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  1. Schulden oder Schulden, das ist hier die Frage
  2. Fünf Punkte für jede Sondierung: Investitionen, Dekarbonisierung und Beschäftigung, 12 Euro Mindestlohn, Sicherung von Mitbestimmung und Rente
  3. Die Pflegeversicherung vor der Zahlungsunfähigkeit? Eine Milliarde Euro kann vielleicht das aktuelle Loch stopfen, aber das Grundproblem nicht lösen
  4. Altersarmut: Bayern stärker betroffen als der Osten
  5. Die letzte Meile
  6. Gorch Fock” – das Segelschulschiff ist zurück in Kiel
  7. Afghanistan-Einsatz kostete mehr als 17,3 Milliarden Euro
  8. Ukraine-Einsatz als “Lackmustest”
  9. Energieversorgung gefährdet: Zwei Mal stand Deutschland vor Total-Blackout – warum unser Stromnetz Schluckauf hat
  10. Vorbild Österreich: Diese Steueridee könnte der Zitrus-Koalition den Weg weisen
  11. Die Hohenzollern und die Nazis: Das rechte Netzwerk
  12. Gut geschmiert
  13. Fake News über Tucholsky
  14. Youtube verbietet Diskussion von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl in Berlin
  15. Pandora Papers decken Steuertricks auf: Blamage für die EU

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Schulden oder Schulden, das ist hier die Frage
    In den Sondierungen im Vorfeld von Koalitionsverhandlungen und in deren medialer Begleitung spielen die Schulden des Staates eine herausragende Rolle. Insbesondere die konservativen Parteien und deren Medienlobbyisten fühlen sich aufgerufen, vor einer „Aufweichung“ der gesetzlich festgelegten Schuldenregeln in Deutschland und Europa zu warnen. Europa drohe eine Schuldenexplosion, wenn Deutschland, das in ihren Augen bisher der Hort der Stabilität war, nun im Gefolge der Coronakrise von den hehren und hergebrachten Prinzipien Abschied nehme. Nur durch von den privaten Unternehmen getriebenes Wachstum, so die Konservativen und Liberalen, könnten die öffentlichen Schulden wieder auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden.
    Diese Diagnose samt der dazugehörigen Therapie ist reine Fantasie. Es mangelt ihr an allem: an einer Faktenbasis und an volkswirtschaftlicher Logik. Es ist mehr als erstaunlich, dass es gelingt, diese Geschichte immer wieder zu erzählen, ohne massiven Widerspruch derjenigen zu ernten, die im Bereich Wirtschaft als Experten auftreten. Das ist nur mit dem enormen ideologischen Bias der sogenannten Wirtschaftswissenschaften zu erklären. Alles, was nicht in ihr Uralt-Schema der funktionierenden Märkte passt, wird einfach ausgeblendet.
    Gut, dass die Zusammenhänge so einfach sind, dass man sie auch ohne Studium der Volkswirtschaftslehre mit ein wenig gesundem Menschenverstand jederzeit nachvollziehen kann. Das ist genau das, was man von den Verhandlungspartnern in den Sondierungen und Koalitionsverhandlungen erwarten muss. Trifft die FDP mit ihren mehr als naiven Vorstellungen über die staatlichen Schulden nicht auf aufgeklärte Partner, die den Liberalen die Zusammenhänge erklären können, ist jede Koalition zum Scheitern verurteilt. Weder von Olaf Scholz noch von Armin Laschet kann man erwarten, dass sie dazu in der Lage sind. Alles hängt folglich an Robert Habeck, der immerhin – wie hier gezeigt – zu erkennen gegeben hat, dass er auf dem Wege ist, die einfachen Vorurteile, die auch seiner Partei nicht fremd sind, zu hinterfragen.
    Bei einer angemessenen Diagnose der Lage in Deutschland und Europa erkennt man sofort, dass die Schuldenfrage politisch von entscheidender Bedeutung ist. Wer hier versagt, versagt auf fast allen anderen Feldern. Das gilt insbesondere für Europa, wo Deutschland in der EWU die Weichen neu zu stellen hat. Man muss sich davor hüten, auf Kurzschlüsse hereinzufallen, wie sie vom SPD-Vorsitzenden Walter-Borjans verbreitet werden (hier z. B.), der die Frage der staatlichen Schulden aus den Koalitionsverhandlungen ausblenden will, weil es sowieso keine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament für eine Änderung der Schuldenbremse im Grundgesetz gebe. Eine solche Position ist mehr als fahrlässig. Sie drückt sich vor der notwendigen sachlichen Auseinandersetzung bei einer Frage, die für die Zukunft Deutschlands und Europas zentral ist.
    Quelle: Relevante Ökonomik
  2. Fünf Punkte für jede Sondierung: Investitionen, Dekarbonisierung und Beschäftigung, 12 Euro Mindestlohn, Sicherung von Mitbestimmung und Rente
    Zusätzliche öffentliche Investitionen von mindestens 460 Milliarden Euro, ein Transformationsfonds, der bei der Einführung klimaneutraler, aber aktuell noch teurer Produktionstechniken unterstützt, eine zügige Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro, ein Ausgleich von steigenden CO2-Preisen, der einerseits Privathaushalte mit niedrigen Einkommen und andererseits die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie schützt, Ausbau von Weiterbildungsangeboten und Stärkung der Mitbestimmung: Das sind Weichenstellungen, mit denen die nächste Bundesregierung sicherstellen kann, dass Deutschland Mitte des 21. Jahrhunderts ein wohlhabendes Land mit starker, klimagerechter Wirtschaft und funktionierendem gesellschaftlichen Zusammenhalt sein wird. Sie sind notwendig, machbar und finanzierbar. Werden die daraus folgenden positiven Effekte auf dem Arbeitsmarkt mit Reformen kombiniert, die bislang vernachlässigte Beschäftigungsressourcen erschließen, stärkt das auch die Finanzbasis der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der Rentenversicherung. Zu diesen Ergebnissen kommen Forscherinnen und Forscher der Hans-Böckler-Stiftung. Diese Weichenstellungen sollten in allen kommenden Sondierungs- und Koalitionsgesprächen auf dem Programm stehen, empfehlen die wissenschaftlichen Direktorinnen und Direktoren der vier Stiftungs-Institute IMK, WSI, I.M.U. und HSI in einer neuen Kurzanalyse.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung
  3. Die Pflegeversicherung vor der Zahlungsunfähigkeit? Eine Milliarde Euro kann vielleicht das aktuelle Loch stopfen, aber das Grundproblem nicht lösen
    »Ein Minus von 2,5 Milliarden Euro werde die Pflegeversicherung in diesem Jahr einfahren, warnen die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Damit wäre der Puffer durch die letzte Beitragserhöhung bereits aufgebraucht.« Das konnte man Anfang 2021 dieser Meldung entnehmen: Pflegeversicherung steuert auf Defizit von 2,5 Milliarden Euro zu. »Nach Prognosen des GKV-Spitzenverbands werden bei den Pflegekassen Einnahmen von 50,3 Ausgaben von 52,8 Milliarden Euro gegenüberstehen. Das zu erwartende Defizit von 2,5 Milliarden Euro müsse aus dem Pflegeausgleichsfonds ausgeglichen werden«, so hieß es am Anfang dieses Jahres. »Der GKV-Spitzenverband forderte die Regierungskoalition auf, noch vor der Bundestagswahl die Finanzierungsprobleme in der Pflege anzugehen. Ohne eine Reform müssten spätestens 2022 die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen.« Und auch eine konkrete Hausnummer wurde genannt: »Nötig sei ein dauerhafter Steuerzuschuss von bis zu neun Milliarden Euro pro Jahr.«
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  4. Altersarmut: Bayern stärker betroffen als der Osten
    BR24-Datenanalyse: In keinem anderen Bundesland sind so viele Menschen im Alter armutsgefährdet wie in Bayern. Im Vergleich mit den neuen Bundesländern ist auch die Quote bei der Grundsicherung im Alter höher – Frauen sind besonders betroffen.
    Zum Tag der Deutschen Einheit werden gern die Unterschiede zwischen den neuen und alten Bundesländern betont, die die Wiedervereinigung überlebt haben. Ein Klassiker: Der reiche Westen, der arme Osten. Diese BR24-Datenanalyse zeigt jedoch: Im Alter sind es nicht die Sachsen oder Thüringer, sondern die Bayern, die am stärksten mit Armut zu kämpfen haben.
    Um die Entwicklungen im Bereich Armut zu zeigen, wird von offiziellen Stellen und Verbänden oft die Armutsgefährdungsquote als Kennwert herangezogen. Die folgende Karte zeigt, wie diese für die Über-65-Jährigen bei der jüngsten Erhebung im Jahr 2019 ausfiel:
    Quelle: BR24
  5. Die letzte Meile
    Der Konzern reorganisiert seine Logistik. Arbeitsrecht und Würde spielen dabei keine Rolle
    „Maschine, ich bin eine Maschine“, sagt der Fahrer des weißen Lieferwagens. „Zwölf Stunden, jeden Tag, seit vier Jahren. Aber wenn ich nicht arbeite, kriege ich kein Geld.“ Der Mann stellt Pakete für Amazon zu, die globale Nummer eins des Onlinehandels. Jeden Morgen wartet er mit seinem Lieferwagen in der Schlange vor dem Verteilzentrum Frankfurt am Main.
    An diesem Spätsommermorgen, Anfang September 2021, ist aber etwas anders: Eine kleine Gruppe von Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen verteilt Flyer in verschiedenen Sprachen an die Fahrer. Schnell kommt man ins Gespräch. Die Geschichten ähneln sich: Fahrer berichten von Zehn- oder Zwölf-Stunden-Schichten, von Arbeitsdruck, von Tagestouren mit 250 Zustellungen. Am Monatsende, oft auch verspätet, erhalten sie 1.000 bis 1.200 Euro. Manchmal gibt es Abzüge, etwa für einen abgefahrenen Spiegel oder Kratzer am Fahrzeug.
    Schaut man genauer hin, verstößt vieles davon gegen deutsches Arbeitsrecht. Aber: Wo kein Kläger, da kein Richter. Die Fahrer kennen ihre Rechte oft nicht. Viele kommen aus Osteuropa, einige aus dem Nahen Osten. Sie sind auf den Job angewiesen. Der Mut, sich mit ihrem Arbeitgeber anzulegen, ist nicht groß.
    Quelle: der Freitag
  6. Gorch Fock” – das Segelschulschiff ist zurück in Kiel
    Lange war die Zukunft der “Gorch Fock” nicht sicher – nun ist das Segelschulschiff der Deutschen Marine nach knapp sechsjähriger Sanierung wieder im Kieler Heimathafen angekommen.
    Quelle: NDR

    dazu: heute – in Deutschland vom 4. Oktober 2021
    Quelle: ZDF

    dazu auch: Segelschulschiff: Naturschützer protestieren gegen Teakholz auf der »Gorch Fock«
    Zwischendurch stand das Segelschulschiff der Marine vor dem endgültigen Aus. Nun ist die »Gorch Fock« nach sechs Jahren wieder zurück in ihrem Heimathafen Kiel. Die Kontroversen gehen dennoch weiter.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung Albrecht Müller: Was hier an sinnloser Geldverschwendung abgelaufen ist und wie wohlwollend der Vorgang insgesamt berichtet und kommentiert wird, ist ein gutes Zeichen für die Macht des Militärischen in unserem Staat und nebenbei auch für norddeutsche Folklore. Mehr als eine Verzehnfachung der ursprünglich angesetzten Kosten, statt 10 Millionen wurden es 135 Millionen – für die Erneuerung eines Segelschulschiffes. Und dann Kritik wegen des verbauten Teakholzes. Das passt. Ansonsten Unterstützung durch die großen Medien von Spiegel über den NDR bis zu ZDF-heute. Vom ZDF wurde ein Zuschauer zitiert, der auf all die großen Geldverschwendungen hingewiesen hat: Berliner Flughafen, Stuttgart 21, Elbphilharmonie, usw… Da wird man doch auch für ein sinnloses Segelschulschiff den zehnfachen Betrag des ursprünglich angesetzten Betrags ausgeben dürfen. Und wem haben wir das alles zu verdanken? Frau Kramp-Karrenbauer, Frau von der Leyen und Angela Merkel im Hintergrund. Was haben wir da doch für effiziente Frauen in der Politik!

  7. Afghanistan-Einsatz kostete mehr als 17,3 Milliarden Euro
    Die höchsten Kosten beim Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan hat das Militär verursacht. Ausgaben des Bundesnachrichtendienstes wurden als geheim eingestuft.
    Der 20 Jahre dauernde Einsatz deutscher Soldaten und Entwicklungshelfer in Afghanistan hat nach Angaben der Bundesregierung mehr als 17,3 Milliarden Euro gekostet. Den weitaus größten Posten machte dabei das Militär aus.
    Quelle: Zeit Online

    dazu: Gespenstische Szenerie in der verlassenen deutschen Basis
    WELT erhielt als erstes Medium Zugang zu Camp Marmal, dem verlassenen Hauptquartier der Bundeswehr in Afghanistan. Der neue Taliban-Kommandeur zeigte unseren drei Reportern das Gelände. Was sie dort erlebten, ist hochgradig bizarr. […]
    In den Gebäuden ist alles noch so, wie es die Bundeswehr bei ihrem Abzug hinterlassen hat. Die großen elektrischen Kochtöpfe in der Küche sind blitzblank geputzt. Die Stühle in der Kantine hat man akkurat in Reih und Glied auf die Tische gestellt. Die Essenstablette sind nach der Desinfektion noch in Plastikfolie geschweißt.
    Läge nicht überall dicker Staub, könnte man meinen, die deutschen Soldaten nehmen gleich wieder Platz, sobald das Licht eingeschaltet wird. Es ist wirklich verblüffend, wie mit deutscher Gründlichkeit aufgeräumt ist. Anscheinend wollte man eine reibungslose Übergabe an die nächsten Besitzer der Basis ermöglichen.
    Die Schlüssel im Verwaltungstrakt liegen nummeriert und beschriftet in Kuverts bereit. In der Poststelle warten leere Körbe mit dem deutschen Postemblem auf neue Briefe und Pakete. In vielen Regalen liegen Laserdrucker-Cartridges originalverpackt und unberührt. Auf den Konferenztischen stehen Wasserflaschen sorgfältig zu Dreiecken drapiert. Die Stifte für die Whiteboards stecken nach Farben geordnet daneben.
    Quelle: Welt Online

  8. Ukraine-Einsatz als “Lackmustest”
    Die Ukraine verstärkt ihren Druck auf die Bundesregierung, einem militärischen EU-Trainingseinsatz für ukrainische Offiziere zuzustimmen. Die EU und “vor allem Deutschland” müssten die Intervention “schnellstmöglich auf den Weg” bringen – und zwar als “robuste militärische Ausbildungsmission”, fordert der Botschafter des Landes in Deutschland, Andrij Melnyk. Für die Außenpolitik der künftigen Bundesregierung sei dies “ein Lackmustest”. Am Wochenende war berichtet worden, dass die EU über einen Ausbildungseinsatz in der Ukraine diskutiert. Bereits zuvor hatte es in einem Strategiepapier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) geheißen, “Vorbehalte” gegen einen Ausbau der militärpolitischen Kooperation mit Kiew seien unangemessen; Berlin sei “gut beraten”, die Suche nach Kooperationsfeldern mit Moskau “einzustellen”. Treffen die Berichte über den Stand der Debatte zu, dann sind vor allem die Modalitäten des Einsatzes noch offen; er könne, heißt es, über eine kaum auffällige “Verbindungs- und Planungszelle” organisiert werden. Einzelne EU-Staaten unterstützen die Ukraine längst mit Waffenlieferungen.
    Quelle: German Foreign Policy
  9. Energieversorgung gefährdet: Zwei Mal stand Deutschland vor Total-Blackout – warum unser Stromnetz Schluckauf hat
    Die Zukunft der Energieversorgung ist eine Kernfrage in den Koalitionsverhandlungen. Zeitgleich steigt die Gefahr eines totalen Stromausfalls in Europa durch die Energiewende in Deutschland. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz schätzt es als die wahrscheinlichste Katastrophe ein. Zweimal in diesem Jahr war es schon fast soweit.
    Es ist der 8. Januar 2021, Deutschland steckt tief in der Pandemie, die Skiurlaube über den Jahreswechsel sind flachgefallen, und dass die Arbeit wieder beginnt, merken die meisten Menschen zwischen Flensburg und Garmisch-Patenkirchen nur daran, dass die morgendliche Videokonferenz am Küchentisch wieder aufflackert.
    Um genau 13.04 Uhr kommt es in Österreich zu einem starken Frequenzabfall im Stromnetz infolge eines Kraftwerkausfalls in Rumänien. Der Verband europäischer Übertragungsnetzbetreiber ruft die dritte von vier Warnstufen aus. Beim niederösterreichischen Stromversorger EVN melden sich Großkunden, weil sensible Maschinen die Frequenzabsenkung bereits gespürt haben, berichtet ein EVN-Sprecher. „Wenn die Schwankungen zu hoch sind, schalten sich Maschinen aus Selbstschutz ab.” Das kann auch bei Kraftwerken passieren, und dann wird es kritisch. Dann wird aus einem Ausfall eine Kettenreaktion, und in Europa gehen nicht nur die Lichter aus.
    Quelle: Focus Online
  10. Vorbild Österreich: Diese Steueridee könnte der Zitrus-Koalition den Weg weisen
    Mit einer „ökosozialen Steuerreform“ zeigt die Alpenrepublik Grünen und FDP einen Kompromiss auf. Bundeskanzler Kurz versüßt den Bürgern die neue CO2-Abgabe auf Benzin – mit weitreichenden Steuersenkungen. Dabei berücksichtigt er sogar einen gesellschaftlichen Grundkonflikt.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Vorbild Österreich”? Viel Brimborium um eine etwas höhere CO2-Besteuerung, die dann in Form einer Kopfpauschale ausgeschüttet wird und viel zu niedrig ist, um irgendeine Lenkungswirkung zu haben – das ist der Teil, den Kogler wohl seinen österreichischen Grünen verkauft. Das sind aber nur die lächerlichen Girlanden an einem neoliberalen Steuersenkungsprojekt der ÖVP von Kurz; wenn die Körperschaftsteuersätze um 2 Prozentpunkte sinken, dann erhalten Konzerne nicht 100 Euro Umweltbonus, sondern ggf. hunderte Millionen Euro jährliche Steuersenkungen. 18 Milliarden Euro, die Kurz hauptsächlich an Großunternehmen und Höchsteinkommensbezieher verschenken will, hören sich niedlich an; aber auf das neunmal so große deutsche BSP bezogen wären das 162 Milliarden Euro – Geld, das der deutsche Staat ganz sicher nicht für die weitere Bevorzugung von Konzernen und Superreichen übrig hat, die vielmehr deutliche höhere Steuersätze zahlen müssten. Zur Gegenfinanzierung wird der übliche Voodoozauber beschworen, der Steuerwettbewerb (der, nur mal so, dann anderen Ländern Steuereinnahmen entzieht). “Die Hoffnung auf eine sich selbst finanzierende Steuerreform findet sich” natürlich auch im Wahlprogramm der deutschen FDP, aber ganz sicher nicht in dem der deutschen Grünen, denen man ansonsten genug vorwerfen kann. Massive Steuersenkungen als Basis einer Grün-Gelben Koalition klingen doch etwas verrückt – oder wie eine Reprise der “Agenda-2010”-Politik von vor 20 Jahren. Die österreichischen Grünen dagegen machen alles mit, was irgendwie grün angemalt erscheint.

  11. Die Hohenzollern und die Nazis: Das rechte Netzwerk
    In welchem Maße haben Mitglieder der Hohenzollern-Familie zum Aufstieg der Nationalsozialisten beigetragen? Ein Gespräch mit dem Historiker Stephan Malinowski über sein bahnbrechendes neues Buch. […]
    Rückblickend sehen die Selbstdarstellungen gerne anders aus. Ein Kapitel in Ihrem Buch behandelt den Mythos des Widerstands, der nach dem Krieg dann eine Rolle spielt.
    Ich halte den 20. Juli für eines der wichtigsten politischen Gründungsmythen der Bundesrepublik. Und dieser Prozess verläuft zwischen Kriegsende 1945 und 1954. Am zehnten Jahrestag des Stauffenberg-Attentats ist die erste große Veranstaltung hier in Berlin, ich glaube im Audimax der FU Berlin, Theodor Heuss hält eine große Rede, und auch Louis Ferdinand Prinz von Preußen ist hier anwesend. Das Grundproblem, das die deutsche Rechte, das die Konservativen nach 1945 und in der frühen Bundesrepublik haben, ist, sich von diesem Odium freizumachen, dem Nationalsozialismus in den Sattel geholfen zu haben. Aus Kreisen der Hohenzollern- Familie hieß es dann: Die hatten Kontakte zum Widerstand.
    Stimmt das denn?
    Mich selbst hat ein von meinem Kollegen Stefan J. Link in den USA gefundener Brief überrascht. Ein vierseitiges Schreiben vom März 1933, in dem Louis Ferdinand, der zweite Sohn des Kronprinzen, einem Berater Henry Fords erläutert, warum er bei Reichstagswahlen 1933 NSDAP gewählt hat – und dann für das NS-Regime wirbt. Wir haben bislang keine klaren Belege dafür, dass Louis Ferdinand aktiv im Widerstand war, wir haben aber eindeutige Belege dafür, dass er 1933 das NS-Regime aktiv gefördert hat. Insofern lässt sich sagen: Es war ein Konglomerat von Personen aus drei Generationen dieser Familie, die vom ersten bis zum letzten Tag versucht haben, diese Republik anzugreifen und die den Nationalsozialismus massiv unterstützt haben. Faktisch, persönlich durch Gespräche, durch Schriften und vor allem durch Symbolik und symbolische Auftritte.
    Quelle: FAZ
  12. Gut geschmiert
    Wilhelm Schlötterer schreibt Bestseller über den bayerischen Filz. Die CSU schweigt dazu – andere schauen weg
    Vor Jahren weigerte sich Dr. jur. Wilhelm Schlötterer, damals Leiter des Steuerreferats im bayerischen Finanzministerium, Großunternehmern die Steuer zu erlassen, und erregte damit den Unwillen des aufstrebenden Politikers Franz Josef Strauß. Als Strauß Ministerpräsident wurde, geriet Schlötterer unter Druck: Man rügte ihn, eröffnete ein Disziplinarverfahren, verweigerte die Beförderung; Strauß wollte ihn für geisteskrank erklären lassen. Der nervenstarke junge Beamte konnte zwar die Angriffe abwehren und seine Beförderung erzwingen, musste aber das Steuerreferat abgeben. Franz Josef Strauß machte in den folgenden Jahren das System „Steuerbefreiung gegen Schmiergeld“ zum Fundament eines gigantischen Vermögens.
    Jahrzehnte später, nach seiner Pensionierung, schrieb Schlötterer darüber sein Buch Macht und Missbrauch (2009), die atemberaubende Innenansicht eines Ministeriums im Schwitzkasten krimineller Politik. Es wurde mit über 100.000 verkauften Exemplaren ein Bestseller. Aus der Politik kam kein Dementi. CSU-intern wurde die Devise ausgegeben, über das Buch zu schweigen. Auch die Presse hielt sich raus. Auftritte des Autors wurden zwar im Lokalteil erwähnt, die Feuilletons aber ignorierten das Buch.
    Nun eine schöne Überraschung: Zahlreiche Leser meldeten sich mit eigenen Beobachtungen bei Wilhelm Schlötterer. Diese Zeugen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten vom Chauffeur bis zum CSU-Politiker hatten bisher geschwiegen, weil sie sich ohnmächtig fühlten, zunächst gegenüber dem cholerischen und rachsüchtigen Strauß, später angesichts der triumphalen Selbstdarstellung der CSU. Aber sie hatten Vorgänge notiert und Dokumente aufbewahrt, sie waren erleichtert, endlich Gehör zu finden. Damit begann ein eigenwilliges Projekt machtunabhängiger Geschichtsschreibung, das seinesgleichen sucht. Der Pensionär Schlötterer hatte keine Ermittlungsbefugnisse, keinen Redaktionsstab und kein Team von Rechercheuren, aber er hörte zu.
    Quelle: Petra Morsbach in der Freitag
  13. Fake News über Tucholsky
    Unter dem Titel „Raus aus Mali – Wie sinnvoll sind Auslandseinsätze?“ sendete der SWR2 in seiner Sendung „Forum“ am 30.9.2021 eine Diskussion mit der Afrikakorrespondentin Bettina Rühl, Dr. Christian Mölling als „Militärexperte[n] der DGAP“ und Prof. Dr. Johannes Varwick, Politikwissenschaftler der Universität Halle. Dabei wurde auch die Frage angesprochen, ob deutsche Soldaten „missbraucht“ worden seien, was Varwick verneinte. „Es wurden Versuche gemacht, ferne Länder – sage ich mal so – zu stabilisieren und zwar aus eigenem Interesse“.
    Anschließend führte er aus: „Der alte Satz von Tucholsky ‚Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin‘ geht ja so weiter, dass es weiter heißt: ‚dann kommt der Krieg zu Dir‘. Und das ist auch ein Stück weit richtig. Wir können uns nicht aus den Wirrungen der Weltpolitik heraushalten. Wir müssen nicht überall Soldaten hinschicken – das ist auch klar. Aber es gibt Fälle, wo das verantwortbar ist und das war in Afghanistan der Fall und das war auch in Mali der Fall. Es gab also gute Gründe für Interventionen“.
    Das Zitat wird im deutschen Sprachraum oft fälschlich Berthold Brecht zugeordnet – so gut wie nie allerdings Kurt Tucholsky. Die Erweiterung des Zitates um die Zeile „dann kommt der Krieg zu Dir“ hatte 2016 bereits die damalige „Verteidigungsministerein“ von der Leyen in einer Talkrunde bei Maybrit Illner wiedergegeben – und war dafür prompt von der FAZ korrigiert worden:
    „Ministerin von der Leyen sucht Zuflucht bei Berthold Brecht, allerdings mit einer Zeile, die nachweislich nicht von ihm stammt. Da hat ihr Lyrik-Referent nicht aufgepasst. ‚Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin‘. Das stammt von dem amerikanischen Autor Carl Sandburg. Die folgende Zeile ‚dann kommt der Krieg zu uns‘ hat ein anonymer Autor dran geklebt.“ Trotz der umgehenden Kritik hatte auch der Politikwissenschaftler Herfried Münkler 2018 das falsche Zitat noch einmal in der Lampertheimer Zeitung vorgetragen. Im März 2021 bestätigte die Deutsche Welle unter dem Titel „Falschen Zitaten auf der Spur“ noch einmal die falsche Zuordnung zu Brecht – auch ohne die falsche zweite Zeile.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  14. Youtube verbietet Diskussion von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl in Berlin
    In Berlin kam es bei der Bundestagswahl und den gleichzeitig stattfindenden Berliner Wahlen und Abstimmungen in großem Umfang zu Unregelmäßigkeit. Das ist unstrittig. Wenn das amtliche Endergebnis bekannt gegeben wird, sind Anfechtungen der Wahl programmiert, mit unsicherem Ausgang vor Gericht. Aber für die Google-Tochter Youtube ist bereits klar: Wer Zweifel am offiziellen Ergebnis der Bundestagswahl äußert, wird gelöscht.
    Unmittelbar vor der Wahl verschickte das Unternehmen folgenden Warnhinweis an Betreiber von Youtube-Kanälen.
    “Zur Richtlinie von YouTube, die sich mit Fehlinformationen über Wahlen befasst, geben wir dir ergänzend einige aktuelle Hinweise. Wir werden unsere Richtlinie zur Rechtmäßigkeit von Wahlen und Wahlergebnissen auf Fehlinformationen zum Ausgang der Bundestagswahl anwenden, sobald die endgültigen Ergebnisse vom Bundeswahlleiter bestätigt wurden.
    Inhalte, in denen fälschlich behauptet wird, dass der Ausgang der Bundestagswahl in Deutschland durch weit verbreitete Betrugsfälle, Fehler oder Pannen beeinflusst worden sei, werden von YouTube entfernt. Dies gilt für Fehlinformationen zum Ausgang der Bundestagswahl, zur Bildung der neuen Regierung oder zur Wahl und Ernennung des nächsten Bundeskanzlers.
    YouTube-Videos, die auf Inhalte mit Fehlinformationen zum Wahlausgang außerhalb von YouTube verweisen (z. B. auf einer externen Videoplattform), werden ebenfalls entfernt.“
    Unklar ist, nach welchen Kriterien Youtube festlegen will, welche Behauptungen einer Beeinflussung der Wahl durch Pannen etc. falsch und welche richtig sind, während sich die Gerichte noch mit dieser Frage befassen.
    Wenn diese Zensur-Richtlinie angewendet wird, dann wird es auf Youtube nicht möglich sein, während der Gerichtsverfahren darüber zu diskutieren, ob das Wahlergebnis rechtmäßig ist oder nicht.
    Unklar, aber eher unwahrscheinlich ist ebenfalls, ob Youtube ähnliche Hinweise auch vor Wahlen in anderen Ländern verschickt, deren Ergebnisse anzuzweifeln zum guten Ton gehört, zum Beispiel in Weißrussland oder Russland.
    Quelle: Norbert Häring

    Anmerkung Christian Reimann: Diese Einmischung eines US-amerikanischen Medienkonzerns in die Berichterstattung über Wahlen in Deutschland verdeutlicht die Abhängigkeit von und die Einflussmöglichkeiten der US-Vermögenden. Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut:

    1. RT, YouTube und der Info-Krieg
    2. Facebook behält „Hausrecht“: Freibrief für politische Willkür
    3. Zensur in der Corona-Debatte
  15. Pandora Papers decken Steuertricks auf: Blamage für die EU
    Auch Politiker, die Steuerschlupflöcher bekämpfen wollen, profitieren gern von ihnen: Die internationalen Recherchen sind diesmal besonders pikant. […]
    Die Leaks zeigen vor allem, dass auch Politiker von den Schlupflöchern profitieren, die sie offiziell bekämpfen. Dies mag ein Grund dafür sein, dass die internationalen Bemühungen um eine Trockenlegung der Steuerparadiese bisher nicht allzu viel gebracht haben. Vor allem die EU steht mal wieder blamiert da. Sie hatte schon nach den LuxLeaks 2014 Besserung gelobt.
    Sieben Jahre später öffnet sich die „Büchse der Pandora“ – und die EU-Maßnahmen erweisen sich als unzureichend. Vor allem beim Kampf gegen Steueroasen und Briefkastenfirmen gehe es viel zu schleppend voran, kritisiert der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU). Daran trage auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Mitschuld.
    „Die Pandora Papers zeigen, dass die Fortschritte in der internationalen Steuerpolitik nicht ausreichen“, erklärte der grüne Europapolitiker Sven Giegold. Die auch von der EU unterstützte globale Mindeststeuer gelte nur für Großunternehmen, aber nicht für die Briefkastenfirmen von Hochvermögenden. „Wir brauchen volle Transparenz über die wirklichen Eigentümer“, so Giegold.
    Die EU-Kommission reagierte prompt – und versprach, ihren Kampf gegen Steuerhinterziehung zu verschärfen. Auch die EU-Finanzminister wollen die Blamage nicht auf sich sitzen lassen. Bei ihrem Treffen am Dienstag in Luxemburg wollen sie eine neue „schwarze Liste“ der Steueroasen beschließen.
    Im Vorfeld ist allerdings bekannt geworden, dass sie diese Liste kürzen wollen: Anguila, die Seychellen und Dominica sollen gestrichen werden. Auch die Türkei steht plötzlich nicht mehr am Steuer-Pranger. Wenn es dabei bleibt, würden nur noch neun Staaten auf der EU-Liste der Steueroasen auftauchen.
    Das sei „absurd“, ärgert sich Giegold. Die Pandora Papers müssten als „Weckruf“ für die Finanzminister dienen. Stattdessen drohe wieder „schlechtes Stückwerk“.
    Quelle: taz

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