. Aber dass sich der SPD-Gesundheitsexperte und Jurist Dr. Edgar Franke mit Blick auf das geplante Rx-Boni-Verbot im SGB V noch weitere „wettbewerbliche Möglichkeiten“ wünscht und Karl Lauterbach die Rechtssicherheit des Boni-Verbots hinterfragt, weil dieses wegen des EuGH-Urteils nicht weit genug gehe, erzeugt noch mehr Fragezeichen.
    Quelle: DAZ.online

    Anmerkung Christian Reimann: Kennt der gut honorierrte Professor Lauterbach eigentlich (noch?) die Sorgen der „kleinen Leute“ oder fühlt er sich z.B. von solchen Artikeln berauscht bzw. an der politischen Macht: Der Professor und sein Minister?

  14. China „zutiefst enttäuscht“ über neue Zollpläne der USA
    Chinesische Offizielle zeigten sich am Mittwoch tief enttäuscht über Washingtons Pläne, die Zölle auf chinesische Importe ab Freitag zu erhöhen. Sie sagten, dass China „notwendige Gegenmaßnahmen“ ergreifen werde, falls die angekündigte Erhöhung der US-Zölle tatsächlich in Kraft trete.
    Sie zitierten einen Bericht der „Trade Partnership Worldwide“ vom Februar, in dem es heißt, dass eine Erhöhung der Zölle von 10 auf 25 Prozent auf Waren im Gesamtwert von 200 Milliarden US-Dollar, gekoppelt mit bereits bestehenden Zöllen – sowie erwarteten chinesischen Vergeltungsmaßnahmen – die Beschäftigung in den USA um mehr als 934.000 Arbeitsplätze reduzieren und das US-BIP um 0,37 Prozent drücken würde.
    Nach Angaben des chinesischen Zollamts sank der Handel zwischen China und den USA im Zeitraum von Januar bis April um 11,2 Prozent auf 1,1 Billionen Yuan (162,5 Milliarden US-Dollar).
    Die Tatsache, dass Beijing dennoch eine Delegation zu den Handelsgesprächen in die USA schicke, sei “sehr klug von chinesischer Seite”, sagte Gary Hufbauer, Senior Fellow und Handelsexperte am Peterson Institut für Internationale Wirtschaft in Washington.
    Douglas H. Paal, Vizepräsident des Asienprogramms der Carnegie-Stiftung für den internationalen Frieden, sagte, es mache “(…) Sinn, die Gespräche fortzusetzen, da die Alternative ein drastisches Signal an die Märkte wäre”. (…)
    Große US-Handelsorganisationen haben die Trump-Regierung derweil aufgefordert, weitere Spannungen zu vermeiden, während Experten sagten, es sei vernünftig, dass China die Verhandlungen in angemessener Weise fortsetzt.
    “Das ist eine schwierige Situation für Sojabauern”, sagte Davie Stephens, Präsident des Amerikanischen Sojabohnenverbands, am Dienstag.
    Quelle: Beijing Rundschau

    dazu: Chinas Botschafter in Deutschland, Wu Ken, im Interview mit Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
    China erscheint sehr intransparent. Man weiß nicht, wer sich hinter den chinesischen Investoren verbirgt. Das gilt auch für den Technologiekonzern Huawei, dessen Beteiligung am 5G-Netzausbau umstritten ist.
    Huawei ist ein privates unabhängiges Unternehmen. Der Vorwurf der verdeckten Spionage für den chinesischen Staat, wie ihn die Vereinigten Staaten aufgebracht haben, entbehrt jeder Grundlage. Wo sind überhaupt dafür die Beweise? Die weltweite Kampagne Amerikas gegen Huawei ist politisch motiviert. Huawei hat technologisch mit den amerikanischen Konzernen gleichgezogen. Für die Vereinigten Staaten ist das unerträglich.
    Sie vermuten also reine Wettbewerbsgründe für die Spionagevorwürfe?
    Ja. Das ist Mobbing gegen chinesische Tech-Unternehmen.
    Unternehmen können in China sehr schnell in den Griff der chinesischen Regierung geraten. Und der Huawei-Gründer gilt als regierungsnah.
    Die Beziehung von Huawei zur chinesischen Regierung ist nicht enger als die von Volkswagen zur deutschen Politik. Im Gegenteil. VW ist zu 20 Prozent in staatlicher Hand. Die chinesische Regierung ist dagegen an Huawei mit keinem Cent beteiligt.
    Quelle: CRI online

    Anmerkung Christian Reimann: Insbesondere das Interview mit dem chinesischen Botschafter in Deutschland ist interessant – und geeignet, die chinesische Perspektive kennenzulernen.

  15. Gesetzgebung in der Blackbox: Wie demokratisch ist die EU?
    Seit bald fünf Jahren ist Margrethe Vestager EU-Kommissarin für Wettbewerb und damit offiziell dafür zuständig, sich mit den Kartellbrüdern und Monopolisten aus aller Welt anzulegen. Und die Dänin macht wirklich einen guten Job: Seit ihrem Amtsantritt hat sie mehr als 15 Mrd. Euro an Kartellstrafen verhängt, fast doppelt so viel wie während der Amtszeit ihres Vorgängers, und damit Europas Verbrauchern einen guten Dienst erwiesen, der noch viel mehr wert ist, weil er die Preise drückt. Allein von Google kassierte Vestager vergangenes Jahr 4,4 Mrd. Euro.
    Außerdem ist sie gegen die Regierungen in Irland und den Niederlanden vorgegangen, die für die Weltkonzerne die Steuerflucht organisieren. Darum musste das irische Finanzministerium bei Apple nachträglich 13 Mrd. Euro Steuern eintreiben. Und das war nur ein Fall von vielen.
    Auch vor den Regierungen der großen Mitgliedstaaten Frankreich und Deutschland schreckt die streitbare Dänin nicht zurück. Gegen den Willen von Präsident Macron und Kanzlerin Merkel hat sie die geplante Fusion der Eisenbahnsparten von Alsthom und Siemens verboten, und das zu Recht. Denn sonst hätten Verbraucher und Steuerzahler das mit höheren Preisen für Züge und Signaltechnik bezahlen müssen.
    Vestager verfügt also über genau das, was eine gute Europäerin im Amt auszeichnet: Sie kämpft für das europäische Gemeinwohl, ungeachtet einzelner nationaler Interessen. Darum ist sie eigentlich eine ideale Kandidatin für den Chefposten an der Spitze der EU-Kommission. Wenn die EU-Bürger die Wahl hätten, dann hätte sie gewiss gute Chancen auf die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsidentin.
    Doch diese Wahl haben wir nicht. Wir werden zwar Ende Mai ein neues EU-Parlament wählen. Aber damit entscheiden wir, die Wahlbürger der Union, keineswegs, wer die EU-Kommission führen wird. Darüber bestimmen zuallererst die Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer. Das Parlament darf dann nur noch zustimmen oder ablehnen. Der dänische Premier Rasmussen hat aber schon gesagt, er werde Frau Vestager nicht erlauben, ihren bisherigen Job fortzuführen, geschweige denn, Präsidentin der Kommission zu werden. Europas Beste wird also aller Voraussicht nach ihr Amt verlieren. Und selbst wenn sie es am Ende doch wird, weil sie Merkel und Macron vielleicht als Kompromisskandidatin zupass kommt, dann nicht, weil wir, die Wähler es so wollten, sondern weil sie gerade in die Machtspiele der Regierungschefs passt.
    Quelle: Harald Schumann in Blätter für deutsche und internationale Politik

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch “EU-Gipfel in Rumänien: Das Schachern um Topjobs hat begonnen“.

  16. Auf dem Weg in den Euro kämpft Kroatien mit der Wut der Bürger
    Kroatien will den Euro und hat daher harte Reformen durchgesetzt, allen voran bei der Rente. Doch das hat viele Bürger erzürnt. Sie sehen sich unter „dem Diktat fremder Mächte“ – und rebellieren. Gerade für die Jungen steht einiges auf dem Spiel.
    Nur wenige Meter vom zentralen Platz der kroatischen Hauptstadt Zagreb entfernt liegt der Trg Europe, der Europa-Platz. Hier flattern diverse europäische Flaggen, an der Adresse logiert ein Bürgerinformationsbüro der EU und direkt daneben ein Fitness-Shop – was durchaus Symbolkraft hat. Schließlich will Kroatiens Regierung das Land fit machen für eine weitere Integration in die EU, insbesondere für einen Beitritt zum Euro.
    Doch beherrscht wird der Platz dieser Tage von Aktivisten, die ein ganz anderes Anliegen haben. Im ganzen Land sammeln sie Unterschriften für ein Referendum, das die jüngste Rentenreform rückgängig machen soll. Sie setzen auf die Wut vieler Bürger über die Reformen der vergangenen Jahre.
    Diese haben dazu geführt, dass das Land im neuen Reformbericht der Berenberg Bank, einer Analyse aller europäischen Staaten, beim Reform-Elan weit vorne liegt. Und diese haben dazu geführt, dass die Wirtschaft seit einigen Jahren deutlich wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Löhne kräftig steigen.
    Doch all das kann nicht die vielen wirtschaftlichen und strukturellen Probleme verschleiern, die das Land nach wie vor plagen und die die Politik erst noch angehen muss, um es wirklich fit für den Euro zu machen.
    Quelle: Welt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: 20 Prozent der Einwohner, vor allem die im erwerbsfähigen Alter, haben das Land verlassen. Renten”reformen”, also Sozialkürzungen; massive Erhöhungen der (regressiven) Mehrwertsteuer zur Sanierung des Staatshaushalts in Kombination mit niedrigen Körperschaft- und Einkommensteuern und einer Reallohnsenkung (!!) von fast 10 Prozent in den letzten neun Jahren bei fast deutschen Lebenshaltungskosten; mit anderen Worten: das Einmaleins der neoliberalen Politik des Standortwettbewerbs: mit diesem Terror, begründet durch EU-Vorgaben und die Euro-Kriterien, hat die Regierung sicher viel für ihre eigene und die Beliebtheit der EU bewirkt. Aber die neoliberale Politik und die EU gelten ja als “alternativlos”.

  17. Keine Nazis in der Ukraine? Rosa-Luxemburg-Stiftung rüttelt an Mythos
    Das Asow-Regiment verfügt sogar über eine eigene Panzerkompanie und ist in die ukrainischen Streitkräfte integriert. Prominente Unterstützung bekamen die Kräfte dieser Bewegung von dem ukrainischen Innenminister Arsen Awakow.
    Neben dieser quasioffiziellen faschistischen Streitmacht hatte auch der sogenannte Rechte Sektor (eine faschistische Partei, die während der Maidan-Demonstrationen gegründet wurde) eine eigene Militärformation für den Kampf gegen die Volksrepubliken im Osten gegründet, wie die Übersicht ausführt. Diese Kräfte wurden jedoch nicht in die offiziellen Streitkräfte integriert.
    Die Organisation “Bruderschaft” verfügte zeitweilig auch über eine eigene Militärformation, “die Kompanie der Heiligen Maria”, und betreibe derzeit einen “populären Internetsender”, mit dem sie “Propaganda und Hassrede” verbreite. Sie habe nicht gegen die Poroschenko-Regierung agitiert. (…)
    Die Übersicht enthält eine Chronologie von Oktober 2018 bis Februar 2019, in der Aktionen und Übergriffe der Rechtsextremen dokumentiert sind. Darunter einige herausragende Beispiele: Am 23. Oktober letzten Jahres beteiligten sich Faschisten an der Vertreibung einer Roma-Siedlung in der Hauptstadt Kiew. Am 7. November zündeten Mitglieder der Nazi-Organisation C14 das Haus eines Politikberaters an. Die Mitglieder derselben Organisation beschmierten am 14. Januar dieses Jahres den Eingang einer Kirche des Moskauer Patriarchats mit der Aufschrift: “FSB, weg aus Lwiw!” Am 15. Februar wurden Brandanschläge an zwei weitere Kirchen des Patriarchats verübt – der Zahlencode 1488*, der an die Wand geschmiert wurde, deutet einen faschistischen Hintergrund an.
    Die Übersicht zeigt, dass der Faschismus in der Ukraine keineswegs ein vernachlässigbares Phänomen ist. Es gibt in der Ukraine eine große, militante, zum Teil von staatlichen Stellen beförderte und inzwischen bewaffnete Bewegung von neonazistischen Parteien und Organisationen. Dass der Westen das ignoriert und stattdessen die angebliche Unterstützung rechter Parteien durch Russland beschwört, empört echte Antifaschisten in Europa.
    *14 steht für die sogenannten 14 Wörter, eine Grußformel, die ursprünglich von nordamerikanischen Nazis verwendet wurde (“Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für die weißen Kinder sichern”), während 88 für “HH/Heil Hitler” steht.
    Quelle: RT Deutsch
  18. Sozialismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen
    Mit seiner Forderung nach einer Vergesellschaftung von Betrieben hat Juso-Chef Kevin Kühnert eine Debatte darüber entfacht, wieviel Sozialismus die Wirtschaft verträgt. Dabei ist dieses Modell in der Praxis längst gescheitert, kontert das junge SPD-Mitglied Stefan Hasenclever
    Bis weit in die links-liberale Mitte der Gesellschaft hat sich der Irrglaube verfestigt, Sozialismus sei in der Theorie eine gute Sache, nur in der Praxis falsch umgesetzt. Daher können Populisten von Linksaußen auch unbeschwert den „demokratischen“ Sozialismus propagieren. Es ist kaum vorstellbar, was in diesem Land los wäre, wenn Rechtsradikale versuchen würden den „demokratischen“ Faschismus in die politische Diskussion einzubringen.
    Dabei stinkt der Sozialismus schon vom theoretischen Konzept her. Das Fundament der quasi-religiösen Glaubensgrundsätze ist eine eigenwillige Interpretation der Geschichte als eine Geschichte der Klassenkämpfe. Daraus leitet Karl Marx, warum und wie auch immer, den zwangsläufigen Ablauf der Geschichte ab. Die Verelendung des Arbeiters im Kapitalismus würde unausweichlich in eine kommunistischen Revolution und zur Diktatur des Proletariats führen. Nach einer sozialistischen Übergangsphase würde diese in eine klassenlose Gesellschaft, ins Paradies auf Erden, münden. Diese Zwangsläufigkeit lässt keine alternativen Betrachtungen des sicherlich wesentlich komplexeren Geschichtsablaufs und Wesens des Menschen zu. Sie verkommt zu einer gefährlichen Ideologie. (…)
    Ich bin es leid, dass die mediale Deutungshoheit beim linken Flügel der SPD liegt – nicht nur bei der Frage nach der Wiederaufnahme der Großen Koalition, sondern auch in der Sozialismus-Debatte. Und das, obwohl die Mehrheit der SPD-Mitglieder Kühnerts Vorschläge genauso ablehnt wie die Mehrheit der Bevölkerung. Neben den kleinen Korrekturmaßnahmen in der großen Koalition müssen wir Sozialdemokraten endlich ein neues Zukunftskonzept entwickeln. Wir müssen uns wieder Gedanken darüber machen, wie wir in Zukunft die Wirtschaft stärken und zugleich den Sozialstaat ausbauen und die Europäische Währungsunion komplettieren können.
    Quelle: Cicero

    Anmerkung unseres Lesers J.K.: Die Vita sagt »einfach« alles. Dieser verquere Meinungsartikel, nein Cicero nennt es Debattenartikel, macht einen sprachlos und wütend. Es ist einfach schlicht unfassbar welch »Käse« da abgesondert wird. Das hat mit »Debatte« nichts mehr zu tun. Das ist Propaganda pur. Man mag dem »Herrn« vielleicht sein »zartes Alter« nachsehen, aber hier ist ganz klar der Geschmack der Bolognabildungsverblödung zu erkennen. Welches Ver/Zer-Bildungsprogramm dieser Mensch durchlaufen hat, man könnte glatt Mitleid bekommen. Wie war das mit dumm geboren? Solch SPD-Nachwuchs ist der Gnadenstoss.

    Ergänzende Anmerkung Christian Reimann: Kennt Herr Hasenclever die Geschichte der SPD, deren Mitglied er ist? Herr Hasenclever fordert u.a., dass sich die Mitglieder Gedanken machen darüber das „wir in Zukunft die Wirtschaft stärken und zugleich den Sozialstaat ausbauen und die Europäische Währungsunion komplettieren können“. Aber wenn sich jemand wie sein Parteigenosse Kühnert äußert, lehnt er es kategorisch ab. Offenbar ist er der Ansicht, der Schröder-Kurs sei der einzig richtige und wahre Weg für die Partei – inklusive der „Basta“-Politik. Und so einen inhaltlichen Unsinn fördert die Friedrich-Ebert-Stiftung – unglaublich …

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