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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Syrien
  2. Neocons Have Trump on His Knees
  3. Spanien immer repressiver
  4. Neue Kürzungspolitik wird Griechenland nicht voranbringen
  5. Der in Vergessenheit geratene Bürgerkrieg
  6. Steuer- und Abgabenreformen seit 1998 haben nur die reichsten 30 % entlastet
  7. Dreifache Spaltung, einfach vertuscht
  8. Das Finanzministerium, der “Deep State” und das Geldsystem
  9. Bargeldlose Gesellschaft mit Fokus auf die aktuellen Ereignisse in Indien
  10. Arbeitnehmer sind die Verlierer
  11. Bayer will 7000 Kilometer laufen, um einen Job zu finden
  12. Wähler wissen oft nicht, was gut für sie ist
  13. Doch kein Ende der Geschichte

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Syrien
    1. Verwirrender Syrien-Konflikt
      Der Verein „Freundschaft mit Valjevo“ hatte den Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt an der Universität Mainz zu einem Vortag eingeladen. Professor Dr. Günter Meyer ist ein profunder Kenner der arabischen Welt, denn er hat mehr als 40 Jahre umfangreiche Studien in den arabischen Ländern durchgeführt und dort auch gelebt.
      Nach dem Sturz von Saddam Hussein in 2003 gab es ein Machtvakuum; der US-Verwalter Paul Bremer beging den Fehler, alle Sicherheitskräfte und Beamten des Regimes in die Perspektivlosigkeit zu entlassen, die sich zum großen Teil radikalen Anti-US-Gruppen anschlossen- das war später ein großes Potential für die Terrorgruppen in Syrien. Durch den „arabischen Frühling“ in 2010, angefangen mit dem Sturz autokratischer Regierungen in Tunesien und Ägypten und den Sturz Gaddafis durch die Nato begannen aufgrund der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit und der hohen Jugendarbeitslosigkeit auch in Syrien die Proteste. Die Anti-Regierungsgruppen wurden finanziell und mit Waffen vor allem aus den USA und den Golfstaaten unterstützt. Aus diesen Gruppen entwickelte sich durch Ableger der al-Qaida und der Nusra-Front die Gruppe ISIS, die immer mehr Zulauf aus moselmischen Staaten und Europa erhielt. Der dann ausgerufene „Islamische Staat“ war dann die Folge. Der IS und andere Gruppen hatten Interesse daran, Staatschef Assad von der Macht zu vertreiben, was auch im Sinne der USA und verschiedener Golfstaaten lag. Inzwischen haben die USA die Fehlentwicklungen eingestanden und bekämpfen die Truppen des IS, und Russland unterstützt dabei den Kampf Assads gegen alle Terroristen aus Eigeninteresse. Inzwischen ist die Lage so verfahren, dass es immer komplizierter wird, das Land zu befrieden. Auch die Kurden in Syrien und im Irak hatten Interesse an einem geeinten kurdischen Staat, was wiederum nicht im Interesse der Türkei liegt, die deshalb in letzter Zeit in das Gebiet einmarschierte und die kurdischen Rebellen bekämpft. Andererseits hat die Türkei ein Interesse daran Assad von der Macht zu vertreiben, weil sie die ihnen nahe stehende Moslembruderschaft an die Macht bringen will.
      Syrien hatte vor Beginn der Konflikte 22,4 Millionen Einwohner – inzwischen sind 11 Millionen Menschen geflohen und vertrieben. Die meisten Flüchtlinge leben in Lagern in Syrien an der türkischen Grenze, in der Türkei, in Jordanien und im Libanon.
      Die Ausführungen von Professor Meyer waren natürlich viel fakten- und umfangreicher, so dass es unmöglich wäre, dies alles in einem Bericht zusammenzufassen.
      Professor Meyer ging auch auf die „Weißhelme“ ein, die im letzten Jahr den Alternativen Friedenpreis erhalten hatten. Sie sind eigentlich eine Zivilschutzorganisation der Nusra-Front in die mehrere hunderte Millionen Dollar aus dem Ausland investiert wurden. Nusra und IS sind Ableger der al Qaida-Organisation, die sich einige Zeit heftig bekämpft und sich inzwischen wieder versöhnt hatten.
      Quelle: Hallertau Info

      Anmerkung JK: Ziemlich bemerkenswert, dass in Regionalzeitungen inzwischen kritischere Berichte über den syrischen Bürgerkrieg zu finden sind als in den großen „Qualitätsblättern“.

    2. Luftschläge sind überfällig
      Nach dem Giftgas-Angriff muss US-Präsident Donald Trump mit einem militärischen Einsatz reagieren, kommentiert Marcus Pindur. Ein Signal an internationale Schurken, dass solche Angriffe nicht geduldet werden, sei längst überfällig. Handele Trump nicht, beschädige das die Glaubwürdigkeit des Westens.
      Es war ein Angriff mit dem Nervengas Sarin, der Barack Obama 2013 dazu bewegte, zuerst einen Militärschlag gegen das Assad-Regime zu erwägen und dann zu verwerfen. Die rote Linie wurde überschritten und dieser Tabubruch – der Einsatz des tödlichen Nervengases – blieb ohne Folgen für den Schlächter von Damaskus. Dann kam ein Deal unter Vermittlung Russlands zustande, bei dem Syrien seine chemischen Kampfstoffe unter Uno-Aufsicht abgeben sollte. Wie jetzt grausam klar wurde, ist dies nicht komplett geschehen.
      Ebenso ist jetzt klar, dass Russland kein Partner in Syrien sein kann – die angebliche Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates durch Russland war immer nur ein Vorwand für die Unterstützung des Assad-Regimes.
      Es ist auch klar, dass Obamas Untätigkeit und seine Weigerung, die Freie Syrische Armee wirksam zu unterstützen, erst die Tür geöffnet hat für das Erstarken der Radikalen und Dschihadisten, und für das unselige Eingreifen Putins. Davor haben kluge Köpfe wie der amerikanische Senator John McCain schon damals gewarnt.
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung JK: Ein geradezu symptomatisches Beispiel für die Kampagne der „Qualitätsmedien“ hinsichtlich des syrischen Bürgerkrieges. Ebenso symptomatisch die Rolle, die in transatlantischen Einflussorganisationen geschulte Journalisten in dieser Kampagne spielen. Der Autor Marcus Pindur war Stipendiat der Fulbright-Stiftung, sowie des German Marshall Fund und von 1997 bis 1998 Politischer Referent im US-Repräsentantenhaus. Sowie Korrespondent bei der Nato und der EU in Brüssel. Von einer unabhängigen Berichterstattung kann hier beim besten Willen nicht mehr die Rede sein.

    3. Kriegspropaganda – einmal nicht aus Moskau
      Wie soll sich die Weltpolitik im Syrien-Konflikt verhalten? Darüber kann man sich aus guten Gründen streiten. Oder den Krieg als Plattform nutzen, um das eigene Blatt zu profilieren. […]
      So diskutierte Frank Plasberg einen provokativ gemeinten Titel: „Giftgas gegen syrische Kinder – werden wir schuldig durch Wegschauen?“. Nun kann von Wegschauen keine Rede sein. In den vergangenen Tagen war in allen Medien von kaum etwas anderem die Rede. Der neue Amtsinhaber im Weißen Haus reagierte entschlossen und ohne langes Zaudern auf den Angriff mit Giftgas in Syrien. Er machte dafür das Damaszener Regime verantwortlich. Ob dieser Einsatz international geächteter Massenvernichtungswaffen für das Assad-Regime einen strategischen Sinn macht, spielte in den Überlegungen von Donald Trump nachvollziehbarerweise keine Rolle. Er brachte die Vereinigten Staaten damit zurück auf das diplomatische Spielfeld, die sich unter seinem Vorgänger in eine politische Sackgasse manövriert hatten.
      Über solche außenpolitische Finessen muss sich Julian Reichelt als „Chefredakteur aller Bild-Chefredakteure“ keine Gedanken machen. Gestern Abend erlebten wir dafür die Folgen einer solchen Kriegspropaganda. Diese hält den leisesten Zweifel an der eigenen Sichtweise schon für Verrat. Nur führt das leider bisweilen zu logischen Inkongruenzen. Vor allem schwache Regime hätten am Einsatz solcher Waffen ein Interesse, so Reichelt. Sie könnten damit den Krieg zu ihren Gunsten entscheiden. Tatsächlich wäre das ein überzeugendes Argument für eine entsprechende Sanktionierung des Einsatzes solcher Massenvernichtungswaffen.
      Nur hat Reichelt eine eigenwillige Interpretation der militärischen und politischen Fakten. […]
      Natürlich muss einen Kriegspropagandisten das strategische Dilemma des Westens nicht interessieren. Für ihn reicht die Unterscheidung in „gut“ und „böse“. So ist Reichelts Diktion von der Methode eines Revolver-Journalismus geprägt, der Emotionen hochpeitscht, und in erster Linie nach Feinden sucht.
      Quelle: FAZ
    4. Rechtsexperte Merkel: US-Bomben völkerrechtswidrig – „Tödliche Gefahr für die Welt“
      Die Bundesregierung weiß: Es gibt keine völkerrechtliche Begründung für den US-Angriff auf Syrien am 7. April. Das sagt der emeritierte Professor Reinhard Merkel, Strafrechtler und Rechtsphilosoph, im Interview mit Sputnik. Er hat an der Universität Hamburg gelehrt. Merkel warnt vor den Folgen des Angriffes, der das Völkerrecht weiter zerstört.
      Quelle: Sputniknews
  2. Neocons Have Trump on His Knees
    After slapping Donald Trump around for several months to make him surrender his hopes for a more cooperative relationship with Russia, the neocons and their liberal-interventionist allies are now telling the battered President what he must do next: escalate war in the Middle East and ratchet up tensions with nuclear-armed Russia.
    Star neocon Robert Kagan spelled out Trump’s future assignments in a column on Sunday in The Washington Post, starting out by patting the chastened President on the head for his decision to launch 59 Tomahawk missiles at an airstrip in Syria supposedly in retaliation for a chemical weapons attack blamed on the Syrian government (although no serious investigation was even conducted).
    Trump earned widespread plaudits for his decisive action and his heart-on-the-sleeve humanitarianism as his voice filled with emotion citing the chemical-weapons deaths on April 4 of “small children and even beautiful little babies.” The U.S. media then helpfully played down reports from Syria that Trump’s April 6 retaliatory missile strike had killed about 15 people, including nine civilians, four of whom were children.
    However, for Kagan, the missile strike was only a good start. An advocate for “regime change” in Syria and a co-founder of the Project for the New American Century which pushed for the Iraq War, Kagan praised Trump “for doing what the Obama administration refused to do,” i.e. involve the U.S. military directly in attacks on the Syrian government.
    “But,” Kagan added, “Thursday’s action needs to be just the opening salvo in a broader campaign not only to protect the Syrian people from the brutality of the Bashar al-Assad regime but also to reverse the downward spiral of U.S. power and influence in the Middle East and throughout the world. A single missile strike unfortunately cannot undo the damage done by the Obama administration’s policies over the past six years.”
    Quelle: consortium news
  3. Spanien immer repressiver
    Dass die spanischen Konservativen nicht zimperlich mit denen umgehen, die gegen ihre Politik protestieren, ist bekannt. Sogar Puppenspieler wurden schon als angebliche “Terroristen” in Untersuchungshaft genommen. Doch immer öfter werden nun Menschen auch real zu Haftstrafen für Kommentare in sozialen Medien verurteilt.
    Das stößt auf immer stärkere Kritik. “Der Fall Cassandra ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt”, schreibt zum Beispiel die Professorin für Verfassungsrecht der Universität von Kastilien‑La Mancha. Ana María Valero Heredia steht in ihrer Beurteilung einer einjährigen Haftstrafe nicht alleine, zu der die 21-jährige Studentin Cassandra Vera vom Nationalen Gerichtshof in Madrid für bissige Beiträge im Kurznachrichtendienst “Twitter” verurteilt wurde. Ein junger Mann, der seine Freundin brutal zusammengeschlagen hatte, bekam dagegen kurz zuvor nur neun Monate.
    Die härtere Strafe für die junge Frau aus der südostspanischen Region Murcia ist aber, da bei einer Strafe unter zwei Jahren ein Haftantritt normalerweise ausbleibt, dass sie sieben Jahre kein öffentliches Amt bekleiden darf. “Man hat mir mein Leben ruiniert”, erklärte sie im Interview. Denn sie wollte Geschichtsdozentin an der Universität werden. Das sei nun praktisch unmöglich, auch weil ihr nun der Zugang zu Stipendien versperrt sei, ohne die sie die Kosten für Studium und Studiengebühren kaum aufbringen könne. Sie soll sich der “Verherrlichung des Terrorismus” und der “Verhöhnung” der Opfer schuldig gemacht haben, urteilte der für schwerste Kriminalität zuständige Nationale Gerichtshof in Madrid, wegen 13 satirischen Twitter-Veröffentlichungen. Und das ist kein Einzelfall an dem Sondergerichtshof.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung JK: Ein Schelm, wer hier einen Zusammenhang mit der immer noch gültigen neoliberalen Austeritätspolitik sieht.

  4. Neue Kürzungspolitik wird Griechenland nicht voranbringen
    Der Grünen-Europaabgeordnete Giegold hat die vereinbarten neuen Reformschritte für das hoch verschuldete Griechenland kritisiert. Statt Klientelismus und die Steuerflucht der Reichen zu bekämpfen, kämen nun neue Kürzungen für die Armen und Alten, sagte Giegold im DLF.
    Büüsker: Herr Giegold, wie wichtig ist es für Griechenland, dass diese Einigung nun gefunden wurde?
    Giegold: Es ist natürlich gut und wichtig, dass es jetzt eine Vereinbarung gibt, denn das Damokles-Schwert eines Euroaustritts wäre für Griechenland und für die anderen Euroländer eine ökonomische und soziale Tragödie. Allerdings dieses monatelange Geschacher war würdelos und auf Kosten der griechischen Bevölkerung.
    Büüsker: Aber wieso sprechen Sie von Geschacher? Es ist doch ganz normal, dass über Dinge verhandelt werden muss.
    Giegold: Ich rede von Geschacher, weil es die ganze Zeit um eine völlig absurde Verhandlungsposition ging. Der IWF wollte neue Austeritätspolitik, aber verbunden mit Schuldenerleichterungen, und Schäuble hat nun Austeritätspolitik ohne Schuldenerleichterungen durchgesetzt, mit neuen Kürzungen für die Armen und Alten, und das nützt weder der wirtschaftlichen Erholung Griechenlands, noch ist es sozial gerecht, sondern es bringt die Leute gegen Europa auf, und das ist wirklich bitter, gerade nach den Demonstrationen für den “Pulse of Europe” gestern.
    Büüsker: Das ist Ihre Position. Alexis Tsipras seinerseits spricht von einem guten Kompromiss. Der erlaube es der Regierung, Maßnahmen zu erlassen, um Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und einen neuen Sozialstaat zu bauen. Eigentlich klingt das doch ziemlich optimistisch?
    Quelle: Deutschlandradio

    Anmerkung JK: Hier wäre es wirklich spannend einmal zu erfahren, welche Position die Menschen, die sich bei Pulse of Europe engagieren, bezüglich des fortgesetzten Austeritätsdiktates gegen Griechenland einnehmen. Ist die Verelendung eines ganzes Landes und seiner Bürger ein europäischer Wert, den es hochzuhalten gilt?

  5. Der in Vergessenheit geratene Bürgerkrieg
    Im Jemen herrscht nach wie vor Bürgerkrieg. Das Land muss mittlerweile als gescheiterter Staat angesehen werden, staatliche Strukturen sind kaum mehr existent, die Bevölkerung hungert. Doch von der internationalen Öffentlichkeit wird das Leid der Menschen kaum beachtet – der Konflikt in Syrien dominiert das Weltinteresse.
    Immer wieder muss die Hilfsorganisation Care ihre Lebensmitteltransporte bei den jemenitischen Konfliktparteien spontan anmelden, um nicht selber zwischen die Fronten zu geraten. Der Konflikt zwischen der sunnitischen Regierung und den schiitischen Rebellen ist inzwischen so weit außer Kontrolle geraten, dass der Jemen als sogenannter “failed State” gelten muss, die staatliche Strukturen sind quasi nicht mehr existent. Doch die internationale Öffentlichkeit nimmt davon kaum Notiz. Marten Mylius ist der für den Jemen zuständige Koordinator von Care: “Und man muss natürlich auch sehen, dass die Bevölkerung von Tais, das war natürlich eine Stadt, die fast zwei Jahre einen Belagerungsring ausgehalten hat. Und da haben wir hunderttausende Menschen da drin gehabt und das sind natürlich fatale militärische Ziele, die da verfolgt werden und die sich auch sehr ähneln mit Situationen in Madeia, in Syrien, das ist nicht sehr viel anders.”
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Nun, warum sollte man über den Jemen auch großartig berichten, dort Bombardieren ja schließlich die „Guten“.

  6. Steuer- und Abgabenreformen seit 1998 haben nur die reichsten 30 % entlastet
    Wie hoch die Steuern sein sollen, hängt vom gewünschten Niveau der staatlichen Leistungen ab. Hier gibt es keine objektiv richtige Antwort, weil dies eine politische Entscheidung ist. Insofern ist auch die zuletzt gestiegene Steuerquote nicht per se ein Problem. Im europäischen Vergleich sind die Steuern hierzulande nicht hoch. In Deutschland zahlt eine vierköpfige Familie mit Durchschnittseinkommen so wenig Steuern wie in kaum einem anderen europäischen Land. Alleinstehende Durchschnittsverdiener werden hierzulande steuerlich hingegen stärker belastet als in vielen anderen europäischen Ländern. Berücksichtigt man zusätzlich noch die Sozialabgaben, so rückt Deutschland bei der Steuerbelastung einer vierköpfigen Familie mit Durchschnittseinkommen ins Mittelfeld, während die Belastung eines durchschnittlich verdienenden Alleinstehenden mit Steuern und Sozialabgaben hierzulande im internationalen Vergleich hoch ist. (…)
    Während in Deutschland das reichste Prozent der Bevölkerung über mehr als sechsmal so viel Vermögen verfügt wie die ärmere Hälfte, tragen Steuern auf Vermögen nur wenig zum Aufkommen bei. Die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben. Bei der Erbschaftsteuer gibt es auch nach der jüngsten Reform eine sehr weitgehende Verschonung des Betriebsvermögens. Das führt dazu, dass milliardenschwere Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen nach wie vor steuerfrei übertragen werden können. Eine Steuerreform, die für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgt und gleichzeitig ein zusätzliches Aufkommen für wichtige Zukunftsinvestitionen generiert, sollte daher bei der Besteuerung von Vermögen ansetzen. Die weitgehende Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer sollte abgeschafft werden. Zusätzlich kann eine Vermögensteuer auf sehr hohe Vermögen erhoben werden.
    Quelle: IMK
  7. Dreifache Spaltung, einfach vertuscht
    Der neue Armuts- und Reichtumsbericht der Regierung beschönigt die Lage. Wahrer Reichtum wird darin verschleiert.
    Wer als Leser erfahren möchte, ob sich die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland während des Berichtszeitraums vertieft hat, wo die Gründe hierfür liegen und was dagegen zu tun ist, wird enttäuscht. Nach den gesellschaftlichen, sozioökonomischen und politischen Ursachen der Einkommens- und Vermögensspreizung im Land wird in dem Bericht nämlich gar nicht gefragt, genauso fehlen auch Empfehlungen zu deren Beseitigung.
    Gegenstand der Betrachtung sind allein die individuellen Auslöser persönlicher Notlagen wie zum Beispiel Erwerbslosigkeit, Trennung oder Scheidung vom (Ehe-)Partner oder (Früh-)Invalidität, wohingegen die strukturellen Ursachen für soziale Auf- und Abstiege weitgehend im Dunkeln ­bleiben.
    Wahrer Reichtum wird verschleiert
    Entgegen früheren Absichtsbekundungen von Andrea Nahles ist der Reichtum ein Stiefkind der statistischen Datenerfassung und -analyse geblieben. Die Ministerin hat zwar ein Forschungsprojekt zu Reichtum in Auftrag gegeben, diesen aber so diffus definieren lassen, dass die soziale Ungleichheit während des Berichtszeitraums kaum zugenommen hat.
    „Einkommensreich“ ist demnach, wer über mehr als das Doppelte beziehungsweise das Dreifache des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens der Gesamtbevölkerung verfügt – das sind 3.452 beziehungsweise 5.178 Euro pro Monat.
    Solche aussagekräftigen Zahlen­angaben kommen im Regierungsbericht hingegen nicht vor: Die reichsten Geschwister unseres Landes, Susanne Klatten und Stefan Quandt, haben im Mai 2016 für das Vorjahr allein 994,7 Millionen Euro an Dividenden aus ihren BMW-Aktien bezogen.
    Quelle: taz
  8. Das Finanzministerium, der “Deep State” und das Geldsystem
    Welche Rolle spielt das Finanzministerium im Machtpoker der Banken? Ist es Gegenspieler oder eher Teil eines “Deep State”? Und wer verdient eigentlich an den Staatsschulden?
    Welche Rolle spielt das Finanzministerium im Machtpoker der Banken? Ist es Gegenspieler oder eher Teil eines “Deep State”? Und wer verdient eigentlich an den Staatsschulden? Telepolis fragte nach und erhielt lückenhafte Antworten.
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gehört in Umfragen regelmäßig zu den beliebtesten Politikern des Landes. Im März führte er die Riege der populärsten Köpfe sogar an: 65 Prozent der Befragten waren mit seiner Arbeit zufrieden, so meldete ARD Deutschlandtrend. Schäuble erscheint vielen offenbar als beruhigender, vertrauenswürdiger Pol im allgemeinen Chaos.
    Aktuell verwaltet er Haushaltsüberschüsse, Deutschland kann sich zugleich problemlos neu verschulden, dank niedriger Zinsen und angesichts von Großinvestoren, die auf Sicherheit bedacht sind und dem Staat gerne Geld leihen, selbst wenn sie dabei draufzahlen müssen. Alles bestens also?
    In einem ihrer Monatsberichte warnte die Bundesbank jüngst: “Das derzeit sehr niedrige Zinsniveau täuscht über die dauerhaften Lasten aus hohen Staatsschulden hinweg und lässt die Lage der Staatsfinanzen zu günstig erscheinen.”
    Was damit gemeint ist, dürfte klar sein: Deutschland hat derzeit Schulden von etwa 1.100 Mrd. Euro angehäuft (nur der Bund, ohne die Länder und Kommunen). Selbst beim aktuell niedrigen Zinsniveau kostet das den Staat und damit die Steuerzahler 2017 gut 20 Milliarden Euro für Zinsen – viertgrößter Posten im Haushalt, noch vor den Ausgaben für Bildung oder für Gesundheit. Dieses Geld fehlt selbstverständlich anderswo. Zum Vergleich: Für Hartz IV werden in diesem Jahr ca. 21 Milliarden Euro ausgegeben, also fast genau die gleiche Summe, die parallel an reiche Gläubiger fließt. Von 2012 bis 2016 summierten sich die Zinszahlungen Deutschlands auf mehr als 130 Mrd. Euro.
    Quelle: Paul Schreyer auf Telepolis
  9. Bargeldlose Gesellschaft mit Fokus auf die aktuellen Ereignisse in Indien
    Unsere Zivilbevölkerung ist gut damit beraten, für die letzten Strohhalme ihrer Freiheit zu kämpfen. Die nahezu vollständige Abhörung ist bereits vollzogen. De Maizière und Teile der CDU gehen bereits einen Schritt weiter, indem sie laut über eine Zensurbehörde unter dem Vorwand “FakeNews” nachdenken, wie unmittelbar vor Weihnachten 2016 verlautbart wurde – genannt “Abwehrzentrum”. Noch dazu droht die konkrete Abschaffung des Bargeldes. Mit allen drei gemeinsam bedeutet es eine nahezu vollständige Überwachung und Kontrolle der Bürger.
    Die Angebote des Online-Bankings erleben einen wahrhaftigen Boom, Slogans wie “bequem zahlen” sind allgegenwärtig und wir sehen uns vermehrt mit den “Gefahren des Bargeldes” konfrontiert. Dies fördere Korruption, Schwarzarbeit und Kriminalität. Außerdem sei die Bereitstellung des Bargeld-Verkehrs ungemein teuer, und die Abschaffung des Bargeldes sei ein wesentlicher Bestandteil der Terrorismusbekämpfung. All dies ist alleine deshalb falsch und irreführend, da dabei Bargeld lediglich als Medium fungiert. Der Wille, das Potenzial sind immer noch vorhanden, es würden andere Wege gefunden, um dies zu ermöglichen.
    Die Fadenscheinigkeit dieser Argumentation entlarvte Bundesbankvorstand Carl-Ludwig von Thiele:
    „Ob nun Scheine und Münzen oder bargeldlose Zahlungsinstrumente aus gesamtwirtschaftlicher Sicht günstiger sind, lässt sich nur äußerst schwer quantifizieren. […] Aus Sicht des Handels gehört im Übrigen gerade das oft als teuer beschriebene Bargeld zu den preiswerteren Zahlungsinstrumenten.“
    Eine Abschaffung des Bargeldes ist demnach nicht nur unwirtschaftlich, sondern ist sogar gegen den Einzelhandel gerichtet. An anderer Stelle wird genauer ausgeführt, die bargeldlose Infrastruktur kostete nahezu zweieinhalb-mal soviel wie die Bargeld-Infrastruktur. Die Korruption würde damit nur und einzig von unten bekämpft, denn der größte Anteil an Steuerflucht und Korruption geschieht bargeldlos. Sei es durch Steueroasen, schwarzen Banken und Briefkastenfirmen, der Einverleibung von Steuergeldern durch Regierungsvertretern. Die größte Steuerflucht überhaupt wird damit in keinster Weise eingedämmt.
    Quelle: attac
  10. Arbeitnehmer sind die Verlierer
    Der Internationale Währungsfonds führt sinkende Lohnquoten auf den technischen Fortschritt zurück. Gewinner sind die Kapitalbesitzer.
    Weltweit verlieren Arbeitnehmer seit Jahrzehnten im Verteilungskampf mit Vermögenden und Unternehmen. Vor allem in den reichen Nationen wie Deutschland und den USA, aber auch in den Schwellen-und Entwicklungsländern sank seit den 1980er Jahren die Lohnquote und damit der Anteil der Beschäftigten am Volkseinkommen deutlich. Überall zeigte sich mit wenigen Ausnahmen das gleiche Phänomen: Von den Produktivitätsgewinnen durch neue Techniken strichen die Kapitalbesitzer und die Firmeninhaber mehr ein als diejenigen, die mit ihrer Arbeit den zunehmenden Wohlstand erwirtschaften.
    Auf diesen globalen Trend weist der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Ausblick auf die Weltwirtschaft hin, mit dem er traditionell seine Frühjahrstagung und das G 20-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs aus den führenden Industrie- und Schwellenländern vorbereitet. Dort wird es Ende nächster Woche um die wachsende Unzufriedenheit vieler Menschen gehen, die sich ausgeschlossen fühlen von den Vorteilen der Globalisierung.
    Laut dem IWF-Bericht fiel die Lohnquote in den Industriestaaten von knapp 55 Prozent Ende der 1970er Jahre auf etwas mehr als 50 Prozent kurz vor der globalen Finanzkrise 2008/2009, womit sie den tiefsten Stand in einem halben Jahrhundert erreicht. Seitdem erholte sie sich etwas, ohne aber wirklich die Verluste der Vergangenheit wettzumachen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  11. Bayer will 7000 Kilometer laufen, um einen Job zu finden
    Mehr als hundert Bewerbungen hat er erfolglos verschickt, jetzt will er Arbeitgeber von sich überzeugen, indem er vom Nordkap bis nach Sizilien wandert: Thomas Rohrmann über die schwierige Jobsuche mit über 50. […]
    Rohrmann, der zuletzt im Außendienst in der Lebensmittelbranche gearbeitet hatte, dachte sich schon, dass es schwer werden würde mit der Jobsuche. Aber so schwer? Damit hatte er dann doch nicht gerechnet. Denn neun Monate und mehr als hundert Bewerbungen später hat er noch immer keinen neuen Job. […]
    Als Verzweiflungstat will Rohrmann sie aber nicht verstanden wissen. “Mich treibt eher die Wut als die Verzweiflung”, sagt er. “Ich bin 57, ich kann doch noch zehn Jahre arbeiten!” […]
    “Es kann doch nicht sein, dass man schon ab 40 zum alten Eisen gehört.”
    Auf 60 Prozent seiner Anschreiben habe er noch nicht mal eine Absage bekommen, erzählt er. Nur ein einziges Mal sei er zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Und was aus der Stelle wurde, weiß er nicht. Auf Nachfragen reagierte niemand. “So kann man nicht mit Leuten umgehen”, sagt er.
    Was er sich wünsche, sei doch nur “ein anständiger Job”, die Stelle müsse weder in der Lebensmittelbranche sein, noch im Vertrieb, noch nicht mal in Deutschland. Mit seiner Frau habe er das schon besprochen; er könne überall in Europa arbeiten. Zur Not hätten sie dann eben eine Fernbeziehung. Nur eines, das könne er sich gar nicht vorstellen: Hartz IV zu beantragen. “Das mach ich nicht. Da hab’ ich eine Schranke”, sagt Rohrmann.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Über 100 Bewerbungen, neun Monate arbeitslos? Kann ja alles gar nicht sein: Fachkräftemangel, Rente mit 67… erstaunlich, daß das führende neoliberale Magazin von dem Mann berichtet. Wahrscheinlich nur ein Einzelfall. Und natürlich wird die GroKo und werden die Parteien, die alles das zu verantworten haben – die Massenarbeitslosigkeit gerade bei Älteren, Hartz IV, die radikalen Rentenkürzungen – bei der Bundestagswahl mit übergroßer Mehrheit wiedergewählt werden. Alternativlos.

    Anmerkung JK: Das ist genau die gesellschaftliche Realität hinter einem angeblich boomenden Arbeitsmarkt, ab 50 ist man für diesen tot. Und die Politik schaut einfach weg.

  12. Wähler wissen oft nicht, was gut für sie ist
    “Gegen Demokratie” heißt das neue Buch des US-Philosophen und Politikwissenschaftlers Jason Brennan. Darin fordert er nicht weniger, als die Demokratie abzuschaffen und ein volles Wahlrecht nur noch den Gebildeten, Wissenden und Informierten zuzugestehen.
    “Wähler wissen einfach oft nicht, was wirklich gut für sie ist und ob ihre Wählerstimme wirklich ihren eigenen Interessen dient”, sagte Brennan im Deutschlandradio Kultur. Zum Beispiel die Trump-Wähler: “Denen ist wahrscheinlich noch überhaupt nicht bewusst, dass sie sich letztlich in die eigenen Füße geschossen haben.”
    Bei den Durchschnittswählern konstatiert Brennan außerdem einen eklatanten Mangel an Wissen: “Ihnen fehlen oft einfach die Fakten, sie haben auch keine Ahnung, was Sozialwissenschaften angeht.” Das sei etwa bei den Brexit-Befürwortern deutlich geworden. Diese hätten sich bei ihrer Einschätzung der Zahl der Einwanderer um den Faktor sechs geirrt, bei den Kosten für Wohlfahrtsprogramme gar um den Faktor 400. “Die Remain-Wähler, also die, die in der EU bleiben wollten, haben sich zwar auch geirrt bei gewissen Fakten, aber da war diese Fehlerdiagnose einfach nicht so hoch. Das heißt, sie waren einfach besser informiert.”
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  13. Doch kein Ende der Geschichte
    Woran liegt es, dass überwunden geglaubte Phänomene wie Nationalismus und Autoritarismus plötzlich wieder aufkommen? Zum Beispiel, dass viele sich von einer nur marktkonformen Demokratie im Stich gelassen fühlten, meint der Soziologe Oliver Nachtwey.
    Nach dem Zerfall des Sowjetimperiums sprachen manche bereits vom “Ende der Geschichte”: Fortan seien der liberale Kapitalismus und die liberale Demokratie auf einem weltweiten Siegeszug. Heute müsse man erkennen, dass man damals zu optimistisch gewesen sei und warnende Stimmen nicht hören wollte, meint der Soziologe Oliver Nachtwey:
    “Zum Beispiel Ralf Dahrendorf, der große deutsche Soziologe, der schon in den 1990er-Jahren von einem möglicherweise autoritären 21. Jahrhundert gesprochen hat”, sagte er im Deutschlandradio Kultur.
    Wissenschaftler wie Nachtwey beobachten überall Tendenzen einer gesellschaftlichen Regression, eine Rückwendung zu nationalischen, protektionistischen, autoritären Einstellungen. In ihrem Buch “Die große Regression” untersuchen sie die Gründe und Dynamiken, die dazu geführt haben.
    Für Nachtwey spielt dabei die Ambivalenz von Individualisierungsprozessen eine große Rolle: Einerseits habe sie sie die Menschen aus alten, starren Klassen- und Lebensverhältnissen befreit. Heute könne jeder sein Leben so führen, wie er wolle. Gleichzeitig seien die Menschen durch die Individualisierung dem Markt sehr unmittelbar ausgesetzt: “Wenn man nicht genug Glück hat, nicht genug leistet, dann kann man sehr schnell absteigen, fühlt sich sehr schnell abgewertet. Und dann ist der Markt plötzlich kein Freiheitsmedium mehr, sondern etwas im Grunde Autoritäres, was die Leute bestraft, die nicht marktgerecht genug sind.”
    Inwiefern durch diese Prozesse die Demokratie bedroht wird, ist Nachtwey zufolge derzeit offen. “Es besteht schon eine große Gefahr für die Demokratie, dass die Menschen sich von der Demokratie abwenden, weil sie sich von ihr im Grunde im Stich gelassen fühlen durch die Globalisierung, der die Demokratie nichts entgegensetzt, sondern wie die Kanzlerin Frau Merkel gesagt hat: man muss im Grunde marktkonform nur noch regieren.”
    Quelle: Deutschlandradio Kultur