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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Deutschland hat wieder den größten Exportüberschuss der Welt
  2. Schulz
  3. Trumps Einreiseverbote
  4. Benoît Hamon, Sieger der jungen Linken
  5. Neuer Skandal für den Saubermann der französischen Konservativen
  6. Heiner Flassbeck über Armut und Reichtum
  7. Wir müssen wissen, wer nach Europa kommt
  8. Wie ein ganzer Kontinent seiner Rohstoffe beraubt wird
  9. Freihandel – eine Theorie mit Realitätsproblemen
  10. Trumps Streit mit dem Silicon Valley geht erst los
  11. Griechenland: Bürger und Staat am Ende der Sparmöglichkeiten
  12. Hohmann-Dennhardt bekommt mehr als zwölf Millionen Euro von VW
  13. Wie Deutschland seine Importe rasch steigern kann
  14. Millionen Minijobber werden mit illegalen Minigehältern abgespeist
  15. Im Gefängnis gehört einem weder Raum noch Zeit
  16. „Gezielte Tötungen“ durch Drohnen: Bundesregierung zieht keine Konsequenzen
  17. Jüdische Siedler beeinflussen Armee im Westjordanland
  18. Das Letzte – Verschwörungstheorie Marke Eigenbau

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Deutschland hat wieder den größten Exportüberschuss der Welt
    2015 hatte China noch den ersten Platz inne: Nun ist Deutschland laut einer Studie wieder das Land mit dem größten Exportüberschuss. Das größte Defizit weisen die USA auf.
    Deutschland hat China nach Berechnungen des Ifo-Instituts 2016 als Land mit dem weltgrößten Exportüberschuss beim Kapital abgelöst. “Die Leistungsbilanz weist voraussichtlich ein Plus von 297 Milliarden Dollar auf”, sagte Ifo-Experte Christian Grimme der Nachrichtenagentur Reuters.
    Das bedeutet konkret: Deutschland hat im vergangenen Jahr 297 Milliarden Dollar mehr durch den Export von Waren und Dienstleistungen eingenommen, als es für Importe ausgegeben hat.
    Die Volksrepublik kommt demnach auf den zweiten Rang mit einem Überschuss von 245 Milliarden Dollar. 2015 war die Reihenfolge noch umgekehrt. Platz drei belegt Japan. Das größte Defizit weisen dem Münchner Ifo-Institut zufolge die USA auf: Es summiert sich hier auf voraussichtlich 478 Milliarden Dollar. “Das bedeutet, dass die USA deutlich mehr verbrauchen als produzieren und sich im Ausland verschulden”, sagte Grimme.
    Die Zahlen dürften die internationale Kritik am deutschen Wirtschaftsmodell befeuern, zumal sie auch dem neuen US-Präsidenten Donald Trump ein Dorn im Auge sind. Er wirft China unfaire Handelspraktiken zulasten der USA vor, droht aber auch deutschen Autobauern offen mit Einfuhrzöllen.
    Deutschland steht in Europa ebenfalls in der Kritik. So macht der Überschuss nach den neuen Ifo-Berechnungen 8,6 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus, während die EU-Kommission bereits Werte von dauerhaft mehr als sechs Prozent als stabilitätsgefährdend einstuft. Deutschland reißt diese Hürde seit Jahren. Brüssel sieht darin spätestens seit der weltweiten Finanzkrise ein Ungleichgewicht: Länder mit enormen Überschüssen tragen dazu bei, dass andere Staaten sich hoch verschulden, um ihre Importe zu finanzieren.
    “Der deutsche Überschuss der Leistungsbilanz lässt sich vor allem auf den Warenhandel zurückführen”, so Grimme. Hier allein sei von Januar bis November ein Überschuss von 255 Milliarden Euro zusammengekommen. “Haupttreiber war die gestiegene Nachfrage aus den restlichen Ländern des Euro-Raums und aus den europäischen Ländern außerhalb der EU.” In die Leistungsbilanz fließen neben dem Warenhandel auch alle anderen Transfers mit dem Ausland ein – von Dienstleistungen bis zur Entwicklungshilfe.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Auch wenn die Kritik aus den USA und der EU immerhin erwähnt werden, klingt der krasse Leistungsbilanzüberschuss in diesem Artikel dennoch wie etwas Tolles (“China überholt – Deutschland hat wieder den größten Exportüberschuss der Welt”), wie der Gewinn der Fußball-WM, und nicht wie die Katastrophe, die es in Wahrheit ist (z. B. dieser Leserkommentar: “Eine ausgeglichene Handelsbilanz sollte das Ziel sein und kein “Exportweltmeister” Heldenstatus. Wer dauerhaft mehr exportiert als er importiert, exportiert auch seinen Wohlstand.”). Außerdem müßte das ifo-Institut mal seine Beschreibung des US-Leistungsbilanzdefizits symmetrisch auf Deutschland anwenden: “Das bedeutet, dass Deutschland deutlich weniger verbraucht als produziert und sich das Ausland bei ihm verschulden muss.” Wenn die USA ein Problem haben, dann doch offensichtlich auch Deutschland.

    Anmerkung JK: Man macht einfach weiter, ohne Rücksicht auf eine ausgeglichene Handelsbilanz mit andere Nationen und erregt sich dann über Trumps “America First”. Wie kommen die deutschen Merkantilisten eigentlich darauf, dass man dieses Spiel einfach endlos weitertreiben kann?

  2. Schulz
    1. Gerechtigkeit als Kernaufgabe
      In den Mittelpunkt des Wahlkampfes will Schulz die Themen Steuergerechtigkeit und Kampf gegen die Steuerflucht rücken. Es sei nicht gerecht, dass ein Bäcker seine Steuern zahlen müsse, aber ein globaler Kaffeekonzern sein Geld in Steueroasen parke, sagte Schulz in seiner ersten Rede als offizieller Spitzenkandidat der Sozialdemokraten. Es gehe um Respekt vor der Lebensleistung von Menschen.
      Er sehe für seine Partei gute Chancen im Bundestagswahlkampf. “Wir werden die Wahlen in diesem Jahr richtig spannend machen.” Die SPD trete an, um die stärkste politische Kraft zu werden. “Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen”, forderte er. “Nur durch eine Gesellschaft, die zusammenhält, werden wir stark sein.” Ihm sei wichtig, “die hart arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt stellen”.
      Quelle: Tagesschau

      Anmerkung JK: Schulz, der schon immer ein Apologet der Agenda 2010 war, redet von sozialer Gerechtigkeit, wer soll das glauben? Wer gehört nach Schulz zu den “hart arbeitenden Menschen”? Der Top-Manager mit aberwitzigen Millionengehalt (der das sicher von sich behaupten würde), der Multijobber, der mehrere Jobs braucht um über die Runden zu kommen, der scheinselbständige Paketfahrer mit 12 Stunden Schicht, der Freiberufler, der in der Cloud um Aufträge kämpft? Wer schon einmal nicht dazugehört sind die Erwerbslosen, die somit Schulz und die SPD nicht vertreten will. Die von Schulz verwendete Phrase dient der Abgrenzung und Ausgrenzung und der weiterer Entsolidarisierung und Spaltung der Gesellschaft, wozu die SPD mit der Agenda 2010 bekanntlich den Grundstein gelegt hat.

    2. Sahra Wagenknecht zu Martin Schulz
      Die gestrigen Fernseh-Auftritte von Martin Schulz wurden in den Medien als Aufbruch und Neubeginn für die SPD gefeiert. Haben die alle nicht zugehört? Klar, Schulz hat viel von sozialer Gerechtigkeit geredet. Das tun SPD-Kanzlerkandidaten aber in Vorwahlzeiten immer. Aber er hat auch erkennen lassen, was er unter Gerechtigkeit versteht: Angela Merkel ist für ihn “die geschäftsführende Vorsitzende einer sozialdemokratischen Regierung”, wie er bei Anne Will freimütig ausgeplaudert hat. Na, wenn das so ist: Warum tritt Schulz dann eigentlich gegen Merkel an? Wer Schulz wählt, wählt dann also ein Weiter-so “sozialdemokratischer” Politik à la Merkel? Danke für die Klarstellung, das ist wirklich ein grandioser “Neubeginn”! Um die Menschen von der Notwendigkeit eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers zu überzeugen, teilt uns Schulz außerdem noch mit: “Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder haben Deutschland gut getan!” Aha! Also für Willy Brandt gilt das ganz sicher. Aber ob die vielen Millionen Beschäftigten, die dank Agenda 2010 heute in mies bezahlten, befristeten Jobs oder als Leiharbeiter und Minijobber arbeiten müssen, das in Bezug auf Gerhard Schröder auch so sehen, würde ich bezweifeln. Wie will Schulz Politik für die “hart arbeitenden Menschen” machen, wenn er im gleichen Atemzug den Kanzler lobt, der genau diesen Menschen mit seiner Agenda-Politik den sozialen Boden unter den Füßen weggezogen hat. Überzeugend ist das nicht. Und es zeigt ganz klar: Ohne Druck von links ist Schulz nur ein zweiter Gabriel. Mehr soziale Gerechtigkeit wagen – DIE LINKE wählen!
      Quelle: Sahra Wagenknecht via Facebook

      Zu Schulz und Griechenland: Schulz Märchenstunde – ein neues Angebot an Griechenland, das weder neu noch ein Angebot ist

  3. Trumps Einreiseverbote
    1. Symbolisch und postfaktisch
      Menschen aus den sieben Ländern, über die das Einreiseverbot verhängt wurde, haben im Gegensatz zu “Homegrowns” praktisch keine Terroranschläge in den USA geplant oder ausgeführt
      Mit seinem Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimischen Ländern könnte Donald Trump zum ersten Mal eine Linie überschritten haben, wo er mit einer breiten Ablehnung konfrontiert wird. Trump verwies in einem Tweet darauf, in welchem Schlamassel sich Europa wegen der Flüchtlinge befindet, die allerdings mit tatkräftiger Einwirkung vorhergegangener US-Regierungen entstanden sind. Verantwortung dafür zu übernehmen, was amerikanische Regierungen vermasselt haben, ist nicht Trumps Sorge. Er will hingegen die USA vor vermeintlichen Terroristen schützen und gleichzeitig einen Plan ausarbeiten lassen, wie der Islamische Staat – als sei es die einzige islamistische Terrororganisation – niedergeschlagen werden könnte – als ob Clinton, Bush und Obama dies nicht ebenso vorgehabt hätten.
      Quelle: Telepolis
    2. Turmoil at DHS and State Departement – „There are people literally crying in the office here“
      While President Donald Trump’s executive order on immigration has left families wondering when they will see their loved ones again, drawing condemnation from leaders around the globe, the administration’s actions have also impacted another group: career U.S. officials working on asylum and refugee cases as well as foreign policy.
      “There are people literally crying in the office here,” said a senior U.S. immigration official who spoke to The Intercept on condition of anonymity.
      Interviews and internal communications obtained by The Intercept reveal how American personnel tasked with aiding the planet’s most vulnerable populations and representing the country in the international arena are learning bit by bit, through emails and confounding directives, how the jobs they signed up for are being steadily eroded.
      The immigration official said that staffers at one Department of Homeland Security office were devastated when they arrived at work Monday morning to find an email, circulated among DHS leadership over the weekend, informing department personnel that they would no longer be permitted to adjudicate any immigration claims from the seven countries targeted by Trump’s travel ban, including petitions for asylum, permanent residency, or naturalization.
      Quelle: The Intercept

      passend dazu: Neuer Rekord!
      Tage, die es dauerte, bis mehr als 50 Prozent der US-Amerikaner die Politik ihres Präsidenten missbilligten.

      Quelle: Katapult Magazin

  4. Benoît Hamon, Sieger der jungen Linken
    Wird Frankreich rot-rot-grün? Der Überraschungskandidat Benoît Hamon hat gestern die Vorwahlen des sozialdemokratischen PS (Parti Socialiste) gewonnen. Der Sieg gegen Manuel Valls, der bis vor kurzem noch Premierminister war, fiel eindeutig aus. Hamon gewann 58 Prozent der Stimmen.
    Es war die letzte einer ganzen Reihe von Wahlklatschen für die Politik Hollandes. Hamon wird dem Lager der Frondeurs, die gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Partei unter Hollande rebellieren und für einen Kurs stehen, der sich als deutlich links markiert. Exemplarisch dafür steht ihr Widerstand gegen das Arbeitsgesetz.
    Die politischen Ziele, für die Hamon wirbt, sprechen für sich: Er exponierte sich mit der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für das Lager der Realisten als “Träumer”. Er will die Arbeitszeit noch unter der 35- Stunden-Woche festlegen, zielt damit also in die vollkommen entgegengesetzte Richtung von Valls und Hollande.
    Grundlegend vertritt Hamon die Auffassung, dass zeitgemäße linke Politik engstens mit Umweltpolitik verquickt ist, so präsentiert er auch eine rigidere Abschaltungspolitik bei den AKWs. Ihren Anteil an der Stromproduktion will er künftig auf 50 Prozent reduzieren. Es soll mehr Umweltabgaben geben. Bis 2025 will er Dieselmotoren abschaffen.
    Bei seinem letzten TV-Duell gegen Valls führte er mit großer Bestimmtheit aus, dass es eine Art Diskriminierungs-Polizei brauche, um Anti-Diskriminierungsgesetze im allgemeinen Bewusstsein zu verankern und durchzusetzen. Hamon tritt für den Schutz von Whistleblowers ein, für die Legalisierung von Cannabis. Bei dem heiklen Thema “Sterbehilfe” bezieht er eine Pro-Haltung, die entschiedene Gegner hat.
    Die Liste kontrovers diskutierter Themen, wo Hamon einen Standpunkt einnimmt, der nicht wenige gegen ihn aufbringt, zum Beispiel bei der Reproduktionsmedizin oder beim Verbot von Pestiziden, ließe sich noch weiter fortsetzen. Wie groß der Rückhalt dafür ist, den Hamon in der Bevölkerung finden kann, ist noch nicht einzuschätzen. Mit dem von ihm vorgeschlagenen Moratorium für die Euro-Rettungspolitik und der Abkehr von der Austeritätspolitik trifft er aber den Nerv vieler.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Frankreichs Sozialisten droht der Untergang
    Links-Utopist Benoît Hamon hat keinerlei Aussicht, in die Stichwahl gegen Rechtspopulistin Marine Le Pen zu ziehen. Seine Partei liegt in Schutt und Asche.
    Der Parti Socialiste ist zerrütteter denn je, die Kampagne hat alte Narben und neue Wunden aufgerissen. Der Sieger vom Sonntag, der Links-Utopist Benoît Hamon, hat keinerlei Aussicht, in die Stichwahl am 7. Mai gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen zu ziehen.
    Die Trümmer der französischen Linken sind die Hinterlassenschaft des François Hollande. Der sozialistische Präsident kannte Frankreichs Strukturprobleme genau, er wollte seine Nation erneuern. Nur, zugleich scheute sich der frühere Parteisekretär, seine linken Genossen zu verprellen. Er zauderte, suchte Mittelwege – und erreichte nichts.
    Seine Reförmchen fielen zu lau aus und kamen zu spät, als dass sie ihm einen Aufschwung und neue Jobs hätten schenken können. Zugleich agierte Hollande so ungeschickt, dass er dennoch die eigene Linke gegen sich aufbrachte. Manuel Valls, der frühere Premierminister und unterlegene Realo vom Sonntag, war an Hollandes doppeltem Fiasko geradezu hyperaktiv beteiligt. Er ist der Sack, auf den nun all die linken PS-Genossen einprügelten, die eigentlich den Esel Hollande meinten.
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: An diesem Kommentar lässt sich erahnen was einem Kanzlerkandidaten der SPD blühen würde, der wirklich linke Positionen vertreten und der neoliberalen Ideologie abschwören würde. „Links-Utopist“ wäre vermutlich noch das harmloseste Pejorativ. Der Vorwurf, die französischen Sozialisten würden untergehen, weil Hollande nicht neoliberal genug gewesen sei, offenbart tiefe Einblicke in die Gedankenwelt deutscher “Qualitätsjournalist”.

  5. Neuer Skandal für den Saubermann der französischen Konservativen
    “Man wird mich nicht einschüchtern”, sagte François Fillon am Sonntag vor etwa 15 000 Anhängern bei einem Wahlkampfauftritt in Paris. Der französische Präsidentschaftskandidat der Konservativen zeigte sich kämpferisch und reagierte damit auf zuletzt publik gewordene Vorwürfe.
    Medien berichteten am Wochenende, der Politiker sei in eine Affäre um schwarze Kassen für konservative Senatoren verstrickt und habe womöglich unrechtmäßig Gelder erhalten. Das ist bereits der nächste mögliche Skandal, Fillon ist schon durch den Vorwurf einer Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau in die Schlagzeilen geraten. Er bezeichnete die Vorwürfe als politisch motiviert. Er werde die Republikaner trotz des “Gegenwinds” zum Sieg bei der Präsidentschaftswahl führen, betonte er in Paris.
    Für Fillon sind solche Vorwürfe besonders pikant, schließlich hat er sich im Wahlkampf das Image des Saubermanns verpasst. Er gilt als korrekt, katholisch, konservativ – und als Favorit im Rennen um die Präsidentschaft. Bisherigen Umfragen zufolge dürfte er neben der Rechtsextremen Marine Le Pen in die Stichwahl im Mai einziehen und dabei klar gewinnen.
    Dass nun die Zeitung Journal du Dimanche berichtet, der heutige Präsidentschaftskandidat habe in seiner Zeit als Senator von 2005 bis 2007 sieben auf seinen Namen ausgestellte Schecks über insgesamt etwa 21 000 Euro erhalten, lässt seine Chancen sinken. Auch das Enthüllungsportal Mediapart berichtet, Fillon habe sich einen Teil der Gelder, die eigentlich für die Bezahlung seiner Assistenten bestimmt gewesen seien, “in die eigene Tasche gesteckt”. Die abgezweigten Gelder belaufen sich demnach auf bis zu 25 000 Euro.
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: Oh je, der neoliberale Lieblingskandidat der deutschen „Qualitätsmedien“ erweist sich zunehmend als ein idealtypischer Repräsentant, der abgehobenen Politelite Frankreichs, die ihr Land als Selbstbedienugnsladen betrachtet. Marine Le Pen hat vermutlich gerade richtig Spaß.

    Ergänzende Anmerkung JB: Aufgrund der Wahlarithmetik hat vor allem der neoliberale Shooting-Star Emmanuel Macron Grund zum Jubeln. Durch den Sieg Hamons bleibt ihm der Gegner Valls in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen erspart, der ihm alleine schon aufgrund der politischen Nähe viele Stimmen weggenommen hätte. Und wenn sich dann auch noch Fillon selbst zerlegt, steht der Präsidentschaft Macrons nicht mehr viel im Weg. Armes Frankreich.

  6. Heiner Flassbeck über Armut und Reichtum
    Heiner Flassbeck ist ein Kämpfer gegen die soziale Ungleichheit und für eine gerechtere Verteilung des Wohlstands. Der renommierte deutsche Ökonom fordert im Tagesgespräch bei Marc Lehmann: «Die Löhne müssen rauf!»
    Unsere Gesellschaft versagt bei der Verteilungsfrage: Das stellt Heiner Flassbeck anlässlich eines Caritas-Forums zum Thema «Recht auf Arbeit» fest. «Wie ist es möglich, dass es inmitten von Reichtum Armut gibt?», fragt er und gibt dem Kampf um die immer höhere Wettbewerbsfähigkeit die Schuld. Wenn aber die Unternehmen die Löhne drückten, um konkurrenzfähig zu bleiben, schnitten sie sich letztlich ins eigene Fleisch – denn am Ende lasse die Nachfrage nach.
    Wirtschaftsprofessor Heiner Flassbeck, ehemaliger Staatssekretär unter Bundeskanzler Schröder und später Chefvolkswirt der Uno-Organisation für Welthandel und Entwicklung Unctad, fordert mit seinen provokativen Thesen Wirtschaft und Politik immer wieder heraus. So etwa mit der Forderung, erfolgreiche Länder wie die Schweiz und Deutschland müssten ihre Wettbewerbsfähigkeit drosseln.
    Quelle: SRF
  7. Wir müssen wissen, wer nach Europa kommt
    Unser Hauptgegner ist die neoliberale Politik. Sie hat die AfD erst stark gemacht. Der jahrelange Sozialabbau, die unsicheren, schlecht bezahlten Jobs, die vielen Zukunftssorgen und Abstiegsängste der Menschen, das ist der Nährboden der AfD”, sagt Sahra Wagenknecht, Spitzenkandidatin der LINKEN für die Bundestagswahl 2017 und Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, im Interview mit der Tageszeitung “Volksstimme”.
    Die Welt ist heftig in Bewegung, jetzt mischt auch Donald Trump mit. Die vom US-Präsidenten ins Spiel gebrachte Auflösung der Nato wollen Sie in ein Militärbündnis mit Russland ummünzen. Denken Sie an eine Neuauflage des Warschauer Vertrages?
    Sahra Wagenknecht: Unsinn. Dass sich die Nato mit dem Ende des Kalten Krieges ebenso überlebt hat wie der Warschauer Vertrag, war schon 1989 SPD-Position und stand in deren Berliner Programm. Ihr damaliges Ziel, eine neue europäische Friedensordnung unter Einschluss Russlands, ist unverändert aktuell. Gerade angesichts eines unberechenbaren US-Präsidenten Trump sollte sich Europa fragen, ob wir uns weiter der US-Hegemonie unterordnen wollen. Ich halte es für richtig, die europäischen Interessen in den Mittelpunkt zu stellen. Die Nato hat sich zu einem Interventionsbündnis entwickelt, das Frieden und Stabilität in Europa nicht sichert, sondern gefährdet. Die Verlagerung von Panzern und Truppen – auch deutschen Soldaten – an die russische Grenze ist unnütz und gefährlich.
    Sie haben zu vielen Themen eine dezidierte Meinung und kollidieren des Öfteren mit ihrer Partei. So, als sie in der Flüchtlingskrise den ungebremsten Zustrom von Flüchtlingen kritisiert hatten. Wie sehen Sie das heute?
    Quelle: Sahra Wagenknecht, Volksstimme via Linksfraktion
  8. Wie ein ganzer Kontinent seiner Rohstoffe beraubt wird

    Bis vor Kurzem hatte Nigeria noch eine staatseigene Strombehörde, die National Electric Power Authority (NEPA). Der Volksmund machte daraus “Never Expect Power Anytime” (Rechnen Sie zu keiner Zeit mit Strom) oder, als die Firma in Power Holding Company Nigeria (PHCN) umbenannt wurde: “Please Have Candles Nearby” (Bitte immer Kerzen bereithalten).

    Der Humor der Nigerianer ist bemerkenswert. Ihr Land ist immerhin der größte Energie-Exporteur Afrikas – doch die eigenen Kraftwerke und Stromnetze sind in einem so elenden Zustand, dass praktisch das gesamte Land mit Generatoren betrieben werden muss. Wohlgemerkt mit Hilfe von importiertem Diesel, der so teuer ist, dass viele Nigerianer sich nur selten Strom leisten können.

    Wie ist das möglich – Treibstoffknappheit in einem Land, das über die elftgrößten Ölreserven der Welt verfügt? Das ist, zugespitzt, die Frage, der Tom Burgis, ehemaliger Afrika-Korrespondent und inzwischen Investigativ-Reporter der Financial Times, nachgeht. Sein Buch “Der Fluch des Reichtums” ist eine Reise in die wichtigsten Rohstoffstaaten des Kontinents. In fast allen lässt sich ein Phänomen beobachten, das Ökonomen seit der Entdeckung von Erdgas in den Niederlanden der Sechzigerjahre die “holländische Krankheit” nennen: den erfolgreichen Export von Rohstoffen, der zwar Geld ins Land spült, aber letztlich die anderen Sektoren der Volkswirtschaft zerstört.

    Selbst gut funktionierende Staaten können diesem Gesetz nicht komplett entgehen. Die Exporterlöse aus dem Verkauf von Öl, Gas oder Diamanten treiben nun einmal den Wert der Landeswährung in die Höhe, Importware wird deshalb im Vergleich zu lokalen Produkten billiger, und die heimische Industrie geht langsam an der Konkurrenz zugrunde.
    Quelle: SZ

  9. Freihandel – eine Theorie mit Realitätsproblemen
    Freihandel ist ein heißes Diskussionsthema geworden. Auch deshalb, weil Donald Trump die Kündigung von Freihandelsabkommen zum Wahlkampfhit machte. Die gegen TTIP kämpfende europäische Linke muss erschrocken wahrnehmen, dass nicht nur dieser rechte Milliardärskasper, sondern auch viele andere nationalistische Bewegungen neuerdings ebenfalls gegen solche Abkommen auftreten.
    Trotzdem kann man sich als markt- und kapitalismuskritischer Mensch seine Kritik ja nicht deshalb plötzlich verkneifen, weil rechte Parteien das Thema aufgreifen und nationalistisch wenden. Die Kritik am Freihandel hat schon ihre Gründe und sie führt keineswegs in simplen Protektionismus.
    Wir wollen es uns hier ersparen, die Urversion der Freihandelslehre breit darzustellen: Ricardos Theorie von den komparativen Kosten ist weitgehend bekannt und in Wikipedia nachlesbar. Freihandel ist demnach immer positiv, da sich jedes Land auf das spezialisiert, was es am besten kann. Das klingt erst einmal logisch und unbestreitbar, setzt aber ein paar sehr spezifische Annahmen voraus. Im klassischen Zwei-Länder-Zwei-Güter-Fall unter anderem, dass beide handelnden Länder beide Güter herstellen können und sich in der Ressourcenausstattung nicht unterscheiden, da die einzige Ressource die menschliche Arbeit ist. Der Unterschied zwischen den Ländern liegt lediglich in der Produktivität.
    Allerdings weicht die Realität gerade bei Industrieländern dann doch deutlich vom Modell ab. Nehmen wir beispielsweise Frankreich und Deutschland: Frankreich ist berühmt für Wein und Käse – aber auch Deutschland produziert Emmentaler, Trollinger und Riesling. Klare Spezialisierungsmuster sind kaum zu erkennen. Ganz im Gegenteil exportiert Deutschland Autos und Maschinen nach Frankreich und Frankreich Autos und Maschinen nach Deutschland. Der Handel erfolgt also nicht in erster Linie zwischen unterschiedlichen Produkten (interindustrieller Handel), sondern dieselben Produktgruppen werden sowohl exportiert als auch importiert (intraindustrieller Handel). Und schon läuft das klassische Spezialisierungsmodell ins Leere und ein allgemeiner Nutzen durch Freihandel lässt sich daraus nicht mehr so richtig begründen.
    Quelle: Charles Pauli auf den Seiten des ISW
  10. Trumps Streit mit dem Silicon Valley geht erst los
    Nachdem führende amerikanische Technologie-Unternehmer sich öffentlich gegen das Einreise-Dekret Donald Trumps gewendet haben, zeichnet sich ab, dass das womöglich erst der Beginn einer noch viel heftigeren Konfrontation zwischen dem neuen Präsidenten und der wichtigsten Branche des Landes ist. Trumps Administration hat den Entwurf für einen weiteren Präsidenten-Erlass erarbeitet, der das bestehende System der Arbeitserlaubnisse auf den Kopf stellen würde – und damit die Praxis, nach der Technologieunternehmen jedes Jahr Zehntausende Mitarbeiter anheuern. Das berichtet der Finanzdienst Bloomberg und bezieht sich dabei auf den Text des Entwurfs. (…)
    „Die Einwanderungspolitik unseres Landes sollte so konzipiert und umgesetzt werden, dass sie zuerst und zuvorderst dem nationalen Interesse der Vereinigten Staaten dient“, zitiert „Bloomberg“ aus dem Entwurf. „Visa-Programme für ausländische Arbeitskräfte (…) sollten so administriert werden, dass sie die Bürgerrechte amerikanischer Arbeiter und rechtmäßiger Anwohner schützen. Und dass sie den Schutz amerikanischer Arbeiter – unserer vergessenen Menschen – priorisieren und die Arbeitsplätze, die sie haben.“ Auf eine entsprechende Nachfrage zu dem Entwurf wollte das Weiße Haus demnach keinen Kommentar abgeben.
    Die Arbeits-Visa wurden ursprünglich eingeführt, um amerikanischen Unternehmen zu helfen, ausländische Fachleute anzustellen, wenn sie keine entsprechend qualifizierten Mitarbeiter vor Ort finden. Jedoch hat es in den vergangenen Jahren auch Kritik gegeben, diese Visa würden missbraucht, um gezielt günstigere ausländische Experten anzuwerben anstelle von Amerikanern. Das sogenannte H-1B-Visum beispielsweise bekommen vor allem indische IT-Fachleute.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Man sollte beim Eintreten für offene Grenzen genau hinhören wer diese, in welchen Interesse propagiert. Microsoft, Google, Apple & Co geht es dabei primär klar um Arbeitskräfte.

  11. Griechenland: Bürger und Staat am Ende der Sparmöglichkeiten
    Die seit Oktober andauernde zweite Inspektion der Fortschritte des dritten griechischen Kreditprogramms verzögert sich immer mehr. Wie bereits in den vergangenen Jahren der so genannten Rettungsprogramme bleiben die Tranchenzahlungen des Hilfskredits während der Inspektionen aus. Die Zahlungsverzögerung führt in der griechischen Wirtschaft zu den bekannten Folgen einer Verstärkung der Rezession wegen fehlender Liquidität. Der Staat kann seine Rechnungen nicht zahlen, Investoren scheuen sich zu investieren und die Bürger fürchten neue Steuern, Leistungs- und Lohnkürzungen.
    Letzteres fordern nun unisono alle Kreditgeber, obwohl sie untereinander über den Ablauf und die Folgen des Programms heillos zerstritten sind. Gegenüber den Griechen jedoch sagen sie mit einer Stimme “take it or leave it”. Entweder stimmt Tsipras also neuen Sparmaßnahmen zu oder aber der Grexit droht.
    Die europäischen Kreditgeber, ESM, EZB und Kommission möchten den IWF auf jeden Fall im griechischen Kreditprogramm haben. Der IWF jedoch möchte sich nur dann mit eigenen Geldern beteiligen, wenn die Schuldenlast Griechenlands tragfähig wird. Die Experten vom Internationalen Währungsfonds haben diesbezüglich eine Studie angefertigt, deren kompletter Inhalt am 6. Februar veröffentlicht wird.
    Quelle: Telepolis
  12. Hohmann-Dennhardt bekommt mehr als zwölf Millionen Euro von VW
    Christine Hohmann-Dennhardt kassiert bei Volkswagen ab: Die Managerin, die den Autokonzern nach nur einem Jahr verlässt, bekommt nach SPIEGEL-Informationen insgesamt mehr als zwölf Millionen Euro.
    Hohmann-Dennhardt kann mit einer solchen Summe rechnen, weil ihr neben dem Gehalt für 13 Monate Arbeit eine Abfindung in Höhe von knapp zwei Jahresgehältern zusteht. Hinzu kommt, dass der Wolfsburger Autobauer Hohmann-Dennhardt eine Entschädigung dafür zugesagt hatte, dass sie vorzeitig aus dem Vorstand von Daimler ausgeschieden war, um Anfang 2016 zu Volkswagen zu wechseln. Dabei hatte sie auf Ansprüche gegenüber ihrem Ex-Arbeitgeber in Millionenhöhe verzichtet.
    In Wolfsburg sollte Hohmann-Dennhardt eine entscheidende Rolle bei der Aufarbeitung des Diesel-Skandals spielen. Bei Daimler hatte die Juristin zuvor in ähnlicher Funktion gewirkt, als der Stuttgarter Konzern nach einem Schmiergeldskandal ins Visier des US-Justizministeriums geraten waren. Ihre Verpflichtung durch VW galt als Signal dafür, dass es das Wolfsburger Unternehmen mit seinem Versprechen ernst meint, die Hintergründe des Diesel-Skandals aufklären zu wollen.
    Quelle: SPON

    Anmerkung JK: Wer hat, dem wird gegeben. Auf der anderen Seite wird, ebenfalls als Folge des Abgasskandals, über Sparprogramme zulasten der Belegschaft diskutiert.

    Anmerkung Jens Berger: Wohl gemerkt, die Dame war Vorstand für „Integrität und Recht“, also eine Art „Ethikbeauftrage“ für Unternehmen. Man kann da wirklich nur noch den Kopf schütteln.

  13. Wie Deutschland seine Importe rasch steigern kann
    Deutschland exportiert weit mehr, als es einführt. US-Präsident Trump droht deshalb mit Strafzöllen. Der Ökonom Carl Christian von Weizsäcker hat einen provokanten Vorschlag, wie der Überschuss sinken könnte. […]
    Weizsäcker: Der Gesetzgeber müsste die Mehrwertsteuer deutlich senken, um fünf Prozentpunkte oder mehr. Dadurch würden Waren und Dienstleistungen in Deutschland billiger, Verbraucher und Unternehmen konsumierten mehr, auch Güter, die aus dem Ausland eingeführt werden. Der Import würde gestärkt, ohne den Export zu schwächen. Dies würde helfen, die Bilanz auszugleichen.
    Quelle: SPIEGEL Online
  14. Millionen Minijobber werden mit illegalen Minigehältern abgespeist
    Viele Minijobber erhalten nicht den gesetzlichen Mindestlohn, obwohl er ihnen zusteht. Dies geht aus einer neuen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Demnach bekamen 2015 knapp die Hälfte dieser geringfügig Beschäftigten weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde, die Arbeitgeber damals mindestens zahlen mussten. Der Mindestlohn wurde Anfang 2015 in Deutschland eingeführt; mittlerweile beläuft er sich auf 8,84 Euro.
    “Die Zahlen lassen keinen Zweifel daran, dass die Betriebe bei einem erheblichen Teil der Minijobber nicht wie gesetzlich vorgeschrieben die Löhne erhöht haben”, stellen die Studienautoren Toralf Pusch und Hartmut Seifert fest. Das Mindestlohngesetz werde bei Minijobs offenbar “noch längst nicht flächendeckend angewendet”, heißt es in der Untersuchung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
    Bei wie vielen 450-Euro-Stellen genau die Lohnuntergrenze unterlaufen wird, schreiben die Forscher nicht. Es dürfte sich aber um Millionen handeln. Derzeit beläuft sich nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit die Zahl der Minijobber auf 7,4 Millionen. Für knapp fünf Millionen handelt es sich dabei um ihre Haupttätigkeit und keinen Zusatzjob. […]
    So verdienten im Jahresdurchschnitt 2014 etwa 60 Prozent der Minijobber weniger als 8,50 Euro die Stunde. Dieser Anteil sank zunächst auf etwa 50 Prozent. Der durchschnittliche Zeitpunkt der Befragung war dabei der März 2015. Zieht man die Umfrageergebnisse vom Juni 2015 heran, erhielten immer noch 44 Prozent der Minijobber nicht die 8,50 Euro.
    Quelle: SZ
  15. Im Gefängnis gehört einem weder Raum noch Zeit
    Gut drei Monate war die Schriftstellerin Asli Erdogan in der Türkei in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Terrorpropaganda. Die 49-Jährige hat die Vorwürfe als absurd zurückgewiesen. Nun wartet sie auf ihren Prozess.
    Wir treffen Asli Erdogan im siebten Stock eines modernen Verlagshauses. Sie begrüßt uns mit einem verhaltenen Lächeln, ein Verlagsmitarbeiter bringt Kaffee und Tee. Asli Erdogan zündet sich eine Zigarette an. Das Rauchen sei der einzige Luxus im Gefängnis gewesen – zumindest fast.
    “Im Gefängnis blickt man, wenn man aus dem Fenster schaut, auf die Wand und die vergitterten Fenster des gegenüberliegenden Trakts. Dazwischen ein kleiner Innenhof”, beschreibt sie. “Schaut man nach oben, sieht man durch das Drahtdach des Innenhofs circa 50 Quadratmeter Himmel.” Im Herbst könne man die Vögelschwärme beobachten. “Manchmal haben wir auch den Vollmond gesehen. Und einmal sah ich einen Regenbogen.”
    Kalt sei es im Frauengefängnis in Istanbul-Bakirköy gewesen, kaum wärmer als draußen. Die Kälte habe sie als das größte Problem empfunden, sagt die chronisch kranke Autorin. Und die Ungewissheit darüber, wann sie wieder frei kommt und ob überhaupt: Ein Mensch könne alles aushalten, meint sie, sofern er wisse, wann es anfängt und wann es aufhört. “Sogar Folter und Misshandlung kann man dann aushalten – wenn man beispielsweise weiß: In drei Monaten ist alles vorbei.” – Aber keine Antwort zu wissen, auf die Frage, ob man schon morgen herauskommt, oder nie wieder: “Das ist schrecklich.”
    Als Autorin zahlreicher Romane und Erzählungen pflegt sie die Schrift als stärkstes Ausdrucksmittel. Doch Asli Erdogan hat in gut hundert Tagen Haft nicht eine Seite geschrieben. Die Gründe für ihr Verstummen waren so banal wie wirksam: “Um schreiben zu können braucht man – wie Virgina Woolf schon sagte – ein eigenes kleines Zimmer.” Im Gefängnis gehöre einem weder der Raum noch die Zeit.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur

    Anmerkung Albrecht Müller: Eine wichtige Botschaft aus dem Gefängnis in dieser mit Trump und Schulz und vielem mehr aufgeheizten Zeit und bitte bedenken: das passiert im Lande unseres NATO-Partners, in einem Land, wo Bundeswehrsoldaten und deutsche Flugzeuge stationiert sind.

  16. „Gezielte Tötungen“ durch Drohnen: Bundesregierung zieht keine Konsequenzen
    Welche Verantwortung trägt Deutschland beim Drohnenkrieg? Einen Fragenkatalog von Parlamentariern der Linken zur Rolle des US-Luftwaffenstützpunktes in Ramstein beantwortet die Bundesregierung ausweichend: Die Vereinigten Staaten hätten versichert, beim Einsatz von bewaffneten Drohnen das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Überprüft wird das jedoch nicht. Wir veröffentlichen die Antworten.
    Seit mehreren Jahren schon fragen einige Abgeordnete des Bundestags immer wieder bei der Bundesregierung nach, ob der US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein als eine Relaisstation für den US-Drohnenkrieg fungiert. Das wurde im Dezember 2016 seitens der Regierung zum ersten Mal bestätigt.
    Erfahren haben sollen das Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes bei einem Gespräch in der Botschaft der Vereinigten Staaten, das bereits am 26. August 2016 stattfand. Einen Monat später, am 28. September 2016, wurden die Obleute des Auswärtigen Ausschusses über dieses Gespräch informiert.
    Nun drängt sich die Frage auf, welche Konsequenzen daraus folgen. Aus dem Plenarprotokoll der 205. Sitzung des Bundestages am 30. November 2016 (pdf, S. 20452ff.) geht bereits hervor, wie sich die Bundesregierung zu der rechtlichen Bewertung der Rolle Ramsteins stellt: Die Einsätze, bei denen der rheinland-pfälzische Stützpunkt als Relaisstation dient, seien deswegen nicht völkerrechtswidrig, weil dies von den Vereinigten Staaten zugesichert werde.
    Solche politischen Zusicherungen haben mitunter eine kurze Halbwertzeit: Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hatte dem damaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier versichert, die Drohnentötungen würden nicht aus Rheinland-Pfalz „gesteuert“. Aber vermutlich war das wieder nur eine definitorische Frage, um über das eigentliche Problem nicht sprechen zu müssen: die Verantwortung, die Deutschland beim Drohnenkrieg trägt.
    Quelle: Netzpolitik.org

    Anmerkung Christian Reimann: Die Antwort der Bundesregierung können Sie hier nachlesen.

  17. Jüdische Siedler beeinflussen Armee im Westjordanland
    “Er lebt noch, der Hund”, schreit eine Stimme im Video, “vielleicht trägt er eine Bombe.” Kurze Zeit später fällt ein Schuss. Der israelische Soldat Elor Azaria exekutiert den wehrlos am Boden liegenden Palästinenser Abdel Fattah Al-Sharif aus nächster Nähe. Am Tatort stehen nicht nur Soldaten, sondern auch zahlreiche ortsansässige Siedler aus Hebron. Die Stimme, die im Video zu hören ist, gehört zu einem von ihnen. Nach der Tat legt der Soldat Azaria seine Waffe weg und schüttelt die Hand von Baruch Mazel, dem als radikal geltenden Anführer der jüdischen Siedler in der Stadt.
    Der Soldat Elor Azaria wurde kürzlich von einem Gericht in Tel Aviv wegen Totschlags verurteilt. Der umstrittene Fall löste Diskussionen und Proteste in Israel aus – viele sehen in Azaria einen Helden. Was bisher aber kaum in Frage gestellt wurde, ist die Rolle, welche die Siedler am Tatort spielten. Deren Einmischung in Angelegenheiten der Armee ist kein Einzelfall. Neue Zeugenaussagen von israelischen Soldaten – gesammelt von der NGO Breaking the Silence – zeigen nun, wie problematisch das Verhältnis zwischen Siedlern und Soldaten in den besetzten Gebieten ist.
    Dean Issacharoff, 25, war vier Jahre lang bei den israelischen Streitkräften tätig und als Soldat unter anderem in Hebron stationiert. Er berichtet von der Beziehung zu den Siedlern: “Anfangs waren sie sehr freundlich. Sie haben uns zum Grillen eingeladen und am Schabat waren wir zum Mittagessen in Baruch Mazels Haus.” Jenen Soldaten, die Nachtschichten an den Kontrollpunkten schoben, hätten die Siedler Tee und Kekse gebracht. Doch das sei nur die eine Seite der Medaille.
    Quelle: SPON
  18. Das Letzte – Verschwörungstheorie Marke Eigenbau
    Seit einiger Zeit sickern abstruse Erklärungen, die früher kaum jemand ernst nahm, in den Mainstream ein: Deutschland – kein souveräner Staat, der 11. September – ein “Inside Job”. Verschwörungstheorien boomen.
    Die Kondensstreifen am Himmel, das sind natürlich keine Kondensstreifen, sondern sogenannte Chemtrails, absichtlich versprühte Giftwolken, die die Zeugungsfähigkeit der Bevölkerung herabsetzen sollen.
    Im Netz gibt es unzählige Blogs, Seiten und Foren, in denen Verschwörungstheorien diskutiert werden, auf Facebook organisieren sich mittlerweile Gruppen, die glauben, Echsenmenschen hätten die Regierungen unterwandert oder die Erde sei eine Scheibe. Aber wie funktionieren Verschwörungstheorien?
    Quelle: Deutschlandradio

    Anmerkung unseres Lesers M.H.: Um gleich in medias res zu gehen: dieses Feature erklärt und hinterfragt überhaupt nichts. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Unterscheidungsvermögen also gleich Null.
    Leider sind die Autoren bei ihrer Recherchen auch nicht auf die Aussage von Max Weber über virtuelle Geschichte gestoßen, nämlich, dass, nur wer das Mögliche denke, erkenne auch das Wirkliche. Der große Soziologe war nämlich der Auffassung, dass man sehr wohl alternative Faktoren beachten solle, die den historischen Prozess in eine andere Richtung hätten lenken können. Ein Denken also, ganz anders, als der gedankenpolizeiliche Inhalt des Begriffes Verschwörungstheorie.
    Dieses Feature ist von einem kritischen Denken meilenweit entfernt, stattdessen macht es subtile Propaganda für die Herren der Welt mit ihrem Slogan: wir sind die Guten. Nationen, die sich nicht diesem grenzenlosen Profitstreben, verbunden mit geopolitischer Einflussnahme widersetzen, werden dämonisiert und im Namen dieser schrankenlosen Profitmaximierung bekämpft und vernichtet.

    Anmerkung JK: Diese Sendung ist in der Tat ziemlich infame Meinungsmache, da im Kontext jede Kritik an den bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen mit schrägen, im Internet kursierenden Theorien in einem Topf geworfen und als „Verschwörungstheorie“ diffamiert wird. Selbst die Keule Antisemitismus und Rechtsextremismus darf nicht fehlen. Die „Qualitätsmedien“ kämpfen nach wie vor mit aller ihnen zur Verfügung stehenden publizistischen Macht um die Rückgewinnung ihrer Deutungshoheit.

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