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Wertedebatte

Spiele statt Brot

Was Angela Merkel mit ihrer Neujahrsansprache wirklich sagen wollte, darüber haben auch schon andere gerätselt. So versuchte sich etwa die Süddeutsche Zeitung an einer „radikal-ehrlichen“ Version dieser Ansprache ans Volk. Doch man braucht eigentlich nicht in Ironie zu flüchten, um die „wahre Rede“ der Kanzlerin zu erfassen, dazu genügt es die tatsächlich gehaltene Neujahrsansprache einmal etwas genauer nachzulesen. Es ist eine Rede wie aus einem Sprachgenerator altbekannter Redeversatzstücke. Was die Kanzlerin konkret verspricht sind Spiele statt Brot. Wolfgang Lieb

Buchbesprechung: „Die 68er in der SPD – Marsch durch die Institutionen?“

Wer sich ein einigermaßen realistisches Bild über einen öffentlich weniger wahrgenommenen aber durchaus prägenden Teil der 68er-Bewegung verschaffen möchte, der sollte das Buch von Jeanette Seiffert studieren. Anders als die meisten anderen Autoren, die sich mit dieser Epoche der Nachkriegsgeschichte auseinandersetzen, betreibt diese von Professor Eckart Conze betreute und am Fachbereich Geschichtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg eingereichte Dissertation keine persönliche Vergangenheitsbewältigung und keine aus der heutigen ideologischen Sicht geprägte Abrechnung, sondern zeichnet an Hand von Quellen und Leitfadengesprächen mit unmittelbar Beteiligten die Entwicklung und den Niedergang der 68er aus der Perspektive des Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB) und der Jungsozialisten (Jusos) nach. Für mich auch ein biografisches Geschichtsbuch. Wolfgang Lieb

Der Mord in München-Solln bei Maybritt Illner – recht interessant. Aber Wichtiges wurde nicht vertieft und die Verantwortung der herrschenden Ideologie nicht sichtbar.

Die Runde war plural und mit interessanten Personen besetzt. Leider wurden ihre Hinweise, namentlich jene der Jugendrichterin Kirsten Heisig und des Gefängnisarztes und Schauspielers Joe Bausch, nicht weiterverfolgt, während der Publizist Giovanni di Lorenzo immer wieder belegen konnte, dass Schönheit nicht Substanz ersetzt. Im Anhang finden Sie die Gästeliste und die Links auf die Vorankündigung und das Video von der Sendung. Nun aber einige Anmerkungen zur Sache: Albrecht Müller

Linksschwenk beim SPIEGEL-Ex-Kulturchef Matussek?

Wir sind seit gestern mehrmals auf den Beitrag von Matthias Matussek über „Krise des Konservativen. Wie ich aus Versehen ein Linker wurde.“ aufmerksam gemacht worden. Einer unserer Leser fragte, ob da einer „aufgewacht“ ist und gab selbst die optimistische Antwort, er glaube nicht an einen Trick. Ich bin unsicher. Bei aller Freude über einige beachtliche und für Matussek neue Erkenntnisse bemerke ich zu viel Unstimmiges. Albrecht Müller

Nachtrag zu den Gepeinigten einer menschenunwürdigen Erziehung

Den Hinweis Nr. 15 vom 15.6. über katholische Heimerziehung in IRLAND (“Wir waren Sklaven”) hatte ich mit der Bemerkung kommentiert, das wäre bei uns ein klarer Verstoß gegen Art. 1 des Grundgesetzes (Schutz der Würde des Menschen) und damit verfassungsfeindlich. Für diesen Kommentar wurde ich von einem unserer Leser kritisiert (siehe Anhang 1), von anderen wurde mein Kommentar mit interessanten Informationen ergänzt. Albrecht Müller

Hornberger Schießen

Da werden von Müntefering, Steinbrück über Merkel bis hinauf zum Bundespräsidenten die „übertriebenen Managergehälter“ gegeißelt. Der EZB-Chef Trichet, Politiker, Kirchenleute, ja selbst Unternehmer warfen sich in Pose und beklagen die sich öffnende Schere zwischen Manager- und Durchschnittsgehältern und da wird vor dem Koalitionsausschuss ein großes Getöse gemacht. Herausgekommen ist fast nichts. Vor allem CDU/CSU müssen wohl ihre Geldspender und Unterstützer in den Chefetagen gerade in Wahlkampfzeiten bei Laune halten und blockierten jede Regelung, die die Obszönitäten bei der Selbstbedienung der Manager einschränken könnten. Wolfgang Lieb

Hessen streicht „sozial“ aus dem Sozialministerium

„Als bisher einziges Bundesland hat Hessen das Wort Soziales aus dem bisher kurz „Sozialministerium“ genannten Ressort getilgt. Auf ausdrücklichen Wunsch des neuen Ressortchefs Jürgen Banzer heißt es nun offiziell: „Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit“… „Sozialministerium klingt abstrakt, theoretisch und nach Metaebene“
Der CDU-Politiker, der das Ressort von der acht Jahre lang nur „Sozialministerin“ genannten Parteifreundin Silke Lautenschläger übernahm, hat inoffiziell sogar einen noch neueren Namen kreiert. Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte Banzer: „Es ist für mich das ,Gesellschaftsministerium`, es ist das Haus, in dem Gesellschaftspolitik gemacht wird“, berichtet die FAZ. Dem Wirtschaftsministerium steht somit in Hessen kein Sozialministerium mehr gegenüber. Die hessische CDU streicht also das „Soziale“ aus der „sozialen Marktwirtschaft“. Wolfgang Lieb

Das sind unsere Eliten – Ein Video von der Abschiedsfeier des gerade wegen Insiderhandels verurteilten Chefs von Freenet

In dem verlinkten Video sehen Sie den eben auf Druck von Aktionären zurückgetretenen Vorstandsvorsitzenden der freenet AG Eckhard Spoerr, der auf eine Strafanzeige hin am vergangenen Freitag vom Landgericht Hamburg wegen Insiderhandels verurteilt wurde. Spoerr und der noch amtierende Finanzvorstand Axel Krieger gehen zwar in Revision, doch wird diese nach Ansicht von Experten scheitern. Sehenswert als Schlaglicht auf den „Charakter“ unserer Führungskräfte. Albrecht Müller.

Mantel oder Kürbis?

Halloween mehrt seit Jahren seinen Anspruch, auch als eine Festlichkeit der Deutschen zu gelten. Mehr und mehr findet dieses Fest Einzug in den Kalender der hier lebenden Menschen – und dies, obwohl es keinerlei Tradition gibt, auf die sich dieses Fest stützen könnte. Eine andere Festlichkeit schwindet währenddessen, wird verstärkt ausgehöhlt oder einfach verworfen – der Martinstag. Dass ein Fest obsiegt, während ein anderes ins Hintertreffen gerät, ist natürlich kein einzigartiges Phänomen, zumal die beiden erwähnten Festtage zeitlich eng zusammenfallen. Und wenn man bedenkt, dass es beispielsweise im Ingolstädter Raum Kindergärten geben soll, die ganz basisdemokratisch die Kinderchen fragen, ob sie denn lieber dem heiligen Martin huldigen oder um einen Kürbis tanzen wollen, dann braucht man sich auch nicht mehr wundern, dass der Martinstag langsam aber sicher zum Relikt anderer, vergangener Tage wird. Von Roberto De Lapuente

Das Fundament des elitären Klassenbewusstseins

Ist eine Gesellschaft, die offen von “sozial Schwachen” und “bildungsfernen Schichten” spricht, eingebettet in ein sozialdarwinistisches Fundament? Meint eine solche Gesellschaft etwa damit, dass Armut und mangelnde Bildung vererbte Mängel sind? Oder handelt es sich bei solchen und ähnlichen Begrifflichkeiten nur um unglücklich gewählte Wortkonstrukte?
Von Roberto De Lapuente

Nur der Irre übt Kritik

Wer nicht mit dem Massenstrom schwimmt, wer sogar noch versucht ist, gegen die Strömung anzuschwimmen, quasi einen Wasserfall von unten nach oben bezwingen möchte, dem macht man es gemeinhin schwer. Schlimmer noch, man erklärt solche Zeitgenossen dann und wann für geistig verwirrt, verschroben, vielleicht psychisch schwer angeschlagen, weswegen er die Segnungen des Massenspektakels nicht beherzigen will. Wenn einer nicht tut was alle tun, dann kann er nicht sein wie alle – und wenn sich diese Allgemeinheit als höchst vernünftig und weltzugewandt bezeichnet, vereinfachend gesagt als “normal” wahrnimmt, dann muß derjenige, der nicht gerne in der Wanne der Allgemeinheit badet, höchst unvernünftig, weltfremd und damit “unnormal” sein. Und da man heute vornehm ist, da man niemanden der Idiotie bezichtigen will, strickt man sich daraus das Szenario, wonach der Entgegenschwimmer ein neurotischer Notfall sei, der eigentlich anders wäre, wenn es ihm seine gesundheitlichen Zustände nur erlaubten.

Ein Beitrag einer Pfarrerin mitten aus Recklinghausen zu „Unternehmerisches Handeln in Evangelischer Perspektive“

Wir hatten schon auf die Denkschrift der EKD hingewiesen – am 17. Juli 2008 mit dem Beitrag ‚Vergessen: „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital“ und mit Hinweis Nr. 11 vom 22.7. „Bischof der Bosse“ aus „junge Welt“: Zum gleichen Thema schrieb Silke Niemeyer, Pfarrerin in der Altstadtkirchengemeinde Recklinghausen, einen Hörer-Brief an den WDR. Weil der Brief selbst und die Entwicklung der EKD interessant sind, geben wir diesen Beitrag in der Rubrik „Andere interessante Beiträge“ wieder.

Vergessen: „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital“

Das hatte vor wenigen Jahren jedenfalls der jetzige Ratsvorsitzende der EKD Wolfgang Huber noch eingefordert. Davon ist jetzt keine Rede mehr in einer Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, die von der Kammer für soziale Ordnung erarbeitet wurde. Ihr Titel: „Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive.“ In diesem Text hat sich die Arbeitgeberseite der Mitglieder der Kammer durchgesetzt. Dr. Franz Segbers hat diese Denkschrift für Publik Forum kommentiert. Die Denkschrift ist im download [PDF – 488 KB] verfügbar: