Wenngleich es bei diesen Wahlen am 12. Mai um die Neubesetzung Tausender lokaler und regionaler politischer Ämter sowie des Repräsentantenhauses in Manila ging, so stand die Neuwahl der Hälfte des insgesamt 24-köpfigen Senats im Hauptfokus öffentlichen Interesses und medialer Aufmerksamkeit. Der diesmalige Wahlkampf entpuppte sich als quälend hinziehender Krampf, in dem wirklich pressierende politische, soziale und wirtschaftliche Probleme wie Armutsbekämpfung, Überwindung der Bildungsmisere und tiefe Einschnitte ins Gesundheitswesen kein Thema waren. Stattdessen bekämpfte sich die oberste Staatsführung bis aufs Messer – in einem Klima allgegenwärtigen Antikommunismus’. Eine Wahlnachlese von Rainer Werning.
Das Resultat der Wahlen bot denn auch ein getreues Spiegelbild eines gesellschaftlich zutiefst gespaltenen Landes, in dem die politischen Lager noch nie dermaßen polarisiert waren und auch weiterhin von Familiendynastien und Feudalclans geprägt bleiben. Andererseits gab es einige Überraschungen, die vor allem die landesweit etablierten Meinungsforschungsinstitute wie begossene Pudel dastehen ließen. Überschattet blieb alles durch einen staatlich geschürten Antikommunismus – das momentan einzig intakte Scharnier zwischen sämtlichen widerstreitenden Fraktionen der herrschenden Eliten. Die „große Politik“ in Manila dürfte auf Dauer durch Obstruktion und heftige Clinche zwischen den politischen Lagern von Präsident Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. und Vizepräsidentin Sara Duterte geprägt bleiben – zum Leidwesen eines auf Stabilität erpichten Big Business und mehr noch auf Kosten der Masse der Bevölkerung, die seit Langem auf durchgreifende Reformen wartet.
Familiendynastien und ungebrochene oligarchische Politik
Auch diese Wahlen bildeten keine Ausnahme von der Regel, dass die Philippinen im internationalen Vergleich „die Hauptstadt oligarchischer Politik“ bleiben. In keinem anderen Land drücken Familiendynastien und Feudalclans dem politischen Geschehen einen dermaßen großen Stempel auf. Das war auch diesmal selbst auf lokaler und regionaler Ebene der Fall, da Bürgermeister, Gouverneure sowie Sitze im Repräsentantenhaus vorhersehbare Siege einfuhren. Die Vorteile der Amtsinhaberschaft – Kontrolle über die klientelistischen Ressourcen und Regelungsbefugnisse des Staates – sicherten zahlreichen amtierenden Bürgermeistern, Gouverneuren und Kongressmitgliedern eine Wiederwahl im Durchmarsch; ganz zu schweigen von den Mitgliedern der Familien des Präsidenten und der Vizepräsidentin.
Die Marcoses dominieren nach wie vor sämtliche strategischen politischen Ämter in der Provinz Ilocos Norte im hohen Norden, der Heimatprovinz des Familienpatriarchen. Und ungebrochen dominant bleibt der Einfluss der Dutertes im tiefen Süden, wo selbst der seit Mitte März an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellte Ex-Präsident Rodrigo R. Duterte im Handumdrehen einen überwältigenden Wahlsieg als (neuerlicher) Bürgermeister der Metropole Davao City verbuchte! Duterte Sr. hat sich in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zuge seines desaströsen „Antidrogenkrieges“ zu verantworten. Er hatte seine Kandidatur bereits im Herbst 2024 eingereicht und gilt nach philippinischem Recht so lange als wahlberechtigt, wie er nicht rechtskräftig verurteilt ist.
Die Plätze eins und drei der diesmal insgesamt zu besetzenden zwölf Senatssitze gingen denn auch an Dutertes engste Vertraute – Christopher „Bong“ Go und der ehemalige Polizeichef Ronald „Bato“ dela Rosa, deren einzige Qualifikation darin besteht, dass sie die Nähe zur Macht genossen und aus Protest gegen die ihrer Meinung nach von Marcos tolerierte „Entführung“ in die Niederlande ein gewaltiges Stimmenpotenzial zu mobilisierten vermochten. Für Duterte-Trolls ist und bleibt der Familienpatriarch ein Messias. Selbst das ferne Scheveningen, jener Stadtbezirk Den Haags, wo Duterte Sr. hinter Gittern sitzt, ist zwischenzeitlich zu einem Wallfahrtsort seiner Gemeinde geworden, wo – sehr zum Leidwesen der lokalen Bevölkerung – ausgiebige Picknicks mit Karaoke-Begleitung en vogue sind.
Fehlprognosen angestammter Meinungsforschungsinstitute
Obgleich die progressive Opposition mit Paolo Benigno „Bam” Aguirre Aquino IV. und Francis N. „Kiko“ Pangilinan lediglich zwei Senatssitze gewann und beide Kandidaten auf dem zweiten beziehungsweise fünften Platz landeten, ist damit zumindest belegt, dass das Land nicht exklusiv in ein Marcos- gegen ein Duterte-„Fürstentum“ verwandelt wurde. Es stellte sich überraschend heraus, dass die politische Landschaft nicht nur in grelles Rot (Marcos) und grelles Grün (Duterte) getaucht ist, sondern auch rosa-gelbe Farbtupfer der Liberalen Partei aufweist. Mit „Bam“ Aquino ist immerhin ein Neffe des im August 1983 auf dem Flughafen von Manila ermordeten oppositionellen Senators Benigno S. Aquino Jr. gewählt worden, der einst der größte politische Herausforderer von Marcos Sr. war. Er und Pangilinan tauchten in keiner der Wahlprognosen der landesweit bedeutendsten Meinungsforschungsinstitute wie Pulse Asia und Social Weather Stations auf – eine veritable Klatsche, die das Vertrauen in Vorhersagen dieser Art kräftig erschütterte.
Es waren – immerhin ein Silberstreif am politischen Horizont – die Stimmen junger Wähler, der Generation Z (geboren zwischen 1997 und 2012), die knapp 22 Millionen Menschen zählt, circa 30 Prozent der philippinischen Bevölkerung im Wahlalter ausmacht und die dafür votierten, Kandidaten mit einer Reformagenda zum Sieg zu verhelfen, anstatt – wie früher häufig geschehen – Persönlichkeiten aus dem Showbusiness oder Sportler in die Legislative zu hieven.
Zielscheibe staatlicher Repression
Für die (radikale) Linke glich die Wahlkampfzeit einem noch harscheren Spießrutenlauf. Seit 2018 ist nämlich mit der Nationalen Task Force zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (NTF-ELCAC) eine staatliche Behörde damit betraut, mit Hilfe eines sogenannten allseitig-nationalen Ansatzes die Kommunistische Partei (CPP) und ihre Guerillaformation in Gestalt der Neuen Volksarmee (NPA) „aufzureiben“. Die NTF-ELCAC liefert die Infrastruktur und Logistik staatlichen Terrors, die von Duterte ins Leben gerufen wurde und in Marcos Jr. einen strammen Gewährsmann findet. Wenngleich internationale Menschenrechtsorganisationen wiederholt deren Auflösung forderten und selbst der Oberste Gerichtshof der Philippinen im Sommer 2024 entschied, dass „red-tagging“, die öffentliche Brandmarkung missliebiger Dissidenten als „kommunistisch“ oder „terroristisch“, als ernst zu nehmende Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen gilt und eingestellt gehört, besteht diese perfide Praxis weiter fort.
Entscheidender Showdown im Visier – die Präsidentschaftswahl 2028
Sara Duterte, die Tochter des Ex-Präsidenten und aktuelle Vizepräsidentin, führt seit Monaten einen Feldzug gegen ihren Vorgesetzten, dem sie öffentlich bereits mehrmals den Tod wünschte. Die Dame sieht sich wegen Korruption und Veruntreuung staatlicher Gelder mit vier Amtsenthebungsverfahren konfrontiert, worüber der Senat in seiner neuen Zusammensetzung mit einer Zweidrittelmehrheit zu befinden hat. Doch im neuen Senat herrscht eine Pattsituation, da sich jeweils fünf Senatoren dem Marcos- beziehungsweise Duterte-Lager zurechnen. Eine Zweidrittelmehrheit dürfte schwerlich zustande kommen, mit der der Senat als richterliche Instanz die Vizepräsidentin ihres Amtes entheben kann.
Kommt Frau Duterte ungeschoren davon, wofür vieles spricht, böte sich für sie und den gesamten Duterte-Clan aus Davao City die reale Chance, aus den nächsten Präsidentschaftswahlen im Mai 2028 als strahlende Siegerin in den Präsidentenpalast Malacañang zu Manila einzuziehen – zumal dann, wenn Noch-Marcos-Loyale Gegenwind verspüren und im letzten Moment der Macht und Pfründe wegen die Seiten wechseln.
So bleibt der landesweit noch größten und am längsten herrschenden Familiendynastie der Marcoses mit ihrer Alyansa para sa Bagong Pilipinas (Allianz für ein Neues Philippinen) nichts anderes übrig, als die nächsten Monate und Jahre erbitterter Rivalität mit den Dutertes damit zu verbringen, staatliche Ressourcen in großem Stil im Sinne des Überlebens des eigenen Clans einzusetzen. Keine rosigen Aussichten, zumal die Gefahr nicht gebannt ist, dass es im Zuge solch schroffer Antagonismen sehr wohl zu bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen oder Gewalttätigkeiten kommen kann.
Weiterführende Lektüre & Links
- 2024 Year-End Report on the Human Rights Situation in the Philippines: The Hypocrisy of Marcos Jr. and the Horror of State Terrorism
- Joel Ruiz Butuyan (2025): Red, green, and pink election results
- Charlie Campbell (2025): Why NGOs in the Philippines Keep Being Charged With Terrorism
- Media Manipulation and the Marcos Dynasty (2023)
- Jocelyn Martin (2021): The Marcos dynasty is built on constructed memories * southeastasiaglobe.com/memory-marcos-dynasty-ferdinand-bongbong/ / bulatlat.com/2025/05/12/red-tagging-intensifies-in-2025-midterm-elections/
- John Sidel (2025), in: asiatimes.com/2025/05/philippine-midterms-fail-to-solve-marcos-duterte-family-feud/
- Rainer Werning (2025): Abenddämmerung in Den Haag oder Mister Dutertes Wahlkampf aus der Gefängniszelle
- Rainer Werning/Jörg Schwieger (Hrsg./2025): Von Marcos zu Marcos: Die Philippinen seit 1965. Wien
Titelbild: em_concepts/shuttestock.com