April, April!

Ein Artikel von:

Mit der gestrigen Eilmeldung „Putin und Obama verständigen sich auf eine europäische Friedensordnung“ wollten wir Sie – einem uralten Brauch folgend – „in den April schicken“.
Viele Leser und Leserinnen fanden das gelungen, man wollte uns sogar für den Friedensnobelpreis vorschlagen. Einige andere meinten, dass der wiederaufgelebte „Kalte Krieg“ zu ernst sei, als dass man darüber einen „Aprilscherz“ machen dürfe.
Mir war klar, dass ich mich mit einem Aprilscherz zu diesem Thema auf eine Gratwanderung begebe. Aber vielleicht weil ich ein „konvertierter“ Rheinländer geworden bin, habe ich mir gedacht, dass gerade Scherze oft geeignet sind, schlaglichtartig zu zeigen, wie unsinnig ein Konflikt ist und wie leicht es doch sein könnte, ein Problem zu lösen, wenn sich die Kontrahenten von verbohrten Einstellungen befreien könnten. Von Wolfgang Lieb.

Mein gestriger als Aprilscherz gedachter Artikel hat ungewöhnlich viele Reaktionen unserer Leserinnen und Leser ausgelöst. Die meisten Zuschriften hatten den Tenor, „es wäre zu schön, um wahr zu sein“. Einige reagierten betroffen und hielten das Thema als Aprilscherz für ungeeignet.

Zustimmende Rückmeldungen lauteten z.B.:

  • „Eine Vision, die ich nach dem Jahr 1990 hatte. Leider nur ein Aprilscherz! Trotzdem, dafür sollte Ihr Team den Friedensnobelpreis erhalten.“
  • „Eine schöne Illusion haben Sie da beschrieben.“
  • „Es wäre aber in der Tat auch zu schön, um wahr zu sein!“
  • „Wie einfach wäre es doch zu erfüllen, ihr Konzept.“
  • „Eine schöne Utopie hast Du Dir da zum 1. April ausgedacht: sehr nachdenkenswert und durchaus erreichbar, wären auf allen Seiten die konstruktiven Kräfte am Werk. Leider ist das Gegenteil der Fall.“
  • „Toll! Wenn das ein Aprilscherz sein soll, ist er perfekt gelungen, zu perfekt, zu schnell, um wahr zu sein, halt leider nur ein Aprilscherz!
  • „Ein altes Zauberwort, an das ja noch ein großer Philosoph wie Hegel glaubte, dass nämlich zuletzt die Vernunft sich doch gegen alle Widerstände und Hindernisse durchsetzt, könnte man ja noch einmal auf sein magisches Potential testen.“
  • „Ist Ihnen wirklich gelungen. Aber leider leider… Von Ihrem “außenpolitischen Vorschlag” war ich derart begeistert, dass ich dachte, es geschehen noch Zeichen und Wunder!“

Andere Leserinnen und Leser haben betroffen reagiert, u.a. wie folgt:

  • „Die Situation ist zu ernst, darüber scherzt man nicht.“
  • „Über eine mögliche militärische Eskalation, welche sich zudem auch nicht auf diese Region beschränken würde, macht man keine Scherze!!“
  • „Zu dem Thema verstehen viele sicher keinen Spaß!“
  • „Die Nachricht klingt in der Tat zu unglaublich, um wahr zu sein. Andererseits stellt es die Seriösität Ihrer Seite in Abseits, sollte es sich in der Tat um einen Aprilscherz handeln.“

Vor allem der Vorwurf, ich hätte mit diesem Aprilscherz die Glaubwürdigkeit und die Seriosität der NachDenkSeiten in Frage gestellt, trifft mich natürlich hart. Ich kann gut verstehen, dass Vielen angesichts der gegenwärtigen Kriegstreiberei, der Spaß vergeht.
Meine Überlegung bei diesem Artikel war jedoch, dass mir der 1. April eine Gelegenheit bot, eine positive Vision über die Auflösung der derzeitigen Konfrontation aufzuzeigen. Wie sollte man außerhalb eines Textformats, das nicht ganz ernst genommen werden soll und muss, denn solche Gedanken überhaupt noch in einen Artikel fassen können.

Für mich ist es eher eine Tragik, dass man solche Gedanken nicht mehr in einem Beitrag äußern kann, der ernst und seriös gemeint ist.

Solche Gedanken sind nämlich keineswegs neu. Ich habe mich bei diesem Artikel teils wortwörtlich auf das Berliner Programm der SPD aus dem Jahre 1989 und auf die Schlussakte der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit“ (KSZE) von 1975 gestützt, die vor allem durch Willy Brandts Politik des „Wandels durch Annäherung“ möglich wurde.

Es ist tragisch, dass solche Ideen heutzutage für viele utopisch erscheinen, dabei sind sie Jahrzehnte alt und haben zu guten Ergebnissen geführt. Doch leider scheint die derzeitige Politik aus der Geschichte keine Lehren zu ziehen. So wiederholt sich Geschichte, sei es als Tragödie, sei es als Farce. (Karl Marx über Hegels Geschichtsphilosophie)
Auf die derzeitige West-Ost-Konfrontation trifft beides zu: Sie ist eine Tragödie und eine Farce zugleich.

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