Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Covid 20 – ein Blogbeitrag von Francesco De Meo
  2. »Amerika ist bereit, die Welt anzuführen«
  3. Mit Corona in das Zeitalter der Internetzensur
  4. Armutsbericht 2020 des Paritätischen Wohlfahrtsverbands
  5. Armut in Deutschland auf Rekordhoch
  6. Medizinprofessor Matthias Schrappe: “Die Bundesregierung ist beratungsresistent”
  7. Die Lage ist explosiv
  8. Jeremy Corbyn: »Wir sind nicht weit genug gegangen«
  9. Die Grünen wollen führen – aber wen und wohin?
  10. „Hartz IV lässt grüßen“

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Covid 20 – ein Blogbeitrag von Francesco De Meo
    Covid-19 ist eine Krankheit bei Menschen, die durch Viren verursacht wird. Covid-20 nenne ich eine Krankheit der Gesellschaft, die durch den Umgang mit Covid-19 verursacht wird. Covid-20 ist allgegenwärtig. Die Menschen achten auf Infektionszahlen wie früher auf das Wetter. Und sie haben Angst. (…)
    Dennoch sollte man Anstöße zum Nachdenken und zur Diskussion erlauben. (…)
    Im Prinzip finde ich die Grundregeln der AHA sehr sinnvoll. Mich stört nur eines: wie selbstverständlich es geworden ist, dass eine Anzahl Corona-positiv Getesteter in Relation zur Bevölkerung automatisch entscheidet, ob wann und in welcher Schärfe diverse Exekutivebenen jeweils Maßnahmen zur Beschränkung der Bewegungsfreiheit und jeglicher sozialer Kontakte ergreifen können. Das macht möglicherweise dann Sinn, wenn man daran glaubt, dass sich das Virus damit komplett ausmerzen ließe. Das halte ich für mehr als unwahrscheinlich. Es macht möglicherweise auch dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass in absehbarer Zeit ein 100 % wirksamer Impfstoff verfügbar sein wird, der alles verändert und bis zu dessen Verfügbarkeit Infektionen per se niedrig gehalten werden sollten. Auch das ist weder zielführend noch wirklich sicher. Es wird nach überwiegender Meinung eher so sein wie mit all den anderen Viren, die zu einem schweren infektiösen Lungenversagen (severe acute respiratory infection, SARI) führen: sie sind durch Impfungen als solche nicht verschwunden, sondern erlauben den Geimpften einen Schutz vor schwerer Ausprägung der Erkrankung. Hinzu kommt, dass Viren sich leider als sehr flexibel und dynamisch erweisen, wir deshalb mittlerweile davon ausgehen können, dass es nicht genau den einen Covid-19-Virus gibt, sondern im weiteren Verlauf einige davon, jeweils leicht verändert, was die Wirksamkeit der Impfstoffe zusätzlich abschwächen wird. (…)
    Fakt bleibt nach der Studie allerdings, dass Covid-19 in Deutschland weder zu mehr klinisch SARI-Erkrankten noch zu mehr Intensivaufnahmen oder Beatmungen geführt hat. Das deutsche Gesundheitssystem war insgesamt nicht mehr beansprucht als im vergangenen Jahren mit einer „normalen” Grippewelle. Fakt bleibt auch, dass wir keine anderen Schutzmaßnahmen ergriffen haben als die anderen Nationen um uns herum, die aber wiederum im Vergleich ein Vielfaches an Covid-Erkrankten und Verstorbenen hatten. (…)
    Toleranz, Evidenz und Transparenz können einen Beitrag dazu leisten, uns etwas von der Angst vor Covid-20 zu nehmen, und uns gleichzeitig dabei helfen, unserer Verantwortung füreinander noch besser gerecht zu werden.
    Quelle: Helios Health
  2. »Amerika ist bereit, die Welt anzuführen«
    Der designierte US-Präsident Joe Biden hat seine Regierungsmannschaft offiziell vorgestellt – und dabei globalen Führungsanspruch geltend gemacht: »Amerika ist zurück.«
    Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat den Führungsanspruch der USA in der Welt betont. In seiner Heimatstadt Wilmington stellte er seine Kandidaten für außen- und sicherheitspolitische Schlüsselposten in der künftigen Regierung vor. Er sagte: »Es ist ein Team, das die Tatsache spiegelt, dass Amerika zurück ist, bereit, die Welt anzuführen, statt sich aus ihr zurückzuziehen.«
    Eine klare Absage an den bisherigen Kurs der USA unter der Regierung des Republikaners Donald Trump. Mit seiner künftigen Regierungsmannschaft sei Amerika »bereit, unseren Gegnern entgegenzutreten, statt unsere Verbündeten zurückzuweisen, bereit, für unsere Werte einzutreten«, so Biden weiter.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung Albrecht Müller: „Unseren Gegnern entgegen zu treten.“ Das ist eine halbe Kriegserklärung. Es ändert sich nichts zum Guten.

  3. Mit Corona in das Zeitalter der Internetzensur
    Reichweitenstarke Youtube-Kanäle mit abweichenden Meinungen zu Corona werden durch Google erst geblockt und dann gelöscht. Betroffen sind bereits über eine Million Abonnenten und mehrere Millionen Zuschauer. Was als Forderung an soziale Medien begann, gegen die Anpreisung ungeeigneter Hausmittel als Schutz vor Corona vorzugehen, mündet nun in die Totalzensur aller Einschätzungen, die der WHO und Gesundheitsbehörden widersprechen.
    Sicherlich haben Sie es schon aus den Qualitätsmedien erfahren – nein? Das ist seltsam, nehmen die Qualitätsmedien doch für sich in Anspruch, über alles Wichtige zu berichten. Und immerhin treten wir dieser Tage endgültig in ein neues Zeitalter ein – das Zeitalter der Internetzensur nicht strafbarer Inhalte. Dem Vorwurf, es fände in den Medien eine Beschneidung der Meinungsfreiheit kritischer Stimmen zur Corona-Politik statt, wurde bisher oft ziemlich dreist mit dem Hinweis begegnet, diese Stimmen könnten doch im Internet ungehindert ein Millionenpublikum erreichen. Doch diese zynische Herablassung wurde jetzt von der Google-Realität eingeholt…
    Die jüngst von Google gesperrten Kanäle bewerben allerdings keine Hausmittel als Schutz vor Corona, sondern hinterfragten mit Fachleuten die rechtsstaatliche Lage, die Sinnhaftigkeit eines Lockdowns, die Belastbarkeit von PCR-Tests, den angeblichen Nutzen von Masken in der Öffentlichkeit und die Risikobewertung der Turboentwicklung eines genbasierten Covid-19-Impfstoffes bei Absenkung der Zulassungshürden. All dies soll nach dem Willen Google’s auf seiner Videoplattform Youtube nicht mehr diskutiert werden…
    Dieser totalitäre Anspruch auf Wahrheit privater Online-Monopolisten im Schulterschluss mit staatlichen Akteuren, der hier ohne großen Aufschrei der Öffentlichkeit etabliert werden konnte, kann und wird weitergetrieben werden. Er wird nicht auf Covid-19 beschränkt bleiben. Bei allem was tatsächlich oder angeblich mit Russland und Putin zu tun hat, ist es schon zu beobachten – siehe auch die laut telepolis.de aktuelle Youtube-Verwarnung als Vorstufe einer Löschung gegen Sputnik-News Deutsch vorgeblich wegen Corona. Twitter streicht RT Deutsch aus seinen Suchergebnissen. Weiteres wird folgen…
    Quelle: Norbert Häring
  4. Armutsbericht 2020 des Paritätischen Wohlfahrtsverbands
    „Armut gefährdet den gesellschaftlichen Frieden“
    Mit Blick auf den Armutsbericht des paritätischen Wohlfahrtsverbands sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Freitag in Berlin:
    „Die höchste Armutsquote seit der Wiedervereinigung ist nicht nur schlimm für die Betroffenen, sondern auch ein alarmierendes Signal an uns alle. Besonders bedrückend: die größte Gruppe der insgesamt 13,2 Millionen Armen sind Erwerbstätige. Im Klartext: Jeder dritte dieser Menschen ist arm trotz Arbeit und die ganz überwiegende Mehrheit davon hat eine mittlere oder gute Qualifikation. Armut trotz Erwerbsarbeit ist und bleibt ein besonderer Skandal in Deutschland im 21. Jahrhundert.
    Die ungleiche Verteilung von Einkommen wird durch die Corona-Krise noch verschärft. Denn krisenbedingte Einkommensverluste sind keineswegs über alle Bevölkerungsgruppen gleich verteilt. Existenzbedrohende Einbußen erleiden Geringverdienende, Minijobberinnen und -jobber, sowie Beschäftigte in Gastronomie und in der Leiharbeit – also diejenigen, die auch vor der Krise schon nicht auf der Sonnenseite lebten.
    Parteien müssen jetzt endlich klar Stellung beziehen, was sie gegen Armut und soziale Ungleichheit unternehmen wollen. Die Bundestagswahl im nächsten Jahr muss zum Wettbewerb dafür werden, wie Menschen in unteren Einkommensgruppen in Richtung Mitte aufholen können. Vorschläge der Gewerkschaften dazu liegen auf dem Tisch: Der Mindestlohn muss dringend außerhalb des üblichen Anpassungsverfahrens auf 12 Euro erhöht werden. Außerdem brauchen Kinder eine Grundsicherung, damit genau die Familien, deren Not am größten ist, auch am meisten Unterstützung erhalten. Eine solche Kindergrundsicherung stellt außerdem sicher, dass kein Mensch dauerhaft in Armut leben muss, nur weil er sich trotz niedrigem Einkommen für Kinder entscheidet.
    Geringverdienende brauchen Aufstiegsperspektiven und der Niedriglohnsumpf muss dauerhaft ausgetrocknet werden.
    Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich Menschen, die trotz Arbeit arm sind und ihre Lage aus eigener Kraft nicht verbessern können, frustriert und ohne Hoffnung abwenden. Das verstellt nicht nur demokratische Teilhabe, sondern gefährdet gesellschaftlichen Frieden.“
    Quelle: DGB
  5. Armut in Deutschland auf Rekordhoch
    Laut aktuellem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hat die Armutsquote in Deutschland mit 15,9 Prozent (13,2 Millionen Menschen) einen neuen Rekord und den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht. , dass alles darauf hindeute, dass die Auswirkungen der Corona-Krise Armut und soziale Ungleichheit noch einmal spürbar verschärfen werden.
    Die Befunde des diesjährigen Armutsberichts seien alarmierend: Bei allen ohnehin seit Jahren besonders armutsbetroffenen Gruppen – wie beispielsweise Alleinerziehenden, Arbeitslosen und kinderreichen Familien hat die Armut von 2018 auf 2019 noch einmal zugenommen. Betrachte man die Zusammensetzung der Gruppe erwachsener Armer sei der ganz überwiegende Teil erwerbstätig (33,0 Prozent) oder in Rente (29,6 Prozent). Regional betrachtet sei die Armut 2019 im Vergleich zum Vorjahr praktisch flächendeckend gewachsen. Positive Entwicklungen, die zuletzt in den ostdeutschen Bundesländern zu beobachten waren, seien gestoppt.
    Armutsgeografisch zerfalle Deutschland dabei in zwei Teile: Im gut gestellten Süden haben Bayern und Baden-Württemberg eine gemeinsame Armutsquote von 12,1 Prozent. Der Rest der Republik, vom Osten über den Norden bis in den Westen, kommt zusammen auf eine Quote von 17,4 Prozent. Außerhalb von Bayern und Baden-Württemberg lebt durchschnittlich mehr als jeder Sechste unterhalb der Armutsgrenze. …
    Der Verband warnt vor einer drastischen Verschärfung der Armut in 2020 angesichts der aktuellen Corona-Pandemie. Besonders betroffen seien geringfügig Beschäftigte sowie junge Menschen, die coronabedingt schon jetzt von wachsender Arbeitslosigkeit betroffen sind. „Corona hat jahrelang verharmloste und verdrängte Probleme, von der Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte bis hin zur Bildungssegregation armer Kinder, ans Licht gezerrt. Eine zunehmende Zahl von Erwerbslosen stößt auf ein soziales Sicherungssystem, das bereits vor Corona nicht vor Armut schützte und dessen Schwächen nun noch deutlicher zutage treten“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.
    Quelle: Berliner Zeitung
  6. Medizinprofessor Matthias Schrappe: “Die Bundesregierung ist beratungsresistent”
    Der Medizinprofessor und Gesundheitsökonom Matthias Schrappe ist in einem Interview mit der Bild hart mit der Corona-Politik der Regierung ins Gericht gegangen: Der Erfolg des Lockdowns sei sehr zweifelhaft, außerdem missachten die Verantwortlichen ihren Schutzauftrag für die Risikogruppen. Schrappe zweifelt an der Sinnhaftigkeit der bisherigen Strategie: Die Inzidenz auf einen Wert von unter 50 Testpositiven je 100.000 Einwohnern zu halten, sei vollkommen irreal und keine gute Politik. Wenn man diesen Grenzwert dauerhaft unterschreiten will, bräuchte man einen unendlichen Lockdown.
    Hintergrund dessen sei, dass die Zahl der akuten Atemwegserkrankungen auch nach Angaben des Robert Koch-Instituts erst im Januar 2021 tendenziell zunehmen werde. In den Wintermonaten werde man daher dieses Ziel nicht erreichen können:
    Die Bevölkerung wird in einen Dauer-Schockzustand versetzt.
    Bereits am Sonntag hatte Schrappe – zusammen mit acht weiteren Wissenschaftlern – ein Thesenpapier vorgelegt, in dem die Mediziner die bisherige Corona-Politik scharf kritisieren und sich für einen Strategiewechsel aussprechen, denn der November-Lockdown fordere zu große Opfer, und der Erfolg sei zweifelhaft.
    Ein Lockdown sei kein Instrument, mit dem man die Corona-Situation unter Kontrolle bringen könne. In anderen Ländern sei der Lockdown beispielsweise wesentlich härter gewesen als in Deutschland, und dennoch stehen diese Länder schlechter da. (…)
    Dadurch, dass so viel Arbeit in die Kontaktnachverfolgung gesteckt werde, blieben aber kaum Ressourcen für stark gefährdete Menschen. Bereits im April habe man darauf hingewiesen, dass es Infektionsherde in Krankenhäusern und Pflegeheimen geben wird. Man hätte damals – und heute immer noch – zielgerichteter vorgehen müssen, denn auch derzeit ist die Hälfte der Todesfälle im Zusammenhang mit Corona auf diese Bereiche zurückzuführen. (…)
    Laut Schrappe würde es auch helfen, wenn man nicht nur die positiven oder negativen Befunde der Tests auf SARS-CoV-2 angeben würde, sondern auch die Infektiosität. Diese lasse sich relativ einfach aus der Zyklenzahl der verwendeten PCR-Tests ermitteln: Je öfter der Nachweis wiederholt werden müsse, desto weniger vom Virus ist vorhanden. Ein Kind, welches 38 Zyklen benötige, führte Schrappe im Interview an, sei mit Sicherheit nicht infektiös und es sei in dem Fall übertrieben, die ganze Schulklasse in Quarantäne zu schicken. Aber da “dies nicht in den RKI-Anweisungen steht, nehmen die Gesundheitsämter dies nicht zur Kenntnis”.
    Quelle: RT Deutsch
  7. Die Lage ist explosiv
    Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen gewinnen an Schärfe. Der Grund: Viele haben jetzt erstmals hautnah Angst um ihre wirtschaftliche Existenz. (…)
    Die Wirtschaft funktioniert schon seit Jahren nur noch, weil Teile der Bevölkerung auf sogenannte prekäre Arbeitsverhältnisse angewiesen sind. Sie finanzieren ihr Leben mit befristeten Verträgen, Mehrfachjobs, Minijobs oder einem ständigen Wechsel von Arbeit und staatlicher Unterstützung.
    Viele Teile der Wirtschaft würden gar nicht mehr existieren ohne die modernen Tagelöhner, die man heute „Zeitarbeitskräfte“ nennt. Etliche Branchen setzen auf Arbeitskräfte aus anderen Ländern, die sozial noch weniger abgesichert sind als die Einheimischen.
    Und es geht noch tiefer: In vielen Ländern der Erde „verspricht die Pandemie schon jetzt jahrelange Entwicklungsfortschritte zu vernichten, etwa indem sie Millionen von Menschen in die Armut treibt oder Ernährungsunsicherheit vielerorts verschlimmert“. Zu diesem Schluss kommt die Münchner Sicherheitskonferenz in einer aktuellen Studie.
    Corona ist der Katalysator für einen ökonomisch-sozialen Umbruch. Dieser vollzieht sich seit Jahren, wir haben ihn bisher ausgeblendet.
    Quelle: Berliner Zeitung
  8. Jeremy Corbyn: »Wir sind nicht weit genug gegangen«
    Im vergangenen April trat Jeremy Corbyn nach fast fünf Jahren als Vorsitzender der Labour Party zurück. Es war eine stürmische Periode für Labour gewesen: von seiner unerwarteten Wahl zum Parteivorsitz 2015 über einen versuchten Putschversuch in der Partei 2016 bis hin zum großen Comeback bei den Wahlen 2017, der erschütternden Niederlage 2019 und seiner kurzzeitigen Suspendierung von der Partei im vergangenen Oktober – vom Brexit und den Umbrüchen in Großbritanniens Politik ganz zu schweigen.
    Im Interview spricht Corbyn über seine Amtszeit, ihre Kontroversen und die Lehren, die er daraus gezogen hat.
    Wie bewertest Du Deine Zeit als Parteivorsitzender hinsichtlich der Reform der Partei? Ging sie weit genug?
    Wir sind nicht weit genug gegangen und wir waren nicht schnell genug. Was wir getan haben, war das Regelwerk zu verändern, das bestimmt, wer für Positionen und für die Wahl zum Vorsitz aufgestellt wird. In diesen Bereichen gab es also kleinere Verbesserungen. Es gelang uns, die Constituency Labour Parties [CLP, Labour-Organisationen auf Wahlkreisebene], die sogenannten »Special Measures«-unterzogen wurden [»Special Measures« sehen die Aufsicht von CLPs durch die Parteizentrale vor, wodurch insbesondere die Mitgliedschaften einer Überprüfung unterzogen werden], aus diesen Maßnahmen herauszubekommen. In ein oder zwei Fällen von CLPs, in denen die »Special Measures« weiterliefen, stellten die Maßnahmen keine wirkliche Einschränkung dar – diese CLPs konnten also ganz normal ihre Arbeit machen.
    Ich hätte mir weitere Fortschritte in der Kultur, in der diese lokalen Parteien arbeiten, gewünscht. Dieser Wandel muss früher oder später sowieso kommen. Die lokalen Parteien müssen viel mehr auf ihre Gemeinden eingehen. Ich wurde unzählige Male von Menschen darauf angesprochen, dass sie nach der Wahl 2015 in unsere Partei eingetreten sind, zu einem Treffen der lokalen Partei gingen und dieses Treffen kalt, langweilig und wenig einladend fanden. Diese Menschen kamen dann kein zweites Mal. Sie fühlten sich nicht im Geringsten in der Partei willkommen, obwohl sie unsere politische Richtung in der Umwelt- und Wirtschaftspolitik, bei der sozialen Gerechtigkeit und andere Themen unterstützten.
    Die Labour Partei muss einsehen, dass die Feindseligkeit der Medien uns und der Labour-Bewegung gegenüber nicht verschwinden wird. Es gibt einige reiche und einflussreiche Menschen, die nicht aufhören werden, Labour zu attackieren. Sie stören sich nicht an einzelnen politischen Positionen, sondern daran, dass die Partei überhaupt existiert. Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir müssen untereinander kommunizieren, über die sozialen Medien und aber auch durch die tagtägliche Arbeit in den Gemeinden.
    Quelle: Jacobin
  9. Die Grünen wollen führen – aber wen und wohin?
    Auf ihrem Parteitag stilisieren sich die Grünen selbst zum Zeitgeist. Statt absolutem Widerstand gegen den Staat gibt es nun absolute Versöhnung. […]
    Noch weniger zweifeln die Grünen an diesem Wochenende an ihrem Führungsanspruch. Das sagt selbst der trockene Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer, der sich zum Anfang abmüht, den richtigen Spirit rüberzubringen. Jung und hip zu sein, das gelingt nicht allen auf Anhieb. Muss es vielleicht auch nicht, denn immerhin verbindet die Partei immer noch Flügelinteressen wie die von Auto-Überrealo Winfried Kretschmann, der seine Rede am Sonntag hält, und der jungen Aminata Touré, die sich für Gleichstellung einsetzt. Das alles in einem Studio zusammengehalten wird, verdankt sich eines selbstbewussten Slogans: »Jede Zeit hat ihre Farbe«. […]
    ollen sie der natürliche Ausdruck ihrer Zeit sein, dann werden sich die Widersprüche zwischen ökonomischem Wachstum und Grenzen der Ökologie nicht so leicht auflösen lassen wie es vor allem in Robert Habecks Rede anklingt.
    Gerade seine Rede klingt eher wie eine Predigt, doch er predigt nicht vom Leid, das die Corona-Krise bringt, sondern erzählt eine reine Gewinnergeschichte. Immerhin ist ein Impfstoff in Aussicht und wir können uns ja Essen liefern lassen. Dass es andere braucht, die weiter an den Kassen der Supermärkte sitzen oder das Essen liefern müssen, nun, das würde das Zukunftsnarrativ doch stören. Wie ein Steuermann geriert sich Habeck, wenn er mit zahlreichen See-Metaphern klarmachen will, dass die Grünen bereit sind, zu führen. Und dass sie willens sind, die Gesellschaft zu einen.
    Wer so versöhnlich spricht, verschließt wohl die Augen vor der Wirklichkeit. Mirnichtsdirnichts wird auch der Sieg von Joe Biden als gemeinsamer Triumph einer großen Bewegung gefeiert. Auf diesem Parteitag wird alles Positive eingemeindet, das nicht niet- und nagelfest ist. Sogar die eigene Gründungsgeschichte wird dabei galant umformuliert: Es kommen Gründungsmitglieder zu Wort, die sich über die Entwicklung von der Bewegungs- zur Regierungspartei freuen. Brüche, Kriege, die Agenda-Politik, das alles wird natürlich nicht erwähnt.
    Quelle: Ines Schwerdtner auf Jacobin
  10. „Hartz IV lässt grüßen“
    Die AfD trifft sich zum Sozialparteitag. Der Demografie-Experte Gerd Bosbach kennt den Leitantrag
    Mehrmals verschoben, soll der sozialpolitische Parteitag der AfD am 28./29. November im nordrhein-westfälischen Kalkar stattfinden – mit 600 Delegierten. Derartiges während der zweiten Welle der Pandemie durchzuführen, ist schon genug. Aber auch inhaltlich könnte es zur Sache gehen – die AfD ringt um ihre sozialpolitische Ausrichtung, ein traditionell umkämpftes Thema zwischen neoliberalen Hardlinern und völkisch-nationalistischem Flügel. Der Leitantrag zum Parteitag sagt vieles über das vermeintlich soziale Anliegen wie die Machtkämpfte der AfD aus, meint der Sozialpolitik-Experte Gerd Bosbach.
    Quelle: der Freitag

    dazu: Interview mit Soziologe Heitmeyer: Nationalismus bei der AfD: Viel mehr als nur „Rechtspopulismus“
    Der Soziologe Heitmeyer über gesellschaftliche Ursachen für eine rechte Bedrohungsallianz. Mit ihrem autoritären Nationalradikalismus ist die AfD ein Teil der Bedrohung.

    • Die Bedrohung durch die extreme Rechte wird in Deutschland zur Normalität.
    • Die AfD ist Teil rechter Bedrohungsallianzen.
    • Eine Ursache ist die soziale Unsicherheit in der Gesellschaft.

    Quelle: FR Online

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