Schlagwort:
Sozialrassismus

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Rezension des Buches „Hartz IV und die Folgen – Auf dem Weg in eine andere Republik?“ von Christoph Butterwegge

Vor kurzem hörte ich in einem Beitrag des Deutschlandfunks, dass sich die sozialistische Regierung Frankreichs bei ihren Reformbemühungen an der deutschen Agenda 2010 zu orientieren sucht und deshalb mit deutschen Sozialdemokraten in Kontakt steht, vor allem auch bezüglich der Frage, was sie heute anders machen würden. Um sich möglichst umfassend zu informieren, was die sozialen und gesellschaftspolitischen Konsequenzen des deutschen Reformwerks sind, dessen Kern die Hartz IV-Gesetzgebung darstellt, sei den französischen Sozialisten die Lektüre des Buches „Hartz IV und die Folgen – Auf dem Weg in eine andere Republik?“ von Christoph Butterwegge empfohlen. Doch nicht nur ihnen. Dieses Buch sollte zur Pflichtlektüre jedes an Sozialpolitik interessierten Bürgers unseres Landes und insbesondere jedes Politikers werden, der unsere Sozialgesetzgebung mit zu verantworten hatte, hat oder haben wird. Von Friederike Spiecker.

Ohne Angst verschieden sein können

Zum 70. Jahrestag an dem Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit wurde.

Solange die wöchentlichen Pegida-Aufmärsche stattfinden, müssen wir uns damit auseinandersetzen. Das Verheerendste an der gegenwärtigen Entwicklung ist aber, dass sich im Schlagschatten von Pegida und weit über diese hinaus eine Diskussion entwickelt, die eine Definition sozialer Zugehörigkeit vornimmt, die festlegt, wer „zu uns gehört“ und wer nicht. Die Lage derer, die aus dem eigenen sozialen und moralischen Bezugssystems ausgeschlossen werden, ist prekär. Von Götz Eisenberg.

Leserbriefe zu drei Artikeln und zwei Fragenkomplexen: PEGIDA und Demonstration in Paris

Aus den Rückmeldungen zur letzten Präsentation von Leserzuschriften können wir schließen, dass sich zumindest ein beachtlicher Teil der NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser für die Kommentare unserer Leserschaft interessieren. Deshalb werden hier die Zuschriften zu drei Beiträgen wiedergegeben:
Zum Beitrag von Götz Eisenberg „Der Extremismus der Mitte“ vom 6. Januar.
Dann zum zweiten Komplex, dem Beitrag von Albrecht Müller vom 12. Januar „Die gestrige Manifestation von Paris wird, so eindrucksvoll sie auch war, die Möglichkeit zur Sozial- und Medienkritik um Jahre zurückwerfen“ und dem darauf folgenden Beitrag von Wolfgang Lieb vom 13. Januar „Kann man aus der Manifestation von Paris nicht auch Zuversicht schöpfen?“. Albrecht Müller

Der Extremismus der Mitte

Immer wieder wird von Verteidigern der antiislamischen und fremdenfeindlichen PEGIDA-Bewegung vorgebracht, die Demonstranten seien in ihrer Mehrzahl „keine Nazis“, sondern „ganz normale Leute“, die der „Mitte der Gesellschaft“ entstammten. Als könnte man nicht der Mitte der Gesellschaft entstammen und Nazi sein! Von Götz Eisenberg.

Ausländer-Hass und die Grenzen der Aufklärung

4,7 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden sind Ausländerinnen und Ausländer. Den Anteil der Muslime an der Bevölkerung Dresdens beträgt 0,4 Prozent. Warum sind dort die anti-islamischen, ausländerfeindlichen und rechtsextremen Demonstrationen am stärksten? Diesen Montag sollen 15 000 Leute durch Dresden gezogen sein. Die Antwort lautet: Der Ausländerfeind braucht keine Ausländer, um sie zu hassen – wie der Antisemit keinen Juden braucht, um über die Juden Bescheid zu wissen und gegen sie zu sein. In einem Filmbeitrag für die Heute-Show hört man Teilnehmer einer PEGIDA-Demonstration richtigen Wahnsinn in die Mikrofone blubbern: “Der IS kommt zu uns rüber und schneidet uns die Köpfe ab”; “Es dauert nicht mehr lang und unsere Kinder müssen in der Schule eine Burka tragen” und Ähnliches mehr. Imre Kertész spricht in diesem Zusammenhang von „platonischem Judenhass“, der auch dort existiert, wo es praktisch keine Juden mehr gibt. Juden, Zigeuner, Muslime, Kanaken, Homosexuelle und so weiter sind die äußeren Repräsentanten des verfemten Teils der eigenen Person. Sie liefern einem diffusen Hass ein imaginäres Objekt. Es ist das Fremde – oder fremd Gewordene – in der eigenen Person, das im Fremden gehasst und verfolgt wird. Von Götz Eisenberg.

Wider die Demografie-Demagogie

„Die Demagogie mit der Demografie“ ist der Titel einer gerade bei KLARtext e.V., einem kleinen Frankfurter Verein, der schon des Öfteren – beispielsweise hier, hier, hier und hier – von sich reden machte, erschienenen Broschüre. Auch die aktuelle Publikation ist dabei wieder dem Ziel verpflichtet, aufzuzeigen und zu argumentieren: „Die Grenzen verlaufen zwischen oben und unten, nicht zwischen den Völkern“. Wie wichtig derlei auch und gerade in Bezug auf die vermeintliche „Überalterung“ unseres Landes ist, offenbart bereits ein flüchtiger Blick in den deutschen Blätterwald. Denn immer wieder ist es die Demografie, die als vermeintlicher Nachweis dafür herhalten muss, dass sich „die Gesellschaft“ ihre sozialen Sicherungssysteme nicht mehr leisten könne und „reformiert“ werden müsse. Doch stimmt das überhaupt? Jens Wernicke sprach hierzu mit Günter Berg, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac und neben Gerd Bosbach dem zweiten Autor der Veröffentlichung.

Alternative für wen?

Mit der Wahl in Sachsen hat sie es endlich geschafft: Die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ (AfD) zieht in ein deutsches Parlament ein. Während die FAZ deswegen beunruhigt ist, konstatiert der Spiegel, dieser Erfolg mache vor allem klar: Diese Partei sei „gekommen, um zu bleiben“. Und tatsächlich deutet auch alles hierauf hin. Doch was ist von der AfD zu halten? Ist sie womöglich eine reale Alternative und Grund zur Hoffnung auch für fortschrittliche Kräfte im Land? Jens Wernicke sprach hierzu mit dem Soziologen, Autor und AfD-Kenner Andreas Kemper.

Wie ein struktureller Rassismus in den USA die Politik beherrscht

Der Tod des schwarzen Jugendlichen Michael Brown durch eine Polizeikugel im amerikanischen Ferguson und die tödlichen Schüsse in St. Louis haben erneut eine heftige Protestwelle und eine Debatte über den Rassismus in den USA ausgelöst. Die Situation erinnert stark an den Fall Trayvon Martin vor zwei Jahren: Auch damals wurde ein Jugendlicher unter nicht genau rekonstruierbaren Umständen erschossen. Der Schütze blieb nach der Tat auf freiem Fuß, da er sich auf ein sogenanntes „Stand your Ground” Gesetz berufen konnte (Eine nach heftigen öffentlichen Protesten vorgebrachte Anklage endete später mit einem Freispruch durch die Jury). Und genauso wie damals bringt die öffentliche Debatte über den Fall wenig neuen Erkenntnisgewinn im Hinblick auf das Thema, um das es im Kern geht und über das eigentlich alle diskutieren sollten: Den immer noch vorhandenen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft. Von Lukas Böhm

Bild-Zeitung heizt die Stimmung gegen Sozialmissbrauch durch Osteuropäer und Arbeitnehmer aus „Schuldenstaaten“ an

Passend zur aktuellen Debatte um Sozialmissbrauch durch Migranten und dazu noch unter dem Reizthema „Staatsverschuldung“ machte die Bild-Zeitung gestern mit einem neuen „Rekord“ Schlagzeilen: „Erstmals mehr als 300 000 Hartz-Empfänger aus EU-Ost- und -Schuldenländern“ (So in der Printfassung). Es soll wohl die Botschaft vermittelt werden: Immer mehr Ost- und Südeuropäer flüchten sich als „Hartz-IV-Schnorrer“ in die sozialen Sicherungssysteme Deutschlands. Und viele Medien plappern diese Meldung einfach nach. Dabei berichtet die Bild-Zeitung wieder einmal nur die halbe Wahrheit, sie täuscht ein falsches Bild vor und schürt damit in typisch rechtspopulistischer Weise Vorurteile gegen Ausländer. Von Wolfgang Lieb.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Ökonom als Menschenfeind?

Über gesellschaftliche Verrohung und die etablierte ökonomische Theorie
Ein Interview mit dem Volkswirt und Wirtschaftsethiker Sebastian Thieme über Fragen nach der Entsolidarisierung der Gesellschaft etwa durch die Hartz-Reformen, nach dem Menschenbild hinter den vorherrschenden ökonomischen Lehren, nach der Ökonomisierung der Gesellschaft und der ethischen Verantwortung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Interview für die NachDenkSeiten führte Jens Wernicke.

Bewährungsproben für die Unterschicht

Bei den Arbeitsmarktreformen ist ja angeblich der Kerngedanke das „Fördern und Fordern“. Das der Hartz-Gesetzgebung zugrunde liegende Leitbild ist, dass Arbeitslosigkeit vor allem der mangelnden Erwerbsorientierung und einer Passivmentalität der Betroffenen geschuldet sei. Über den Druck der Kürzung und der zeitlichen Begrenzung der Leistungsbezüge und durch Sanktionen soll ein Mentalitätswechsel bei den Arbeitslosen herbeigeführt werden. In einer Arbeitsstudie einer Forschungsgruppe um den Jenaer Soziologen Klaus Dörre mit dem Titel „Bewährungsproben für die Unterschicht?“ wird der Blickwinkel gewechselt:
Das neue „aktivierende Arbeitsmarktsystem“ wird zunächst aus der Sicht der Arbeitsverwaltungen und der arbeitsmarktpolitischen Akteure betrachtet. Im zweiten Teil werden die Wahrnehmungen, Erfahrungen und Bewertungen der Betroffenen selbst zum Gegenstand einer sozialwissenschaftlichen Analyse gemacht. Die Kernfrage ist dabei: „Trifft das Bild von einer Lazarusschicht, die es sich in der Hängematte des Wohlfahrtsstaates auf Kosten anderer bequem macht, tatsächlich zu?“ Von Wolfgang Lieb.

Erziehung zum Klassenhass? Waldorfschüler verspotten ihre Chorweiler Nachbarn

„Waldorfschüler verspotten ihre Chorweiler Nachbarn“ – so lautete eine Schlagzeile des „Kölner Stadtanzeigers“ vom 20. Dezember 2012. In dem Artikel wird berichtet, wie Kölner Waldorfschüler den Stadtteil Chorweiler sehen, in dem sich ihre Schule befindet. „Das Viertel färbt ab“ – so lautete das Thema eines Mottotages der Abiturienten der Waldorfschule. Teilergebnisse davon sind in der Abi-Zeitung der Schüler veröffentlicht worden, darauf abgebildet: eine junge Schwangere mit Zigarette, Großfamilien mit „10 Kusäängs und 19 Kusinään“, gewaltbereite Jugendliche, posende Mädchen in Jogginghosen. Die Abi-Zeitung hat im Stadtteil Chorweiler für viel Aufregung gesorgt, da sie auf einem Adventsbasar verkauft wurde. Für die Bezirksbürgermeisterin ist unverständlich, „dass die beteiligten Lehrer augenscheinlich nicht im Vorfeld der Mottotage über die diskriminierenden Aspekte und das mögliche Konfliktpotenzial des Mottotags gesprochen haben.“ Ein ganzes Stadtviertel und seine Bewohner seien abgewertet, Hohn und Spott über Gleichaltrige ausgeschüttet worden. Die Abiturienten hätten ein „Unreifezeugnis“ verdient. Von Joke und Petra Frerichs

In Gesetz gegossene Verfassungswidrigkeit

Die Anzahl der verhängten Sanktionen gegen arbeitslose und nichtarbeitslose ALG-2-Empfänger strebt unaufhaltsam von Rekordmarke zu Rekordmarke. Wurde im April dieses Jahres noch für das Jahr 2011 ein neuer Höchststand von über 912.000 von den Jobcentern ausgesprochenen Sanktionen vermeldet, deuten die Zahlen für das erste Halbjahr 2012 auf eine erneute Steigerung der Sanktionierungsversuche hin. Mit über 520.000 Sanktionen im ersten Halbjahr 2012 geht die Tendenz für das Gesamtjahr in Richtung über 1 Million. Dabei ist generell zu berücksichtigen, dass 42 Prozent der dagegen eingelegten Widersprüche, auch per Gerichtsentscheid, erfolgreich sind. Das mag als Fingerzeig dafür dienen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der verhängten Sanktionen selbst der aktuellen Rechtslage widerspricht. Von Lutz Hausstein[*]

96,8 Prozent der 4,35 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher halten sich an die Gesetze.

So und ähnlich hätten die Schlagzeilen lauten können und müssen, wenn unsere Medien ehrlich berichten würden und nicht auf herablassende Diffamierung der Hartz-IV-Bezieher aus wären. Stattdessen titelte die SZ: „Neuer Rekord: Jobcenter verhängen mehr als eine Million Hartz-IV-Sanktionen“. Inzwischen übernahmen alle, aber auch alle, die Meldung in dieser Form: Welt, Spiegel, Bild, Stern, Handelsblatt usw. Selbst die “taz” ist sich nicht zu schade und titelt: “Rekord bei Hartz-IV-Sanktionen. Strafe muss sein.” Die Aufmache der SZ wie auch die unkritische Übernahme durch andere Zeitungen ist skandalös. Rücksichtslos wird nach dem Titel gesucht, der die Aufmerksamkeit der Leser erregt. Von Orlando Pascheit

Die große Wut der Überzähligen

Notizen und Anmerkungen zu den „Konsumkrawallen“ in England.
Es gibt eine Revolte einer perspektivlosen Jugend fast überall in Europa, nur in Deutschland nicht. Die spontanen Emeuten bedürfen dringend der politisch-moralischen Orientierung und Kontrolle, sonst werden sie nicht nur zu nichts führen, sondern der Reaktion und dem Ausbau der staatlichen Gewaltapparate und der Militarisierung der inneren Sicherheit in die Hände arbeiten. Aber wo sind die Kräfte, die der Revolte eine Richtung und einen politischen Inhalt geben und sie der regulativen Idee der sozialen Emanzipation unterstellen könnten?
Von Götz Eisenberg