70 Jahre Deutsche Presse-Agentur – 70 Jahre (konstruierte) „Seriosität“

70 Jahre Deutsche Presse-Agentur – 70 Jahre (konstruierte) „Seriosität“

70 Jahre Deutsche Presse-Agentur – 70 Jahre (konstruierte) „Seriosität“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die größte deutsche Nachrichtenagentur DPA feiert 70-jähriges Bestehen. Nachrichtenagenturen spielen eine wichtige Rolle bei der Themenauswahl und bei der Erzeugung eines medialen Gleichklangs. Das Potenzial für Manipulation ist groß. Kritik daran wird nicht geäußert. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) feiert ihr 70-jähriges Bestehen. Die höchst positive Selbstdarstellung der Agentur unterscheidet sich zu diesem Anlass nicht von der Berichterstattung fast aller großen Medien: Die DPA wird unwidersprochen als Inbegriff der Seriosität und der Zurückhaltung gepriesen. Dadurch demonstriert die Agentur im Zusammenspiel mit den dominierenden deutschen Medien auch am Jahrestag eines der gravierenden Defizite der deutschen Medienlandschaft: den distanzlosen medialen Gleichklang, der bei wichtigen Themen ein ums andere Mal zu beklagen ist.

Nachrichtenagenturen und medialer Gleichklang

Das Phänomen des Gleichklangs wird auch durch das Prinzip „Nachrichtenagentur“ hergestellt: indem zahlreiche Zeitungen gleichlautende DPA-Artikel abdrucken. Durch diese Praxis können die Medien zum einen Kosten sparen, zum anderen können sie sich notfalls von den teils später als tendenziös enttarnten Beiträgen distanzieren. Die großen deutschen Medien schaffen sich so mit der nur scheinbar unabhängigen DPA einen Kronzeugen, den sie selber finanzieren und indirekt leiten, um ihn dann als “neutralen Beobachter” in den eigenen Medien zu zitieren.

Medien können (bei Bedarf) so tun, als sei der Agentur-Artikel nicht die „Hausmeinung“, obwohl sie in der Zeitung verbreitet wird. Personalabbau führt zu vermehrtem Einsatz von Agentur-Artikeln. Und während die Umsätze vieler großer Medien einbrechen, konnte die DPA diese im letzten Geschäftsjahr noch steigern.

Wer kontrolliert die DPA?

Kein Medium verdient es, auf einem unangreifbaren Sockel zu stehen. Daher drängt sich die Frage auf: Wer kontrolliert und kritisiert die DPA? Scheinbar niemand. Das haben dieser Tage zum einen Politiker demonstriert, etwa der Bundespräsident in seiner Laudatio oder Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die den Nachrichtendienst in einer devoten Grußbotschaft als „leuchtendes Beispiel für objektive Berichterstattung“ preist.

Die meisten großen deutschen Medien hauen in ihrer Berichterstattung in dieselbe Kerbe wie die DPA, die sich selber aktuell so darstellt:

„70 Jahre dpa – das sind sieben Jahrzehnte unparteiischer und unabhängiger Nachrichtenjournalismus. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende geht und die Propagandasender verstummen, ist der Hunger der Deutschen nach zuverlässiger Information groß. Wenige Monate nach Verkündung des Grundgesetzes beginnt mit der Deutschen Presse-Agentur am 18. August 1949 ein neues Kapitel für den Journalismus in der Bundesrepublik.

Von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen unabhängig, beliefert dpa die Redaktionen seit 70 Jahren schnell, verlässlich und wahrheitsgetreu mit Nachrichten und zählt längst zu den weltweit führenden Agenturen.“

Die Arbeitsverweigerung der großen Medien

Dieses Eigenlob überrascht nicht. Kritikwürdig ist aber einmal mehr die Arbeitsverweigerung vieler Medien: Denn auch dort erscheint die Nachrichtenagentur als in grundsätzlicher Seriosität gesalbte „Höhere Gewalt“ – und nicht als publizistischer Machtfaktor, der ebenfalls kontrolliert werden sollte.

Diese Kontrolle verweigert nicht nur der „Spiegel“, für den die DPA am Montag „Gewinnerin des Tages“ und „Inbegriff für Seriosität“ war:

„Was für einen Lateinschüler der Kleine Stowasser ist, das deutsch-lateinische Wörterbuch, ist für einen Journalisten die dpa – ein treuer, zuverlässiger Begleiter durch das ganze Berufsleben hindurch, eine wichtige Stütze und auch ein Inbegriff für Seriosität: Wenn es die dpa meldet, kann es so falsch nicht sein, pflegte einer meiner älteren Kollegen bei der ‚Süddeutschen Zeitung’ zu sagen.“

Neben zahlreichen anderen Medien fordert die „Rheinische Post“ unter Missachtung wichtiger journalistischen Prinzipien „blindes Vertrauen“ in die DPA:

„Alle Medien und die Bürger profitieren von einer objektiven Berichterstattung, auf deren Grundlage Meinungsbildung erst möglich ist. (…) Die Gesellschafter der dpa sind 180 deutsche Medienunternehmen. dpa gehört quasi ihnen allen und niemandem allein. Auch das schützt die dpa vor Einflussnahme. Es sollte allen bewusst sein, was eine Nachrichtenagentur bedeutet, die unparteiisch und unabhängig ist und auf die sich alle blind verlassen können.“

Blindes Vertrauen führt in die Manipulation

Dass eine solche Blindheit in die großflächige Manipulation führen kann, hat die DPA bei vielen Gelegenheiten belegt. Auch die NachDenkSeiten haben bereits zahlreiche Defizite der Agentur analysiert. So wird etwa in diesem Artikel über die jüngste Instrumentalisierung eines OPCW-Berichts zu angeblichen Giftgaseinsätzen in Syrien „die Macht der Agenturen und die Kultur der Ungenauigkeit“ beschrieben:

„Vor allem das manipulative Potenzial von Nachrichtenagenturen wurde in den vergangenen Tagen erneut deutlich – nachdem es kürzlich bereits im Zusammenhang mit der Skripal-Affäre aufgeschienen war, wie die NachDenkSeiten berichteten.
Denn die wirkungsvollsten Verbreiter der falschen Nachricht, der OPCW-Bericht würde einen Einsatz von Chlorgas in Duma nahelegen, waren die Nachrichtenagenturen dpa für den deutschsprachigen und Reuters für den englischsprachigen Raum. Doch während Reuters diesen Fehler immerhin mittlerweile korrigiert hat, beharrt dpa bis heute auf ihren kaum vertretbaren Äußerungen.“

Finanzkrise und antirussischer Feindbildaufbau

Bereits in der Vergangenheit gab es zahlreiche Anlässe der Kritik, die unmöglich alle aufgezählt werden können. Als Beispiele beschrieb etwa Albrecht Müller in diesem Artikel die Rolle unter anderem von Agenturen „beim Feindbildaufbau gegen Russland und Putin“. In diesem Artikel wird die manipulative und selektive Wiedergabe von Navid Kermanis Friedenspreisrede analysiert: „dpa-Auszug ist ein Fall von Meinungsmache“. Ganz aktuell kann man beklagen, dass die Proteste in Ramstein auch von DPA nicht angemessen gespiegelt wurden. In prägender Erinnerung sind auch etwa zahlreiche DPA-Berichte zum „Maidan“ oder zum syrischen „Bürgerkrieg“.

Interessante Informationen zur potenziell destruktiven Macht von Nachrichtenagenturen finden sich auch in dieser Analyse von SWPRS. Und eine Studie der Otto Brenner Stiftung von März 2010 zum Thema „Wirtschaftsjournalismus in der Krise – Zum massenmedialen Umgang mit Finanzmarktpolitik“ kommt zu folgendem Schluss: Die Informationsleistung von DPA in Sachen Finanzmarktpolitik sei „hoch defizitär“. Die Orientierung, die DPA in diesem Zusammenhang gebe, sei Desorientierung: „Der finanzmarktpolitische DPA-Journalismus ist Trivialjournalismus.“

Auch aus solchen Gründen hat Albrecht Müller bereits 2010 geschrieben:

„Klären Sie bitte in Ihrem Umfeld über die irreführende Berichterstattung von dpa auf und empfehlen Sie Ihrer Zeitung die Kündigung des dpa-Abbos.“

Titelbild: serazetdinov

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