Kategorie:
Ungleichheit, Armut, Reichtum

Die Debatte um die Essener Tafeln ist ein weiterer Aspekt der allgegenwärtigen Elitenverwahrlosung

Es gibt Politikerzitate, die lassen einen einfach nur fassungslos zurück. Die Äußerungen der SPD-Spitzenpolitiker Barley, Lauterbach und Chebli zum Aufnahmestopp für ausländische Gäste der Essener Tafeln gehören dazu. Wie viel intellektuelle Verwahrlosung braucht es, um als SPD-Politiker durch die Blume den Menschen Rassismus vorzuwerfen, die durch ihr zivilgesellschaftliches Engagement die Folgen der Armut lindern, die von eben jenen Politikern selbst massiv verursacht wurde? Die Eliten schließen die Augen vor den Folgen ihrer Politik und prügeln nun ausgerechnet auf diejenigen ein, die den letzten Kitt unserer Gesellschaft zusammenhalten. Der von Gabor Steingart jüngst geprägte Begriff „Elitenverwahrlosung“ trifft es wohl ganz gut. Wir sollten nicht sinnfrei die Rassismus-Keule schwingen, sondern uns lieber die Eliten vornehmen, deren Verwahrlosung immer offensichtlicher wird. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Nach fünf Jahrhunderten von Kolonialismus und Plünderung des Planeten steht die Menschheit an einem Wendepunkt.

Ein starker Satz: „Am 25.Januer 2017, wenige Tage nach der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump, geschahen zwei Dinge: Der Dow Jones Index der New Yorker Börse erreichte unter dem Jubel der Anleger erstmals die Schwelle von 20 000 Punkten. Zugleich zeigten die Zeiger der „Weltuntergangsuhr“ („Doomsday Clock“) auf zweieinhalb Minuten vor zwölf – und damit so nah an Mitternacht heran, wie seit dem Zünden der ersten US-Wasserstoffbombe 1953 nicht mehr.“ Fabian Scheidler, freischaffender Autor, beginnt sein Buch Chaos – Das neue Zeitalter der Revolutionen mit einem Paukenschlag. „Freudentaumel der Anleger“, schreibt Scheidler, und „nahende Mitternacht für die Menschheit“ – deutlicher lasse sich nicht beschreiben, dass sich unser Wirtschaftssystem „auf Crashkurs mit dem Planeten und seinen Bewohnern“ befinde. Eine Rezension von Heiko Flottau.

Haben „wir“ wirklich einen funktionierenden Sozialstaat, Frau Nahles?

Vergangene Woche, Donnerstag bei Maybrit Illner. Zu Gast ist Andrea Nahles, die Fraktionsvorsitzende der SPD. Unter dem Titel „Digital oder sozial – die Angst um die Arbeit von morgen“, diskutiert Nahles unter anderem mit Peter Altmaier (CDU) und Nicola Beer (FDP) über die Veränderungen in der Arbeitswelt. Dann, nach 11 Minuten, eine Aussage von Nahles, die zeigt: Die SPD will auch bei Umfragewerten von 16, 17 Prozent noch immer nicht verstehen, dass es besser wäre, die soziale Wirklichkeit in Deutschland nicht mehr zu verleugnen. Ein Beitrag von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Nichts Großes im Kleinen. Oder: Warum die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles armen Rentnern und Erwerbsunfähigen keinen Gefallen getan hat

Wie human eine Gesellschaft ist, zeigt sich meist im Umgang mit jenen, die nicht mehr arbeiten können, den Alters- und Erwerbsminderungsrentnern. Das diesen Personenkreis betreffende Kapitel im Koalitionsvertrag hat die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles als Chefunterhändlerin ihrer Partei höchstpersönlich ausgehandelt. Sie war zuletzt Arbeits- und Sozialministerin der großen Koalition. Grund genug, einen näheren Blick auf diesen Teil des Koalitionsvertrags zu werfen. Von Norbert Freund.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Junge Menschen können sich kein Eigenheim mehr leisten? SPIEGEL Online stochert mal wieder im Nebel

SPIEGEL Online hat sein Herz für „junge Menschen“ entdeckt – zumindest für diejenigen, die sich gerne ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung anschaffen würden. Passend zum aktuellen SPIEGEL-Titel – so viel Cross-Promotion muss wohl sein – erörtert SPIEGEL Online nun die Gründe, warum es vor allem jungen Menschen immer schwerer fällt, die eigenen vier Wände zu finanzieren. Dabei kommt man von zu niedrigen Zinsen – alleine das ist schon erstaunlich – über ausländische Investoren, verschwenderische Bauträger bis zum Umwelt- und Tierschutz. Ein Artikel über die Probleme beim Immobilienerwerb, in dem die prekären Arbeitsverhältnisse und die lahmende Lohnentwicklung noch nicht einmal vorkommen? Das muss man auch erst mal schaffen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Echte linke Positionen etablieren

Andreas Nölke

Wie sieht eine echte linke Politik aus? Ganz einfach: Sie nimmt sich der Sorgen und Nöten der wenig Privilegierten ernsthaft an. Doch genau daran fehlt es in Deutschland. Das meint der Politikwissenschaftler Andreas Nölke, der mit seinem gerade veröffentlichten Buch „Linkspopulär – Vorwärts handeln statt rückwärts denken. Gegen den Rechtsruck“ ein alternatives linkes Programm vorstellt. Im Interview mit den NachDenkseiten erklärt Nölke, der an der Frankfurter Goethe-Universität lehrt, wie ein solches Programm aussehen sollte und was es bedeutet, wenn die Etablierung eines solchen Programmes ausbleibt. Das Interview führte Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die soziale Frage – ohne Klassenkampf keine Hegemonie

Andrea Ypsilanti hat ein Buch geschrieben mit dem Titel “Und morgen regieren wir uns selbst“, das heute im Westend Verlag erscheint. Darin analysiert sie die Krise der europäischen Sozialdemokratie, spricht sich gegen eine erneute große Koalition aus, fordert die Demokratisierung der inneren Strukturen und entwickelt Ideen, wie die gesellschaftliche Linke zusammenfinden kann, um der neoliberalen Politik einen ernsthaften sozial-ökologischen Umbau entgegenzusetzen. Ein Auszug. Albrecht Müller.

Das Grundeinkommen polarisiert – weitere Leserbriefe zum Thema

Auch eine Woche nach unserem kritischen Artikel zum Bedingungslosen Grundeinkommen und nach Veröffentlichung einiger interessanter Leserbriefe kriegen wir immer noch Zuschriften unserer Leser. Keine Frage: Das Grundeinkommen polarisiert. Da einige der „Leserbrief-Nachzügler“ sicher auch für Sie interessant sind, wollen wir heute noch einmal zwei Zuschriften zum Thema mit einer eigenen Kommentierung veröffentlichen.

Digitalisierung, Industrie 4.0 und der fehlende philosophische Ansatz – Leserbriefe zum Grundeinkommen

Das Thema Grundeinkommen polarisiert nun bereits seit mehr als einem Jahrzehnt die deutsche Öffentlichkeit. Da ist es kaum verwunderlich, dass wir zu unserem Beitrag „Das Grundeinkommen ist kein `No-Brainer´“ zahlreiche Leserzuschriften bekamen. Es macht jedoch keinen Sinn, all diese Mails zu veröffentlichen, da sie oft sehr lang sind und die Argumente sich in großen Teilen gleichen. Daher habe ich mir zwei repräsentative kritische Mails herausgesucht und gleich im Text selbst auf die Leserbriefe geantwortet. Als kleinen Anhang gibt es dann noch zwei Zuschriften von Lesern, die sich für die gewonnenen Informationen bedanken. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Grundeinkommen ist kein „No-Brainer“

Ich schätze ja sowohl Tilo Jung als auch Fefe ungemein. Umso mehr war ich dann doch verwundert, dass beide in einem ansonsten auch sehr interessanten Interview am Rande des letzten CCC in Leipzig das bedingungslose Grundeinkommen derart unkritisch betrachteten. Fefe rang sich sogar zu der Aussage durch, das Grundeinkommen sei doch eigentlich ein „No-Brainer“. Nun beschäftigen wir von den NachDenkSeiten uns ja schon länger kritisch mit dem Thema und wissen, dass dies keineswegs der Fall ist und auch prominente Ökonomen wie Heiner Flassbeck oder der Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge lehnen ein Grundeinkommen kategorisch ab. Thilo und Fefe sind ja auch keine Einzelfälle. Immer wieder trifft man auf jüngere, meist technikaffine Menschen, die ähnlich denken und das Grundeinkommen als alternativlos betrachten. Vielleicht ist es Zeit, die Debatte kritisch neu zu beleben? Denn ein „No-Brainer“ ist das Grundeinkommen ganz sicher nicht. Von Jens Berger

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Warum Ungleichheit kaum etwas mit Leistungsgerechtigkeit zu tun hat – Eine Rezension von Per Molanders „Die Anatomie der Ungleichheit“

Ungleichheit ist das grundlegendste Streitthema aller Auseinandersetzungen, seit in grauer Vorzeit der erste Mensch einen Pflock in den Boden rammte und proklamierte „Das ist meins“, sagte sinngemäß schon der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau. Ungleichheit und das dieser zwingend zugrundeliegende, antagonistische Gegenspiel von Armut und Reichtum durchziehen alle menschlichen Gesellschaftssysteme von der Sklavenhaltergesellschaft bis zum heutigen, modernen Kapitalismus. Ungleichheit stellt die Primärursache allen Streits, aller Gewalttaten und aller Kriege dar. Stets ging und geht es darum, über etwas Besitz zu erlangen, das jemand anderem „gehört“. Bodenschätze, Ressourcen, Edelmetalle, Geld und andere Reichtümer, Reliquien und Heiligtümer, Land und Besitz wie auch auf diesem Boden lebende Menschen. Stets ging es darum, seinen Reichtum, seine Macht und seinen Einfluss zulasten eines Anderen – einer einzelnen Person, einer Gruppe oder eines Staates – zu vergrößern. Eine Buchrezension von Lutz Hausstein.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

ZARA – Der heimliche Klassenkampf im Jackenfutter

Kunden der Modemarke Zara in Istanbul zogen in den vergangenen Wochen ungewöhnliche Etiketten aus ihren Einkaufstaschen. Ihr Text lautete: „Ich habe dieses Kleidungsstück, das Sie kaufen, hergestellt, wurde aber nicht dafür bezahlt”. Die Nachricht sorgte für Schlagzeilen rund um die Welt, von Associated Press (Unpaid Turkish Garment Workers Tag Zara Items to Seek Help – 03.11.2017), über Bento-Spiegel Online (In Zara-Klamotten sind Hilferufe von Nähern versteckt – 07.11.2017) bis hin zu lateinamerikanischen Medien (Compran ropa en Zara… con etiquetas de protesta – El Universal, Mexiko, 05/11/2017). Ein Bericht von Frederico Füllgraf.

Plädoyer für eine gerechte und solidarische Gesundheitsversorgung. Von Klaus-Dieter Kolenda.

„Gesundheit und ein froher Mut sind besser als viel Geld und Gut“ sagt der Volksmund. Dass Beides aber doch irgendwie zusammengehört oder die gerechtere Verteilung des Letzteren zum Erhalt von Ersterem wesentlich beiträgt, ist das Thema von Klaus-Dieter Kolendas mitfühlendem „Plädoyer für eine gerechte und solidarische Gesundheitsversorgung“. In ihm spannt er den Bogen von den Ursachen für frühzeitiges Altern über die Rolle von Gesundheitsprävention zu Methoden, mit deren Hilfe Gesundheitsversorgung besser organisiert werden könnte. Ein wichtiger Beitrag zu einer aktuellen Debatte. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Boden und die Bodenrente – die Verteilungsfrage des 21.Jahrhunderts?

Der frühere SPD-Vorsitzende und Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel hat kürzlich in einem Artikel für die „Süddeutsche Zeitung“ die Politik aufgefordert, endlich gegen Bodenspekulation vorzugehen. Von 1962 bis 2015 seien bundesweit die Baulandpreise um 1.600 Prozent und die Mieten um 495 Prozent gestiegen, der normale Preisindex hingegen nur um 302 Prozent. Albrecht Müller hat dies in den „Hinweisen des Tages“ kommentiert und dabei auf ein Papier zur Bodenwertsteuer hingewiesen, das er mitverfasst hat und das Eingang in das Steuerreformprogramm der SPD von 1971 fand. „Damals war es anerkannt, respektiert und sogar gefördert, dass man als Politiker und Wissenschaftler gegen Spekulation anging. Heute wird die Spekulation in Aktien und analog auch auf den Immobilienmärkten als salonfähig betrachtet“, erklärte Müller. Von Thomas Trares[*].