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Wichtige Debatten

Rezension zu Götz Eisenberg: Zwischen Amok und Alzheimer. Zur Sozialpsychologie des entfesselten Kapitalismus

Götz Eisenberg ist ein kritischer Beobachter des Alltagslebens im gegenwärtigen Kapitalismus. Seine Beobachtungen hat er in Form einer Collage zu essayistischen Fragmenten verdichtet. Mit großer Sensibilität nimmt er Alltagsphänomene wahr, an die zu gewöhnen er sich strikt weigert. So unterschiedliche Erscheinungen wie Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr; die Entwicklung des Gesundheitswesens zur Gesundheitsindustrie; der zeitgenössische Handywahn; Formen der Brutalisierung wie Messerattacken, Amokläufe oder Massaker; Praktiken des Social Sponsoring durch eine Fastfood-Kette oder die Rolle der Psychiatrie im System des Neoliberalismus sowie die Zerstörung sozialer Orte der Begegnung, wie der Wochenmarkt in seiner Heimatstadt, stellen für ihn Symptome einer Gefährdung demokratischer Errungenschaften dar. Von Joke Frerichs

Ökonomenaufruf für Griechenland

Folgt man den deutschen Medien, könnte man glatt glauben, dass die Politik der Troika von fast allen namhaften europäischen Wirtschaftswissenschaftlern geteilt wird. Doch dies ist ein Trugschluss und entspricht nicht der Realität. Um zu zeigen, dass Ökonomie auch kritisch sein kann, haben zahlreiche namhafte international Ökonomen einen Aufruf verfasst, der sehr lesenswert ist. Sabine Tober hat diesen Aufruf für die NachDenkSeiten ins Deutsche übersetzt.

Erinnerung nur an das, was erwünscht ist – Zur historischen Amnesie der deutschen Mainstreammedien

Auf seiner Pressekonferenz mit Wolfgang Schäuble hat der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis Deutschland um Unterstützung gebeten. Mit seiner Ge­schichte sei es «das Land, das uns am besten von allen verstehen kann», weil es die Auswirkungen von Demütigung und Hoffnungslosigkeit kenne. Doch die historische Erfahrung findet sich im Diskurs der deutschen Mainstreammedien immer weniger wieder. Von Michael Carlo Klepsch

Sigmar Gabriels Schreiben an die SPD-Mitglieder: Mit Halbwahrheiten zum Freihandelsabkommen?

Der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich jüngst per E-Mail an die Mitglieder seiner Partei gewandt. Thema seines Schreibens: Das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen “TTIP” zwischen der Europäischen Union und den USA sowie das “CETA”-Abkommen mit Kanada. Ziel seines Schreibens: Die SPD-Mitglieder zu beruhigen und auf Linie bringen. Überzeugend sind Gabriels Argumente nicht. Auch, weil er so manches verschweigt und anderes herunterspielt. Eine Analyse von Thorsten Wolff.

Der Sturm im „Blätterwald“ ist über Griechenland hereingebrochen

Wie gestern in Aussicht gestellt, fallen die deutschen Medien jetzt über die neue Regierung und Koalition in Griechenland her. Wir dokumentieren in der Anlage 1 nacheinander eine Auswahl der Medienprodukte. (Und dann auch noch Lesermails in Anlage 2.) Bei Durchsicht der Medienprodukte fällt auf, wie aggressiv deutsche Medien mit einer gerade gewählten Regierung umgehen. Es sind dabei auch solche Autoren beteiligt, die im Frühjahr 2014 von „Die Anstalt“ und von den NachDenkSeiten (hier und hier) auf der Basis der Forschungen des Medienwissenschaftlers Uwe Krüger als nahe an atlantischen Interessen, an USA und NATO, identifiziert worden sind. (Siehe die ersten beiden Beiträge unserer Dokumentation von den Autoren Kornelius und Bittner). Die unsachliche Aggressivität vieler Medien und Autoren hat Hintergründe und entspricht einem nachvollziehbaren Kalkül der Meinungsführer. Unter ihnen sind ausgewiesene Profis der Agitation. Von Albrecht Müller

Gauck: “Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz” – ein Widerspruch in sich

Nach der Nachkriegsdebatte um die deutsche („Kollektiv“-) „Schuld“ am Holocaust, die zuerst Bundespräsident Theodor Heuss in eine „Kollektivscham“ und später Richard von Weizsäcker in eine „Kollektivhaftung“ umdeuteten, will sich nun Gauck mit dem umstrittenen Begriff der „deutschen Identität“ zu der Ausschwitz gehöre, in die Geschichtsbücher eintragen lassen.
„Aus dem Erinnern ergibt sich ein Auftrag“, sagt Gauck zum Schluss seiner Gedenkrede. Erinnert er sich denn gar nicht, dass schon der Rückgriff auf eine sogenannte „nationale Identität“ den Keim der Ab- und der Ausgrenzung in sich trägt, die ja der Anfang von Fremdenfeindlichkeit meist verbunden mit Rassismus sind? Wer eine „nationale Identität“ postuliert – und das noch ohne konkrete Definition – widerspricht sich selbst, wenn er ein paar Sätze später fordert, dass „wir uns jeder Art von Ausgrenzung und Gewalt entgegenstellen“. Von Wolfgang Lieb.

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Ohne Angst verschieden sein können

Zum 70. Jahrestag an dem Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit wurde.

Solange die wöchentlichen Pegida-Aufmärsche stattfinden, müssen wir uns damit auseinandersetzen. Das Verheerendste an der gegenwärtigen Entwicklung ist aber, dass sich im Schlagschatten von Pegida und weit über diese hinaus eine Diskussion entwickelt, die eine Definition sozialer Zugehörigkeit vornimmt, die festlegt, wer „zu uns gehört“ und wer nicht. Die Lage derer, die aus dem eigenen sozialen und moralischen Bezugssystems ausgeschlossen werden, ist prekär. Von Götz Eisenberg.

Syrizas Sieg bietet die Chance, endlich wieder offen über gesellschaftspolitische Alternativen nachzudenken und diese umzusetzen

Immer wieder taucht im Zusammenhang mit Griechenland und Staaten in ähnliche kritischer Lage die Vorstellung auf, sie müssten halt Reformen machen und „sparen“. So hieß es penetrant vor der griechischen Wahl und so wird es vermutlich weitergehen. Jene, die diesen Kurs vorgegeben haben, leben in der intellektuell dürftigen Vorstellung, Gesellschaft und Wirtschaft könnten nur nach einem Schema, dem neoliberalen, gestaltet werden, und Sparversuche seien ohne Rücksicht auf die ökonomische Ausgangslage angesagt. Diese Ideologie ist so dumpf und unreflektiert, dass ihre Vertreter sich nicht einmal von Erfolglosigkeit ihrer Empfehlungen in ihrem angelernten Glauben erschüttern lassen. TINA, There Is No Alternativ, haben sie irgendwann gelernt. Mehr nicht. Es gibt aber mehr. Albrecht Müller.

Wieder einer der notwendigen, aufklärenden Beiträge von Heiner Flassbeck.

Er beschäftigt sich mit der aktuellen Politik der EZB und mit der gegen sie in Position gebrachten Kritik. Er beschreibt, wie falsch gerade der deutsche Einfluss auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik ist und absehbar weiter sein wird. Wie so oft können wir an diesem Text mit vollziehen, dass die deutsche Bundeskanzlerin in der Sache weit daneben liegt und dennoch die begleitenden Medien bestimmt. Albrecht Müller

Exit aus Grexit: Griechenland im Eurosystem aufbauen

Die Entwicklung Griechenlands gleicht einer Tragödie. Im Zentrum dieser Insze­nierung stehen Schuld und Sühne. In der modernen Sprache der Fiskalisten heißt das Konditionalität. Griechenland, so die Retter aus dem Euroland und von der Eu­ropäischen Zentralbank sowie vom Internationalen Währungsfonds, habe immer schon durch eine verschwenderische Schuldenpolitik „über seine Verhältnisse ge­lebt“. Die Konklusion erhält, wie es der kritische Nobelpreisökonom Paul Krugman zusammengefasst hat, geradezu moralisierende Qualität: Sünden müssen gesühnt werden. Von Rudolf Hickel

Neoliberalismus und Rassismus – das Beispiel Ayn Rand

Die 1982 verstorbene US-Schriftstellerin und neoliberale Sozialphilosophin Ayn Rand ist in Europa weitgehend unbekannt, in den USA aber umso einflussreicher. Mit Werken wie „The Fountainhead“ und insbesondere „Atlas Shrugged“ gilt sie bis heute als eine der zentralsten und wichtigsten Figuren des Neoliberalismus. Umso interessanter, welchen Rassismus sie gegenüber den Indianern Amerikas an den Tag gelegt hat.
Von Patrick Schreiner.

Kann man aus der Manifestation von Paris nicht auch Zuversicht schöpfen?

Albrecht Müller hat bei aller Bewunderung „das Geschehen und die mediale Behandlung“ der Manifestationen in Paris und an vielen anderen Orten nicht nur Europas, sondern in der ganzen Welt „mit Sorgen“ verfolgt. Er sieht in dem „Geschehen“ auf nahezu allen Feldern, die er selbst kritisch betrachtet und die ihn bekümmern, eher negative Auswirkungen und Verschlechterungen. Geradezu wie Kassandra aus der griechischen Mythologie, sieht er in den von ihm angesprochenen Politikbereichen nach diesen Tagen größeres Unheil voraus.
Die meisten der Sorgen, die Albrecht Müller umtreiben, über das, was aus den Attentaten folgen könnte, teile ich.
Aber die Tatsache, dass am Sonntag Millionen von Menschen ihre Trauer über abscheuliche Mordtaten in ein Bekenntnis an erster Stelle im Sinne eines Mitgefühls für die Opfer und ihre Freunde, dann aber auch (am deutlichsten an den Bleistiften sichtbar) als Appell für die Pressefreiheit („Je suis Charlie“), schließlich auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt jenseits religiöser, ethnischer und sozialer Herkunft, für Solidarität, für die Republik, für fraternité und liberté umgesetzt haben, sehe ich als einen Hoffnungsschimmer. Wenn derartige Bekenntnisse einer breiten Öffentlichkeit politisch nichts mehr verbessern könnten, dann müsste man alle Bemühungen um Aufklärung und um eine demokratische Gegenöffentlichkeit aufgeben. Von Wolfgang Lieb.

Die gestrige Manifestation von Paris wird, so eindrucksvoll sie auch war, die Möglichkeit zur Sozial- und Medienkritik um Jahre zurückwerfen

Die gestrige Manifestation von Paris wird, so eindrucksvoll sie auch war, die Möglichkeit zur Sozial- und Medienkritik um Jahre zurückwerfen

Es ist großartig, dass sich so viele Menschen gegen die Ermordung von 17 Menschen wenden und für Pluralität, für Pressefreiheit und Verständigung zwischen den Religionen eintreten. Ich habe das Geschehen und die mediale Behandlung gestern und heute nicht mit Genugtuung und Bewunderung verfolgt, sondern mit Sorgen. Die Überschrift eines ersten Textentwurfs von gestern lautete: „Vom schamlosen Missbrauch der Morde von Paris durch Politik und Medien.“ Jetzt will ich den unterlassenen Einwurf mit einigen kritischen Fragen und Feststellungen nachholen. Albrecht Müller.

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