Über den gängigen Missbrauch von Umfragen

Über den gängigen Missbrauch von Umfragen

Über den gängigen Missbrauch von Umfragen

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Die Journalistin Susanne Gaschke hat heute früh in der Neuen Zürcher Zeitung über die Krise der Demokratie in Deutschland geschrieben. Die Wähler verzweifelten an Politik und Medien. So ihre Botschaft. – Besonders erstaunlich ist das nicht. Alleine zum Beispiel der Umgang mit Umfragen, die leichtfertige Deutung von kleinen Veränderungen bei den Umfrageergebnissen sind zum Verzweifeln. Das liegt aber nicht an den Bürgerinnen und Bürgern, sondern wesentlich an den Medien. Ein Beispiel für diesen leichtfertigen und manipulativen Umgang mit Umfragen wurde uns auch heute früh, um 00:01 Uhr, frei Haus geliefert. Im DeutschlandTrend des ARD-Morgenmagazins werden Veränderungen um einen Prozentpunkt als bemerkenswerte und entsprechend zu kommentierende Veränderungen gedeutet. Das geht nicht. Solche Veränderungen liegen innerhalb des statistischen Fehlerbereichs. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hier ist die entsprechende Meldung des Berliner Tagesspiegels, im Text gefettet von mir:

Deutschland-Trend: AfD auf Allzeithoch mit 19 Prozent, Union bleibt stärkste Partei

Die Partei kommt aktuell auf ihr bisher stärkstes Umfrageergebnis. Damit ist sie in der Befragung die zweitstärkste Kraft hinter der Union, darauf folgt die SPD mit 17 Prozent.

Die AfD hat im DeutschlandTrend des ARD-Morgenmagazins ein Allzeithoch erreicht und landet der Umfrage zufolge damit auf dem zweiten Rang. Laut redaktioneller Fassung vom späten Donnerstagabend verbesserte sie sich im Vergleich zur Erhebung vom 1. Juni um einen (!!!) Prozentpunkt auf 19 Prozent.

Die Union hält dagegen ihr Ergebnis von vor drei Wochen mit 29 Prozent und bleibt stärkste Partei, während die SPD einen (!!!!) Punkt abgibt und mit 17 Prozent auf dem dritten Platz landet.

Die Grünen kommen erneut auf 15 Prozent, für die FDP ginge es runter auf sechs Prozent (minus ein Punkt). Für die Linke würden sich unverändert vier Prozent der Wähler entscheiden, was für einen Einzug in den Bundestag nicht reichen würde. Befragt wurden vom 20. bis 21. Juni 1191 Wahlberechtigte. (Reuters)

Hier wird so getan, als seien die kommentierten Zahlen Realität, also beispielsweise das Ergebnis von Wahlen. Es handelt sich aber um Umfrageergebnisse. Veränderungen von 1 Prozent werden beschrieben und gedeutet. 1 Prozent – das ist aber innerhalb des Fehlerbereichs einer Umfrage, bei der im konkreten Fall 1.191 Wahlberechtigte befragt worden sind. Die AfD könnte zum Beispiel auch bei 18 Prozentpunkten liegen, und die SPD auch bei 18 Prozentpunkten. Und die Linkspartei könnte statt der publizierten 4 Prozent 5 Prozent erreichen. Dann wäre eine deutlich andere Kommentierung fällig.

Der Tagesspiegel-Artikel von heute früh war auf der Basis einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters geschrieben. Agenturen als Basis und Instrumente von Manipulationen. Das kennen wir doch schon, siehe hier: 21. Juni 2023 Durchgeknallte Medien. Feindbildaufbau am laufenden Band

Anhang:

DER ANDERE BLICK
Unzufriedenheit mit der deutschen Regierung: Parteien und Medien gegen Wähler und Leser

Susanne Gaschke, Berlin 23.06.2023, 05.30 Uhr

Krise der Demokratie in Deutschland: Wähler verzweifeln an der «Ampel» (nzz.ch)

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