Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. In eigener Sache – Unsere Berichterstattung zu #allesdichtmachen
  2. #SaveSheikhJarrah: Eine Ethnische Säuberung
  3. Offener Brief an Bundesaußenminister a. D. Joschka Fischer zu dessen Russland-Äußerungen
  4. Moskaus Sputnik-Diplomatie
  5. “Das ist nicht unsere Vision von Hierarchie”
  6. Verantwortung übernehmen für Lieferketten
  7. Leben auf der Straße
  8. Sachsen ändert Selbsttest-Regeln und will Corona-Lage im Erzgebirge verbessern
  9. Entwicklungshilfe beim Landraub
  10. Deutschland im Indopazifik: Die Logik der Eskalation
  11. «Die Zeit» empfiehlt Geschichtsvergessenheit
  12. Der Westen zeigt das, was er ist: der Friedhof der Menschenrechte
  13. In Kolumbien sind während des Generalstreiks über 400 Menschen verschwunden
  14. UN fordern mehr Einsatz für Myanmar
  15. »Wir stecken in ernsthaften Schwierigkeiten«
  16. „Die Straße war mal für Kinder“
  17. Sie sagen Klasse, aber sie meinen es nicht so
  18. Appell für Presse- und Meinungsfreiheit

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. In eigener Sache – Unsere Berichterstattung zu #allesdichtmachen
    Unsere Berichterstattung zu #allesdichtmachen hat eine Kontroverse ausgelöst. Wie die Redaktion darüber diskutiert – und was wir hätten anders machen sollen. […]
    Diese Recherchen haben zahlreiche neue Hintergründe aufgezeigt, wurden vielfältig zitiert und wir führen sie weiter. Allerdings sind uns dabei auch handwerkliche Fehler unterlaufen, für die wir um Entschuldigung bitten. Paul Brandenburg ist mehrfach in alternativen Medien aufgetreten, die auch Verbindungen zur Querdenker-Szene haben. Wir haben ihn mit Äußerungen aus diesen Auftritten zitiert und diese als „antidemokratisch“ bezeichnet. Dieser Begriff ist durch Brandenburgs Äußerungen nicht gedeckt. Online haben wir das korrigiert. Zudem haben wir Paul Brandenburg vor der Publikation nicht um eine Stellungnahme gebeten – eigentlich ein journalistisches Muss. […]
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Jens Berger: Eine schwache Erklärung, die nur einen kleinen Teil der Fehler und Manipulationen anspricht, die vor allem der Tagesspiegel in diesem Kontext begangen hat. Lesen Sie dazu den Artikel „#allesdichtmachen: Die Manipulation von „lechts“ und „rinks“ vom Kollegen Tobias Riegel auf den NachDenkSeiten.

  2. #SaveSheikhJarrah: Eine Ethnische Säuberung
    Spotlight zu den aktuellen Ereignissen in Jerusalem
    #SaveSheikhJarrah: Eine Ethnische Säuberung — Spotlight zu den aktuellen Ereignissen in Jerusalem
    Sheikh Jarrah erklärt: Was gerade in dem Ost-Jerusalemer Viertel passiert, welches nach dem Arzt des Feldherrn Saladin, der sich dort im 12. Jh. niedergelassen haben soll, benannt ist. Ein Paradebeispiel ethnischer Säuberung & israelischer Besatzungsgewalt, das gleichfalls Israels Apartheidscharakter offenbart.
    Seit Dienstagabend, 04.05.2021, stürmt immer wieder die israelische Militärpolizei das Viertel in Sheikh Jarrah & greift die palästinensischen Bewohner*innen sowie Solidaritätsaktivist*innen an. Schlagstöcke, Stinkwasser, Blendgranaten & berittene Pferde werden eingesetzt. In die Familienhäuser warfen Besatzungskräfte zudem immer wieder Tränengaskanister. Der Rote Halbmond berichtet von zahlreichen verletzten Palästinenser*innen in den vergangenen Tagen, einige mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sowohl die Gewalt der Besatzungskräfte als auch die Proteste gegen die Zwangsvertreibung der pal. Einwohner*innen Sheikh Jarras halten bis jetzt an, die Zahl der Verletzten steigt.
    Die Familien rufen internationale & palästinensische Aktivist*innen dazu auf, die Räumung zu stoppen & sich gegen die israelischen Siedler & Polizei zu stellen. Am Sonntag ordnete der Oberste Gerichtshof Israels an, dass die Familien Iskafi, Kurd, Jaouni & Qasim — bestehend aus 30 Erwachsenen & 10 Kindern — ihre Häuser bis zum 6. Mai räumen müssen. Das gleiche Gericht gab den Familien Hammad, Dagani & Daoudi, die im gleichen Viertel leben, bis zum 1. August Zeit, um zu evakuieren. Laut Hammad, Leiter des Nachbarschaftskommites in Sheikh Jarrah, haben insgesamt 169 Bewohner*innen des Viertels Anordnungen erhalten, ihre Häuser im Laufe des Jahres zu räumen, darunter 46 Kinder…
    Seit Anfang 2020 haben israelische Besatzungsgerichte die Räumung von 13 palästinensischen Familienhäusern in Sheikh Jarrah angeordnet. Die Familien sollen nun ein zweites Mal zu Gunsten jüdischer Siedler*innen vertrieben werden… dafür terminiert sind der diesjährige Mai & August. Die Bewohner*innen & zahlreiche Solidarische protestieren seit dieser Woche gegen ihre Vertreibung — die Besatzung schlägt diese brutal nieder…
    Es ist klar, dass das Rechtssystem rassistisch voreingenommen ist, da es für Palästinenser*innen kein israelisches Gesetz gibt, das ihnen erlaubt, ihr während der Nakba verlorenes Eigentum zurückzufordern (obwohl die UN genau dieses Recht für sie garantiert). Israel versucht eindeutig, mehr Land durch ethnische Säuberung palästinensischer Viertel & Ländereien zu beschlagnahmen…
    Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass das, was mit den Bewohnern von Sheikh Jarrah geschieht, keine rechtliche Grundlage auf internationaler Ebene hat. Israel hatte seit dem ersten Teilungsbeschluss der UN von 1947 nie ein Anrecht auf irgendeinen Teil von Jerusalem. Als zionistische Milizen 1948 diese Stadt angriffen & letztlich Israel illegal nach West-Jerusalem ausdehnte, wurde Israels Souveränität über den Westteil der Stadt nicht anerkannt. Später nahm es jedoch die Internationale Gemeinschaft einfach hin…
    Die jüngsten Räumungen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Spannungen in Jerusalem in den letzten Wochen zugenommen haben. Rechtsextreme Israelis veranstalteten Märsche, bei denen sie “Tod den Arabern” riefen, inmitten der langjährigen Bemühungen der israelischen Behörden, die Siedlungen — die nach internationalem Recht illegal sind — in Ost-Jerusalem zu erweitern.
    Quelle: Occupied News

    Anmerkung Albrecht Müller: Jenseits der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit passiert Schreckliches. Unrecht. Gewalt.

    Dazu: Hochhaus in Gaza bei Luftangriff zerstört – Raketenangriffe auf Israel
    Ein 13-stöckiges Wohngebäude in Gaza-Stadt wurde am Dienstag durch einen schweren israelischen Luftangriff zerstört. Die Bewohner sollen zuvor gewarnt worden sein…
    Die Hamas reagierte mit einer Reihe von Raketenangriffen auf Israel, die zur Stunde noch andauern. Nach ihren Angaben wurden 130 Raketen auf Tel Aviv und Zentralisrael abgefeuert. Israelische Medien berichten von mehreren Todesopfern…
    Bundesaußenminister Heiko Maas hat die massiven Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Israel scharf verurteilt. “Dass es jetzt noch eine derartige Eskalation der Gewalt gibt, ist weder zu tolerieren noch zu akzeptieren, und das haben wir auch gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde sehr deutlich gemacht”, sagte Maas am Dienstagabend bei seinem Italien-Besuch in Rom. Die Raketenangriffe müssten sofort beendet werden. “Israel hat in dieser Situation das Recht auf Selbstverteidigung”, fügte Maas hinzu…
    Quelle: RT

    Anmerkung Marco Wenzel: Natürlich stellt sich Maas gleich wieder auf die Seite der israelischen Regierung. Ohne überhaupt zu fragen, wie es zu den erneuten Kämpfen gekommen ist und wer angefangen hat. Israel bombardiert mit hochmodernen Jagdflugzeugen den Gazastreifen und die Hamas antwortet mit selbstgebauten Raketen, die selten ihr Ziel erreichen und kaum Schaden anrichten. Denn die Hamas hat mitnichten zielgenaue Tomahawks oder Pershing-Raketen. Egal was Israel macht, es ist immer „Selbstverteidigung“. Und die Palästinenser sind immer die „Terroristen“, wenn sie sich wehren.

  3. Offener Brief an Bundesaußenminister a. D. Joschka Fischer zu dessen Russland-Äußerungen
    Marco Henrichs ist Extremschwimmer und repräsentiert als deutscher Athlet und Trainer eine Schwimmliga in der Wolgaregion. Seit Jahren setzt er sich für die deutsch-russische Freundschaft ein. In einem offenen Brief kritisiert er die Äußerungen des Außenministers a. D. Joschka Fischer zu Russland.
    Sehr geehrter Herr Fischer!
    Ihr jüngstes Interview im Spiegel, in dem Sie erneut in grüner Manier gegen Russland mit dem Säbel rasseln, hat mich motiviert, Ihnen diesen offenen Brief zu schreiben.
    In Russland wird der heutige 9. Mai als Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus gefeiert. Von Ihnen, Herr Fischer, sowie aus Ihrem Parteilager von Bündnis 90/Die Grünen kommen gebetsmühlenartig Sätze wie, dass “jede Art von Faschismus bekämpft” werden muss. Einen Kampf, den ich nur dann befürworte, wenn er ehrlich und aufrichtig ist. Denn was ich nicht für gutheißen kann, dass u. a. der Holocaust auch aus Ihren grünen Reihen dafür missbraucht wird, um sich einerseits besser zu positionieren und andererseits Andersdenkende mundtot zu machen. Erschreckend ist dabei die Entwicklung in meinem Heimatland Deutschland, was und wie schnell mittlerweile schon alles als Faschismus betitelt wird. Teilweise fernab vom gesunden Menschenverstand. Aber kommen wir zum tatsächlichen Faschismus und damit zu Ihnen, Herr Fischer.
    Die deutsche Wehrmacht hatte im Zweiten Weltkrieg über 27 Millionen Tote in der ehemaligen Sowjetunion zu verantworten. Diese war damit die Nation mit der mit Abstand größten Todeszahl. 27 Millionen tote Sowjetbürger, die bei Ihnen und Ihren Parteigenossen beim Kampf gegen den Faschismus keinen Platz finden. Im Gegenteil sind es gerade Sie und Ihre Parteispitze, die keine Gelegenheit auslassen, Russland als Feind zu stigmatisieren. In meinen Augen ist das täglich gelebter grüner Faschismus gegenüber Russland…
    Aber bleiben wir bei den Fakten. Man muss nicht viel von Politik verstehen, um zu erkennen, dass Deutschland, Sie, Ihre Kanzlerkandidatin Frau Baerbock im Abhängigkeitsverhältnis zu den USA stehen und als deren Vasall agieren. Ein Blick auf die Landkarte zeigt auch, dass durch die scheinbar unaufhörbare NATO-Osterweiterung die USA seit Jahren Russland und auch China einkreisen. Es sollte sich jeder mit einem gesunden Menschenverstand die Frage stellen, wie lange das gut gehen kann…
    Wer einen Krieg oder besser gesagt eine Eroberung Russlands herbeisehnt, der hat in der Öffentlichkeit nichts verloren. Er ist in meinen Augen ebenso ein Faschist wie diejenigen, die Sie scheinheilig gebetsmühlenartig verurteilen. Krieg ist die Widerlegung aller Werte. Werte wie Frieden, die Sie als Faschist gegenüber Russland mit Füßen treten, Herr Fischer…
    Quelle: RT
  4. Moskaus Sputnik-Diplomatie
    Durch die mangelnde Impfstoffversorgung des globalen Südens lässt der Westen ein Führungsvakuum entstehen – eine Steilvorlage für Russland.
    ährend der Westen sich Rangeleien um die Impfstoffe liefert, rutschen allerhand Meldungen unter dem Radar hindurch. Argentinien wird als erstes
    Land in Südamerika Produktionsstandort für den russischen Impfstoff Sputnik V. Peru wird für Mai die erste Sputnik-V-Lieferung in Aussicht gestellt. Rund 11 000 Sputnik-V-Dosen treffen in Nordmazedonien ein, während Tunesien mit der Verimpfung von 30 000 Dosen beginnt; bis Mai sollen 1,7 Millionen weitere Dosen nach Bolivien geliefert werden.
    Die Afrikanische Union bestätigt, dass sie von Russland ein Angebot über 300 Millionen Dosen erhalten hat, und die Herstellung mehrerer zehn Millionen Dosen in China, Brasilien, Iran und Serbien hat Russland bereits vertraglich unter Dach und Fach gebracht.
    Während wir abgelenkt sind, avanciert Sputnik V für die Entwicklungsländer zur wichtigsten Stütze der Pandemiebekämpfung. Der Impfstoff eröffnet Russland eine einmalige Chance, sein Image reinzuwaschen. Doch bei Sputnik V geht es nicht nur ums Image. Der Impfstoff ist eine wohlkalkulierte Aktion, die dem Kreml mithilfe von Wissenschaft, Diplomatie und Medien noch mehr Macht und Einfluss sichern soll…
    Sputnik V verkörpert genau das Russlandbild, das der Kreml vermitteln will. Sputnik V bedient nicht das Bild des autoritären, kriegslüsternen und annexionistischen Russland, das seine innenpolitischen Gegner vergiftet und sich in die Wahlen seiner Rivalen einmischt, sondern präsentiert Moskau in der Rolle der Forschungssupermacht und des Retters aus der Pandemie…
    Quelle: IPG

    Anmerkung Albrecht Müller: Dass die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung ein solch primitives Propagandastück veröffentlicht, ist ein weiteres Indiz für den Niedergang der Sozialdemokratie.

  5. “Das ist nicht unsere Vision von Hierarchie”
    Wie sehr rutscht Frankreich nach rechts? Seit der Wahl Macrons zum Präsidenten im Jahr 2017 ist der Anteil der Franzosen, die sich politisch rechts positionieren, von 33 Prozent auf 38 Prozent in diesem Jahr gestiegen. 60 Prozent der Armee- und Polizeiangehörigen würden 2022 im zweiten Wahlgang Marine Le Pen wählen.
    Ein neuer offener Brief von “aktiven Militärangehörigen aller Dienstgrade” wurde bis heute Morgen von knapp 230.000 Personen unterzeichnet. Auch er warnt im selben Ton wie der vorgängige Brief vor einem Chaos im Land: “(…) wieder einmal braut sich in Frankreich ein Bürgerkrieg zusammen, und Sie wissen es”…
    Der nicht erst seit neulich auffallende Einsatz Macrons für immer neue Gesetze auf dem Gebiet der inneren Sicherheit wird von der Zeitung Le Monde mit der “Revolution” kontrastiert, mit der Macron in seinem gleichnamigen Buch Wahlkampf machte. Darin heißt es: “Wir müssen uns dem ständigen Rekurs auf Gesetze und der ständigen Änderung unseres Strafrechts entziehen (wörtlich: entgiften, désintoxiquer).”…
    Davon ist nun kaum mehr etwas zu hören, stattdessen aber Annäherungen an Positionen, die seine politische Lieblingskonkurrentin Le Pen seit langer Zeit besetzt, eine verschärfte Einwanderungspolitik, verstärkte Maßnahmen gegen Islamismus und vor allem der Ausbau des Sicherheitsapparates, mit neuen Gesetzen, neuen Kompetenzen, neuen Polizeieinheiten und deren Aufrüstung.
    (…) In dem Brief wird richtig auf die Pauke gehauen. Die Verfasser sind ihren Angaben nach anders als die briefschreibenden Generäle zuvor zumindest zum Teil noch im aktiven Dienst und sie reklamieren für sich Erfahrung und eine genau Beobachtungsgabe, da sie im “Feuer der Kriege” in Afghanistan, Mali und der Zentralafrikanischen Republik standen und so aus Erfahrung wissen, wie es aussieht in Ländern, die mit einem Bürgerkrieg zu tun haben….
    Das ist ein ungeschminktes Plädoyer für mehr Autorität. Ein Plädoyer für mehr Macht, die jederzeit auf Gewalt zurückgreifen kann – ganz im Sinne der Neuen Rechten und derjenigen, die wie die Partei von Marine Le Pen auf faschistischen Wurzeln gründen…
    Quelle: Telepolis

    Dazu: “Bürgerkrieg braut sich zusammen”: Französische Militärs lancieren erneut offenen Brief an Macron
    (…) Der Brief, der am Sonntag in der konservativen Zeitschrift Valeurs actuelles veröffentlicht wurde, schlägt einen ähnlichen Ton an wie die Botschaft, die im letzten Monat publiziert wurde. Anders als der vorherige, der von 25 pensionierten Generälen und aktiven Soldaten unterzeichnet wurde, ist der neue Brief anonym und kann von der Öffentlichkeit unterschrieben werden. Bis Montagmittag hatte er bereits über 100.000 Unterschriften gesammelt.
    Die Autoren des Briefes beschreiben sich selbst als aktive französische Soldaten, die der jüngeren Generation des Militärs angehören, die in den letzten Jahren tatsächlich im Einsatz waren…
    Der erste Brief, der am 21. April veröffentlicht wurde – am 60. Jahrestag eines gescheiterten Staatsstreichs gegen General Charles de Gaulle wegen seiner Unterstützung für die Unabhängigkeit Algeriens –, verursachte einen Aufruhr unter Frankreichs Spitzenbeamten. Premierminister Jean Castex brandmarkte den Brief als “eine Initiative gegen alle unsere republikanischen Prinzipien, der Ehre und der Pflicht der Armee”, während das Militär schwor, die Unterzeichner im aktiven Dienst zu bestrafen.
    Quelle: RT

  6. Verantwortung übernehmen für Lieferketten
    Wir müssen uns für soziale und ökologische Mindeststandards entlang der Wertschöpfungsketten und damit für eine gerechte globale Wirtschaft einsetzen. Denn nur so können wir die eigene oder die Ausbeutung der nächsten Generation verhindern. Bei uns und für die Arbeitenden entlang der Lieferketten.
    (…) Industrieländer sind extrem abhängig von Lieferketten, wie die Corona-Krise zeigt
    Unzählige Frauen, Männer und Kinder arbeiten entlang von Lieferketten. Sie pflanzen Nahrung an, schrauben Konsumgüter zusammen oder säubern soziale Medien von digitalem Müll. In Europa profitieren fast alle von dieser globalen Arbeitsteilung: Unternehmen sowie deren Eigentümer durch hohe Gewinne, qualifizierte Beschäftigte durch hohe Löhne und die Konsumenten in Form niedriger Preise. Jetzt aber droht mit dem Vormarsch digitaler Wertschöpfungsketten eine weitere gewaltige Zerstörung von Sozial- und Umweltkapital. Und immer mehr Menschen auch in den wohlhabenden Ländern werden einer mörderischen Konkurrenz ausgesetzt. Wie reimte ein Manager in einem meiner Interviews: “Je weiter nach Osten, desto niedriger die Kosten.” Heute kommen der Westen, Süden und Norden hinzu.
    Bislang ergattern die Industriestaaten den Löwenanteil der Wertschöpfung aus den globalen Lieferketten: 67 Prozent der Wertschöpfung entfallen auf die 37 Industriestaaten der OECD und nur 33 Prozent auf die restlichen 154 Schwellen- und Entwicklungsländer, einschließlich China. Gleichzeitig sind die Industrieländer extrem abhängig von Lieferketten, wie das rohstoffarme Europa vom Rohstoffimport, aber auch schon vom Import von beispielsweise Atemschutzmasken, Desinfektionsmitteln oder Antibiotika, wie während der Corona-Pandemie offenkundig wurde.
    Manche Unternehmen haben sich mittlerweile vollständig aus der eigenen Fertigung und damit ihrer diesbezüglichen Verantwortung verabschiedet. Von den weltweiten Belegschaften der 50 größten Unternehmen sind 94 Prozent der Arbeitenden in Lieferketten versteckt, “in denen die Undurchsichtigkeit von Geschäftsverträgen diese Ausbeutung und allzu oft eine entmenschlichende Unterdrückung begünstigt”…
    Wer nicht direkt als Arbeitender von der Ausbeutung entlang der Lieferketten betroffen ist, ist häufig indirekt betroffen, beispielsweise als indigener Bewohner einer Region, in der Rohstoffe ausgebeutet werden und dabei die Umwelt zerstört wird, oder als Bürger eines Gemeinwesens, welches kaum Steuern generieren kann, um Sozialleistungen und Infrastruktur aufzubauen. Alleine um die eigene oder die Ausbeutung der nächsten Generation zu verhindern, sollte sich jeder für soziale und ökologische Mindeststandards entlang der Wertschöpfungsketten und damit für eine gerechte globale Wirtschaft einsetzen.
    Quelle: Gegenblende
  7. Leben auf der Straße
    Zu den unveräußerlichen Menschenrechten gehören ohne Zweifel eine sichere Unterkunft und das Wohnen in Würde, auch in Deutschland. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Menschen ohne Wohnung stetig angestiegen. Mittlerweile sind rund 700.000 Menschen wohnungslos, knapp 50.000 davon sind obdachlos. Das ist eine ganze Stadt voller Menschen, denen das Recht auf Wohnen verweigert wird. Hinzu kommt eine Dunkelziffer, die niemand genau abschätzen kann.
    Hinter den Zahlen stehen Menschen, deren Leben irgendwann einmal ins Schlingern kam, aus welchen Gründen auch immer. Sie werden auch gar nicht danach gefragt, falls sie darüber reden und ihre persönliche Geschichte erzählen wollen, hört ihnen niemand zu. Für ihre Mitmenschen sind sie nur lästig mit ihrer Bettelei, dazu stören sie das Stadtbild und vergraulen die Kunden in den Kaufmeilen.
    Für die Politik gibt es sie meistens gar nicht, kommen sie doch angeblich täglich aus anderen Orten in die Stadt und wenn man etwas zu viel für sie tut, werden immer mehr von ihnen angezogen.
    Da sie sich nicht wehren oder gar Forderungen stellen, braucht man sich sozialpolitisch erst gar nicht aus dem Fenster zu lehnen. Wird das Problem zu sichtbar, ist es eines für den Einsatz von Polizei und Ordnungskräften.
    Als Ursache von Obdachlosigkeit werden immer zuerst individuelle Gründe und Schicksalsschläge genannt. Dabei ist es vor allem der stetig privatisierte Wohnungsmarkt selbst, der die Menschen aus den Wohnungen wirft und auf der Straße leben lässt…
    Sage und schreibe wurden aus dem Bundes-, Landes- und kommunalen Wohnungsbesitz insgesamt rund 1,1 Millionen Wohnungen in privates Eigentum überführt. Lächerliche 2,3 Prozent der rund 23 Millionen Mietwohnungen sind heute noch in kommunalem Eigentum. Damit können die Kommunen im Gegensatz zu früher nicht mehr regulierend in den Wohnungsmarkt eingreifen, sie haben kaum noch Möglichkeiten, leistbare Wohnungen in ausreichender Zahl vorzuhalten und dämpfend auf die Mietpreise einzuwirken.
    Was den Städten bleibt, ist die individuelle Not etwas abzufedern…
    Quelle: Blättchen

    Dazu: Das Thema Wohnen wird die Berliner Wahlen entscheiden – zu Recht
    Die Sorge um die Wohnung hat auch Doppelverdiener-Familien erfasst. Identitätspolitik und andere Themen werden am 26. September vergessen sein.
    (…) Corona und Homeoffice, vor allem jedoch die Herausforderung, die Kinder über Wochen oder Monate hinweg zu Hause beschulen oder auch nur beschäftigen zu müssen, hat jedem klar gemacht, wie wichtig eine ausreichend große Wohnung zum Überleben – und dieses Wort ist hier nicht übertrieben – geworden ist.
    Der Trend geht also eigentlich zu größeren Wohnungen und nicht, wie von den Stadtplanern erhofft, zu kleineren. Für jene, die es sich leisten können. 2020 wurden in Berlin 18.800 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt, was in den meisten Fällen mit einem alles andere als freiwilligen Wechsel der Bewohner verbunden war. Das waren doppelt so viel wie ein Jahr zuvor.
    Wenn Eigentumsbildung dazu führen würde, dass der Prozentsatz jener Bewohner steigt, denen ihre Wohnungen gehören, wäre das ja noch ein erstrebenswertes Ziel. Dem ist aber leider nicht so. Wohnungen werden zur Kapitalanlage, ohne dass jemand in ihnen wohnen muss. Ihr Wert steigt am schnellsten, wenn sie unbewohnt sind. Die Investoren sitzen irgendwo auf der Welt, Berlin ist ihnen ziemlich schnuppe. Investoren horten Bauland, ohne zu bauen – das soll ein neues Bundesgesetz jetzt stoppen. Endlich…
    Die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ hat gute Chancen, die 175.000 Unterschriften zu bekommen, damit die Abstimmung über das Volksbegehren am 26. September zusammen mit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus stattfinden.
    Man muss keine besonderen Prognosekräfte haben, um zu dem Schluss zu kommen, dass am Wahltag jene Parteien profitieren werden, die sich für Mieterrechte und für Wohnungsbau einsetzen. Egal ob grüne Indianerhäuptlinge, eine Deutschland-Debatte oder die Rechten und die CDU – bis dahin ist vermutlich der teilweise kindische Diskurs von heute vergessen: Am 26. September wird es vor allem um das Dach über dem Kopf gehen.
    Quelle: Tagesspiegel

  8. Sachsen ändert Selbsttest-Regeln und will Corona-Lage im Erzgebirge verbessern
    (…) In Sachsen reicht es nicht mehr aus, mit einem Corona-Selbsttest und eigenhändig ausgefülltem Formular Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Gesundheitsministerin Petra Köpping sagte nach einer Kabinettssitzung in Dresden, Bürger müssten die Tests ab sofort in einem Testzentrum oder direkt etwa beim Friseur zu machen. Das sei eine Änderung, der sich Sachsen beugen müsse, sagte die Ministerin mit Verweis auf Bundesregelungen. Deshalb werde die aktuelle sächsische Corona-Schutzverordnung in diesem Punkt geändert.
    Die Regelung gilt unabhängig von der Inzidenz auch für Schulen. Eltern können ihren Kindern demnach nicht mehr eine Bescheinigung über einen zu Hause gemachten Test mitgeben. Die Kinder müssten sich unter Aufsicht in den Schulen testen…
    Quelle: mdr

    Anmerkung Lutz Hausstein: Die nächste Stufe wird gezündet. Mit dieser weiteren Variante des Nudging soll die Bereitschaft in der Bevölkerung vorangetrieben werden, dass sich die Menschen “freiwillig” impfen lassen. Denn natürlich will auch weiterhin niemand eine Impfpflicht einführen.

    Mal abgesehen davon, dass damit nun Selbst-Tests einfach mal so ohne schlagende Begründung für wertlos erklärt werden. Auch die davon betroffenen Kleinunternehmen werden sich “freuen”. Verzichteten viele Kunden schon in den letzten Wochen seit Einführung der Testpflicht auf ihre Besuche und sagten feste Termine deswegen ab, wird sich das mit dieser irren Anweisung noch einmal deutlich verschärfen. Aber es gibt ja auch “Vorteile”: Da diese Unternehmen nicht zwangsweise schließen müssen, sondern ihr Gewerbe auch weiterhin ausüben dürfen, wird es dafür auch keine Coronahilfen geben, die in den vergangenen Monaten für die kleinen Unternehmen ja so üppig geflossen sind.

    Man verzeihe mir meinen Sarkasmus. Aber anders ist das nicht mehr zu ertragen.

  9. Entwicklungshilfe beim Landraub
    Die deutsche Entwicklungshilfe fördert Land Grabbing in Entwicklungsländern und nimmt faktisch die Vertreibung von Kleinbauern in Kauf.
    Berlin/Lusaka (Eigener Bericht) – Die deutsche Entwicklungshilfe fördert in zunehmendem Maß den Landraub (“Land Grabbing”) in Entwicklungsländern. Dies geht aus Berichten mehrerer Nichtregierungsorganisationen hervor. So unterstützt Berlin, und zwar nicht zuletzt über die staatliche Entwicklungsbank DEG, Agrarkonzerne und teils in Deutschland ansässige Investoren, die in Sambia riesige Flächen aufgekauft haben und Kleinbauern von ihrem Land vertreiben. Das gefährdet nicht nur die Nahrungsversorgung, sondern führt auch zur Herausbildung von Machtverhältnissen, die dem Aktionsnetzwerk FIAN zufolge “an unsere feudalen Strukturen im Mittelalter” erinnern. Die Welthungerhilfe konstatiert, indem die DEG Anteile an Investmentfirmen erworben habe, die in großem Stil Land Grabbing in Entwicklungsländern betrieben, sei sie “selbst Landinvestor geworden”. Längst mache sich in der “Entwicklungshilfe” “Investorenjargon” breit. Der Konzentrationsprozess agrarischer Nutzflächen schreitet, nicht zuletzt mit deutscher Hilfe, weltweit in dramatischem Ausmaß voran – auf Kosten zahlloser Kleinbauern.
    Vertreibungen in Sambia
    Laut Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind deutsche Regierungsstellen weiterhin daran beteiligt, Land Grabbing in Entwicklungsländern zu fördern. Demnach unterstützt die Bundesrepublik im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit Investoren, die in Sambia die Lokalbevölkerung und Kleinbauern vertreiben, um auf den Export ausgerichtete Großplantagen aufzubauen.
    (…) Von Deutschland gefördert
    Laut FIAN hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit alle drei Fälle von Land Grabbing gefördert. Vor zwei Dekaden habe sich das deutsche Entwicklungsministerium noch “für Agrarreformen und Umverteilung von Land an arme Bäuer*innen eingesetzt”; nun aber würden “umwelt- und klimaschädliche Monokulturen und Landkonzentration” gefördert, kommentierte ein Sprecher der NGO die Neuausrichtung der sogenannten deutschen Entwicklungshilfe, die immer offener auf die Förderung deutscher Wirtschaftsinteressen im globalen Süden fokussiert. Es sei “geradezu makaber”, dass die deutsche Entwicklungshilfe “durch die Kreditvergabe an Agrarinvestoren auch noch Kasse” mache, hieß es weiter. Aufgrund der von Berlin geförderten Großinvestitionen bildeten sich in Sambia Machtverhältnisse, die “an unsere feudalen Strukturen im Mittelalter” erinnerten…
    Quelle: German Foreign Policy
  10. Deutschland im Indopazifik: Die Logik der Eskalation
    Es klingt nach Routine: Mitte dieses Jahres soll die Fregatte „Bayern“ in See stechen und mehrere Monate im Indischen Ozean und im Westpazifik kreuzen. Das Bundesverteidigungsministerium will darin lediglich ein „Zeichen“ sehen: Wo Deutschlands „Werte und Interessen betroffen sind“, soll Flagge gezeigt werden. Doch dahinter steckt eine fundamentale sicherheitspolitische Neuordnung, ein Paradigmenwechsel gar. Europa will „die Sprache der Macht lernen“, wie die ehemalige Verteidigungsministerin und heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon im Sommer 2019 gefordert hat. Zugleich wirkt die Entsendung der Fregatte wie eine Provokation in Richtung China, die von Peking denn auch umgehend beantwortet wurde: Süffisant schreibt die regierungsnahe „Global Times“: „Wenn sie ins Südchinesische Meer kommen, können wir auch im Mittelmeer aufkreuzen.“
    Beim Operationsgebiet der „Bayern“ handelt es sich um eine der brisantesten Krisenregionen der Welt: Im Konflikt um die Kontrolle im sogenannten Südchinesischen Meer zwischen China, den Philippinen, Vietnam, Malaysia, Indonesien und Japan werden in letzter Zeit immer häufiger Scharmützel zwischen den Küstenwachen der Anrainerstaaten gemeldet. Aktuell gibt es Spannungen, weil mehr als 200 „Fischerboote“, vermutlich bemannt mit chinesischen Paramilizen, in philippinischen Gewässern unterwegs sind. Den Anstoß für diese Konflikte hat die chinesische Regierung 2009 geliefert, als sie eine Landkarte mit der „Nine-dash line“ vorlegte, eine recht freihändige Demarkationslinie, mit der sie territoriale Ansprüche auf 90 Prozent der Gewässer untermauert. Gleichzeitig lässt sie durch den Ausbau von Felsriffen und Sandbänken zu Militäranlagen Fakten schaffen – und verschiebt damit ihre militärischen Vorposten gegen einen möglichen Angriff der USA und ihrer Verbündeten um tausende Kilometer gen Osten. Die Entscheidung des Internationalen Schiedsgerichts in Den Haag aus dem Sommer 2016, dass ihre Position gegen UN-Seerecht verstößt, wies sie brüsk zurück.
    Die „Bayern“ ist nicht allein: Auch britische, französische und niederländische Kriegsschiffe verstärken ihre Präsenz im Indopazifik im Namen der „Freiheit der Schifffahrt“. Die mächtige Pazifik-Flotte der USA ist dort schon seit längerem im Einsatz und liefert sich Revierkämpfe mit der chinesischen Marine, so wie gerade wieder Anfang April. Die Entsendung des deutschen Kriegsschiffes ist daher weit mehr als nur ein „Zeichen der Solidarität“, als das es Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer herunterzuspielen versucht: Vielmehr stellt sich die Bundesregierung damit an die Seite der konfrontativen US-Politik im Indopazifik.
    (…) Die Armada, an der die „Bayern“ jetzt beteiligt ist, soll unter Führung der USA die „regelbasierte Ordnung“ und die Gültigkeit „gemeinsamer Werte“ unterstreichen – und China in die Schranken weisen. Ministerin Kramp-Karrenbauer verglich Pekings Ansprüche im Mai vergangenen Jahres bereits mit dem Vorgehen Russlands in der Ukraine…
    Mit der Kreuzfahrt der „Bayern“ gen Osten sendet die Bundesregierung allerdings ein äußerst problematisches Signal – und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Sie beteiligt sich nicht nur an der aggressiven Eindämmungsstrategie der USA, sondern unterstützt zugleich Bestrebungen von Frankreich und Großbritannien, an hegemoniale Ambitionen aus ihrer kolonialen Vergangenheit anzuknüpfen…
    Quelle: Blätter
  11. «Die Zeit» empfiehlt Geschichtsvergessenheit
    (…) Seit ein paar Tagen nun kann man auf «Zeit online» einen Kommentar lesen, der dem Historiker die Sprache verschlägt. Alan Posener, eine politisch auffällig schillernde Figur, war er doch als junger Mann auch schon mal Mitglied kommunistischer und maoistischer Organisationen, bringt darin all seinen Hass gegen Russland zum Ausdruck. Das ist zwar wenig überraschend, versuchen sich doch die deutschen Medien in puncto Russophobie seit einiger Zeit gegenseitig zu übertrumpfen. Der letzte Abschnitt seines Pamphlets allerdings könnte in die Geschichte eingehen: «Darüber hinaus muss sich gerade die kulturelle Linke von der Vorstellung lösen, der Frieden mit Russland um beinahe jeden Preis sei wegen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 eine moralische Pflicht. Zu den Hauptopfern des deutschen Vernichtungskriegs im Osten gehörten neben Polen und Balten vor allem die schon von Stalin geschundenen Ukrainer. Es müsste daher zur deutschen Staatsräson gehören, die Demokratie in diesem neuen Staat genauso wie in Polen und den baltischen Staaten zu fördern, ihm Sicherheit in der NATO zu geben und einen Weg zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu weisen. Das schallende deutsche Schweigen hierzu übertönt fast die laute russische Propaganda.»
    Auf die Quintessenz reduziert, heißt das: Dass Deutschland unter Hitler die damalige Sowjetunion angegriffen hat, darf – oder soll jetzt endlich – vergessen werden! Was sind schon über 25 Millionen Kriegsopfer, mehr als die Hälfte davon Zivilisten – ein Großteil davon die Großväter und Großmütter der heute lebenden Russen! (Deutschland selber hatte nicht ganz acht Millionen Kriegsopfer zu verzeichnen, davon etwa zwei Millionen Zivilisten.) Die deutschen Köpfe und Herzen sollen endlich wieder frei sein, die Russen erneut zu verachten, wie es damals Hitler in seinem Buch «Mein Kampf» empfohlen hatte. Da sind Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg doch nur hinderlich.
    PS: Wenn Posener in seinem Pamphlet schon von der Ukraine schwärmt, die möglichst bald in die EU aufgenommen werden sollte, dann sollte er als Sohn eines jüdischen Vaters vielleicht auch nicht ganz vergessen, dass die Ukrainer – im Gespann mit der deutschen SS – in den 1940er Jahren so um die 1,5 Millionen Juden ermordet haben – allein in Babyn Jar bei Kiev in nur zwei Tagen 34’000 – nachzulesen zum Beispiel auch in der «Welt», für die er, Posener, ja auch schreibt. Oder er kann in der Osteuropa Zeitschrift nachlesen, wie die Ukraine um die eigene Geschichte während des Zweiten Weltkrieges bis heute einen großen Bogen macht. Oder er kann, falls er Ukrainisch versteht, in der Medienmitteilung des Stadtrates der Stadt Ternobil in der Nordwest-Ukraine nachlesen, warum die Stadt jetzt, im März 2021 (!), ihr 15’000-Plätze-Fussballstadion auf Schuchewytsch-Stadion umgetauft hat. Roman Schuchewytsch war einer der Kommandeure des deutschen «Bataillons Nachtigall»
    Quelle: Infosperber
  12. Der Westen zeigt das, was er ist: der Friedhof der Menschenrechte
    Von Willy Wimmer
    Vor wenigen Tagen trafen sich in London die Herren Außenminister der sogenannten G7-Mächte der führenden globalen Industrie- und Wirtschaftsmächte und selbsternannter Edeldemokratien. Es war das erste Treffen dieser Runde unter Hinzuziehung von Südkorea, Indien und Australien. Es war zudem das erste Treffen in der Formation von G7, nachdem in der Nachfolge von Präsident Donald Trump Präsident Joe Biden im Weißen Haus das Zepter übernommen hatte. Damit erst keine falschen Vorstellungen aufkommen konnten oder sollten.
    Es ging da weiter, wo der ehemalige Vizepräsident Joe Biden unter Präsident Obama als eigentlicher Machthaber in der Ukraine aufgehört hatte. Die eisernen Krallen sollten sich wieder um Russland legen und das mit dem Putsch in der Ukraine 2014 begonnene Werk des Umsturzes östlich der Weichsel soll komplettiert werden…
    Stattdessen wurde mit tatkräftiger Förderung der deutschen Bundeskanzlerin so etwas wie ein Motto für die “Gruppe der Unzulänglichen” ausgegeben: “totstellen, bis die amerikanischen Kriegstreiber wieder nach Trump an die Macht kommen”. Dann klappt es wieder mit der “Gefolgschafts-Einstellung…
    Jetzt beschließen die G7-Außenminister in London, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Die Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament sind der organisierten Lobbyarbeit US-gestützter Nicht-Regierungsorganisationen derart erlegen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union es schon nicht mehr wagen, das mit China endlich ausgehandelte Investitionsabkommen dem Parlament vorzulegen…
    London hat mit seinem Außenministertreffen den G7 Signalcharakter für die auf Konfrontation ausgerichtete Zukunft. Das wird in der gewollten Verbindung mit der Entwicklung in Hongkong mehr als deutlich. Die G7 wollen China die Zähne zeigen, weil China in Hongkong so gehandelt hatte, wie es gehandelt hat. Über die aus Hongkong und China berichtenden Medien hatte man hier schon mitbekommen, was die Menschen in Hongkong zu hunderttausenden auf die Straßen trieb.
    Die Forderungen, von denen man hier hörte, waren nachvollziehbar. Eine Forderung fiel hier geradezu unter den Tisch. Es war die Forderung nach Unabhängigkeit. Damit wurde nicht nur die Axt angelegt an die Vereinbarungen zwischen London und Beijing zwecks Übergabe Hongkongs am Ende der Kolonialherrschaft über Hongkong durch London. Das vereinbarte Konzept war: ein Land, zwei Systeme.
    Es war nicht die Unabhängigkeit Hongkongs am Ende der britischen Herrschaft.
    Jetzt die Bewegung in Hongkong bei G7 als Argument heranzuziehen, um gegenüber Beijing das Tischtuch zu zerreißen, bedeutet, bewusst mit dem Fanal des Krieges zu drohen.
    Taiwan wird damit zur Brandfackel
    (…) Das, wofür man in London in übelster Weise den Grundstock gelegt hat, wird den Schrecken von “Barbarossa” unermesslich übersteigen. Vor allem wird das grundlegende Menschenrecht, nämlich das auf Leben und körperliche Unversehrtheit, mit Füßen getreten…
    Quelle: KenFm
  13. In Kolumbien sind während des Generalstreiks über 400 Menschen verschwunden
    Bogotá. Die Zahl der vermissten Personen ist im Zuge der tagelang anhaltenden Proteste rasant gestiegen. Die Direktorin der kolumbianischen Sucheinheit für verschwundene Personen (UBPD), Luz Marina Monzón, spricht von über 400 gemeldeten Vermissten im Zusammenhang mit den Protesten seit dem 28. April. Die nationale Ombudsstelle ihrerseits hat einen Anstieg von 145 auf 359 Verschwundene allein zwischen dem 6. und dem 7. Mai gemeldet.
    Protestierende sehen die Verschleppung von Menschen als eine Ergänzung zu den Scharmützel-Taktiken der Polizei…
    Immer öfter melden Demonstrant:innen landesweit den Einsatz von bewaffneten Zivilpersonen, die auf Protestierende schießen. Am Donnerstag wurden im Barrio El Ancla in Cali zwei Kleinlaster identifiziert, die bewaffnete, als Zivilpersonen getarnte Einheiten in die Nähe einer Straßenblockade transportierten. Anwohner berichteten, dass die bewaffneten Zivilkräfte dabei waren, das Feuer auf Protestierende zu eröffnen, als sie durch eine herbeigerufene Patrouille des Militärs daran gehindert wurden. In den Kleinlastern wurden Beweise gefunden, die die bewaffneten Personen als Polizisten identifizierten. Diese Zugehörigkeit hat die Polizei von Cali mittlerweile bestätigt…
    Jeden Tag gehen die Streikenden landesweit weiter auf die Straßen. Die von der Regierung angekündigte Gesprächsbereitschaft mit dem nationalen Streikkomitee reicht für viele Demonstrant:innen nicht mehr aus. Längst geht es um mehr. “Wir wollen die Regierung Duque stürzen”, sagt ein Demonstrant aus Bogotá gegenüber amerika21.
    Inzwischen gibt es Militärangehörige, die ihre Waffen nicht gegen Demonstrant:innen richten wollen…
    Quelle: Amerika 21

    Anmerkung Marco Wenzel: Dazu von Fréderico Füllgraf: Kolumbien – Mit Toten und Vermissten verlagert sich Polizei- und Militär-Gewalt vom „Guerilla-Krieg“ in die soziale Rebellion der Städte.

  14. UN fordern mehr Einsatz für Myanmar
    Das UN-Menschenrechtsbüro mahnt die internationale Gemeinschaft, mehr Druck auf die Mililtärführung in Myanmar auszuüben. Die Gewalt gehe unvermindert weiter. Mindestens 782 Menschen seien seit dem Putsch getötet worden.
    Genau 100 Tage nach dem Militärputsch in Myanmar sieht das UN-Menschenrechtsbüro kein Ende der brutalen Unterdrückung. Die Menschenrechte in dem südostasiatischen Staat würden von Militär und Sicherheitskräften mit Füßen getreten, sagte ein Sprecher des Büros in Genf.
    Gleichzeitig lehne sich die Opposition unentwegt gegen die Militärjunta auf. Das Menschenrechtsbüro rief die internationale Gemeinschaft auf, sich stärker zu engagieren.
    (…) Die Junta ignoriere auch einen Plan der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean, dem sie selbst zugestimmt habe.
    Kernpunkte des Asean-Myanmar-Gipfels am 24. April in Jakarta waren die Forderungen nach einem “sofortigen Ende der Gewalt”, einem “Dialog zwischen allen betroffenen Parteien” sowie die Entsendung eines Asean-Sonderbotschafters als Vermittler in Myanmar.
    Wenige Tage nach dem Gipfel erklärte Junta-Chef Min Aung Hlaing, er werde einen Sonderbotschafter erst ins Land lassen, wenn sich “die Lage stabilisiert” habe. Auch nach dem Gipfel ging die Militär- und Polizeigewalt gegen die Proteste gegen die Diktatur mit unverminderter Gewalt weiter.
    UN sichern Volk Unterstützung zu
    Die Vereinten Nationen versicherten dem Volk von Myanmar ihrer “unverbrüchliche Unterstützung”. Generalsekretär Antonio Guterres unterstütze die Menschen in ihrem Bestreben nach “Demokratie, Frieden, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit”, twitterte die UN-Vertretung in Yangon…
    Quelle: tagesschau
  15. »Wir stecken in ernsthaften Schwierigkeiten«
    Die südafrikanische Juristin Fatima Hassan kämpft seit der HIV/Aids-Pandemie für eine gerechtere öffentliche Gesundheitsversorgung. Ein Gespräch über Fehler, die schon bei der Bekämpfung von Aids begangen wurden, geistiges Eigentum in der Covid-Pandemie und darüber, wie Big Pharma die Demokratie und das Leben von Menschen gefährdet.
    (…) OP: Welche Unterschiede machst du in der Bewältigung der HIV/Aids-Pandemie im Vergleich mit der Covid-Pandemie aus?
    FH: Der Unterschied zwischen Covid und HIV ist augenscheinlich. Covid ist ein hochansteckendes Virus, von dem in allen Ecken der Welt neue Varianten entstehen. Daher dachten wir, die Menschen würden nun zusammenarbeiten, damit genau zwei Dinge passieren: Erstens, Investitionen in die Forschung, um schneller Ergebnisse zu erzielen. Das ist auch tatsächlich passiert. Im Gegensatz zu HIV/Aids sehen wir, wie erhebliche Ressourcen der Suche nach Impfungen gewidmet wurden, und zwar im Schnellverfahren. Zweitens gingen wir davon aus, dass dieses Wissen nun auch geteilt würde. Wir dachten, aus schlichtem Eigeninteresse von allen Menschen weltweit – nicht nur aus der gesundheitlichen Perspektive, sondern auch wirtschaftlich gesehen – würden Patente und Wissen zugänglich gemacht. Eigentlich ist es unglaublich, wie sehr hier wieder die alten Argumente hinsichtlich geistigen Eigentums vonseiten der Pharmaunternehmen ins Feld geführt werden. Das hat mir die Augen geöffnet. Denn eigentlich sind ja seit HIV/Aids die Erkrankungs- und Todesraten bekannt, die auf die Verweigerung von Hilfe zurückgehen.
    OP: Was sagt uns diese Selbstbegrenzung der Politik auf Freiwilligkeit und Corporate Responsibility über die globale Ordnung? Was sind die Gründe hinter der strikten Ablehnung der Aufhebung von Patenten und anderen geistigen Eigentumsrechten auf Covid-19-Präparate für die Dauer der Pandemie? Und was lernen wir im Moment über das Verhältnis zwischen transnationalen Kapitalinteressen und Regierungen?
    FH: Wir stecken in ernsthaften Schwierigkeiten. Denn selbst mitten in einer Pandemie dieses Ausmaßes halten uns eine Handvoll Regierungen und ein paar CEOs regelrecht gefangen. Sie weigern sich partout, ihre Rechte an geistigem Eigentum, das sie für sich selbst beanspruchen, aufzugeben. Aber eigentlich müsste man sehr wohl diskutieren, wessen Eigentum das ist. Schließlich haben in vielen Fällen die Regierungen, besonders in den USA, in Großbritannien und in Deutschland, die Forschung maßgeblich mitfinanziert. Die Frage ist also, warum schreiten die Regierungen nicht ein? Der Grund hierfür wiederum ist: Sie selbst hängen in einem Netz aus Interessen an geistigen Eigentumsrechten, welche sie – im Gegensatz zum menschlichen Leben – für sakrosankt halten. Diese Ehrerbietung gegenüber privater Marktmacht zeigt, wie verkehrt die Weltordnung ist. Wenn wir von der WTO abhängen, um diese Pandemie zu überwinden, dann hat die Welt im Jahr 2021 ein ernsthaftes Governance-Problem – und ein Problem mit der Kontrolle von multinationalen Unternehmen. Es ist absurd, dass mitten in einer Krise der öffentlichen Gesundheit sechs oder sieben Unternehmen am Lenkrad sitzen: Sie entscheiden, wohin geliefert wird, wer für sie zu welchem Preis produziert, welche Ausnahme- und Entschädigungsklauseln verankert oder auch welche Vereinbarungen zur Geheimhaltung getroffen werden…
    Quelle: Tagebuch
  16. „Die Straße war mal für Kinder“
    Berichte über Verkehrsunfälle halten die Schuld häufig von Autofahrern fern. Laut Dirk Schneidemesser prägt das unser Bewusstsein.
    taz: Herr Schneidemesser, Sie sagen, Sprache hält die Mobilitätswende auf. Wieso?
    Dirk Schneidemesser: Die Sprache spiegelt die Einstellung zum öffentlichen Raum und zum Auto wider. Wir haben seit fast einem Jahrhundert über die Sprache die Daseinsberechtigung des Autos verinnerlicht und tief in uns verankert. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Straße ein Ort, wo Kinder gespielt haben, wo man seinen Nachbarn begegnet ist, wo man auch Handel getrieben hat. Es gab Verkehr, aber das war eine von vielen Aktivitäten. Heutzutage haben wir die Vorstellung, die Straße ist da für einen einzigen Zweck, und das ist sogar verankert in unserer Gesetzgebung: den motorisierten Verkehr.
    Die Straße ist also ausschließlich fürs Auto da?
    Genau. Wenn man in die Geschichtsbücher schaut, ist es dazu durch eine konzertierte Aktion von Menschen gekommen, die meinten, das Auto ist die Zukunft, wir müssen unser Land, unseren öffentlichen Raum nach den Bedürfnissen des Autos ausrichten. Daraus folgte die Überzeugung: Wir müssen in Kauf nehmen, dass Menschen verletzt oder gar getötet werden. Die müssen wir von der Straße weghalten, damit der Autoverkehr nicht gestört wird. Nehmen wir das Beispiel Spielplatz: Ein Spielplatz ist im Grunde genommen ein Ort, wo wir Kinder hinschicken können, damit wir sie nicht an der Leine haben müssen, wo sie ungefährdet sind, spielen können. Spielplätze haben wir, weil die Straße unsicher wurde für Kinder.
    Haben die Menschen anders gesprochen, als das Auto die Straße noch nicht dominierte?
    Ja. Das kann man noch hören, wenn man ältere Menschen fragt. Ein Bekannter von mir hat erzählt, dass seine Mutter früher zu ihm und seinem Bruder sagte: „Geht runter und spielt auf der Straße.“ Die Kinder waren um die fünf Jahre alt. Diesen Satz würde heute wahrscheinlich niemand zu so kleinen Kindern sagen. Denn „die Straße“ hat eine andere Bedeutung.
    (…) Auch wenn das Auto stillsteht, wird ihm viel öffentlicher Raum zugestanden.
    Das Parken an sich ist ein absurdes Phänomen. Stellen wir uns mal vor, wir lagern etwas anderes im öffentlichen Raum: Ich montiere ein Schloss an meinen Kühlschrank und stelle ihn an den Straßenrand. Das klingt absurd, aber das ist eine ähnliche Praxis. Autos werden im öffentlichen Raum gelagert. Das Wort „parken“ normalisiert dieses Verhalten. Wir hinterfragen diese Praxis nicht. Dabei ist das die Privatisierung des öffentlichen Raumes. Ein Parkplatz kostet bei der Einrichtung bis zu 5.000 Euro, im Unterhalt bis zu 300 Euro im Jahr in urbanen Räumen. Die Anwohnerparkgebühren spiegeln diese Kosten nicht wider. Der öffentliche Raum ist viel zu wertvoll, um Privatautos gratis oder nahezu gratis dort abzustellen…
    Quelle: taz
  17. Sie sagen Klasse, aber sie meinen es nicht so
    (…) Das lebenslange Gefühl, ein Hochstapler zu sein
    Selbst wer den Aufstieg aus den bildungsfernen Schichten geschafft hat, aus der wirtschaftlichen und geistigen Armut, kommt nur selten wirklich an. Weit verbreitet ist hier das Hochstaplersyndrom – das Gefühl, das bessere Leben nicht wirklich verdient zu haben, und die Furcht, als Emporkömmling entlarvt zu werden.
    Selbst wenn die Fesseln der Herkunft abgestreift sind, bleiben die Schwielen ein Leben lang erhalten. An ihnen erkennt man doch, woher einer kommt – und sei es auch nur daran, dass er seinen Dialekt nicht abgelegt hat oder sie ein Brotmesser nicht von einem Kaviarmesser unterscheiden kann. Der französische Philosoph Pierre Bourdieu sprach von den „feinen Unterschieden“, die kaum erlernen kann, wer sie nicht als Erbe zugeteilt bekommen hat.
    Diese Unterschiede sind gemacht – und die sind gewollt. Mit ihnen dichten sich oberen Klassen zuverlässig nach unten ab. Wer hat, dem wird gegeben. Wer nichts hat, hat eben Pech gehabt.
    Sprachkosmetik löst das Problem nicht
    Was zu tun wäre, liegt auf der Hand. Aufstieg sollte keine Frage von Herkunft oder Geldbeutel sein, sondern von Neigung und Leistung. Es ist vielleicht das zentrale Versprechen unserer Gesellschaft, das noch auf Einlösung wartet. Je durchlässiger eine Gesellschaft, umso besser für ihre Stabilität. Es bräuchte ein Schulwesen, das nicht selektiert, und eine Universität, die wirklich universell ist. Es bräuchte faire Löhne auch für Berufe, deren Prestige nur gering ist. Es bräuchte eine Gesellschaft, die nicht Klassengesellschaft ist – oder sich diesen Umstand wenigstens eingesteht.
    Hier setzt der Begriff des Klassismus an. Ganz unten, wo’s nicht weh tut und nichts kostet. Da geht es dann bequemerweise nicht um Umverteilung oder Chancengleichheit, sondern um Sprache, um freundlichen Umgang miteinander, so wie man anständigerweise auch nichts Rassistisches oder Homophobes sagt. Dann wird, statt rüde von „armen Menschen“ zu reden, lieber freundlich von „Einkommensschwachen“ oder „sozial Benachteiligten“ gesprochen. Sprachkosmetik, die den Gegensatz der Klassen einebnet, ohne den Betroffenen wirklich zu helfen.
    Sozial Schwache wollen Veränderung, nicht Anerkennung
    Das ist der kategoriale Unterschied zwischen Klassismus einerseits und Sexismus, Homophobie oder Rassismus andererseits. Die davon betroffenen wollen in ihrer Identität anerkannt und der Mehrheit gleichgestellt werden. Wer aber arm ist, der möchte das nicht bleiben.
    Es ist schon okay, den Klassismus anzuprangern. Die Marxistin würde leise hinzufügen: „Klassenkampf“.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung J.K.: Der Beitrag benennt genau einen der wesentlichen wunden Punkte der Identitätsideologie, die suggeriert man müsse nur die Sprache verändern und schon hätte man die gesellschaftlichen Verhältnisse verändert. Doch ob man nun gendergerecht schreibt oder nicht verändert insbesondere an den ökonomischen Macht- und Besitzverhältnissen erst einmal gar nichts und so ist es vielleicht auch gedacht.

  18. Appell für Presse- und Meinungsfreiheit
    Von Verlag, Redaktion und Genossenschaft der Tageszeitung junge Welt
    In großer Sorge um die Pressefreiheit in diesem Land wenden sich Verlag, Redaktion und Genossenschaft der in Berlin erscheinenden Tageszeitung junge Welt an die deutsche und internationale Öffentlichkeit. Als einzige Tageszeitung in der Bundesrepublik steht die junge Welt unter Dauerbeobachtung durch den Inlandsgeheimdienst. Seit dem Jahr 2004 wird sie regelmäßig im Verfassungsschutzbericht des Bundes im Kapitel »Linksextremismus« aufgeführt und dort als »Gruppierung« eingestuft, die angeblich »verfassungsfeindliche Ziele« verfolgt. Nun handelt es sich bei der jungen Welt nicht um eine politische Organisation, sondern um ein journalistisches Produkt. Wir sehen einen handfesten politischen Skandal darin, dass eine staatliche Behörde sich anmaßt, eine unabhängige Zeitung in dieser Weise an den Pranger zu stellen, weil ihr bestimmte Inhalte nicht gefallen.
    (…) In Reaktion auf unser Schreiben wandte sich die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke mit einer Kleinen Anfrage (BT-Drucksache 19/28956) an die Bundesregierung, um sich im Detail nach den Gründen für die geheimdienstliche Beobachtung der jungen Welt und deren Nennung im VS-Bericht zu erkundigen.
    Die Antwort der von Union und SPD geführten Regierung vom 5. Mai 2021 muss beunruhigen, liefert sie doch Argumente für eine sehr weitgehende Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte, die alle fortschrittlichen Kräfte in diesem Land betreffen. Die Bundesregierung rechtfertigt ihre Eingriffe mit der »verfassungsfeindlichen« weltanschaulichen Orientierung der jungen Welt: »Themenauswahl und Intensität der Berichterstattung zielen auf Darstellung ›linker‹ und linksextremistischer Politikvorstellungen und orientieren sich am Selbstverständnis der jW als marxistische Tageszeitung.«…
    Wir appellieren an die kritische Öffentlichkeit, sich dieser von obrigkeitsstaatlichem Denken geleiteten Einschränkung demokratischer Grundrechte zu widersetzen. Wir bitten Sie: Studieren Sie gründlich die Antwort der Bundesregierung! Fordern Sie Ihre demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten auf, dazu Stellung zu nehmen! Zeigen Sie sich solidarisch mit der Tageszeitung junge Welt – auch im eigenen Interesse! Verlag, Redaktion und Genossenschaft werden sich nicht einschüchtern lassen und auch weiterhin alles dafür tun, dass eine relevante linke Tageszeitung auf dem Markt verfügbar bleibt.
    Quelle: junge Welt

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