Der Umgang mit den Verbrechen in Gaza offenbart eine erschreckende Doppelmoral der westlichen Staaten. Trotz detaillierter Berichte und juristischer Schritte schweigen Medien und Politik größtenteils oder unterstützen aktiv. Der renommierte US-Politikwissenschaftler John Mearsheimer analysiert die Vorwürfe und hinterfragt die Mitschuld des Westens. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Kolenda, mit freundlicher Genehmigung des Autors.
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Die Anzahl der Toten steigt, Hunger nimmt zu, sauberes Trinkwasser und Medikamente fehlen, Ärzte werden ermordet. Auch wenn die Medien sich jetzt auf die Situation in Syrien fokussieren – Netanjahu wird das freuen –, müssen der Völkermord in Gaza sowie die Forderung nach Vollstreckung der Haftbefehle gegen Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Gallant immer wieder betont werden. Soll UNRWA verboten werden, um den Weg frei zu machen für eine absolute Kontrolle der Bevölkerung durch ein US-Unternehmen, wie israelische Pläne enthüllen? Von Annette Groth.
Es dürfte keinen Zweifel daran geben, dass der 28. Oktober und der 13. November als wahrlich historische Daten in die philippinische Geschichte eingehen. An jenem schwarzen Montag beziehungsweise schwarzen Mittwoch stand Ex-Präsident Rodrigo R. Duterte (2016-2022), der Vorgänger des amtierenden Präsidenten Ferdinand Marcos Jr., dem philippinischen Senat sowie einem aus vier Ausschüssen gebildeten Sonderuntersuchungskomitee des Repräsentantenhauses Rede und Antwort, was seinen berühmt-berüchtigten „Krieg gegen die Drogen“ mit offiziell über 6.000 Toten betraf. Was Duterte allein an diesen beiden Tagen in mehrstündigen Sitzungen von sich gab, hätte unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zumindest zur unverzüglichen Einleitung einer Anklageerhebung wegen Mordes, Beihilfe zum Mord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit führen müssen. Stattdessen nutzte der Ex-Präsident die Hearings auf seine ihm eigene Art als politische Tribüne, auf der vermeintliche Ankläger – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zu Duckmäusern mutierten. Ein Kommentar unseres Südostasienexperten Rainer Werning.
Seit nunmehr gut elf Monaten herrscht in Gaza ein Inferno, welches mit dem Wort Krieg zu harmlos beschrieben wird. Hier wird vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein Völkermord verübt, den wir nach 1945 nicht mehr für möglich gehalten haben. Sie alle kennen die grauenerregenden Details, die uns täglich über Radio und Fernsehen geliefert werden, obwohl sie bei Weitem nicht die Realität abbilden, Teile verharmlosen oder verschweigen und nicht einmal das kritische Niveau der israelischen Presse erreichen. Von Norman Paech.
Seit zwei Jahren residiert der philippinische Präsident Ferdinand R. Marcos Jr. im Malacañang-Palast zu Manila und hat damit ein Drittel der verfassungsmäßig festgeschriebenen Amtszeit hinter sich gebracht. Eine reichlich turbulente Zeit – sowohl innen- wie auch außenpolitisch. Innenpolitisch ist ein Rosenkrieg Filipino Style in vollem Gange, wiewohl sich Marcos und seine Vizepräsidentin Sara Duterte, die Tochter des Marcos-Vorgängers Rodrigo R. Duterte, im Wahlkampf 2022 als unerschütterliches UniTeam geriert hatten. Außenpolitisch vollzog Marcos eine Kehrtwende und favorisiert im Gegensatz zu seinem Vorgänger einen dezidiert proamerikanischen Kurs – von dem Marcos‘ Kritiker befürchten, dass die Republik 78 Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit von den USA am 4. Juli 1946 unversehens Gefahr läuft, ins Räderwerk hegemonialer Großmachtbestrebungen im und um das Südchinesische Meer zu geraten. Am 22. Juli hielt Marcos seine mittlerweile dritte Rede zur Lage der Nation (SONA) – ein jährliches Ereignis, bei dem der amtierende Präsident der Nation Bericht über seine Leistungen als Regierungschef erstattet. Eine Zwischenbilanz unseres Südost- & Ostasienexperten Rainer Werning.
Das Internationale Volkstribunal (International People’s Tribunal – kurz: IPT) hat am 18. Mai Präsident Ferdinand Marcos Jr., Ex-Präsident Rodrigo R. Duterte, die Regierung der Republik der Philippinen und die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unter Präsident Joseph R. Biden wegen Kriegsverbrechen gegen das philippinische Volk und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht für schuldig befunden. Für die Hinterbliebenen der Opfer infolge eines unter der Präsidentschaft Dutertes (2016 bis 2022) gnadenlosen „Antidrogen-Krieges“ und allgegenwärtigen „red-tagging“, des staatsterroristischen Vorgehens gegen alle/s vermeintlich Linke/n unter Dutertes Nachfolger Marcos Jr. eine gewisse Genugtuung. Immerhin trägt das IPT-Verdikt dazu bei, den politischen und diplomatischen Druck in internationalen Institutionen und Organisationen auf die Angeklagten zu erhöhen. Für die NachDenkSeiten nahm Rainer Werning als Beobachter an dem vom 17. bis 18. Mai in Brüssel abgehaltenen IPT teil.
Koloniale Gewalt und der Weg zur Gerechtigkeit. Der Krieg in Gaza wütet jetzt schon über sieben Monate und hat schon längst die unfassbaren Dimensionen eines Völkermordes erreicht. Alle Initiativen, diesem Grauen mit politischen Mitteln ein Ende zu setzen, sind bisher gescheitert. Und nun wird, wie so oft, von der Justiz als ultima ratio der Frieden erhofft. Von Norman Paech[*].
Wieso hat der Gaza-Krieg eine so große Resonanz in Lateinamerika hervorgerufen, und wieso positioniert sich die Mehrheit der lateinamerikanischen Zivilgesellschaft und Regierungen gegen diesen Krieg und bezeichnet ihn als „Völkermord”, während die USA, Israel und die EU ihn mit dem „Selbstverteidigungsrecht” Israels begründen? Von Raina Zimmering.
Laut Angaben von UN-OCHA, dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, hat die israelische Armee (IDF) mit Stand 15. Mai 35.233 Palästinenser getötet, davon mehrheitlich Frauen und Kinder. In einem historisch einmaligen Ausmaß nahm die IDF auch völkerrechtlich besonders geschützte Gruppen ins Visier. Bis zum 15. Mai starben durch israelische Bomben und Schüsse bisher 143 Journalisten sowie 266 humanitäre Helfer. 1,1 Millionen Menschen in Gaza werden aktuell der höchsten Stufe einer Hungersnot zugeordnet (IPC-Phase 5 – katastrophales Niveau der Ernährungsunsicherheit). Die komplette Stromversorgung ist seit Monaten zerstört (Blackout) und 60 Prozent aller Wohnhäuser gelten als zerstört. Doch trotz dieser Zahlen bleibt der Kanzler bis heute bei seiner Einschätzung, dass Israel sich nach wie vor vollumfänglich an das Völkerrecht halte. Dies bestätigte sein Sprecher nun erneut auf Nachfrage der NachDenkSeiten. Von Florian Warweg.
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„Ich komme aus dem Völkerrecht“ – dieser aufschneiderische Satz könnte Außenministerin Annalena Baerbock schon bald einholen. Wenn die Vorverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichtshofs ICC den vom ICC-Chefankläger gestern beantragten Haftbefehl gegen den israelischen Premier Benjamin Netanjahu annimmt – was Insidern zufolge nur eine Formsache ist –, wird der Regierungschef „unseres engsten Verbündeten im Nahen Osten“ (Zitat Baerbock) ein mit weltweitem Haftbefehl gesuchter Kriegsverbrecher sein. Sollte er künftig deutschen Boden betreten, müsste Deutschland ihn festnehmen und nach Den Haag ausliefern. Auch die Lieferung von Waffen an einen Kriegsverbrecher wäre zumindest moralisch ein Dilemma für eine Regierung, die sich an anderer Stelle doch so gerne auf das Völkerrecht beruft und eine regelbasierte Außenpolitik zu ihrem Dogma erklärt hat. Von Jens Berger.
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„Balikatan“ – in Filipino die Bezeichnung für „Schulter an Schulter“ – nennen sich die alljährlich stattfindenden philippinisch-US-amerikanischen Militärmanöver, die in diesem Jahr zum 39. Mal abgehalten werden. Klingt gut: So soll suggeriert werden, dass auch heute noch ein inniges Verhältnis zwischen der vormaligen Kolonialmacht USA (1898 bis 1946) und den Philippinen als Amerikas einstiger und einziger Kolonie in Südostasien besteht. Derweil bekämpfen sich auf höchster Staatsebene politische Clans, die noch vor zwei Jahren – vor dem Amtsantritt von Präsident Ferdinand Marcos Jr. Ende Juni 2022 – als UniTeam innigste Freundschaft gelobt hatten. Über deren Zerwürfnis und andere Unwägbarkeiten berichtet unser Südostasienexperte Rainer Werning.
Der Ukraine-Konflikt dauert noch immer an, und es sieht nicht danach aus, als könnte er in absehbarer Zeit beendet werden. Priorität haben nicht Friedensverhandlungen, sondern Waffenlieferungen. In Europa ist allenthalben von „Wehrfähigkeit“ und „Kriegstüchtigkeit“ die Rede. Eigentlich müsste allen klar sein, dass Aufrüstung die Eskalationsspirale nur weiter und schneller drehen lässt. In der gegenwärtig aufgeheizten Stimmung folgt auf Gewalt Gegengewalt, auf Kriegsverbrechen Gegenverbrechen. Die Fronten verhärten sich; ein Ausweg rückt in immer weitere Ferne. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten auf Frieden und Versöhnung. Einen Weg skizziert Clivia von Dewitz in ihrem Essay „Gerechtigkeit durch Wiedergutmachung?“. Eine Rezension von Eugen Zentner.
Kurz vor Schluss der zweitägigen Berufungsanhörung des WikiLeaks-Herausgebers am High Court von England und Wales gegen seine Auslieferung tat sich in den Plänen, ihn in ein Flugzeug in die USA zu verfrachten, ein gähnendes Loch auf, so die australische Journalistin Mary Kostakidis. Schon am 23. Februar erschien auf Pearls and Irritations dieser interessante und detaillierte Artikel in englischer Sprache. Am 4. März erschien auf Consortium News eine überarbeitete und aktualisierte Fassung. Da der Inhalt die einzelnen Punkte der letzten Assange-Anhörung in London herausragend gut wiedergibt, veröffentlichen die NachDenkSeiten mit Genehmigung von und Dank an Mary Kostakidis, John Menadue und Consortium News die folgende Übersetzung von Moritz Müller.
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Seitdem Bundeskanzler Olaf Scholz die „Zeitenwende“ als prägenden Begriff in sein politisches Vokabular eingeführt hat, erfreut sich das Wort gewisser Beliebtheit. Es ist beliebig anwendbar auf die verschiedensten Krisen und Ereignisse, z.B. das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945, den Untergang der Sowjetunion am 31. Dezember 1991, den Terrorangriff auf das World Trade Center am 11. September 2001 oder ganz frisch auf den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Es kommt nur darauf an, von welcher nationalen und politischen Warte aus man das Ereignis betrachtet. So sollte man aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland viel eher den 24. März 1999 als den Scholz’schen 24. Februar 2022 als Zeitenwende begreifen. Damals beteiligte sich die Bundeswehr am ersten innereuropäischen Krieg der NATO nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Jugoslawien.[1]