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Ökonomie

Heiner Flassbeck: „Gescheitert – Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert“

Das neueste Buch des Direktors der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf ist eine Generalabrechung mit der Wirtschaftspolitik der zurückliegenden dreißig Jahre und der handelnden Akteure aus makroökonomischer Perspektive. Flassbeck beschreibt darin auch das politische Scheitern der Sozialdemokratie.
Flassbeck ist ein Vertreter der – wie er es nennt – „Revolution im ökonomischen Denken“, also des Keynesianismus und auch der Lehren von Josef Schumpeter, Michal Kalecki oder Wilhelm Lautenbach, deren zentrales Moment „die Unsicherheit“ sei. Eine sich selbst überlassene Marktwirtschaft sei nicht stabil, im Gegenteil, sie sei extrem instabil. Sie brauche ständiges Beobachten und aktives Gegensteuern durch einen Staat, der in kritischen Momenten die Lage einschätzen könne und bewusst gegen den Strom schwimme. (S. 256) Wolfgang Lieb

Der Alt-Neoliberale (!) Alexander Rüstow wäre heute wohl in der Einschätzung Steinbrücks ein Linksradikaler …

… schreibt der NDS-Freund und Fach- und Studienkollege Gerhard Kilper nach Lektüre meines Beitrags „Makroökonomie kommt bei der SPD nicht vor“ eine Mail mit anhängendem Zitat von Rüstow. Der Text von Rüstow ist für viele unserer Leser direkt brauchbar – für Diskussionen mit anderen, für eigene Reden, etc. Deshalb die Weidergabe von Mail und Anhang. Albrecht Müller

Makroökonomie kommt bei der SPD nicht vor

Die klammheimliche Hoffnung hatte ich noch, die SPD könnte sich ihrer guten Tage umfassender wirtschaftspolitischer Kompetenz entsinnen und damit auch zum politischen Anker von Arbeitnehmern und jenen Unternehmen werden, die auf eine gute Konjunktur und Beschäftigungspolitik angewiesen sind. Ich habe den Deutschlandplan „Die Arbeit von morgen“ – Politik für das nächste Jahrzehnt [PDF – 231 KB] durchsucht. Weder da noch in den Kernbotschaften [PDF – 64 KB] noch in der Rede Steinmeiers fand ich einen ausreichenden Hinweis auf dieses wichtige Thema. Deshalb ergänze ich die Analyse von Wolfgang Lieb um einige Anmerkungen. Albrecht Müller

„Die Arbeit von morgen“ gegen die Arbeit von gestern

Wenn man sich die Rede des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier bei der Karl-Schiller-Stiftung in Berlin zum Thema Die Arbeit von morgen – Politik für das nächste Jahrzehnt einmal völlig unbefangen durchliest, so kann man Vieles finden, was man durchaus unterschreiben kann. Doch die Vorschläge für eine „Politik für das nächste Jahrzehnt“ können die Politik der SPD im vorigen Jahrzehnt nicht wieder gut machen. Wolfgang Lieb

Bei so genannten Wirtschaftsexperten fällt der Groschen – DIW für Wiedereinführung der Vermögenssteuer

SpiegelOnline verbreitet heute den Vorschlag des DIW, die Vermögen stärker zu besteuern. (Siehe Anlage 1). Dabei wird darauf verwiesen, mit dem konkreten Vorschlag würde die Belastung der Vermögen auf das Durchschnittsniveau der anderen EU-Staaten und wichtigsten Industrieländer angehoben.

Wir freuen uns über diese Einsicht, wir würden uns noch mehr freuen, wenn erstens diese Vorschläge von der Politik auch ernsthaft verfolgt und nach der Bundestagswahl umgesetzt würden, und wenn zweitens die Polemik gegen jene eingestellt würde, die nahezu die gleichen Forderungen bisher schon immer vertreten haben. Albrecht Müller.

Die gespaltene Gesellschaft – Arm und Reich im Konflikt

In einer wohlhabenden Gesellschaft, die den Anspruch erhebt, sozial, gerecht und demokratisch zu sein, müssen Armut, sofern sie nicht auf Einzelfälle beschränkt ist und man ein persönliches Versagen der davon Betroffenen unterstellen kann, wie Reichtum, der ein vernünftiges Maß übersteigt, öffentlich gerechtfertigt werden. Dies geschieht primär über die Lehre, wonach es Leistungsträgern in der Sozialen Marktwirtschaft besser geht und besser gehen soll als den weniger Leistungsfähigen oder gar den „Leistungsverweigerern“, „Faulenzern“ und „Sozialschmarotzern“. Dass es sich hierbei um einen Mythos handelt, merken immer mehr Bürger/innen. Ihnen bleibt nicht verborgen, dass sich die Leistungseliten auf geradezu inzestuöse Weise hauptsächlich aus ihrem eigenen Herkunftsmilieu reproduzieren und eine „geschlossene Gesellschaft“ bilden. Gleichzeitig vertreten sie ihre Interessen heute auch sehr viel massiver und rücksichtsloser als in der „alten“ Bundesrepublik, weil sich seither die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit spürbar zu ihren Gunsten geändert und durch den Aufstieg des Neoliberalismus ideologische Deutungsmuster an Bedeutung gewonnen haben, die ihre soziale Privilegierung legitimieren.
Von Christoph Butterwegge

Über einige Mythen und Denkfehler im fortschrittlichen Lager. Heute: Wachstum und Sättigung (links gestrickte Mythen I)

Eigentlich macht es wenig Sinn, in den Reihen der Gegner der mächtigen neoliberalen Bewegung Auseinandersetzungen zu pflegen. Aber es gibt Auffassungsunterschiede im fortschrittlichen Lager, über die man reden muss. Es gibt aus meiner Sicht lähmende und irreführende Denkfehler und Mythen. Einige davon sollen in den NDS nacheinander zur Sprache gebracht werden. Unmittelbarer Anstoß für den heutigen Text ist ein Beitrag von Karl Georg Zinn in Le Monde Diplomatique, auf den wir von Lesern der NachDenkSeiten schon mehrmals hingewiesen wurden. Siehe Anlage 1. Der Beitrag von Karl Georg Zinn ist dabei nur der Aufhänger. In anderen Texten werden ähnliche Thesen vertreten. Albrecht Müller

Die Sozialenzyklika von Benedikt XVI. – Eine Moralpredigt über Liebe und Wahrheit

Die Mächtigen und Reichen in der Welt können nach dem Rundschreiben des Papstes „Über die ganzheitliche Entwicklung in der Liebe und in der Wahrheit“ [PDF – 443 KB] ruhig schlafen. In wohlabgewogenen Worten „beleuchtet“ die Enzyklika zahllose Missstände und ruft im Sinne einer positiven Motivation „alle Menschen guten Willens“ auf, in „von Wahrheit erfüllter Liebe, caritas in veritate“ „entsprechend ihren Einflussmöglichkeiten in der Polis“ zu handeln.
Die gegenwärtige Krise ist nach Meinung der höchsten kirchlichen Autorität den „schädlichen Auswirkungen einer schlecht eingesetzten und darüber hinaus spekulativen Finanzaktivität auf die Realwirtschaft“ geschuldet. “Die Kompliziertheit und Schwere der augenblicklichen wirtschaftlichen Krise besorgt uns zu Recht, doch müssen wir mit Realismus, Vertrauen und Hoffnung die neuen Verantwortungen übernehmen“, tröstet der Papst. Die Kirche habe keine „technischen Lösungen“ anzubieten und beanspruche keineswegs, „sich in die staatlichen Belange einzumischen“. „Die Liebe und die Wahrheit –, zeigt uns, was das Gute ist und worin unser Glück besteht. Es zeigt uns somit den Weg zur wahren Entwicklung.“
„Die Soziallehre der Kirche beleuchtet die immer neuen Probleme, die auftauchen, mit einem Licht, das sich nicht verändert.“ Mit vielen Worten also nichts Neues von der katholischen Kirche. Wenn wir uns nur von der „Kultur der Liebe“ beseelen lassen, dann wird alles gut: „Die Finanzmakler müssen die eigentlich ethische Grundlage ihrer Tätigkeit wieder entdecken, um nicht jene hoch entwickelten Instrumente zu missbrauchen, die dazu dienen können, die Sparer zu betrügen.“
„Die Krise verpflichtet uns, unseren Weg neu zu planen, uns neue Regeln zu geben und neue Einsatzformen zu finden, auf positive Erfahrungen zuzusteuern und die negativen zu verwerfen. So wird die Krise Anlass zu Unterscheidung und neuer Planung.“ Genau so reden auch die weltlichen Würdenträger. Vom Papst haben sie also nichts zu befürchten. Und wenn es mit der „Liebe in der Wahrheit“ im realen Leben nicht so ganz klappt, dann kann man ja beichten gehen. Der Papst steht als gnädiger Beichtvater zur Verfügung. So viel ist nach dieser Enzyklika gewiss. Wolfgang Lieb

Nachtrag zum Thema Staatsverschuldung

Im Beitrag „Bekommen wir die Verschuldung überhaupt noch in den Griff?“ hatte ich es unter Ziffer 4. versäumt, die Liste der sinnvollen Möglichkeiten zur Einnahmeverbesserung anzuhängen. Ich hatte dies unterlassen, weil unsere Vorstellungen dazu in den NachDenkSeiten immer wieder erwähnt worden sind. Außerdem ist es nicht in jedem Fall sinnvoll, solche Steuererhöhungen ins Spiel zu bringen, solange die Konjunktur noch nicht läuft. Aber die Zurückhaltung ist von einem Nutzer als schlimmes Versäumnis empfunden worden. Deshalb wird die Auflistung der Finanzierungsmöglichkeiten gerne nachgeholt – verbunden mit der Bitte um Nachsicht, wenn eine Möglichkeit vergessen worden sein sollte. Albrecht Müller

Mehrwertsteuererhöhung = Subvention des Exports zulasten des binnenmarktorientierten Gewerbes

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Klaus Zimmermann wirbt schon seit längerem auffallend beständig für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 25 %. So in der FAZ / Anlage 1. Auch in einer Befragung von Spiegel Online vom 27. Juni (Anlage 2) plädiert er für eine Mehrwertsteuererhöhung. Auch andere Ökonomen und Politiker insbesondere der Union werben dafür. Trotz aller Dementis von Seiten der Bundeskanzlerin wird diese Erhöhung vermutlich kommen. Damit wird die Union wieder einmal die von ihr ansonsten hoch gehaltenen Prinzipien einer funktionierenden Marktwirtschaft verletzen. Albrecht Müller

Bekommen wir die Verschuldung überhaupt noch in den Griff?

Viele Menschen sind angesichts der wachsenden Staatsverschuldung in Sorge und fragen, ob es überhaupt noch einmal möglich sein wird, diese Schulden abzubauen. Diese Sorgen sollte man ernst nehmen, auch dann, wenn das Thema erkennbar benutzt wird, um politische Entscheidungen gegen die Interessen der Mehrheit zu begründen – etwa um eine Mehrwertsteuererhöhung auf 25 % durchzudrücken oder den Abbau sozialer Leistungen fortzusetzen. Ich will versuchen, einige eher zuversichtliche Antworten zum gesamten Fragenkomplex zu geben. Albrecht Müller

Wo bleibt eigentlich Mr. Insolvenz zu Guttenberg? (Finanzkrise XVII)

Der Bundeswirtschaftsminister ist dafür gelobt worden, dass er für eine faire und gerechte Lösung eintrat, als es darum ging, eine staatliche Rettung von Arcandor abzulehnen – für die Insolvenz, wenn in einem Unternehmen Management-Fehler gemacht worden sind und wenn obendrein Überkapazitäten in der entsprechenden Branche festzustellen sind. Jetzt ist wieder an zwei Beispielen deutlich geworden, dass von einer fairen, gerechten Behandlung der Finanzwirtschaft einerseits und der normalen Wirtschaft andererseits nicht die Rede sein kann. Außerdem ist die Sache mit den Insolvenzen viel komplizierter als die Befürworter uns glauben machen wollten. Albrecht Müller.

Armut untergräbt das Fundament der Demokratie

Wo die Armut grassiert, wird die Demokratie automatisch paralysiert. Armut ist eine permanente Gefahr für die Demokratie, weil diese mehr beinhaltet, als dass Bürger/innen alle vier oder fünf Jahre zur Wahlurne gerufen werden, nämlich auch einschließt, dass sie gleichberechtigt an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen teilnehmen können. Hierzu müssen sie über die materiellen Mittel verfügen, um auch in ferner gelegenen Orten stattfindende politische und Bildungsveranstaltungen sowie Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen zu besuchen. Eine alleinerziehende Mutter, die nicht weiß, wie sie eine bevorstehende Klassenfahrt oder teure Schulmaterialien für ihre Kinder bezahlen soll, wird sich kaum an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligen können. Von Christoph Butterwegge

„Ordnungspolitik“, „Für alle die gleichen Maßstäbe“, „Der Staat soll sich möglichst weit heraushalten“ – ein Bündel verlogener Floskeln.

Gestern berichteten die „Tagesthemen“ über den Tag der Deutschen Industrie und „Report München“ feierte zuvor den Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg als einen, der „konsequent für Gerechtigkeit“ eintrete. BDI-Präsident Keitel wandte sich gegen Rettungspakete für einzelne Firmen und Guido Westerwelle sah mit dem Rettungspaketen schon kommunistisches Gedankengut am Werk. In den beiden genannten Sendungen wurde diese gezielte Meinungsmache ohne jeden kritischen Unterton transportiert. Die beiden Sendungen verdienen den Preis der Manipulation der Monats. Albrecht Müller.

Das Wort „systemrelevant“ steht vermutlich für die teuerste Irreführung (Finanzkrise XVI)

Laut Tagesspiegel hat die Bundeskanzlerin im Vorfeld der Insolvenz von Arcandor erklärt: „Wir geben denen Hilfe, die gut gewirtschaftet haben und durch die Krise unverschuldet in Not geraten sind“. Und ihr Parteifreund, der Europa-Abgeordnete und Vertreter des CDU-Wirtschaftsrates Lauk erklärte laut Handelsblatt vom 10. Juni, für Unternehmen, die durch ein schlechtes Management und andere Fehler in Probleme geraten seien, dürfe es generell keine Staatshilfen geben. Ähnlich äußerte sich der Sachverständigenrat (Anlage 1). Diese Haltung wäre durchaus diskussionswürdig und akzeptabel, wenn sie konsequent auch auf die Finanzindustrie angewendet würde. Dort gelten aber ganz andere Regeln und dies bei extrem höheren Beträgen. Albrecht Müller.