Leserbriefe zu „Phrasenwörterbuch – heute: „Solidarität““

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Mit diesem Beitrag erweitert Tobias Riegel das „Wörterbuch der Phrasendrescher“, in dem „in unregelmäßigen Abständen Modewörter und sprachliche Umdeutungen thematisiert“ werden, um den Begriff „Solidarität“. Es sei ein „gekapertes Wort“, denn aus einem Begriff der Arbeiterbewegung sei „eine Lieblingsvokabel der Mächtigen geworden“. Die Notwendigkeit der solidarischen Unterwerfung werde oft von einer höheren Gewalt oder „multiplen Krisen“ abgeleitet. Als Akte der Solidarität würden u.a. die Booster-Impfung, Rüstungslieferungen und Lohnzurückhaltung gelten. Wir danken für die interessanten Zuschriften. Hier nun eine Auswahl der Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.


1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel,

mit Ihrer Beschreibung dieses umgedeuteten Begriffs “Solidarität” durch unsere Mainstreammedien und durch die Politik treffen Sie den Nagel auf den Kopf.  Diese Umdeutung ist aus meiner Sicht eine ganz pervide Art die Menschen zu manipulieren, da sich anscheinend die Mehrheit der Bürger unseres Landes mit den Begrifflichkeiten nicht großartig auseinandersetzt, mit dem Ergebnis, dass sich eine große Mehrheit der Bürger wie eine Schafherde lenken bzw. beeinflussen läßt. In dieser Hinsicht wird der Begriff Solidarität”, wie Sie es auch schreiben, oft in Zusammenhang gebracht mit Dingen die dem Gemeinwohl (so wie Sie und ich diesen Begriff verstehen) eigentlich abträglich sind und nur die Ziele bestimmter Interessenvertreter und Reichen nutzen sollen. Insofern muß man feststellen, dass man ganz selten in unseren Mainstreammedien und  in der Politik eine Solidarität von den Reichen einfordert, wenn es darum geht das Gemeinwohl in allen Bereichen der Gesellschaft (Gesundheitswesen, Pflege, Bildung, usw.usw) zu stärken. In einer Gesellschaft, in der der Egoismus immer weiter um sich greift, ist es natürlich leicht den Begriff “Solidarität” umzudeuten ohne auf großen Widerstand zu stoßen, da Solidarität im ursprünglichen Sinn scheinbar etwas antikes und “nicht mehr zeitgemäßes” ist.  Bleibt also nur zu hoffen, dass die Menschen ziemlich bald aufwachen.

Mit freundlichen Grüßen
Ralf Glahn


2. Leserbrief

Lieber Herr Riegel,
 
der Begriff “Solidarität” ist spätestens seit 2015 mit der damaligen Flüchtlingspolitik (ab 2020 war es die Corona-Plandemie und seit 2022 ist es der Ukraine-Krieg), zum verbalen Totschlagargument entartet: wer nicht mit dem Mainstream konform geht, ist egoistisch. Igitt! Und wird als Verschwörungstheoretiker, Schwurbler, bis hin zum Nazi verunglimpft. Das alles, weil es (doch tatsächlich!) Menschen gibt, die eine andere Meinung vertreten als die das jeweilige Narrativ Bedienenden in Politik und Medien. Den Ungehorsamen soll mit dieser schwarz/weißen “Gesellschafts-Keule” Gehorsam eingebleut werden. Darum geht es! Um solche Verunglimpfungen auszuhalten, dazu bedarf es eines starken Charakters, bzw. Rückgrat. Das haben Viele nicht (mehr) und gehen den leichten Weg, indem sie sich dem Narrativ unterwerfen. Und hinsichtlich der Lohnpolitik: wenn bei einem Öffentlich-Rechtlichen Sender wie dem RBB Verschwendung von Steuergeldern (und nicht nur dort) in Millionenhöhe System ist und dessen ehemalige Intendantin Schlesinger keine Skrupel hatte, sich für ihre “Dienste” fürstlich entlohnen zu lassen, dann muss ich bei der nächsten Tarifrunde nicht sagen: “Ach lassen Sie man, mein Einkommen eines Otto-Normal-Verbrauchers reicht, auch wenn wegen der hohen Inflation eben nur noch anstatt zwei Brötchen eines auf den Frühstücksteller kommt”. Solidarität? Gern, aber nur, wenn sie für “Alle” gilt.
 
Beste Grüße
Claudia L.


3. Leserbrief

Sehr geehrte NDS Redaktion,

Die Benutzung vom Wort Solidarität muss zwingend sofort die Nachdenkfunktion in Gang setzen.
Dieses Wort zeichnet sich ganz massiv durch seine Selektivität aus.
Der (neo)Liberalismus/Modus Vivendi Liberalismus ist der Inbegriff der Anti-Solidarität, da er den Individualismus/Egoismus des Individuums fast göttlichen Status verleiht.

Nehmen wir mal den Satz Solidarität mit der Ukraine.
In diesem Satz hat das Wort Solidarität keinerlei ersichtliche Bedeutung, da nicht definiert ist worauf sich die Solidarität bezieht. Auf Selenski? Seine Regierung? Die Elite der Ukraine? Die allgemeine Bevölkerung? Seine Soldaten?
Das Fehlen dieser Definition öffnet Tür und Tor, das Wort dort und so einzusetzen wo es gerade gut auskommt.

So ein grüner Minister wie Habeck, wohin geht seine Solidarität eigentlich mehr? Es stehen zur Auswahl:

  • Großanlegern der Wirtschaft?
  • Banken und Multinationalen Großbetrieben?
  • Der Rüstungsindustrie?
  • Den Bürgern die auf die Tafeln angewiesen sind um zu überleben?
  • Den Flutopfern an der Ahr?
  • Den Erdbebenopfern der Türkei?
  • So ganz Grün, den Bienen, Schmetterlingen, Kröten, Igeln?

Mit freundlichem Gruß
Patrick Janssens


4. Leserbrief

Es gibt einige Beispiele dafür, dass die Kaste der Politiker nicht zwingend “Wasser predigen und Wein saufen” muss:

Harry S. Truman – Präsident der Vereinigten Staaten von 1945 bis 1953
… war für seine Einfachheit und Bodenständigkeit bekannt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt lehnte er lukrative Angebote ab und kehrte zu einem einfachen Leben in Missouri zurück.

Urho Kekkonen – 1956 bis 1982 (!) Präsident Finnlands
… wurde für seinen bescheidenen Lebensstil bekannt. Er lebte in einer kleinen Wohnung, trug einfache Kleidung und vermied luxuriöse Ausgaben.

Jimmy Carter – Präsident der Vereinigten Staaten von 1945 bis 1953
… war für seine aufrichtige Bescheidenheit und seinen einfachen Lebensstil bekannt. Nach dem Ende seiner Präsidentschaft setzte er sich für wohltätige Zwecke ein und engagierte sich aktiv in gemeinnützigen Organisationen.

Manmohan Singh – 2004 bis 2014 der Premierminister Indiens
… wurde für seine bescheidene Lebensweise und seine persönliche Integrität geschätzt. Trotz des hohen öffentlichen Amtes blieb er ein zurückhaltender und genügsamer Politiker.

Nelson Mandela – 1994 bis 1999 Präsident Südafrikas
… wurde für seine Bescheidenheit und Demut gelobt. Obwohl er eine herausragende politische Figur war, blieb er persönlich bescheiden und einfach. Während seiner Amtszeit als Präsident lehnte er es ab, einen luxuriösen Lebensstil zu führen und setzte sich stattdessen für die Verbesserung der Lebensbedingungen der ärmeren Bevölkerung ein. Nach seiner Amtszeit lebte er in einem bescheidenen Haus in Johannesburg.

José “Pepe” Mujica – 2010 bis 2015 der Präsident von Uruguay
… lebte in einer bescheidenen Farm außerhalb von Montevideo. Er spendete den Großteil seines Gehalts für wohltätige Zwecke und lehnte den pompösen Lebensstil eines Präsidenten ab. Er fuhr einen VW Käfer.

Saludos
Jürgen Warschun


5. Leserbrief

Guten Tag Herr Riegel, wertes Team der  Nachdenkseiten, 

um es noch einmal klar und deutlich aus zu drücken, die DDR war nicht nur Stasi und Staatsapparat.

Schon während der Coronazeit, musste es einem einstigen Bürger der DDR auffallen, was im Wertewesten unter Solidarität verstanden wird und wie weit, dieses Verständnis, vom eigentlichen Solidaritätsgedanken entfernt ist.

Wir hatten damals viele Lieder, Wünsche, Träume, Illusionen, von einer anderen, besseren Welt und nicht von einer, die nach wie vor nur Geld, materielle Dinge und Macht, über menschliche Existenzen auf diesem Planeten, stellt. Eines dieser Lieder ist z. B.  das nachfolgende Solidaritätslied, dessen Text von Ernst Busch stammt.

Wie sagte meine Oma, immer so schön: “Wo man singt da lass Dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder!”  Ganz besonders deutlich machen das Volkslieder, weil diese, lediglich des Volkes Lieder sind!  Wer anderes dort hinein interpretiert, dürfte auch nur, ein des Volkes Lieder, seiner eigenen Sicht Anpasser, sein. 

Vorwärts und nicht vergessen,
Worin unsere Stärke besteht!
Beim Hungern und beim Essen,
Vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!

Auf ihr Völker dieser Erde,
Einigt euch in diesem Sinn,
Daß sie jetzt die eure werde,
Und die große Näherin.

Vorwärts und nicht vergessen,
Worin unsere Stärke besteht!
Beim Hungern und beim Essen,
Vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!

Schwarzer, Weißer, Brauner,
Gelber! Endet ihre Schlächterei!
Reden erst die Völker selber,
Werden sie schnell einig sein.

Vorwärts und nicht vergessen,
Worin unsere Stärke besteht!
Beim Hungern und beim Essen,
Vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!

Wollen wir es schnell erreichen,
Brauchen wir noch dich und dich.
Wer im Stich läßt seinesgleichen,
Läßt ja nur sich selbst im Stich.

Vorwärts und nicht vergessen,
Worin unsere Stärke besteht!
Beim Hungern und beim Essen,
Vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!

Unsre Herrn, wer sie auch seien,
Sehen unsre Zwietracht gern,
Denn solang sie uns entzweien,
Bleiben sie doch unsre Herrn.

Vorwärts und nicht vergessen

Worin unsere Stärke besteht!

Beim Hungern und beim Essen,
Vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!

Proletarier aller Länder,
Einigt euch und ihr seid frei.
Eure großen Regimenter
Brechen jede Tyrannei!

Vorwärts und nicht vergessen
Und die Frage korrekt gestellt
Beim Hungern und beim Essen:
Wessen Morgen ist der Morgen?
Wessen Welt ist die Welt?

Wer einst solche Lieder hatte und noch immer hat, war und ist alles andre als naiv, gegenüber natürlicher Existenzen, auf diesem Planeten und der muss und kann, auch den Wertewesten, hinsichtlich seiner  Wertübersteigerungen, allen Geldes, Materiellem und Macht über andere Menschen haben zu wollen, in keinster Weise verstehen, noch überhaupt akzeptieren, sowie irgendeine Form intellektuellen, geistigen und vernünftigen Fortschritt darin erkennen, der das Vermächtnis eines Herrn Nobel, überhaupt jemals zu erfüllen vermag. 

Danke einfach nur, weil es euch immer noch gibt (NDS)! Ein gesunder Mensch zu sein und zu bleiben, sollte schließlich niemals kriminalisiert und den Strafverfolgungsbehörden übergeben werden. Nein es ist sogar genau die Verantwortung des Menschen, auf ewig ein Homo sapiens sapiens zu sein und zu bleiben, dass schließt allerdings, von vorn herein ein, dass sich die Spezies Mensch, dessen überhaupt bewusst ist und auch bewusst sein kann und darf. Wer allerdings Menschen immer noch völlig anders prägt und sie im Prinzip regelrecht auf eine Verantwortung gegenüber rein materieller Werte, abrichtet, ist nichts anderes als ein Dompteur, der aus einem Menschen etwas macht was er nicht ist und noch nie war!  Einzig der Selbsterhaltungstrieb des Menschen, hat immer dafür gesorgt, dass der Mensch heute noch auf diesem Planeten existiert. Ihm den gesetzlich zu verbieten oder diesen immer noch, weit unter dem Wert des Geldes an zu siedeln, ist mehr als nur makaber!  Aus letzteren  Gründen und nicht wegen eines Herrn Putin, dürften gewisse Blasen, auch schon bald platzen. Was wiederum  normal ist, wenn materielle Dinge, gegenüber natürlicher Existenzen,  immer noch von gerade einmal 15 Prozent der Weltbevölkerung, völlig überbewertet sind.

Mit freundlichen Grüßen 
Irina Trappe-Hanel 


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