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Erosion der Demokratie

Peer und die Oligarchen – die moralische Bankrotterklärung des ehemaligen Vizekanzlerkandidaten

Die Eckpunkte der künftigen Politik der Ukraine werden nicht in Kiew, sondern in Wien gesetzt. Dort soll die neu gegründete „Agentur zur Modernisierung der Ukraine“ ihre Arbeit aufnehmen. Gleich einer Schattenregierung wurden in dieser Agentur die Ressorts mit äußerst namhaften ehemaligen Politikern besetzt. Das Finanzressort untersteht niemand anderem als dem ehemaligen Finanzminister und Vizekanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Finanziert wird das Vorhaben von den drei wohl reichsten und mächtigsten Oligarchen der Ukraine – ein erstaunliches Triumvirat aus Korruption, Mafia-Kontakten und politischer Wandlungsfähigkeit. Offenbar hat Steinbrück endgültig jede Scham verloren und verkauft seine Haut wie eine Bordsteinschwalbe an jeden, der bereit ist den – sicher nicht geringen – Preis zu bezahlen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

CIA Folterreport: Das Hohe Lied der Sicherheit oder die Insolvenz der „westlichen Werte“

Die hinter schwarzen Flecken verborgenen Namen und Daten in dem auf knapp 550 Seiten komprimierten Bericht sind allein deswegen erfreulich, weil sie dem Leser in einer Art intellektuellem „Waterboarding“ ein kurzes Atemholen in der Sammlung von Ungeheuerlichkeiten ermöglichen: Wir ahnten es, wir wussten es – aber in dieser Häufung ersticken wir an den unerträglichen, menschenverachtenden Folterpraktiken, die uns die „willigen Vollstrecker“ einer vorgeblichen Sicherheitshybris seit dem 09/11 im „Krieg gegen den Terror“ zumuten.
Wolfgang Neskovic, dem umtriebigen Streiter für das Recht, wie dem Westend Verlag ist es zu danken, dass sie in so kurzer Zeit nach der Veröffentlichung des Senats-Berichts am 09.12.2014 durch die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses Dianne Feinstein, uns eine Kärnerarbeit von 13 ÜbersetzerInnen vorlegen. Sie beginnt im Vorwort mit dem wertenden Befund: „Die Haft-bedingungen und die Anwendung erlaubter und unerlaubter Verhör- und Konditionierungs-verfahren waren grausam, unmenschlich und entwürdigend“ und endet in der verzweifelten Hoffnung, dass „die US-amerikanische Politik … nie wieder uneingeschränkte Internierung und gewaltsame Befragung zulassen wird“. Zur gleichen Zeit sind in Guantanamo heute immer noch 122 Gefangene uneingeschränkt interniert, an denen diese Hoffnung zerbricht, weil ihnen die Rechte als Kriegsgefangene vorenthalten werden. Von Albert Klütsch[*].

Streikrecht verteidigen – Politischen Streik erkämpfen

Der Druck wird stärker: Das Tarifeinheit-Gesetz rückt näher. Die Stimmungsmache gegen die Streikenden und deren Recht auf Arbeitsverweigerung wird forciert. Riesige gesundheitliche Folgen und kaum verkraftbare Schäden werden von Sachverständigen zusammenfantsiert. Da muss jedem einleuchten, dass das mit der Streikerei so nicht weitergehen kann. – Jetzt bereitet die CSU einen neuen Angriff vor. Zusammengefasst von Hermann Zoller.

Ohne Angst verschieden sein können

Zum 70. Jahrestag an dem Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit wurde.

Solange die wöchentlichen Pegida-Aufmärsche stattfinden, müssen wir uns damit auseinandersetzen. Das Verheerendste an der gegenwärtigen Entwicklung ist aber, dass sich im Schlagschatten von Pegida und weit über diese hinaus eine Diskussion entwickelt, die eine Definition sozialer Zugehörigkeit vornimmt, die festlegt, wer „zu uns gehört“ und wer nicht. Die Lage derer, die aus dem eigenen sozialen und moralischen Bezugssystems ausgeschlossen werden, ist prekär. Von Götz Eisenberg.

Exit aus Grexit: Griechenland im Eurosystem aufbauen

Die Entwicklung Griechenlands gleicht einer Tragödie. Im Zentrum dieser Insze­nierung stehen Schuld und Sühne. In der modernen Sprache der Fiskalisten heißt das Konditionalität. Griechenland, so die Retter aus dem Euroland und von der Eu­ropäischen Zentralbank sowie vom Internationalen Währungsfonds, habe immer schon durch eine verschwenderische Schuldenpolitik „über seine Verhältnisse ge­lebt“. Die Konklusion erhält, wie es der kritische Nobelpreisökonom Paul Krugman zusammengefasst hat, geradezu moralisierende Qualität: Sünden müssen gesühnt werden. Von Rudolf Hickel

Leserbriefe zu drei Artikeln und zwei Fragenkomplexen: PEGIDA und Demonstration in Paris

Aus den Rückmeldungen zur letzten Präsentation von Leserzuschriften können wir schließen, dass sich zumindest ein beachtlicher Teil der NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser für die Kommentare unserer Leserschaft interessieren. Deshalb werden hier die Zuschriften zu drei Beiträgen wiedergegeben:
Zum Beitrag von Götz Eisenberg „Der Extremismus der Mitte“ vom 6. Januar.
Dann zum zweiten Komplex, dem Beitrag von Albrecht Müller vom 12. Januar „Die gestrige Manifestation von Paris wird, so eindrucksvoll sie auch war, die Möglichkeit zur Sozial- und Medienkritik um Jahre zurückwerfen“ und dem darauf folgenden Beitrag von Wolfgang Lieb vom 13. Januar „Kann man aus der Manifestation von Paris nicht auch Zuversicht schöpfen?“. Albrecht Müller

Heute erscheint der CIA-Folterreport auf Deutsch. Die NachDenkSeiten präsentieren das Vorwort von Wolfgang Neskovic.

CIA-Folterreport

Der Westend-Verlag hat in nur kurzer Zeit eine Übersetzung des Reports organisiert. Die NachDenkSeiten unterstützen das Projekt – wegen der für uns relevanten Informationen und nebenbei auch noch, um „medico international“ zu fördern. An diese Hilfsorganisation geht ein Teil des Verkaufserlöses. – In seinem Vorwort geht der frühere Bundestagsabgeordnete Neskovic auf den Inhalt des Folterreports ein, wie auch auf die Hintergründe in der amerikanischen Gesellschaft:

„Eine deutliche Mehrheit der US-Amerikaner billigt die Foltermaßnahmen und diskutiert nicht über deren Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit, sondern allenfalls über deren Nützlichkeit.“

Nescovic betont mit Recht, dass bei uns nicht die Justiz, sondern die Politik verantwortlich dafür ist, die Konsequenzen aus dem Bruch des Rechtes zu ziehen. Er fragt, was hier bei uns geschehen müsse, um eine bessere parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste sicherzustellen. Hier das Vorwort [PDF]. Albrecht Müller

Der Kampagnenjournalismus hat ein neues und altes Opfer: Griechenland

Obwohl Meinungsmache und Kampagnenjournalismus fast täglich auf den NDS thematisiert werden, können wir dennoch ein gewisses Staunen darüber nicht unterdrücken, mit welcher Wucht und Konzentration – kaum das bekannt wurde, dass es in Griechenland am 25. Januar zu Neuwahlen kommen wird – die Kampagne gegen die griechische Oppositionspartei Syriza und für die Fortsetzung der von der Troika oktroyierten Austeritätspolitik gestartet wurde. Wie auf Knopfdruck waren faktisch in allen Leitmedien die entsprechenden Kommentare und Berichte zu finden. Der Tenor war dabei völlig identisch: Die „Reformen“ tragen Früchte, die Wirtschaft wachse wieder, nun dürfe auf keinen Fall von der „Sparpolitik“ abgewichen werden, ein Wahlsieg der „linksradikalen“ Syriza würde die Erfolge der „Reformpolitik“ gefährden und Griechenland, ja ganz Europa in eine noch schlimmere Finanzkrise stürzen, usw., usw. Man kann gar nicht anders als dahinter eine politisch gesteuerte Kampagne zu vermuten. Von J.K.

Westend Verlag veröffentlicht den CIA-Folterreport in deutscher Übersetzung

Der am 9. Dezember 2014 vom Geheimdienstausschuss des US-Senats („United States Senate Select Committee on Intelligence“) veröffentlichte Report basiert auf über sechs Millionen interner CIA-Dokumente.

Wolfgang Nešković, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und bis 2013 MdB, ist Herausgeber des Berichtes in deutscher Sprache und schreibt einen einordnenden Kommentar. Ein Teil der Einnahmen geht der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international zu. Die NachDenkSeiten unterstützen das Projekt.
Das Buch erscheint am 19. Januar 2015.

Ausländer-Hass und die Grenzen der Aufklärung

4,7 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden sind Ausländerinnen und Ausländer. Den Anteil der Muslime an der Bevölkerung Dresdens beträgt 0,4 Prozent. Warum sind dort die anti-islamischen, ausländerfeindlichen und rechtsextremen Demonstrationen am stärksten? Diesen Montag sollen 15 000 Leute durch Dresden gezogen sein. Die Antwort lautet: Der Ausländerfeind braucht keine Ausländer, um sie zu hassen – wie der Antisemit keinen Juden braucht, um über die Juden Bescheid zu wissen und gegen sie zu sein. In einem Filmbeitrag für die Heute-Show hört man Teilnehmer einer PEGIDA-Demonstration richtigen Wahnsinn in die Mikrofone blubbern: “Der IS kommt zu uns rüber und schneidet uns die Köpfe ab”; “Es dauert nicht mehr lang und unsere Kinder müssen in der Schule eine Burka tragen” und Ähnliches mehr. Imre Kertész spricht in diesem Zusammenhang von „platonischem Judenhass“, der auch dort existiert, wo es praktisch keine Juden mehr gibt. Juden, Zigeuner, Muslime, Kanaken, Homosexuelle und so weiter sind die äußeren Repräsentanten des verfemten Teils der eigenen Person. Sie liefern einem diffusen Hass ein imaginäres Objekt. Es ist das Fremde – oder fremd Gewordene – in der eigenen Person, das im Fremden gehasst und verfolgt wird. Von Götz Eisenberg.

Vor der Präsidentschaftswahl in Griechenland

Die griechische Regierung hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl durch das Parlament auf den 17. Dezember vorgezogen. Ursprünglich sollte diese im ersten Quartal 2015 stattfinden. Die internationalen Geldgeber haben daraufhin beschlossen, das Hilfsprogramm für Griechenland um zwei Monate zu verlängern. Durfte die Präsidentschaftswahl überhaupt vorgezogen werden? Warum hat die Regierung Samaras die Präsidentenwahl überhaupt beschleunigt? Wie stehen derzeit die Chancen, dass die Regierung ihren Präsidentschaftskandidaten durchbringt, sodass ihr vorzeitige Parlamentswahlen erspart bleiben? Kann sich das derzeit sichtbare Kräfteverhältnis bis zum entscheidenden Wahlgang vom 29. Dezember noch verschieben? Macht die Person des Kandidaten Pavlos Dimas das Erreichen der Präsidenten-Mehrheit von 180 Stimmen leichter oder schwerer? Wie begründet ist der in linken Kreisen artikulierte Verdacht, die Regierung werde versuchen, die für die Wahl von Dimas nötigen Stimmen zu „kaufen“? Welche Entwicklungen könnten die Wahl eines Präsidenten noch beeinflussen? Auf diese und andere wichtige Fragen der griechischen Politik versucht Niels Kadritzke eine Antwort zu geben. Darüber hinaus wirft er einen Blick auf die trostlose Bilanz von sechs Jahren Krisenpolitik.

Innerparteiliche Demokratie in der NRWSPD – bürokratische Blockade oder Teilhabe der Mitglieder?

Wenn es denn so ist, dass die Parteiführung nicht schon aus Respekt vor den Mitgliedern die Regeln beachtet, so muss wohl die innerparteiliche Demokratie stets neu erkämpft werden, auch wenn sie ja eigentlich durch die Satzung garantiert wird.
Es wird aber immer darauf ankommen, dass sich die Antragsteller nachdrücklich um die Umsetzung kümmern.
An dem hier geschilderten Kampf für eine innerparteiliche Demokratie von unten, sollte sich die Mitglieder des Parteikonvents der SPD im Hinblick auf dessen Beschluss in Sachen TTIP gegenüber dem Parteivorsitzenden Gabriel ein Beispiel nehmen. Von HERBIPOLIX.

Chodorkowski ruft zur Revolution auf

Noch nicht einmal ein Jahr hat es der russische Oligarch Michail Chodorkowski in seinem Schweizer Exil ausgehalten, sich nicht massiv in die russische Politik einzumischen. Am letzten Wochenende gab der NZZ ein ausführliches Interview. Und das hat es in sich. Chodorkowski fordert darin nicht weniger als eine Revolution in Russland und eine Abschaffung der Demokratie. Einen postrevolutionären Übergangspräsidenten hat Chodorkowski auch schon im Sinn – sich selbst. Bezeichnend, dass die deutschen Medien, die Michail Chodorkowski ansonsten in den höchsten Tönen loben, dieses Interview komplett ignorieren. Von Jens Berger.

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Der verdrängte Verfassungsbruch

Die Ukraine ist ein europäisches Land. Diese geografische Selbstverständlichkeit beinhaltet für viele westlich orientierte Ukrainer auch ein Bekenntnis zum „europäischen Wertesystem“. Zu diesen Werten gehört nach allgemeiner Auffassung die Rechtsstaatlichkeit.[1] Doch dass die Geburt der neuen pro-europäischen Ukraine mit einem mehrfachen Verfassungsbruch bei der Absetzung Viktor Janukowitschs begann, wird gerade in diesem rechtsstaatlichen Europa bis heute verdrängt. Von Stefan Korinth.

Bundesverdienstkreuz für Tugce A. ist gut, aber besser wäre es, den Verantwortlichen für die hohe Gewaltbereitschaft die Gemeinnützigkeit abzuerkennen – der Bertelsmann Stiftung z.B.

Als ich vom rücksichtslosen tödlichen Schlag eines jungen Mannes gegen eine junge Frau las, musste ich an eine verbale Prügelszene denken, die mir vor gut zehn Jahren ins Haus flimmerte. In einer TV-Sendung eines kommerziellen Senders beschimpften sich Jugendliche, ja eigentlich noch Kinder: Schlampe, Schwein, das war der offensichtlich eingeübte Umgang. Ohne jegliches Mitgefühl. Erschreckend. Das Erlebte entsprach den Vorhersagen der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes zwischen 1978 und 1982; damals haben wir – beide Herausgeber der NachDenkSeiten übrigens – versucht, die vermutlichen Folgen der von CDU und CSU betriebenen Kommerzialisierung des Fernsehens zu ergründen und den damaligen Bundeskanzler davon überzeugt, für diesen erkennbaren Wahnsinn wenigstens kein Geld des Bundes auszugeben. Dieses hatten damals die CDU-CSU-Ministerpräsidenten verlangt. Albrecht Müller.