Gestern wieder, inzwischen in wöchentlichem Abstand, gibt es neue Beschlüsse zur Verlängerung des Teil-Lockdowns. Am 28. Oktober waren die ersten Beschlüsse gefasst worden – gültig für den November. Sie waren als „Wellenbrecher“ bezeichnet worden. 14 Tage später wurden die nächsten Beschlüsse angekündigt und gefasst und dann wieder welche. Und gestern wieder welche. Aufgescheucht von angeblich alarmierenden Todeszahlen des aktuellen Tages und den nicht gebrochenen Inzidenzen. Die angebotene Lösung zum „Wellen brechen“: Verlängerung der Schließung von Restaurants und Hotels und Kultureinrichtungen bis zum 10. Januar. Um wirkliche Probleme zum Beispiel der Gesundheitsämter und ein teures und unfaires Missmanagement im Umgang mit den Intensivbetten kümmert man sich nicht. Um zu erkennen, was gespielt wird, muss man nach dem Motiv fragen. Albrecht Müller.
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Verbesserung der Ausgangsposition für die Bundestagswahl 2021
Merkel will im Interesse der CDU/CSU und Söder will im gleichen Interesse und zusätzlich im Interesse seiner Chancen, Kanzlerkandidat der Union zu werden, im Wahljahr sagen können:
- Wenn die Pandemie glimpflich verlaufen ist: Wir waren rechtzeitig für die Verschärfung der Maßnahmen und haben das gegen den Widerstand der von der SPD geführten Ministerpräsidenten durchgesetzt.
- Wenn es schlecht läuft mit den Ansteckungszahlen und den Totenzahlen: Wir waren für schärfere Maßnahmen, aber die Ministerpräsidenten der anderen Parteien haben sich gesperrt. – Angela Merkel hat beim Aufbau dieses Images übrigens schon Punkte gemacht.
- Hinzu kommt, dass alle diese Kandidaten daran interessiert sind, soweit es geht und solange es geht, Angst zu verbreiten.
Wenn man dieses billige Wahlkampfkalkül in die Analyse des Verhaltens von Merkel, Söder und übrigens auch Laschet nicht einbezieht, dann wird man ihre Corona-Politik nicht richtig verstehen können.
Um die wirklichen Probleme kümmern sich die genannten Führungspersonen viel zu wenig.
Zum Beispiel:
- Die nunmehr innerhalb von 5 Wochen dreimal neuen Entscheidungen über die Schärfe und die Dauer der Corona-Maßnahmen zwingen bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 83 Millionen Hunderttausende, vermutlich ebenfalls Millionen Menschen zu neuen Überlegungen und Dispositionen. Wer zum Beispiel Anfang November noch die von den Regierenden genährte Hoffnung hatte, dass die Beschränkungen seiner Tätigkeit als Mitarbeiter oder als Unternehmer, als Gastwirt oder als Angestellte, als Musiker oder als Theaterdirektor, als möglicher Besucher eines Konzerts oder einer Kneipe Ende November ein Ende finden würden, musste sich Mitte November auf den 20. Dezember einstellen und seit gestern auf das neue Datum 10. Januar. Aber ob dies eingehalten wird, steht in den Sternen.
- Der Bund wirft mit Milliarden Corona-Hilfen für Krankenhäuser um sich. „Plusminus“ hat am 2. Dezember berichtet: „Milliarden Zahlungen des Bundes helfen Patienten kaum“. Ich zitiere:
- Die Zahl der im Intensivregister als frei gemeldeten Betten ist immer noch viel zu hoch. Von Krankenhäusern werden freie Intensivbetten gemeldet, die jedoch wegen Personalmangels nicht wirklich genutzt werden können.
- Die von der Bundesregierung ausgelobten Zuschüsse für neu geschaffene Intensivbetten und für freigehaltene Betten haben zu Fehlanreizen geführt.
- Krankenhäuser, die viele Covid-Patienten behandelt haben, hatten dagegen Mehraufwendungen, die nicht vollständig kompensiert wurden.
50.000 € Zuschuss gab es pro Bett. Rund 626 Millionen € hätten die Krankenhäuser seit Beginn der Subvention für Intensivbetten erhalten. Die Freihaltepauschale für Intensivbetten zugunsten von Corona-Erkrankten betrug bis zu 760 € pro Bett und Tag. Insgesamt flossen bis Ende September 2020 knapp 9 Milliarden €. Und dieses Geld floss auch an Krankenhäuser, die die Intensivbetten gemeldet hatten, obwohl sie nicht das Personal verfügbar hatte, um diese Betten zu betreiben.
Auf der anderen Seite wurden Krankenhäuser, die sich intensiv um Corona-Kranke kümmerten, nicht ausreichend unterstützt. Plusminus berichtete, dass darüber ein Streit mit dem Bundesgesundheitsminister Spahn entstanden ist.
- Die politisch Verantwortlichen kümmern sich nicht ausreichend um die vielfältigen Folgen ihrer Corona-Politik. Zwei Belege dafür lieferte auch die am Abend des 2. Dezember laufende ARD Sendung Plusminus. Dort wurde von den Folgen der Corona-Politik für Schweinemast und Ferkelaufzucht berichtet. Das mag ein abseitiges Thema sein. Aber die eingetretene Ungewissheit und die ständigen Neudispositionen machen den in diesem Beruf tätigen Menschen immer wieder neue Schwierigkeiten.
Ein weiteres in der Sendung abgehandeltes Problem betrifft junge Menschen, die gerade mit ihrer Berufsausbildung anfangen wollen. Gerade die finanziell weniger gut ausgestatteten jungen Menschen, die Ausbildungsplätze suchen, werden quasi zwangsläufig von ihrer Ausbildungseinrichtung und/oder dem Ausbildungsunternehmen hingehalten. Das wird enorme menschliche und gesellschaftliche Folgen haben. Die „hohe“ Politik hat das nicht im Blick, obwohl das eigentlich eine der dringlichen Aufgaben wäre.
Am kommenden Montag, am 7. Dezember erscheint übrigens die NachDenkSeiten-Dokumentation mit 70 Zeitzeugen zu den Folgen. Hier das Cover:
Dass die Folgen der Corona-Politik bei den politischen Spitzen so wenig beachtet werden, während sie in der Öffentlichkeit immerhin schon mehr und mehr besprochen werden, hat auch etwas mit der zu Anfang formulierten Feststellung zu tun: Angesichts des mit großer Angst besetzten Themas werden die führenden Politikerinnen und Politiker maßgeblich von den zu Anfang dieses Beitrags notierten Motiven bestimmt sein: Was und wie helfen mir die Entscheidungen und Äußerungen zur Corona-Politik bei den kommenden Bundestagswahlen und den zuvor noch anstehenden Landtagswahlen.