Wer die NachDenkSeiten liest, ist nicht erst im Nachhinein immer schlauer

Wer die NachDenkSeiten liest, ist nicht erst im Nachhinein immer schlauer

Wer die NachDenkSeiten liest, ist nicht erst im Nachhinein immer schlauer

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Zur Zeit läuft in der Rotation auf ZDF Info die äußerst sehenswerte Dokumentation „Geheimakte Finanzkrise“, in der der Journalist und Filmemacher Dirk Laabs zehn Jahre „nach Lehman“ die Geschehnisse von damals rekapituliert. Besonders spannend – in der Doku kommen auch Beteiligte zu Wort und deren Einschätzungen heben sich heute sehr deutlich vom damaligen Narrativ ab. Man könnte sogar sagen: Was die NachDenkSeiten und andere kritische alternativen Medien wie Telepolis damals gegen den Strom geschrieben haben, ist heute auf bestem Wege, die in Fachkreisen anerkannte Lesart zu werden. Im Nachhinein ist man offenbar immer schlauer. Von Jens Berger.

Die Finanzkrise kam von Amerika über den großen Teich. Deutschlands Banken haben ja sauber und integer gearbeitet, wurden jedoch von den Zockern der Wall Street in einen Strudel hineingezogen. Allen voran die Deutsche Bank und ihr damaliger Chef Josef Ackermann galten als vorbildlich und mussten nicht mit Steuergeldern gerettet werden. Deutschlands Politik hatte mitten im Sturm den vollen Durchblick und hat sich nicht von den Banken über den Tisch ziehen lassen – allen voran Peer Steinbrück war ein fähiger Lotse in rauer See.

All diese Aussagen bildeten damals den „Mainstream“. Die NachDenkSeiten hatten die Hintergründe der Krise schon vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers klar benannt. Doch wer wie Albrecht Müller oder ich (z.B. hier, hier oder hier) dem Mainstream widersprach, war halt ein Exot. Ich wurde beispielsweise von Günther Jauch noch Jahre später aus einem Einspieler zu seiner Talkshow entfernt, weil ich der Selbstinszenierung Peer Steinbrücks als Bankenschreck die Luft herausgelassen hatte und dem Mann, der sich später als Lotsen feiern ließ, unterstellte, stattdessen während des Höhepunkts der Krise orientierungslos und seekrank unter Deck gehockt und den Bankern das Steuerrad überlassen zu haben. So was wollte man damals im Ersten Deutschen Fernsehen zur Prime Time nicht hören. Heute ist man da zum Glück schon etwas weiter – auch wenn die Doku „Geheimakte Finanzkrise“ natürlich auch nicht zur Prime Time im Hauptprogramm gezeigt wird.

Bleibt zu hoffen, dass es bei anderen Themen wie der Konfrontationspolitik gegenüber Russland, der gnadenlosen Umverteilung von unten nach oben oder dem Schönlügen westlicher Kriege in aller Welt keine weiteren zehn Jahre dauern wird, bis unsere „exotischen“ Meinungen im Mainstream ankommen werden. Es ist ja schön, wenn man nachher schlauer ist … schöner wäre es allerdings, wenn man schon dann schlauer ist, wenn noch Zeit bleibt, etwas zu ändern.

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