Es liegt etwas in der Luft

Es liegt etwas in der Luft

Es liegt etwas in der Luft

Udo Brandes
Ein Artikel von Udo Brandes

Die Deutungsmacht des aggressiven „linksliberalen“ Milieus ist am Zerbröseln. Immer weniger Menschen lassen sich von deren Verleumdungsrhetorik einschüchtern. Ein gutes Beispiel dafür war die Demonstration im Bayrischen Erding gegen das geplante Heizungsgesetz. Und die Reaktionen des „linksliberalen“ Kommentariats darauf. Offenbar verändert sich gerade das Bewusstsein in der Bevölkerung. Und das wird nicht ohne Folgen bleiben, meint unser Autor Udo Brandes: Bei der nächsten Bundestagswahl werde das bisherigen Parteiensystem möglicherweise regelrecht geschreddert.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In Erding demonstrierten am 10. Juni rund 13.000 Menschen gegen die „Heizwende“ der Bundesregierung. Wie nicht anders zu erwarten, wurde diese Demonstration von Heute-Journal-Moderatorin Dunja Hayali als ausgesprochen problematische, weil antidemokratische Veranstaltung geframt (= gerahmt) und skandalisiert. Sie leitete den Filmbeitrag wie folgt ein:

„Wenn Menschen in Deutschland sagen, dass wir hier in einer Diktatur leben, dann kann man darüber den Kopf schütteln, oder es einfach so stehen lassen. Wenn aber ein Politiker, dazu noch ein stellvertretender Ministerpräsident, auf einer Demonstration fordert, die Menschen müssten sich die Demokratie zurückholen, dann ist das schon eine andere Situation, die, so wie jetzt auch in Bayern auch geschehen, andere Reaktionen nach sich ziehen. Über den Fall Hubert Aiwanger (Freie Wählergemeinschaft; Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident in Bayern; UB), die Kritik der CSU, die schnell verpuffte, die Forderung der Grünen nach Entlassung des Chefs der Freien Wählergemeinschaft und einen Antrag der besonderen Art Alexander Puhl.“

„Linksliberaler“ Populismus

Im Filmbeitrag wurde das Framing dann um „AFD-Anhänger, Querdenker, Impfgegner“ erweitert. Mit anderen Worten: Wer gegen die Bundesregierung demonstriert, und diese kritisiert, ist kein Demokrat, sondern ein Rechtsradikaler. Ich erspare mir die Darstellung der weiteren Inhalte des Filmbeitrages und der lächerlichen Forderung der Grünen, Hubert Aiwanger müsse von seinem Amt zurücktreten, weil er „eine Schande“ für Bayern sei. Das ist die übliche Verleumdungsrhetorik der sogenannten „Linksliberalen“, die sich selbst für die Verkörperung der Demokratie halten und jede Kritik an ihrer Politik für ein antidemokratisches Verbrechen halten. Man könnte auch sagen: Das ist „linksliberaler“ Populismus.

Der Witz dabei: Das Verhalten des linksliberalen Milieus zeugt immer wieder von einer ausgesprochen autoritär-repressiven und aggressiv antipluralistischen Haltung. Man darf in diesem Milieu anders aussehen als der weiße alte Mann. Aber wehe, man hat eine andere Meinung! Dann ist aber sofort Schluss mit Diversity! Wer anders denkt, gehört aus der Gesellschaft entfernt.

Ein Beispiel dafür ist die „Kabarettistin“ Sarah Bosetti, die sich nicht entblödete, sich bei ihrer Hetze gegen Bürger, die sich wegen gesundheitlicher Bedenken in Bezug auf die Corona-Impfung nicht impfen lassen wollten, einer Sprache zu bedienen, die auch ein SS-Arzt gegenüber Juden benutzte. Sie schrieb auf Twitter Folgendes:

„Wäre die Spaltung der Gesellschaft wirklich etwas so Schlimmes? Sie würde ja nicht in der Mitte auseinanderbrechen, sondern ziemlich weit rechts unten. Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essentiell für das Überleben des Gesamtkomplexes“.

Der CDU-Politiker Arnold Vaatz sah darin „Vernichtungsphantasien gegen Menschen“ und meinte, hier würde offen eine Argumentationskette der Nazis aufgegriffen und verwies auf eine ähnliche Äußerung des SS-Arztes Fritz Klein. Dieser verglich Juden mit einem eiternden Blinddarm, der aus dem Volkskörper entfernt werden müsse. Deshalb legte er eine Programmbeschwerde beim ZDF ein, das Bosetti mit diesem Satz in einer Sendung auftreten lassen hatte.

Man kann natürlich darüber streiten, ob man dies gleichsetzen kann. Aber wer sich mit dem Thema „Politik und Sprache“ beschäftigt hat, der weiß, dass Körpermetaphern nahezu immer ein sprachliches Symptom für Hass und Gewaltbereitschaft sind. Das sollten eigentlich gerade die sogenannten „Linksliberalen“ wissen, die ständig einen rassistischen Sprachgebrauch anprangern.

Der Umfrageerfolg der AfD: Wie muss man das einschätzen?

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Ein weiterer Indikator, dass sich in der Gesellschaft etwas verändert, ist, dass die AfD in Umfragen enormen Zulauf hat. Wie muss man das einschätzen? Sind das alles überzeugte Rechtsradikale? Das glaube ich nicht. Das jedenfalls ist die Erkenntnis aus Beobachtungen in meinem sozialen Umfeld, in dem gebildete und wirtschaftlich abgesicherte Bürger, die bis dato die Linke oder die SPD gewählt hatten, zu meiner Überraschung sagten „Wenn dies so weitergeht, wähle ich AfD“.

„Wenn dies so weitergeht“: Damit war oft die Migrationspolitik gemeint – und ausgesprochen beängstigende Erfahrungen mit der Gewalttätigkeit junger Männer aus dem Migrantenmilieu. Das jüngste Beispiel dafür waren die Massenschlägereien in Essen und Castrop-Rauxel. Ähnliches passiert auch immer wieder in Freibädern. Auch Homosexuelle oder Transmenschen sind häufig Gewalt aus dem Migrantenmilieu ausgesetzt. Die NZZ schrieb dazu Folgendes:

„Gewalt gegen Homosexuelle hat in Berlin in den letzten Jahren stark zugenommen. Der kulturelle Hintergrund dieser Taten wird gerne verdrängt – weil er mit Islamismus und Migration zu tun hat“.

Wenn Probleme und Konflikte tabuisiert werden

Ein weiteres Problem in Zusammenhang mit der Migration: Wohnungsnot und hoffnungslos überforderte Schulen bzw. Lehrer. Alle diese Probleme und Konflikte in Zusammenhang mit Migration werden von deren Befürwortern in den Parteien, Medien, Unternehmen und sonstigen Organisationen geflissentlich ignoriert oder sogar verleugnet. Und wer sie anspricht, setzt sich der Gefahr aus, als Nazi diffamiert zu werden.

Ganz ähnlich war es bei der Corona-Politik: Wer es wagte, den regierungsamtlichen Kurs infrage zu stellen, wurde auf das Übelste verleumdet und angefeindet. Ein Beispiel dafür ist die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, die Bürger mit einer anderen Lageeinschätzung als „Covidioten“ beschimpfte.

Ich könnte noch weitere Themen, etwa den Ukrainekrieg oder das unprofessionelle Heizgesetz nennen. Immer wieder wird ein Muster sichtbar: Nicht die Inhalte, die ein Bürger mit „abweichenden“ Meinungen vertritt, werden kritisiert. Es wird auch nicht inhaltlich argumentiert. Stattdessen werden Bürger mit unliebsamen Meinungen oft diffamiert und ausgegrenzt. Da frage ich mich: Wer hat hier eigentlich ein Problem mit Demokratie?

Und zeugt es von einer demokratischen Haltung, wenn den Bürgern von den Medien, Buchverlagen, staatlichen Institutionen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen bei jeder Gelegenheit die Gendersprache aufgezwungen wird? Obwohl nach Umfragen 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung dagegen sind?

Kann man sich auch als Katze „lesen“?

Dazu noch eine kleine Anekdote: Bei einem Disput mit einer jungen Mitbürgerin über das Thema fragte ich, wenn das Geschlecht nur eine soziale Konstruktion ist, die jederzeit geändert werden kann, könne ich mich dann auch als Katze „lesen“? Danach zog die Dame beleidigt von dannen.

Nun berichtet die FAZ, dass in England zwei dreizehnjährige Mädchen von ihrer Lehrerin ermahnt worden seien, weil eine der beiden ein weiteres Mädchen, dass sich für eine Katze hält, gefragt hatte, wie das denn möglich sei. Sie sei doch offensichtlich ein Mädchen. (Die Lehrerin hatte zuvor im Unterricht ihren Schülern gesagt, sie könnten sein, was sie wollten. Was, das sei ihre Sache.) Die FAZ berichtet weiter:

„Die Lehrerin ist darüber außer sich und wirft dem Mädchen vor, eine Schulkameradin schwer verletzt zu haben, indem sie ihre Identität infrage gestellt und überdies gesagt habe, diese gehöre in ein Irrenhaus. Die Mädchen protestieren und erklären, sich nicht zur Person geäußert, sondern lediglich die Geschlechtsbezeichnung infrage gestellt zu haben, indem sie anmerkten, dass jemand, der sich als Katze identifiziere, ‚ernsthaft krank – spinnert‘ sei“.

Das folgende Streitgespräch wurde von einem der Mädchen aufgezeichnet. Die FAZ beschreibt es wie folgt:

„Die Lehrerin will wissen, wie die Mädchen auf die Idee kämen, dass es nur zwei Geschlechter gebe, und rügt sie für diese Meinung. Die Mädchen wiederum lassen sich nicht einschüchtern und vertreten die Ansicht, dass es nun einmal nur Jungen und Mädchen gebe, während die Lehrerin doziert, dass Gender nicht an Geschlechtsteile gebunden sei, mit denen man geboren werde; Gender sei vielmehr, als was man sich fühle“.

Im weiteren Gespräch, so berichtet die FAZ, belehrt die Lehrerin ihre Schülerinnen über die Vielfalt der Geschlechter. Die Mädchen widersprechen konsequent, woraufhin die Lehrerin zunehmend ungehalten wird und von „widerwärtigen“ Ansichten spricht. Schließlich empfiehlt die Lehrerin ihren Schülerinnen, doch die Schule zu wechseln, wenn ihnen dies alles so nicht gefalle, und empfiehlt der Schulleitung ein erzieherisches Gespräch über Gleichheit, Vielfalt und Inklusion mit den Mädchen.

Ich glaube, es dürfte keine Fehleinschätzung sein, wenn man davon ausgeht, dass ein ähnlicher Vorfall jederzeit auch in Deutschland stattfinden könnte. Offensichtlich sind westliche Gesellschaften psychologisch in einer regressiven (rückschrittlichen) Phase. Anders ausgedrückt: Wir befinden uns in einer Zeit der antiwissenschaftlichen und antimodernen Gegenaufklärung. Wie das Beispiel aus England zeigt, kann heutzutage selbst die idiotischste Scharlatanerie als „wissenschaftliche Theorie“ verkauft werden. Und diese Gegenaufklärung geht ausgerechnet von den Universitäten aus. Da hat sich die Geschichte wirklich einen schönen Witz ausgedacht.

Es fehlt eine ernst zu nehmende politische Alternative

Es gibt also mehr als genug Grund, warum große Teile der Bevölkerung hochgradig frustriert sind. Der Unterschied von heute zu vor einigen Monaten: Immer mehr Bürger lassen sich nicht mehr einschüchtern. Die Demonstration in Erding war dafür ein erstes Indiz, das sich da etwas fundamental ändert und die Bürger in der Gesellschaft nicht mehr bereit sind, das alles widerstandslos hinzunehmen.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Aber was ist mit den Umfrageerfolgen der AfD? Ist das nicht ein besorgniserregendes Symptom? Haben die „Linksliberalen“ am Ende doch recht? Sind diese wütenden Bürger rechtsextremistisch? Nein, das glaube ich nicht. Das Problem liegt woanders: Demokratisch gesinnte Bürger, die ihren Protest politisch artikulieren wollen, steht keine ernst zu nehmende politische Alternative zur Verfügung.

Nach dem, was ich in meinem sozialen Umfeld beobachten konnte, sind die AfD-Erfolge in den Umfragen kein Indiz dafür, dass größere Teile der Bevölkerung rechtsradikal sind. Vielmehr sind die AfD-Erfolge ein Ergebnis dessen, dass SPD, Grüne, Die Linke und natürlich auch CDU/CSU und FDP sich nicht die Bohne um die Interessen und Bedürfnisse der Mehrheitsbevölkerung scheren. Weil sie alle im Kern neoliberal-rechte Parteien sind und eine neoliberale Agenda im Interesse großer Konzerne verfolgen. Das jüngste Beispiel dafür ist das 10-Milliarden-Geschenk der Bundesregierung an den Intel-Konzern (siehe dazu die Analyse „Heizen für Intel – Standortpolitik aus dem Kuriositätenkabinett“ von Jens Berger auf den NachDenkSeiten).

Die Aussage in Umfragen, man werde die AfD wählen, ist meines Erachtens eine Mischung aus Verzweiflungstat und diebischer Freude darüber, der ignoranten politischen Klasse endlich mal den Stinkefinger zeigen zu können. Wirklich rechtsradikal ist meines Erachtens nur der harte Kern der AfD-Wähler.

Die Macht liegt im Moment auf der Straße

Welche Schlussfolgerungen muss man daraus ziehen? Sollten Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter sich zur Gründung einer neuen linken Partei entschließen: Sie hätten durchschlagenden Erfolg. In manchen Umfragen wird einer solchen linken Neugründung mit Sahra Wagenknecht an der Spitze ein Potential von 24 Prozent prognostiziert.

Eine neue, wirklich linke Partei: Das würde der Gesellschaft guttun und vielen Menschen Mut machen und Hoffnung geben. Das gesellschaftliche Klima würde sich erheblich verbessern und die Aggression in der Gesellschaft abnehmen. Weil die Menschen wieder das Gefühl haben könnten, dass sie in der Politik auch vorkommen und ihre Interessen und Bedürfnisse relevant sind. Weil die Menschen sich wieder repräsentiert fühlen würden. Im Moment aber ist das Gegenteil der Fall.

Aber es könnten noch zwei weitere Player auf den Plan treten: Hubert Aiwanger von der Freien Wählergemeinschaft in Bayern hätte als Spitzenkandidat seiner Partei das Zeug dazu, die Freien Wähler bundesweit über 5 Prozent zu bringen. Die Freien Wähler wären natürlich vor allem eine gefährliche Konkurrenz für die CDU und CSU. Markus Söder hat bei der Demonstration in Erding einen ersten Vorgeschmack davon bekommen.

Auch die Grünen müssen unter Umständen eine neue Konkurrenz befürchten: Die radikalen Klima-Aktivisten sind sehr unzufrieden mit „ihrer“ Partei. Ich halte es deshalb nicht für ausgeschlossen, dass sie eine neue, radikale Klimapartei gründen und damit Erfolg haben könnten in ihrem Milieu. Für die Grünen wäre das eine ernsthafte Bedrohung.

Im Ergebnis könnte eine solche neue Konstellation dazu führen, dass das bisher etablierte Parteiensystem geschreddert wird: Die Linkspartei würde nicht mehr im Bundestag vertreten sein. Die SPD könnte unter 10 Prozent absinken. Die Grünen würden vermutlich dankbar sein, wenn sie nochmal die 5-Prozent-Hürde schaffen. Die FDP wird wahrscheinlich ohnehin aus dem Bundestag fliegen. Die AfD würde auf ihr rechtes Stammwählerpotential reduziert. Und CDU und CSU müssten sich damit abfinden, zukünftig nur noch für begeisterte Privatjetflieger wie Friedrich Merz interessant zu sein.

Es könnte also politisch eine wirklich interessante Zeit werden. Und das, finde ich, macht doch gute Laune.

Titelbild: Edgar G Biehle/shutterstock.com