Hinweise des Tages

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

(KR/AM)

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  1. Aufstand der Ökonomen und andere Revolten
    Der Wille zum Bruch mit der etablierten “neoklassischen” Wirtschaftslehre ist da – allein es fehlen die Alternativen. Von Michael R. Krätke.
    Quelle 1: Freitag
    Quelle 2: Post-Autistic Economics Review

    Siehe dazu auch Übersichtsartikel zur “post-autistischen Ökonomie” [PDF – 640 KB].

    Kommentar von Orlando Pascheit: Beiträge wie dieser von Michael Krätke können nicht genug geschrieben werden. Allerdings ist m.E. der Vorwurf, die intellektuelle Linke in Deutschland habe den Kampfplatz Universität kampflos verlassen, nicht stimmig. Wenn es stimmt, daß neoklassische Ökonomen “dank der eminent politischen Bedeutung ihres Fachs mittlerweile zu einer Kaste geworden [sind] , von der die Welt (mit)beherrscht wird, da sie überall an der Herrschaft, sei sie privat oder formell öffentlich, direkt beteiligt ist”, dann haben nicht nur Max Weber oder Karl Marx keine Chance auf eine Professur.
    Infiziert von der neoklassischen Grundauffassung, daß ökonomische Prozesse, und nicht nur diese, als Ergebnis von Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt der Nutzenmaximierung bei Knappheit erklärt werden können, verkennen wir häufig, daß nicht nur Knappheit die entscheidende Beschränkung menschlicher Aktivitäten ist, sondern auch Macht, präziser ungleiche Machtpositionen. Und was für eine Macht! Wenn heute weltweit zukünftige Führungskräfte und angehende Intellektuelle in Universitäten, Beraterstäbe und Expertenkreise in Politik und Wirtschaft wie auch die Wirtschaftspresse einem Einheitsdenkstil ökonomischer Lehre verpflichtet sind, so herrscht hier eine Macht, die eigentlich nur in Kategorien des Religiösen zu fassen ist. „Die neoklassische Ökonomie hat längst den Status einer »Zivil-« oder »Alltagsreligion« erreicht. Sie liefert die Glaubenssätze, die Deutungsmuster und die Normen, an denen sich politisches wie soziales Handeln überhaupt zu orientieren haben und woran sie sich messen lassen müssen. Sie tritt auf als einzig legitime Vertreterin der »ökonomischen Vernunft« auf Erden.“ (Krätke, Neoklassik als Weltreligion?)

  2. Die Koalition diskutiert Mindestlöhne für einzelne Branchen. Doch das ist unrealistisch.
    Kaum eine Branche wird das »Angebot« des Arbeitsministers wahrnehmen und sich für den Mindestlohn via Entsendegesetz fit machen. Zwar hat Müntefering noch einen Trumpf in der Hand: Ein fast vergessenes Gesetz von 1952 erlaubt es, bei offensichtlichen Missständen in einer Branche den Lohn über die Tarifpartner hinweg zu diktieren. Doch diesem Verfahren würde sich die Union strikt verweigern.
    Für den Arbeitsminister sind die Branchenmindestlöhne ohnehin nur ein Vehikel, um den generellen Grundlohn im Gespräch zu halten. Wenn sie sich bis Ende des Jahres nicht umsetzen lassen, wird der Ruf nach dem allgemeinen Mindestlohn umso lauter. Der wäre auch den meisten Gewerkschaftern lieber.
    Quelle: Die Zeit
  3. Eine atemberaubende Karriere
    Niederlande: Für die deutschen Sozialdemokraten ein Alptraum – für die Partei der Arbeit (PvdA) eine Realität. Die “neue Linke” überflügelt die “alte Linke”.
    Quelle: Freitag

    Kommentar AM: Der SPD wird es ähnlich ergehen, wenn sie so weitermacht.

  4. Schmal- bis großspurig
    Gründe gegen die Privatisierung des letzten bundeseigenen Konzerns: der Dokumentarfilm »Bahn unterm Hammer«.
    Quelle: Junge Welt

    Aktuelle Termine der Filmaufführungen: bahn-unterm-hammer.de
    Der Film als Kauf-DVD: attac.de

  5. Günter Ederers neue Märchen-Stunde
    Am Montag, dem 14. und dem darauffolgenden Montag, dem 21. Mai, strahlt die ARD um 21:00 Uhr den Beitrag »Das Märchen vom gerechten Staat« aus. Autor ist Günter Ederer, der im Jahr 2003 schon einmal eine Märchen-Reihe verfasst hatte. Die Märchen-Reihe wird von der arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft finanziert.
    Quelle: Blog Beitrag zur Bewußtseinssteuerung
  6. Die INSM und die Journalisten
    Wie die INSM kritische Berichterstattung zu unterbinden versucht.
    Quelle: Perspektive 2010
  7. Discount-Dozenten
    Nach kritischen Medienberichten schafft die Uni Hamburg ihre Ein-Euro-Jobs ab, um den Imageschaden, der längst entstanden ist, zu begrenzen. Doch billige Lehre gibt es an allen Hochschulen: Lehrbeauftragte unterrichten für Minilöhne oder sogar umsonst.
    Quelle: FTD
  8. Pinocchios Begabung: Die Ausnahme im Bildungssystem, die nicht zur Regel werden soll
    Die Interessenlage ist der harte Kern des Bildungsklassismus. 1989 hat Ludwig von Friedeburg, in den 1970ern als hessischer Kultusminister im Bildungsbürgerkrieg um die Gesamtschule gescheitert, diese Interessenlage in einem Rundfunkinterview mit so deutlichen Worten beschrieben, wie sie nur ein Politiker wagen kann, der schon lange keiner mehr ist: “Man soll sich nicht täuschen: Die gesellschaftlichen Gegensätze, die darin liegen, dass bestimmte Gruppen einer Bevölkerung viel investiert haben im Bildungssystem, um ihre Position zu halten und ihre Kinder wieder in die Positionen zu bringen, und andere mehr oder minder ausgegrenzt werden, diese gesellschaftlichen Gegensätze sind da. Sie wurden Ende der 60er nur dadurch überspielt, dass sehr schwache Jahrgänge auf den Arbeitsmarkt kamen, sehr viel Platz dort war wegen einer lang anhaltenden Konjunktur, und deswegen, weil so viel Platz war, die Meinung herrschte, es würde überhaupt nicht schaden, wenn man ein paar begabte Arbeiterkinder mitnähme auf diese Reise, den eigenen Kindern entstände dadurch kein Schaden. … Schon Anfang der 70er standen in Scharen die Abiturienten auf den Plätzen vor den Kultusministerien und forderten Studienplätze, der Numerus clausus nahm zu, schon da wurde den Mittelschichten bewusst, es wird eng, die Konkurrenz wird groß, also ist Widerstand am Platze.”
    Quelle: Le Monde diplomatique – Deutsche Ausgabe
  9. Wie Würzburgs Bürger König werden soll
    Kapitalismus in Ämtern und Behörden: Der Bertelsmann-Konzern krempelt die Verwaltung der Stadt Würzburg radikal um. In Zukunft gelten hier die Gesetze der Privatwirtschaft, aus Bürgern sollen Kunden werden.
    Quelle: SPIEGEL online

    Anmerkung eines NachDenkSeiten-Lesers: Zitat aus dem Artikel: “Bisher müssen die Würzburger für Behördengänge weite Wege einplanen. Wie in jeder deutschen Stadt gibt es für fast jedes Anliegen ein eigenes Amt. “Wer etwas von uns will, muss durchs ganze Rathaus wandern”, erzählt die Bürgermeisterin. Auf Anraten von Arvato wird das nun anders.” Wer – wie die CSU-Bürgermeisterin von Würzburg – noch nicht einmal merkt, welches Armutszeugnis sie sich ausstellt, dem müsste man fast die Erfahrung mit Arvato wünschen – wenn da nicht der arme Kunde Bürger wäre, aus dem ein Kunde werden soll. Weite Wege wie in jeder deutschen Stadt? Für jedes Anliegen ein anderes Amt? Wenn die Bürgermeisterin nicht Arvato, sondern ihre Amtskollegen oder -kolleginnen gefragt hätte, wüsste sie, dass es in vielen Städten und Gemeinden schon lange “Bürgerbüros” auch ohne PPP gibt. Es ist kaum vorstellbar, dass z.B. die “Ergebnisse aus 10 Jahren Vergleichsringarbeit des IKO-Netzes der KGSt” (KGSt-Bericht 10/2006) nicht auch im Würzburger Rathaus schlummern. “In der Vergleichsarbeit”, heißt es dort, “werden gute Praktiken und Methoden von Verwaltungen oder Organisationseinheiten deutlich und transparent, die Vorbild und Hilfe für andere sein können.” Die zehn Millionen hätte sie sich sparen können. Man wüsste also gerne, wie und warum Würzburg “den Anfang macht hierzulande” für die Eroberung “Zentraleuropas” durch den Bertelsmann-Konzern.

  10. Arbeiten bis zum Umfallen
    Laut Financial Times Deutschland (FTD) ist die Rente mit 67 “das erste wirklich große Projekt der Großen Koalition”, noch dazu eins, das durch die Hintertür eingetütet worden ist: Weder im Wahlkampfprogramm der CDU noch in dem der SPD wurde dazu ein Wort verloren. Hinter der angeblichen Rentenmisere steckt weniger die quasi naturgesetzliche Demographie, sondern der gesellschaftliche Verteilungskonflikt. Der Rückgang der Lohnquote und das Dogma von der Deckelung der Beitragssätze zwingt die gesetzliche Rentenversicherung in die Knie.
    Quelle: Linksnet

    Kommentar AM: Es sei erlaubt, darauf hinzuweisen, dass diese Analyse nicht sonderlich neu ist. In den NachDenkSeiten und in „Machtwahn“ finden Sie viele Belege für unsere These, dass das Vertrauen in die gesetzliche Rente systematisch zerstört wird.

  11. Wanze im Wohnzimmer – Online-Spitzelei durch den Verfassungsschutz
    Die Generalbundesanwaltschaft wollte vom höchsten Gericht wissen, ob die Computer von Verdächtigen online durchsucht werden dürfen. Der Bundesgerichtshof entschied Anfang 2007, dass ein solcher Eingriff gegen das Grundgesetz verstoßen würde. Soweit die Theorie. Nun stellt sich heraus, dass der Verfassungsschutz aber bereits geheime Online-Durchsuchungen durchgeführt hat. Und das mit Erlaubnis des Bundesinnenministeriums – per Dienstanweisung.
    Quelle: rbb
  12. Eskalationsminister Schäuble
    Wer nicht glaubt, dass Schäuble an der kollektiven Einschüchterung des Protests arbeitet, wird spätestens dann eines schlechteren belehrt, wenn er sieht, wie der Minister das Thema Demonstrationen skrupellos mit Terrorismus vermischt. Wieder scheinbar ganz arglos verweist er auf die Gefahr schwerer Attentate während des Gipfels. Wer behauptet, das sei kein bewusster Versuch, Demonstranten in der öffentlichen Wahrnehmung auf eine Stufe mit Terroristen zu stellen, der hält Schäuble für dümmer, als er ist.
    Quelle: FR
  13. Kritik an Prüfbericht zur Situation von Menschen ohne Papiere
    Mit heftiger Kritik reagierte die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) auf einen inzwischen öffentlich zugänglichen Bericht des Bundesinnenministeriums über die Situation von “Menschen ohne Papiere”. Aus “berechtigter Angst” vor Aufdeckung ihres illegalen Aufenthaltes und der daraus folgenden Gefahr einer Abschiebung für sich und möglicherweise der ganzen Familie “nehmen erkrankte Menschen ohne Papiere ärztliche Hilfe oft zu spät oder gar nicht in Anspruch”, so Claußen. “Wir Ärzte erleben die Konsequenzen bei verschleppten Krankheiten, unterlassenen Impfungen, fehlender Schwangerenbetreuung oder ansteckenden Erkrankungen für die Umgebung.” Das Menschenrecht auf medizinische Versorgung müsse Vorrang vor dem Ordnungsrecht haben. Das sei auch gängige Praxis in Ländern wie USA, Großbritannien, Frankreich, Belgien, der Schweiz oder Italien, wo es keine oder nur eine eingeschränkte Meldepflicht gegenüber der Ausländerbehörde gebe.
    Quelle: ngo-online
  14. Der Volkspräsident
    Warum hat der Bundespräsident wohl das Gnadenrecht? Damit das Volk ihm zujubelt, wenn er einen Terroristen oder Mörder begnadigt? Das Volk jubelt lieber Hinrichtungen zu, die Bilder werden aus aller Welt täglich in die Zeitungsredaktionen geliefert. Bundespräsident Horst Köhler hat im Fall Christian Klar eine plebiszitäre Entscheidung getroffen. Er zeigte damit, dass er ein für Populismus empfängliches Staatsoberhaupt ist.
    Quelle: SZ

    Kommentar AM: Gut, dass man in der SZ mal wieder so was lesen kann. Und auch noch vom Chefredakteur.

  15. Linkes Schwarzbuch gegen Weißbuch
    Die Linke legt eine umfassende Kritik der deutschen Sicherheitspolitik vor. Lafontaine: “Das Buch ist eine Anklage”. Der Fraktionschef der Linken bezeichnete das als “Außenpolitik der “Hehlerei”. Die Bundesrepublik sei immer dabei, wenn die USA das Völkerrecht brechen. So sei aus dem Antiterrorkampf selbst eine Politik des Terrors geworden.
    Quelle: TAZ
  16. Union diffamiert »Kriegsverräter«
    Empörende Aussagen im Bundestag über Deserteure und antifaschistische Widerstandskämpfer. Die Linksfraktion hatte einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile eingebracht. Man will die vorgeschriebene Einzelfallprüfung für jene vom NS-Regime Verurteilten abschaffen, die »Kriegsverrat« begangen haben.
    Quelle: ND
  17. Historische Last
    Nazi-Täter haben das Bundeskriminalamt in den Anfangsjahren geprägt. Jetzt will sich die Behörde endlich ihrer Geschichte stellen. Ein Forscher soll die Vergangenheit aufarbeiten.
    Quelle: Berliner Zeitung
  18. Der große Aderlass
    Nach unterschiedlichen Schätzungen haben seit dem EU-Beitritt zwischen 600.000 und vier Millionen Polen ihr Land auf Arbeitssuche verlassen
    Quelle: Telepolis
  19. Kotau vorm Kapital
    Chinas Regierung verwässert das neue Arbeitsrechtsgesetz nach massiven Interventionen US-amerikanischer und europäischer Konzerne.
    Quelle: Junge Welt

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