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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Opel und Merkel; Erwachen nach der Wahl; Schuldenatlas; Steuerentlastung gefährdet Wachstum; was Deutschland ändern muss; Pflegespäne; FDP will Rene mit 60; Nato-Bericht macht schwere Vorwürfe; Krieg der Bahnen; Brasilien hat es besser; Chefs schnüffeln im Internet. (KR/WL/AM)

  1. Opel: Merkel und die USA: Der Crash
  2. Böses Erwachen: Nach der Wahl kommt der Stellenabbau
  3. Die Verlierer des Turbokapitalismus: Mehr als 700 Millionen Menschen weltweit arbeiten in ungesicherten Jobs
  4. Schuldenatlas: Schuldenfalle schnappt 2010 zu
  5. IMK: Steuersenkungen gefährden Wachstum
  6. Politökonom Henrik Enderlein im FAZ-Gespräch: „Für Steuersenkungen zahlen die Armen“
  7. Ungerechte Altersvorsorge – Steuersparmodell für Besserverdiener
  8. Die Krise: Was Deutschland ändern muss
  9. Pflegespäne
  10. Britische Kirche verzockte Rente ihrer Pfarrer
  11. Hypo Real Estate erhält weitere Milliardenspritze
  12. FDP will Rente mit 60
  13. Schwere Vorwürfe gegen Bundeswehr im Nato-Bericht
  14. RWE: Wir kaufen uns die Bravo
  15. Krieg der Bahnen
  16. Für amerikanische Güter die Bahn
  17. Wird Brasilien das Land des Jahres 2010?
  18. Nur ein Kampf um Wörter? – Wenn aus einem “Stabilisierungseinsatz” ein “Krieg” wird
  19. Tipp: Märklin – Modell einer Pleite
  20. Zu guter letzt: Chefs schnüffeln vermehrt im Internet über Job-Bewerber

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Merkel und die USA: Der Crash
    Ein nie dagewesener Affront, ein Desaster ist das, für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ein Schlag, schlimmer als zu schlimmsten Zeiten unter George Bush dem Jüngeren und Gerhard Schröder. Und so unverständlich, dass es dreierlei Empfinden auslöst: Mitleid, Trauer, Wut. Und da ist es wie im richtigen Leben: Nichts ist schlimmer als eine enttäuschte Zuneigung. Und so unverständlich, dass es dreierlei Empfinden auslöst: Mitleid, Trauer, Wut.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Mein Gott, was für ein Pathos legt Stephan-Andreas Casdorff an den Tag, als sei die Welt untergegangen. Und dieses Pathos gilt nicht den Arbeitern bei Opel, sondern unserer armen, gedemütigten Kanzlerin. Diese Überreaktion fängt schon bei der Einschätzung der Rede der Kanzlerin an. Was war denn daran groß? Traut man den Redeschreibern und Beratern von Angela Merkel nicht zu, einen für das amerikanische Publikum designten Auftritt zu inszenieren? Hat unsere Kanzlerin die Probleme unserer Zeit analysiert und gar Strategien aufgezeigt? Nein, es war eine von Allgemeinheiten strotzende Rede, gut verbunden mit der Biographie der Kanzlerin, Stellen, an denen sie auch den meisten Applaus erhielt. Es lief letztlich auf ein großes Dankeschön an die USA zum 20. Jahrestag des Mauerfalls hinaus, wogegen nichts einzuwenden ist, was aber noch keine große Rede ausmacht. Der Applaus für ein Dankeschön ist gewiss, zumal diese ‘standing ovations’ zu den Ritualen amerikanischer Selbstinszenierung gehören, von der Oscarverleihung bis in das Kapitol. Vieles wurde schöngeredet, so zum Beispiel: “Die G20 haben gezeigt, dass sie handlungsfähig sind.” Ich möchte jetzt niemanden damit langweilen, diesen Satz auseinanderzunehmen. Die NDS haben auf etliche kritische Beiträge verwiesen.
    Und nun zum zweiten Punkt, zur “schallenden Ohrfeige von General Motors” und zum Verrat Obamas. Anscheinend hat die Politik hierzulande nie begriffen, was das “Memorandum of Understanding” vom Sommer bedeutete, nämlich eine unverbindliche Absichtserklärung, und dass die letztendliche Entscheidungsmacht immer bei General Motors lag, Merkel hin, Obama her. Bei General Motors hat zwar ein von der amerikanischen Regierung eingesetztes Managerkollektiv das Sagen, was aber nicht heißt, dass die Regierung nach der Rettung GMs, die allerdings an harte Auflagen gebunden war, auch die weiteren strategischen Entscheidungen trifft. Das ist Kapitalismus, zumal in Amerika. Vor allem ist es unverständlich, dass man hierzulande die zögerliche Entscheidungsfindung in Detroit nicht als das interpretiert hat, was heute offenbar ist: Eine starke Fraktion in Detroit war niemals bereit, Opel mehrheitlich in fremde Hände zu geben – und dann noch in russische. So behält GM den europäischen Markt und die Entwicklungsabteilung in Rüsselsheim, die, wie man immer wieder liest, eigentlich unabdingbar für zukünftige technologische Entwicklung von GM ist. – Über das ganze Gejammer sollte man nicht vergessen, dass auch die Magna-Lösung unter Fachleuten sehr umstritten war. – Also bitte, wenn schon Mitgefühl, dann nicht für die Kanzlerin, sondern für die Opelianer, denn GM will anscheinend die Fixkosten um ein Drittel senken und ein Fünftel der Stellen in Europa streichen; insbesondere für Bochum und Eisenach sieht es zappenduster aus.

    Dazu:

    GM will bei Opel 10.000 Arbeitsplätze streichen
    General Motors will bei Opel etwa 10. 000 Arbeitsplätze streichen. Dies sagte GM-Vize-Chef John Smith bei einer Telefonkonferenz.
    Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster rechnet mit massiven Einschnitten bei der Sanierung des deutschen Autobauers. „Wir hatten einen guten Sanierungsplan ausgehandelt, der auf dem Tisch lag und fertig war“, sagte Forster der “Bild“-Zeitung. „Jetzt besteht die Gefahr, dass die vernünftige Verteilung der Lasten wieder aufgeschnürt wird und alles von vorne beginnt. Sicher ist: Es wird auch bei dieser Lösung massive Einschnitte geben.“
    Die Entscheidung der US-Konzernmutter, Opel doch zu behalten, habe ihn überrascht, sagte Forster der Zeitung: „Wir haben mit dieser Entscheidung nicht gerechnet.“ Schnellstens müssten daher mit GM Verhandlungen aufgenommen werden, um offene Fragen zu klären. Dies werde einige Zeit dauern.
    Zu seiner Zukunft bei Opel äußerte er sich zurückhaltend: Es sei kein Geheimnis, dass er einen Verkauf an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna für gut gehalten habe. „Ich werde in Ruhe nachdenken.“
    Quelle: Die Welt Online

  2. Böses Erwachen: Nach der Wahl kommt der Stellenabbau
    Nach der Bundestagswahl kommt nun auf den Tisch, was im Wahlkampf verschwiegen wurde: Die Arbeitslosigkeit wird steigen, denn in vielen Firmen endet die Kurzarbeit. Manager weisen den Jobabbau von sich. Gewerkschafter befürchten, dass Arbeitnehmer in die Armut abrutschen.
    Quelle: SZ
  3. Die Verlierer des Turbokapitalismus: Mehr als 700 Millionen Menschen weltweit arbeiten in ungesicherten Jobs
    Für die Autoren von Südwind ist die Errichtung freier Exportzonen ein entscheidender Katalysator für die Ausbreitung ungeschützter Beschäftigung. Ursprünglich hatten die Entwicklungsländer große Hoffnungen auf solche Zonen gesetzt, die sie seit den 1960er Jahren einrichteten. Hier gelten spezielle Anreize wie Zoll- oder Steuervergünstigungen für ausländische Investoren und die Firmen brauchen kaum Arbeits- oder Sozialgesetze befolgen. Zudem sind Gewerkschaften meist verboten. Anfangs produzierten die Firmen arbeitsintensive Produkte wie Textilien oder Unterhaltungselektronik. Heute gibt es dort auch Wissenschaftszentren, Finanzplätze oder Logistik- und Tourismuszentren.
    3500 solcher Exportzonen gibt es in 130 Ländern. Nur in wenigen Ländern hat es sich – gemessen an der Entwicklung der lokalen Wirtschaft – gelohnt, sie zu schaffen. Dazu zählen laut WTO und ILO China, Südkorea und Taiwan. Die UN-Organisationen plädieren für mehr staatliche Regulierung.
    Quelle 1: SZ
    Quelle 2: Südwind – Download der Studie [PDF – 1.1 MB]
  4. Schuldenatlas: Schuldenfalle schnappt 2010 zu
    Die Zahl verschuldeter Personen ist im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Das dicke Ende sehen Forscher wegen der höheren Arbeitslosigkeit aber im nächsten Jahr kommen. Marius Stark, Koordinator der Caritas-Schuldnerberatung, bewertet die Zahlen skeptisch. In den bundesweit knapp 1000 öffentlichen Schuldnerberatungsstellen – davon 300 von der Caritas – sei nichts von einem Rückgang der Klienten zu spüren. Im Gegenteil: Seit Einführung der Privatinsolvenz vor zehn Jahren würden die Berater dem Ansturm nicht mehr Herr: Die öffentlichen Stellen erreichten gerade mal 15 Prozent von drei Millionen überschuldeten Haushalten.
    Auch Marius Stark sieht einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Überschuldung. Deshalb fordert er für Fälle wie die Quelle-Insolvenz, entlassene Beschäftigte nicht nur von Arbeitsvermittlern, sondern auch von Finanz- und Budgetberatern betreuen zu lassen. Etwa ein Drittel der 4000 arbeitslos gewordenen Quelle-Mitarbeiter seien potentielle Kandidaten für die Schuldnerberatung. So weit dürfe es nicht kommen, warnt Stark. “Wir müssen jetzt offensiv Rat und Hilfe anbieten und dürfen nicht warten, bis die Menschen in ihrer Existenz bedroht sind.” Denn dann werde es für den Staat richtig teuer und habe für die Schuldner “fürchterliche Auswirkungen”, etwa bei Zwangsräumung der Wohnung. Um genug Hilfe bereit zu stellen müsse das Budget für die Schuldnerberatungen verdoppelt werden, fordert Stark, der auch die Wirtschaft in der Pflicht sieht.
    Quelle 1: FR
    Quelle 2: Creditreform [PDF – 1.84 MB]

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die Ausgangsdefinition für Überschuldung ist relativ schlüssig: Überschuldung liegt dann vor, wenn die monatlich zu leistenden Gesamtausgaben eines Schuldners dessen Einnahmen übersteigen. Dann wird es allerdings schwieriger. Über den “Anteil der Personen mit so genannten Negativmerkmalen im Verhältnis zu allen Personen ab 18 Jahren kann die Überschuldung in ihrer geographischen Verteilung bis hin auf die Ebene von Straßenabschnitten dargestellt werden”. Allerdings müssen diese Negativmerkmale in irgendeiner Form bekannt werden, z.B. durch aktuell vorliegende juristische Sachverhalte (Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Privatpersoneninsolvenz) usw., d.h. dass mit einer nicht erfassbaren Dunkelziffer zu rechnen ist.

  5. IMK: Steuersenkungen gefährden Wachstum
    Bereits im kommenden Jahr wird der Staat insgesamt rund 21 Milliarden Euro weniger einnehmen. Noch von der großen Koalition wurden Steuer- und Abgabensenkungen um 14
    Milliarden Euro beschlossen. Die neue Koalition aus Union und FDP hat zusätzlich Änderungen bei der Unternehmensbesteuerung, der Umsatzsteuer und der Erbschaftsteuer sowie eine Anhebung des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes vereinbart. Anschließend sieht der Koalitionsvertrag bei der Lohn- und Einkommensteuer den Einstieg in einen Stufentarif vor, der in den Jahren 2011 bis 2013 zu Steuerausfällen von noch einmal jährlich rund 19 Milliarden Euro führt.
    Für 2012 würde sich die geplante Steuersenkung auf rund 30 Milliarden Euro summieren – Mindereinnahmen bei Unternehmen- und Erbschaftsteuer inbegriffen. Der Bund wäre mit etwas mehr als 12 Milliarden betroffen, die Länder ebenso, die Gemeinden mit über 4 Milliarden.
    Truger hält es für ausgeschlossen, dass die Steuersenkungen der Konjunktur starke Impulse geben und sich selbst finanzieren. Nach seinen Berechnungen lassen sich so höchstens
    20 Prozent der Ausfälle kompensieren.
    Entweder kommt es zu einem massiven Abbau von echten oder vermeintlichen Steuervergünstigungen, um die Verluste im Rahmen zu halten. Oder der Staat sieht sich gezwungen, die Ausgaben dramatisch zusammenzustreichen. Trugers Befürchtung: „Damit hätten Steuersenkungen sogar einen negativen Effekt auf das Wachstum, weil vom Staat weniger Investitionen ausgehen.“
    Quelle: Böckler impuls 17/2009 [PDF – 112 KB]
  6. Politökonom Henrik Enderlein im FAZ-Gespräch: „Für Steuersenkungen zahlen die Armen“
    Wenn die Regierung die Steuern senkt, werden an anderer Stelle die Abgaben und Gebühren erhöht. Das glaubt zumindest der Politökonom Henrik Enderlein. Im Interview spricht er über das Schuldendilemma der neuen Regierung, die Milieus der FDP und seine linken Hoffnungen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung KR: Diese Stelle ist aufschlussreich:

    „Enderlein: Ich kann nur nicht übersehen, dass die soziale Ungleichheit in unserem Land immer mehr zunimmt.
    FAZ: Was meinen Sie damit?“

    Die Klientel der FAZ wie auch ihre Redakteure halten die Politik der Umverteilung von unten nach oben (ablesbar z.B. am sinkenden Anteil der Löhne und Gehälter am BIP) mit einer solchen Selbstverständlichkeit für richtig, dass ihnen völlig unverständlich ist, was mit „Kritik an sozialer Ungleichheit“ wohl gemeint sein könnte.

  7. Ungerechte Altersvorsorge – Steuersparmodell für Besserverdiener
    Altersvorsorge für Topverdiener, mit kräftiger Unterstützung des Staates. Steuern sparen per Gehaltsverzicht – alles ganz legal. Nur sind das Anreize zur Altersvorsorge, von denen diejenigen am meisten profitieren, die es eigentlich am wenigsten nötig haben, findet Rentenexperte Dieter Döring: „Wenn man nicht will dass künftig die Einkommensverteilung im Alter, im Ruhestand, noch ungleicher wird als heute, hätte man den Weg nicht über diese Komponente gehen dürfen. Denn logischerweise ist das ein echtes Steuersparmodell und es lohnt sich entscheidend für Personen mit hohem Einkommen.”
    Quelle: HR
  8. Die Krise: Was Deutschland ändern muss
    Ein in Deutschland weitestgehend unbekannter, aber immens wichtiger Punkt sind die sog. globalen – und insbesondere inner-europäischen – Ungleichgewichte, d.h. auf der einen Seite Staaten mit sehr hohen Leistungsbilanzdefiziten wie etwa die USA und Spanien und auf der anderen Seite die Staaten mit entsprechend hohen Leistungsbilanzüberschüssen, also China, Japan, die Ölexporteure – und Deutschland.
    Ohne Wechselkursanpassung haben die anderen Länder letztlich nur die Möglichkeit, sich auf diesen Kostensenkungswettbewerb einzulassen, an dessen Ende die Relationen wieder so sind wie vorher aber auf einem für alle niedrigeren Niveau. Oder aber die anderen wollen und können sich nicht weiter Verschulden, die deutschen Exporte brechen ein und die gesamten Gewinne aus dem Export lösen sich in kurzer Zeit in nichts auf – so wie jüngst zu beobachten war.
    Die aktuelle Bundesregierung setzt jedoch weiterhin einseitig auf den Export, auf mehr „Standortqualität“ zu Lasten der heimischen Nachfrage. Anregungen, das Thema globale Ungleichgewichte im Rahmen der G20 zu diskutieren, wurden von Merkel abgeblockt. Letztlich zielt keine einzige geplante Maßnahme darauf ab, den inländischen Konsum zu stärken, sondern ganz im Gegenteil.
    Quelle: Risiko SchwarzGelb
  9. Pflegespäne
    Die Zahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dürfte weiter unter Druck geraten, wenn die Minijobgrenze von derzeit 400 Euro auf 600 Euro oder 1000 Euro angehoben wird, so wie es sich die FDP wünscht. Zu weiteren Reallohnsenkungen könnte es kommen, wenn die bestehenden Mindestlohnvereinbarungen abgeschafft werden und die Hartz-Gesetzte noch restriktiver angewendet werden. Die kommende Bundesregierung führt also die Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme selbst herbei und begründet somit anschließend den Kürzungsbedarf, um die Ausgaben an die niedrigeren Einnahmen anzupassen.
    Die eigentliche Begründung für die Kapitalsäule lautet jedoch, dass die Pflegeversicherung durch die Umlagefinanzierung ihre Aufgabe aufgrund des (angeblich so dramatischen) demographischen Wandels nicht auf Dauer erfüllen könne.
    Eine solche Aussage offenbart einmal mehr den erschreckenden Mangel an volkswirtschaftlichem Sachverstand. Denn grob gesagt gibt es zwei Möglichkeiten, wo das Geld der Kapitaldeckung angelegt werden kann, im Inland oder im Ausland. Wird es im Inland angelegt, müssen die gleichen Beschäftigten, die mit dem Beitragssatz der Umlagefinanzierung angeblich überlastet sind, die Zinsen und Dividenden der Kapitaldeckung erwirtschaften. Mit anderen Worten, es wird überhaupt niemand entlastet, da Erwerbsbevölkerung nicht zunimmt und es für diese zunächst einmal gleichgültig, ob sie Beiträge bezahlt oder Zinsen und Dividenden, die Belastung bleibt die gleiche. Die gesamten Ausgaben einer Volkswirtschaft können eben nur aus dem laufenden Sozialprodukt bedient werden…
    Eine Umstellung der Sozialversicherungen auf (mehr) Kapitaldeckung bringt keinerlei Schutz vor den ohnehin übertriebenen Folgen des sog. demographischen Wandels, dafür aber einen Haufen weiterer Probleme mit sich. Die einzige Gruppe, die davon profitiert, ist die Finanzbranche, der auf diesem Wege Milliarden-Beträge und damit entsprechend hohe Gebühren zufließen.
    Quelle: Risiko SchwarzGelb
  10. Britische Kirche verzockte Rente ihrer Pfarrer
    Die Finanzmanager der anglikanischen Kirche in Großbritannien haben große Teile der Pensionen ihrer Pfarrer an den Börsen verspekuliert. Dabei gilt die anglikanische Kirche spätestens seit der Krise als scharfe Kritikerin von Gier und “ungebändigtem Kapitalismus” in der Finanzwelt. Ihre Bischöfe hatten etwa von einem “Götzendienst” der Banker gesprochen. Nach Angaben von Shaun Farrell, Chef des kirchlichen Pensionsfonds, weist nun die eigene Rentenkasse ein “tiefes Loch” auf. Die Ansprüche der Geistlichen summieren sich aktuell auf über 800 Mio. Pfund, denen nur mehr Aktien im Wert von 416 Mio. Pfund gegenüberstehen.
    Quelle: pressetext Nachrichtenagentur GmbH
  11. Hypo Real Estate erhält weitere Milliardenspritze
    Der angeschlagene Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate kann mit weiteren drei Milliarden Euro aus dem Bankenrettungsfonds rechnen. Außerdem werden bestehende Liquiditätsgarantien verlängert. Eine Genehmigung durch die EU-Kommission steht noch aus.
    Insgesamt hat die Bank Finanzhilfen von mehr als 100 Milliarden Euro erhalten.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Ein Fass ohne Boden.

  12. FDP will Rente mit 60
    Nach der Forderung, die Renten mit einer Art Quellensteuer zu belegen, verlangt der FDP-Fraktionsvize Heinrich Kolb nun die Rente mit 60 mit Zuverdienstmöglichkeiten. Die Vermutung liegt nahe, dass die FDP bemüht ist, sich einen möglichst sozialen Anstrich zu verleihen. Da bietet sich das Thema insofern an, als die Rente mit 67 beim Volk nicht eben beliebt ist.
    Leider zielt das Konzept aber an der Realität des Arbeitsmarkts vorbei. Wenn überhaupt, hilft es lediglich einigen wenigen Besserverdienern. Denn nur die können es sich leisten, Jahre vor der üblichen gesetzlichen Rente auszusteigen – und dann noch einen Job finden, der den Lebensstandard sichert. Wer schon jetzt wenig verdient, für den gibt es die lukrativen Nebenbeschäftigungen, die die rüstigen 60-plus-Angestellten nach Gusto ausüben sollen, kaum.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Da wird also einerseits die Altersteilzeit abgeschafft, die 1996 eingeführt wurde, um jüngeren Arbeitnehmern eine größere Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bieten und die deshalb von der der Bundesagentur durch Zahlungen an die Arbeitgeber und Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge gefördert wurde. Bei gegebener Rechtslage bedeutet ein Jahr Ausstieg vor der Altergrenze 3,6% Rentenabzug. Wenn die Rente mit 67 also voll greifen wird, sind das gut 25% weniger Rente. Welcher Rentenbezieher wird sich das wohl leisten können? Gewiss nicht Rentner mit einer Durchschnittsrente bei Männern von etwa 1000 Euro und Frauen bei 600 Euro. Die Zuverdienstmöglichkeit ist darüber hinaus ein vergiftetes Angebot. Sie mag zwar für Besserverdienende eine Zeit lang attraktiv sein, doch auch sie werden irgendwann arbeitsunfähig. Die Eröffnung einer solchen Möglichkeit dürfte dazu führen, dass noch mehr ältere Menschen aus dem Arbeitsleben gedrängt werden und mit einem Zuverdienst gelockt werden. Das bedeutet für die Arbeitgeberseite praktisch eine erhebliche Lohnsenkung bei Erhalt der Arbeitskraft des frühverrenteten Arbeitnehmers.
    Und natürlich sind die Zuverdienstmöglichkeiten völlig an den jeweiligen Arbeitskräftebedarf der Arbeitgeber gekoppelt. Flexibler geht es nicht.

  13. Schwere Vorwürfe gegen Bundeswehr im Nato-Bericht
    So hätten sich die US-Piloten der angeforderten Kampfflugzeuge fünf Mal versichert, ob sie die beiden entführten Tanklastzüge tatsächlich bombardieren sollen, obwohl wichtige Einsatzregeln für diesen Befehl nicht eingehalten würden. Weiter wird in dem Nato-Bericht laut “Kölnischer Rundschau” darauf hingewiesen, es hätten sich zum Zeitpunkt des Angriffs weder Bodentruppen bei den Tanklastzügen aufgehalten, noch sei vor der Bombardierung das Hauptquartier der internationalen Isaf-Truppe eingeschaltet worden. Auch sei eine “Gefahr im Verzug”, mit der Klein seine Anforderung begründet hatte, nicht nachvollziehbar gewesen, da die benzinbeladenen Lkw auf einer Sandbank am Ufer des Kundus-Flusses festsaßen. Darüber hinaus fiel der Isaf-Führung laut Bericht auf, dass ein afghanischer Nachrichtenermittler außergewöhnlich häufig, nahezu im Minutenabstand, betont habe, dass sich ausschließlich Terroristen an den Tanklastzügen aufhielten.
    Besonders scharfe Kritik übt die Nato laut “Kölnischer Rundschau” an der Kommunikation des Bundesverteidigungsministeriums. Es sei unverständlich, dass der damalige Minister Franz Josef Jung (CDU) und die Bundeswehr-Führung wider besseres Wissen noch zwei Tage nach dem Luftschlag erklärt hätten, dass es keine zivilen Opfer gegeben habe.
    Quelle: FR
  14. RWE: Wir kaufen uns die Bravo
    Mit Propaganda-, äh, Informationskampagnen kann man gar nicht früh genug anfangen. Vattenfall oder BP setzen dabei auf Schulbesuche und vorgefertigte Unterrichtsmaterialien. RWE ist cleverer: Weil die Kids auf Lernen sowieso keinen Bock haben, so das offensichtliche Kalkül, fängt man sie halt in ihrer Freizeit. Jedenfalls kooperiert der Essener Energieriese neuerdings mit der Bravo, Deutschlands größter Jugendzeitschrift mit derzeit 555.000 Stück wöchentlicher Auflage. Das Blatt hatte – mit sicherem Gespür für die Interessen und Sorgen der Zielgruppe – im April eine Kampagne „Bravo Goes Green“ gestartet.
    Quelle: Greenpeace-Magazin
  15. Krieg der Bahnen
    Auf dem Schienennetz Europas droht Verdrängungswettbewerb. Um gute Karten zu haben, setzen französische und deutsche Lobbyisten auf Privatisierung. Wenn die Deutsche Bahn (DB) in den kommenden Jahren von mehreren Seiten unter noch stärkeren Konkurrenzdruck gerät, dann ist dies nicht nur eine Folge geplanter Gesetzesänderungen durch die Regierung Merkel. Bei der zunehmenden Liberalisierung im Verkehrsbereich ist die DB Täter und Opfer zugleich. So kommt die Ankündigung der französischen Staatsbahn SNCF, ab 2011 im bundesdeutschen Inlandsverkehr über ihre deutsche Tochterfirma Keolis mit eigenen Schienenfernverbindungen von Frankfurt nach Hamburg und Berlin der DB Konkurrenz zu machen, für Insider nicht überraschend. Sie ist eine logische Folge der Expansionsbestrebungen bisheriger Staatsbahnen in Europa, die statt einer Weiterentwicklung der jahrzehntelang vorangetriebenen grenzüberschreitenden Kooperation sich nun gegenseitig Marktanteile abjagen wollen. Ein Vorreiter des Expansionsstrebens war der frühere DB-Chef Hartmut Mehdorn, der den Bahnkonzern auf den Aufkauf von Bahnen und Logistikunternehmen orientierte und dafür eine hohe Verschuldung in Milliardenhöhe in Kauf nahm. 2007 erwarb die DB die spanische Güterbahn Transfesa und die größte britische Güterbahn EWS. Mit der EWS, die Güterverkehr durch den Kanaltunnel betreibt, schuf die DB in Frankreich Stützpunkte im Güterverkehr in Konkurrenz zur SNCF.
    Dies wurde im bürgerlichen Paris als Kriegserklärung aufgefasst. Umgehend lud die damalige SNCF-Chefin Anne-Marie Idrac, eine stramme Konservative, im Juni 2007 die Vertreter von acht verschiedenen Bahngewerkschaften zum Gespräch am »runden Tisch«. Dabei beschrieb sie die Politik der DB als handfeste Bedrohung: »Der europäische Markt lässt nur zwei bis drei große globale Akteure zu. Die DB ist bereits als einer dieser Akteure gesetzt«, warnte Idrac. Wenn die SNCF sich dieser Bedrohung nicht entgegenstelle und sich besser international positioniere, dann werde sie »immer mehr Züge der Konkurrenz in Frankreich rollen sehen«, malte die Bahnchefin als Schreckgespenst an die Wand, um die Gewerkschafter gefügig zu machen. Sie forderte eine verstärkte Umstrukturierung, Zerschlagung und Privatisierung der SNCF und brachte einige der versammelten Gewerkschafter zum Grübeln.
    Quelle: junge Welt
  16. Für amerikanische Güter die Bahn
    Vor allem in Europa sorgte die bisher größte Investition von Milliardär Warren Buffett für Erstaunen. Denn die Bedeutung des Schienenverkehrs in den USA wird oft unterschätzt: Zwar ist der Personenverkehr nur ein Randphänomen. Doch werden viel mehr Güter per Bahn befördert als in Europa.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Irgendwo schlummert bei der Bahn ein Projekt namens ” Netz 21″, in dem doch tatsächlich bei wichtigen Verbindungen von der „Entmischung“ von langsamen und schnellen Verkehren die Rede ist, also dem Aufbau getrennter Schienennetze, eines für Güter- und eines für Schnellverkehr. Der größte Teil des Netzes mit allen Querverbindungen würde dabei wegen geringer Nachfrage im Mischbetrieb bleiben. Während alle Welt vom Ausbau von Hochgeschwindigkeitsstrecken schwärmt, ist meines Erachtens noch kein Kilometer reine Güterstrecke realisiert. Im Zuge steigender Benzinkosten und einer Überbelastung der Straße sollte man meinen, dass die Politik solche Projekte für dringlich erklären würde.

  17. Wird Brasilien das Land des Jahres 2010?
    So unglaublich es klingen mag: das Entwicklungsland Brasilien hat es fertig gebracht, sich vom Trend der (fast kompletten) Welt abzukoppeln und aus der Krise heraus zu kommen. Während die USA in einer Arbeitslosigkeit nie gekannten Ausmaßes versinken, während China nun selbst „Bubbles“ erzeugt, während Großbritannien zu einem der Haupt-Risikofaktoren in Europa geworden ist, während Japan in einer Deflation bei gleichzeitigem BIP (Brutto-Inlandsprodukt)-Rückgang versinkt, während Deutschland die ganze Krise noch vor sich hat, hat sich Brasilien durch den Hinterausgang aus der Krise geschlichen.
    Quelle: Berliner Umschau

    Anmerkung AM: Ein Beleg dafür, dass eine bessere Wirtschaftspolitik durchaus möglich ist; zugleich ein Beleg für die makroökonomische Inkompetenz dieser wie auch der letzten Regierungen. Diese Feststellung ist zwar nicht neu auf den NachDenkSeiten. Aber es ist immer wieder erfrischend, wenn dies empirisch belegt wird.

  18. Nur ein Kampf um Wörter? – Wenn aus einem “Stabilisierungseinsatz” ein “Krieg” wird
    Die politische Debatte entbrennt erneut um zwei Wörter: Die “Entsendung” von Bundeswehrsoldaten, so der neue Verteidigungsminister von Guttenberg, sei ein Krieg. Dieses Wort hatte sein Vorgänger Jung tunlichst vermieden. Hellhörig reagieren folglich die Medien darauf und titeln:

    • Einsatz in Afghanistan. “Krieg” für Guttenberg kein Tabu mehr (ARD, Tagesschau)
    • Einsatz in Afghanistan. Guttenberg spricht das K-Wort aus (Spiegel, 03.11.09)
    • Afghanistan. Guttenberg – „Fraglos kriegsähnliche Zustände“ (03.11.09)
    • Deutscher Afghanistan-Einsatz. Also doch im Krieg (taz, 03.11.09)

    Quelle: Eine diskurslinguistische Betrachtung von Friedemann Vogel [PDF – 84 KB]

  19. Tipp: Märklin – Modell einer Pleite
    Im Jahr 1859 gegründet, entwickelte sich das Unternehmen zu einer mittelständischen Ikone der deutschen Wirtschaft. Nun steht Märklin vor dem Aus.
    Quelle: tvmovie

    Anmerkung WL: Die erste Sendung ist zwar schon gelaufen, aber vom 10. bis zum 16. November gibt es Wiederholungen.

  20. Zu guter letzt: Chefs schnüffeln vermehrt im Internet über Job-Bewerber
    Facebook, WKW, studivz & Co.
    Quelle: Stern

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