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Gesundheitspolitik

Krake Bertelsmann kümmert sich auch um die Zukunft des Gesundheitswesens

Die „Gesundheitsreform muss Versicherteninteressen berücksichtigen“ unter dieser Überschrift gibt sich die Bertelsmann-Stiftung als Anwalt der Versicherten und stellt mal wieder einen Gesundheitsmonitor vor.
Nach einer Umfrage rechnen 62 Prozent der Befragten damit, dass sich der Umfang der Leistungen, die von den gesetzlichen Kassen bezahlt werden, in den nächsten fünf Jahren verringert. Im gleichen Zeitraum befürchten 71 Prozent eine schlechtere Qualität der medizinischen Leistungen und 89 Prozent erwarten steigende Krankenversicherungsbeiträge. Die meisten Versicherten (60 Prozent) haben darüber hinaus Bedenken, im Alter nicht ausreichend medizinisch versorgt zu sein, und 84 Prozent vermuten, dass Wartezeiten auf bestimmte Therapien oder Operationen zunehmen. Wozu macht Bertelsmann solche Umfragen? Wolfgang Lieb.

Vogelgrippe, ein Beispiel wie man mit Angstmache viel Geld machen kann. Ein Vergleich zur Demografiehysterie drängt sich auf.

Im Frühjahr des vorigen Jahres überzog eine durch die Berichterstattung der Medien geschürte Welle der Angst vor einer Vogelgrippe-Pandemie unser Land. Die Sorge vor einer möglichen Verknappung von angeblich wirksamen Arzneimitteln führte weltweit zu einer sprunghaft erhöhten Nachfrage durch die verängstigte Bevölkerung bei Ärzten und durch die Gesundheitsbehörden. Die geplanten deutschen Ausgaben für die staatliche Bevorratung in Medikamentendepots sollen dabei bis zu 200 Millionen Euro betragen haben. Allein für „Oseltamivir“, eines angeblich wirksamen Bekämpfungsmittel wird eine Umsatzsteigerung von 110 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf über 700 Millionen Dollar bis Ende 2005 kalkuliert. Nun kommt eine Untersuchung im gewiss gegenüber der Pharmaindustrie nicht gerade als kritisch bekannten Deutschen Ärzteblatt zum Ergebnis: „In allen publizierten Fällen von mit aviären H5N1 infizierten Patienten fehlt ein erfolgreicher Behandlungsnachweis.“
Die Vermutung drängt sich auf, dass ganz ähnlich wie bei der Debatte um die demografische Entwicklung Ängste geschürt wurden, um daraus einen kommerziellen Gewinn zu ziehen. Wolfgang Lieb.

Paul Krugman zur Reform des amerikanischen Gesundheitswesens: Wo der staatliche Sektor besser funktioniert als der private.

Für die Bush-Regierung und ihre Verbündeten im Kongress ist Privatisierung kein Mittel, bessere staatliche Leistungen zu liefern – sie ist ein Selbstzweck. Krugman, einer der bedeutendsten amerikanischen Ökonomen beschreibt in der New York Times, wie durch den Einbau des privaten Sektors im amerikanischen Gesundheitswesen Fragmentierung, Ineffizienz und Verschwendung ins amerikanische Gesundheitswesen eingeführt wurden. Den Beitrag hat unser Leser Roger Strassburg übersetzt.

Erstaunlich ist es doch, wie die privaten Krankenversicherer den ehrlichen Wettbewerb scheuen

Es war schon lange klar, dass eine Krankenkasse, die überwiegend junge und/oder gesunde Menschen versichert, ganz automatisch gute Bilanzergebnisse erzielt. Damit das so bleibt, führen die Privaten mit jedem Bewerber einen Gesundheits-Check durch, der eine Abwägung des Versicherungsrisikos und des individuellen Tarifes ermöglicht. Im Extremfall kann ein wirklich kranker oder risikoreicher Bewerber auch abgelehnt werden. Daher sind Wirtschaftlichkeitsvergleiche zwischen den Gesetzlichen – vor allem den AOKs – und den Privaten schon von recht zweifelhafter Natur. Von Reinald Babirat.

Hinweis auf zwei interessante Beiträge zur politischen Ökonomie des Gesundheitswesens.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) ist mit der ersten Lesung im Deutschen Bundestag in die entscheidende gesetzgeberische Phase getreten. Durch die zwei aktuellen Streitpunkte zwischen der CSU und der Gesundheitsministerin erstens über die Höhe der finanziellen Belastungen für Krankenkassen in wirtschaftlich stärkeren Bundesländern durch den neu geschaffenen Gesundheitsfonds und zweitens dem Konflikt über eine Öffnungsklausel, wonach künftig auch private Krankenversicherungen verpflichtet werden sollen, einen Basistarif anzubieten, der für jeden offen steht, wird die viel grundsätzlichere Problematik über den Sinn und die Konsequenzen des Wettbewerbs im Gesundheitswesens aus dem Blickfeld verloren. Unseren Leserinnen und Lesern, die sich über die politische Ökonomie des Gesundheitswesens, also etwa über das Mantra der Senkung der Lohnnebenkosten, etwas grundlegender informieren wollen, wollen wir auf zwei interessante grundlegende Darstellungen hinweisen.
Quelle 1: Hartmut Reiners, Der Homo oeconomicus im Gesundheitswesen, in einer Veröffentlichung des Wissenschaftszentrums Berlin [PDF – 192 KB]
Quelle 2: Nadja Rakowitz, Kritik der politischen Ökonomie des Gesundheitswesens, in links-netz

Aufstand am Krankenbett

GROSSBRITANNIEN: Ihre Gesundheitsreform könnte der regierenden Labour Party noch größeren politischen Schaden zufügen als der Irakkrieg
Quelle: Freitag

Diesen Artikel im „Freitag“ möchte ich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehlen. Daran wird wieder einmal sichtbar, dass Sie Privatisierungsvorgänge nur noch verstehen können, wenn Sie in Rechnung stellen, dass die Entscheider am Prozeß der Privatisierung verdienen. Albrecht Müller.

Sozialpolitik aktuell: Neue Grafiken zur sozialen Lage

  1. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung wurde seit Mitte der 1990er Jahre drastisch zurückgefahren. Die jahresdurchschnittliche Zahl der TeilnehmerInnen reduzierte sich um ca. 80% von 560.000 im Jahr 1994 auf 116.000 im Jahr 2005. Analog hierzu ist ein starker Rückgang der Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit für die Förderung der beruflichen Weiterbildung zu beobachten.
  2. In den alten Bundesländern zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der durchschnittlichen Rentenhöhe zwischen den Geschlechtern: Am Jahresende 2005 bezog gut die Hälfte (51,4%) der Frauen eine Rente unterhalb von 450 Euro. Bei den Männern lag der Anteil mit 17,1% wesentlich niedriger. Umgekehrt erreichte nur knapp ein Zehntel (9,3%) der Frauen eine Rentenhöhe von über 900 Euro, während der Großteil der Männer (59,5%) oberhalb dieser Grenze lag. In den neuen Bundesländern liegen die Rentenhöhen der Frauen zwar ebenfalls mehrheitlich unter denen der Männer, jedoch ist keine derart ausgeprägte Spreizung festzustellen. Renten unterhalb von 450 Euro beziehen 14,6% der Frauen und 2,6% der Männer.
  3. Der Vergleich der Steigerung der Gesundheitskosten im Vergleich zum BIP zeigt, dass es keine „Explosion“ der Kosten im Gesundheitswesen gegeben hat. 1996 betrugen den Gesundheitsausgaben 10,1% des BIP, 2004 lag der Anteil bei 10,6%.

Quelle: sozalpolitik-aktuell

Gesundheitsreform – der geplante Flop?

Der Koalitionsbeschluss zur Gesundheitsreform ist so schwer nachvollziehbar, dass der Verdacht nahe liegt, es handle sich gar nicht um den Versuch zur Lösung eines Problems sondern um Weichenstellungen zu ganz anderen Entwicklungen. Schon die Andeutungen von CDU-Generalsekretär Pofalla deuten daraufhin, dass der Beschluss von Mittwoch auf Donnerstag Nacht den Charakter von Spielmaterial hat. “Wir haben die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung in Richtung der solidarischen Gesundheitsprämie erreicht”, sagte Ronald Pofalla am 5.10. in Berlin. Ein Freund der NachDenkSeiten äußert einen interessanten ergänzenden Verdacht. Er mailte mir : „… in der PHOENIX-Diskussion fragten Sie (gemeint: AM) im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfond berechtigt, wie das denn alles funktionieren solle. Da machte es bei mir KLICK: Ich bin der Meinung, es soll gar nicht funktionieren.“

Gammelfleisch – offenbar schützt uns unser Staat nicht vor verdorbenen Lebensmitteln

Bisher, das gebe ich zu, war ich so naiv zu hoffen, wir würden wenigstens vor den größten gesundheitlichen Schäden durch Kontrollen unserer Behörden geschützt. Vermutlich kann ich diese Hoffnung in den Kamin schreiben. Dafür spricht die neuerliche Erfahrung mit den Fleischskandalen: die Kontrollen funktionieren nicht, auch weil sie falsch angesiedelt sind und Kontrolleure mit den zu Kontrollierenden verflochten sind, es wird verharmlost und abgewiegelt. An diesem Beispiel wird wieder einmal sichtbar, wie verheerend der Drang nach De-Regulierung und Dezentralisierung ist, und wie mafios die Verhältnisse vermutlich bei uns auch schon sind.

Der Fetisch der zu hohen Lohnnebenkosten muss entzaubert werden. Die bisherigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme sind eher finanzielle Verschiebemanöver, als dass sie ein solides Fundament schafften.

Die Senkung der Lohnnebenkosten ist in aller Munde, so als ob dies das Patentrezept zur Verbesserung der Beschäftigung und zur Senkung der Arbeitslosigkeit wäre. Auch die Große Koalition ist mit dem Ziel gestartet, die so genannten „Lohnnebenkosten“ zu reduzieren, um die Beschäftigung zu verbessern. Dabei weist diese simple Vorstellung vom Zusammenhang zwischen den Lohnnebenkosten und der Beschäftigung gleich mehrere Denkfehler auf. Lesen Sie dazu und zu den bloßen finanziellen Verschiebemanövern bei den bisherigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme einen Beitrag von Ursula Engelen-Kefer.

Die mediale Lobby für die Privatversicherer betreibt nun auch eine Kampagne gegen die gesetzliche Krankenversicherung.

Ausgerechnet unter Berufung auf die BILD-Zeitung, die ja mit den Privatversicherern kommerziell verbandelt ist, empören sich der Stern und der SPIEGEL über die angebliche „Fettsucht“ bei den gesetzlichen Krankenkassen. Die Verwaltungskosten seien von 1995 bis 2005 von 6,1 auf 8,15 Milliarden Euro auf 5,7 Prozent der Gesamtkosten gestiegen.
Tatsache ist allerdings, dass der Anteil der Verwaltungskosten seit 2002 gesunken ist und Tatsache ist auch, dass die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb bei den privaten Krankenversicherungen prozentual im Jahre 2001 bei 13%, also deutlich mehr als doppelt so hoch wie bei den gesetzlichen lagen.

IMK-Report zu den Eckpunkten der Gesundheitsreform: Widersprüchlich und unzureichend.

Die vorliegenden Eckpunkte sind kein Beitrag zu einer nachhaltigen Stabilisierung des Gesundheitssystems. Sie sind in sich widersprüchlich, erhöhen die Lohnnebenkosten und verschärfen tendenziell sogar die ungleiche Wettbewerbsposition von gesetzlicher (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV). Die höheren Einnahmen durch die beabsichtigte Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte stabilisieren die Finanzsituation voraussichtlich nur kurzfristig. Der Blick auf die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre zeigt, dass das Gesundheitssystem primär unter Einnahmenproblemen leidet. So haben sich die Gesundheitsausgaben insgesamt ähnlich wie das Bruttoinlandsprodukt entwickelt, aber die Einnahmenbasis – die Gehälter der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – konnte damit nicht Schritt halten. Notwendig gewesen wäre daher ein mutigerer Schritt zur Stabilisierung der Einnahmen durch eine stärkere Steuerfinanzierung vor allem von sog. versicherungsfremden, im allgemeinen Interesse liegenden Leistungen – etwa die Mitversicherung von Familienangehörigen oder Leistungen bei einer Mutterschaft – und die Integration von PKV und GKV. Siehe IMK-Report Nr. 13 [PDF – 134 KB].

Ursula Engelen-Kefer: Eine immanente Kritik der unendlichen Geschichte der Gesundheitsreformen. Es gibt viel Reformbedarf an der neuesten „Reform“.

Die ehemalige DGB-Vizechefin und Sozialpolitikerin Ursula Engelen-Kefer war schon an vielen Gesundheitsreformen der letzten zwei Jahrzehnte beteiligt und hat schon einige „Durchbrüche“ erlebt. Die jüngst von der Großen Koalition beschlossenen „Eckpunkte“ sind nach ihrer Meinung auch nur wieder Verschiebemanöver beim Stopfen der Finanzlöcher, dem neu erfundenen Gesundheitsfonds sei mangels Einbeziehung der privaten Krankenkassen die Basis entzogen, die Zwei-Klassen-Medizin werde verfestigt, ohne Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen würden die Arbeitnehmer weiter einseitig belastet, bei der Begrenzung der Ausgaben hingegen bewegte sich die Koalition nur in Mini-Schritten.
Weil auch bei dieser Reform nur an Symptomen kuriert wird, dürfte gelten: Nach der Reform ist vor der nächsten Reform. Siehe dazu auch die Anmerkungen der Herausgeber am Ende des Textes.