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Ökonomie

Die gefährlichen Vorurteile unseres Führungspersonals – Steinbrück ist voll davon und tut deshalb nicht das Richtige.

Die Bundesregierung zwang uns Steuerzahler, fast 10 Milliarden für die Rettung der Industriekreditbank (IKB) zu zahlen, und dann 27, vielleicht sogar 50 Milliarden für die Münchner HRE-Bank, mehrere Milliarden für die Commerzbank, für die Bayerische Landesbank, usw. In der Summe mehrere 10 Milliarden, wenn nicht über 100 Milliarden, die uns alle in Zukunft belasten werden. Das mutet Peer Steinbrück uns und dem Bundeshaushalt zu. Zu Gunsten der Gesinnungsgenossen in der Finanzwirtschaft. Wenn es aber darum geht, zu Gunsten der Mehrheit der Beschäftigten und Arbeitslosen unser Land vor einer schlimmen Rezession zu bewahren, dann präsentiert uns Steinbrück seinen bekannten Wust von Vorurteilen gegen Konjunkturprogramme und gegen angeblich weitere Verschuldung. Auf den NachDenkSeiten konnten Sie schon viel dazu lesen. Deshalb beschränke ich mich auf Hinweise auf einen früheren Eintrag und einige andere einschlägige Artikel. Dies soll Ihnen zur Orientierung dienen. Albrecht Müller.

Sachverständigenrat: Die alte Leier mit ein paar leisen Zwischentönen

Jahr für Jahr mussten wir auf den NachDenkSeiten den Gutachten des Sachverständigenrats vorhalten, dass sie den wirtschaftspolitischen „Holzweg“ stur fortsetzen und statt einer kritischen Bestandsaufnahme der tatsächlichen Wirkung ihrer neoliberalen „Reformvorschläge“ ständig nur eine weitere Erhöhung der „Reform“-Dosis vorschlugen. Daran hat sich auch im Jahresgutachten 2008/2009 unter dem Titel „Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte steigern“ nichts Grundlegendes geändert. Mit der Ausnahme, dass diesmal ein (viel zu kleines) staatliches Konjunkturprogramm in Höhe von 0,5 bis 1 Prozent des BIP (also etwa im Umfang von bis zu 25 Milliarden Euro) vorgeschlagen wird, das über eine staatliche Kreditaufnahme finanziert werden soll. Wolfgang Lieb

Das Jahresgutachten des Sachverständigenrats zielt immerhin in die richtige Richtung – auch wenn die Mehrheit des SVR nicht sonderlich glaubwürdig ist

Im vergangenen Jahr hatten wir den Sachverständigenrat hart kritisiert („… nur noch eine Maschinerie der Meinungsmache“), so etwa hier und im Kritischen Jahrbuch 2007. Im Anhang finden Sie Meldungen zum Sachverständigenratsgutachten, das heute in Berlin präsentiert wird. Soweit man sich auf der Basis der Ankündigungen ein Urteil bilden kann (zwei Meldungen siehe Anlage), kann eines zumindest vermerkt werden: Dass der Sachverständigenrat eine Wende um 180° vollzieht und ein größeres Konjunkturpaket fordert, ist ein Fortschritt. Allerdings sind die Versuche des Sachverständigenrates, die Wende mit der Finanzkrise zu begründen, allzu durchsichtig. Der Sachverständigenrat versucht, seine Mitverantwortung abzuschieben. Albrecht Müller.

Schuldnerberatung – Ein ganz normaler Vormittag.

Die Schulden sind heute für viele Menschen und Familien ein zentrales Problem. Schuldnerberatung ist eine wichtige soziale Aufgabe. Viele NDS-Leser kennen sie nur vom Hörensagen. Deshalb habe ich den Schuldnerberater der AWO Roth-Schwabach, Wolfgang Hunner, den ich anlässlich eines Seminars traf, gebeten, aufzuschreiben, wie ein normaler Vormittag bei ihm aussieht. Hier ist sein Bericht, ergänzt um ein Papier zu den Zielen der Schuldner- und Insolvenzberatung (Anlage)

Großzügige Koalition – Anmerkungen zur Erbschaftsteuerreform

Silvester dürften in den feinsten Kreisen unserer Gesellschaft die Champagnerkorken noch lauter als sonst knallen, weil die Große Koalition sich nach jahrelangem Tauziehen auf eine Erbschaftsteuerreform geeinigt hat, die besonders Wohlhabende, Reiche und Superreiche begünstigt. Überschattet wurden die ohnehin schwierigen Verhandlungen zwischen den Regierungsparteien zum Schluss von der bayerischen Landtagswahl. Im Wahlkampf wurde es für die CSU zu einer Prestigefrage, Villenbesitzersgattinnen am Starnberger See und Kinder von Konzernherren von der Erbschaftsteuer zu befreien. Nach der Wahl Horst Seehofers zum CSU-Vorsitzenden und zum bayerischen Ministerpräsidenten vollzogen die Unionsparteien den Schulterschluss und setzten die Sozialdemokraten noch mehr unter Druck, dem Drang nach bürgerlicher Besitzstandswahrung nachzugeben. Fürchtend, die Erbschaftsteuer könnte ganz entfallen, wenn bis zum 1. Januar 2009 keine Neuregelung erfolgt, knickte die SPD schließlich ein, und die CSU konnte einen wichtigen Erfolg für sich verbuchen. Von Christoph Butterwegge

Rentner und die Binnenkaufkraft

„Drei Viertel aller deutschen Unternehmen sind seit Ausbruch der globalen Finanzkrise nicht mehr in der Lage, uneingeschränkt nötige Investitionen und Käufe zu tätigen.“ Das meldete dpa. Ähnlich ist das ganz sicher in den deutschen Haushalten, Rentnerhaushalte eingeschlossen. Nur, dass das nicht erst mit der Finanzmarktkrise begonnen hat. Die Financial Times Deutschland schreibt: „Die Bundesregierung nutzt den Finanzcrash, um von eigenen Versäumnissen abzulenken.“ Die schwache Konsumnachfrage ist nicht von der Finanzmarktkrise verursacht, sie ist hausgemacht. Seit Jahren setzt die Regierung einseitig auf den Exportsektor: Sie beschneidet Sozialleistungen und staatliche Ausgaben und fördert Lohndumping. Von Kurt Pittelkau, Mitglied im Arbeitskreis Alterssicherung ver.di-Berlin

EU: Autos sollen Autos kaufen

EU-Industriekommissar Verheugen unterstützt die Forderung der Automobilindustrie nach zinsvergünstigten Krediten in Höhe von 40 Milliarden Euro. Der Absatzkrise auf dem Automarkt soll also mit Subventionen begegnet werden. Glaubt man in Brüssel wirklich, dass mit Geschenken an die Automobilhersteller mehr Autos gekauft würden? Wolfgang Lieb

Das Fundament des elitären Klassenbewusstseins

Ist eine Gesellschaft, die offen von “sozial Schwachen” und “bildungsfernen Schichten” spricht, eingebettet in ein sozialdarwinistisches Fundament? Meint eine solche Gesellschaft etwa damit, dass Armut und mangelnde Bildung vererbte Mängel sind? Oder handelt es sich bei solchen und ähnlichen Begrifflichkeiten nur um unglücklich gewählte Wortkonstrukte?
Von Roberto De Lapuente

Die aktuelle Debatte um Konjunkturprogramme – von Meinungsmache geprägt, absolut schräg und weit von der Sache entfernt.

Die Debatte und auch die Entscheidungen zu konjunkturpolitischen Maßnahmen sind nicht geprägt von sachlichen Erwägungen, sondern vor allem vom Ergebnis einer Dauerpropaganda: Konjunkturprogramme sind Strohfeuer, sie bringen mehr Schulden – das glaubt nicht nur der Spitzenökonom der deutschen Wirtschaft Hüther, der sich gerade in ZDF-heute zu Wort gemeldet hat. Das glaubt auch der Bundesfinanzminister, der uns unentwegt mit unglaublichen Wortkombinationen unterhält – “Ich warne auch davor, aus der Hüfte etwas abzuschießen, was eher Symbolpolitik sein könnte, … was nur Geld verbrennen würde“ (Siehe unten). Und leider glaubt vermutlich auch die Mehrheit unseres Volkes, dass dies so sei. Konjunkturprogramme seien Strohfeuer, das ist eine Mär, die belegt, wie sehr ein Volk und seine Eliten manipuliert werden können. Quasi vollständig. Ein Wunder ist das nicht; denn auch Wirtschaftsforschungsinstitute, die noch bei der Begutachtung der Konjunkturprogramme in den siebziger Jahren vor allem Positives über ihre Wirkung notierten, behaupten heute das Gegenteil. Albrecht Müller.

Ist der „Kasinokapitalismus“ am Ende?- Neoliberalismus in der Legitimationskrise

Es wäre verfrüht zu glauben, der Neoliberalismus hätte seine Macht über das Bewusstsein von Millionen Menschen verloren, nur weil sie um ihr Erspartes fürchten und mit ihren Steuergroschen einmal mehr die Zeche für Spekulanten und Finanzjongleure zahlen müssen. Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass die globale Finanzmarktkrise zur Überwindung der neoliberalen Hegemonie – hier verstanden als öffentliche Meinungsführerschaft des Marktradikalismus – und zur allgemeinen Rehabilitation der Staatsintervention beiträgt. Stellt man die Frage, was nach dem Neoliberalismus kommt, sollte man die beiden Perspektiven eines sich radikalisierenden und eines seriöser auftretenden, noch subtiler agierenden Marktfetischismus nicht übersehen. Von Christoph Butterwegge.

Trotz Rezession – angebotsorientierte Wirtschaftspolitik im alten Trott

Bundeswirtschaftsminister Glos nimmt natürlich das Wort „Rezession“ nicht in den Mund, er sprach gestern lieber beschönigend davon, „dass sich die deutsche Wirtschaft in vielen Bereichen nicht widerstandsfähig gegenüber den Rückwirkungen der Finanzkrise gezeigt hat“.
Was ist es aber anderes als eine Rezession, wenn die Wirtschaft von einer Prognose des realen Wirtschaftswachstums von 1,7 % in diesem Jahr auf 0,2 % im kommenden Jahr abstürzt?
Auch Glos sieht Handlungsbedarf, doch er macht im alten Trott weiter und tut so, als hätte die Finanzmarktkrise nichts mit der Ideologie der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik zu tun. Ihm fällt nichts anderes ein als die alte Leier von Deregulierung („ein generelles Belastungsmoratorium“ für die Unternehmen), Senkung von Steuern und „Lohnzusatzkosten“ und die Kürzung von Sozialleistungen (Senkung von „konsumtiven Verwendungen“). Von Wolfgang Lieb

„Krieg dem Pöbel“. Die neuen Unterschichten in der Soziologie deutscher Professoren

Die Entdeckung der „neuen Unterschicht(en)“ zu Beginn des neuen Jahrtausends ist kein so­ziologisches, kein wissenschaftliches Datum, sondern das Produkt einer der politischen Pro­paganda dienenden „öffentlichen Soziologie“, in der einige Wissenschaft­ler – vor allem Paul Nolte und Heinz Bude – als professorale Autoritäten, aber auch als akti­ver Teil einer publizistischen Welle fungieren. Diese hat in Deutschland nicht zufällig im Jahr 2004 einen Höhepunkt erreicht: Sie begleitete und legitimierte die Einführung von „Hartz IV“: die Abkehr vom bis dahin dominierenden sozialstaatliche Ziel der Statussicherung hin zum Ziel der Existenzsicherung.
Eine Kritik des Lehrers in einer Abendhauptschule Hans Otto Rößer.

Buchrezension: „Die Ausgeschlossenen. Das Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft“ von Heinz Bude

„Unsere Gesellschaft steht vor einer tiefen Spaltung. Dieses Buch macht deutlich, warum wir uns vom Traum einer gerechten Gesellschaft verabschieden müssen. Immer mehr Menschen sind von den Segnungen des Wohlstands ausgeschlossen und haben keine Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Lebensläufe, die man für solide hielt, geraten ins Schlingern, weil Arbeitsplätze, die man sicher glaubte, wegbrechen. Ungelernte Aushilfskräfte kann es genauso treffen wie hochqualifizierte Wissenschaftler. Heinz Bude, einer der besten Kenner der deutschen Gesellschaft, entwirft zum ersten Mal ein umfassendes Bild jener zerklüfteten Verhältnisse, die in Zukunft immer stärker unsere Gesellschaft prägen werden. Jetzt ist es Zeit, darüber zu diskutieren, wie wir künftig leben wollen.“
So preist der Klappentext das neue Buch des Professors für „Makrosoziologie“ an der Universität Kassel an.
Der Sozialwissenschaftler Christian Girschner hat für uns das Buch rezensiert.
Sein Fazit: Das Buch „Die Ausgeschlossenen“ ist eine ideologische Rechtfertigungsgrundlage für eine Politik der „neuen Mitte“, die nicht mehr über die ungleiche Verteilung des Reichtums sprechen will, weil man sich von jeden politischen Ansatz der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums (einschließlich einer keynesianisch orientierten Wirtschafts- und Sozialpolitik) längst verabschiedet und diese durch eine sozial-politische Metaphorik der noch zu realisierenden „Chancen- und Leistungsgerechtigkeit“ ersetzt hat.

Das Versagen der herrschenden neoliberalen Lehre – Anmerkungen zum Umgang mit dieser Irrlehre

Die Auseinandersetzung mit der herrschenden Lehre in Wirtschaft und Gesellschaft wird von vielen Kritikern bei der Frage nach der sozialen Gerechtigkeit, also nach der Verteilung der Einkommen und Vermögen gesucht. Es ist richtig, die immer weiter auseinanderdriftende Verteilung und die offensichtlichen Ungerechtigkeiten zu beklagen und hier einzugreifen. Aber wenn die Auseinandersetzung allein darauf konzentriert wird, dann vergeben sich die Kritiker die Chance, zu einem wesentlich breiteren Bündnis zu kommen. Die herrschende neoliberale Ideologie, wie sie in Deutschland in der so genannten Reformpolitik konkreten Ausdruck gefunden hat, ist nicht nur ungerecht, sie ist ineffizient und zerstörerisch. Wir haben es bei den herrschenden Kreisen mit Versagern zu tun. Das sollte in gleicher Weise wie die soziale Gerechtigkeit ein öffentliches Thema werden. In einer Serie von Beiträgen werde ich in den nächsten Wochen auf dieses Versagen und diese zerstörerische Wirkung eingehen. Albrecht Müller