Frieder Wagner zum Thema Uranmunition: Wissen die Ukrainer, „dass ihr Land über viele Generationen verseucht sein wird?“

Frieder Wagner zum Thema Uranmunition: Wissen die Ukrainer, „dass ihr Land über viele Generationen verseucht sein wird?“

Frieder Wagner zum Thema Uranmunition: Wissen die Ukrainer, „dass ihr Land über viele Generationen verseucht sein wird?“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Uranmunition an die Ukraine? Das scheint kein Problem zu sein. Entsprechende Meldungen in den Medien sind ohne nennenswerte Kritik hingenommen worden. Der Dokumentarfilmer Frieder Wagner kennt sich aus mit Uranmunition. Sein Film „Todesstaub“ über den Einsatz von Uranmunition im Kosovo, Bosnien und im Irak aus dem Jahr 2007 gilt noch immer als grundlegend. In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen hat er sich gegenüber den NachDenkSeiten nochmal zu dem Thema geäußert. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Was sagen Sie Politikern, Journalisten und anderen Zeitgenossen, die sagen, die Verwendung der Uranmunition in der Ukraine sei kein Problem, da ungefährlich?

Wieso soll der Einsatz von Uranmunition in der Ukraine ungefährlich sein, wenn in Serbien, wo 1999 nur 15 Tonnen davon eingesetzt wurden, nun jährlich 30.000 Menschen neu an Krebs und Leukämien erkranken und die Hälfte davon stirbt, Tendenz steigend? Das wissen wir heute von dem serbischen Anwalt Srdan Aleksic, der unterstützt von einem internationalen Team von Juristen, Journalisten und Wissenschaftlern die NATO auf Wiedergutmachung verklagt, wegen der durch die 1999 eingesetzte Uranmunition und -bomben erkrankten Menschen. Was ist im Irak, wo 2003 etwa 2.000 Tonnen Uranmunition eingesetzt wurden und seitdem etwa 5-7 Millionen Menschen – Männer, Frauen und Kinder – an Krebs und Leukämien erkrankt bzw. gestorben sind und etwa 30 Regionen so durch Uranmunition kontaminiert sind, dass die Bewohner eigentlich umgesiedelt werden müssten? Sind die Verantwortlichen, die jetzt in der Ukraine Uranmunition einsetzen wollen, über diese furchtbaren Gefahren informiert und auch darüber, dass ihr Land über viele Generationen dann verseucht sein wird?

Kann es sein, dass viele nicht verstehen, wie gefährlich der Einsatz von Uranmunition ist?

Das Thema „Uranmunition und die Folgen“ ist mindestens seit 2003 ein Tabu-Thema, über das die Medien und die Politik verschämt schweigen. Darum wissen auch so wenig Menschen über die furchtbaren Folgen eines solchen Einsatzes Bescheid. Verstehen würden sie es schon, wie gefährlich diese Munition ist, wenn man es ihnen erklären würde.

Auch die Politik sollte sich mit dem Thema Uranmunition auseinandergesetzt haben. Wie positioniert sich die Politik dazu?

In der Zeit der zweiten Großen Koalition antwortete die SPD- Bundestagsabgeordnete Lale Agkün 2008 bei einer gemeinsamen Diskussion nach einer Aufführung meines Dokumentarfilms „Todesstaub“ auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum wörtlich: „In der derzeitigen Regierung sind Uranmunition und ihre Folgen ein ganz und gar ungeliebtes Thema. Mehr wage ich hier nicht zu sagen.“

Das war also 2008. Wie sieht es heute aus?

Es bleibt ein ungeliebtes Thema, aber für die Politik ist es inzwischen nicht mehr ganz unbekannt. Trotzdem verteidigt die britische Staatssekretärin Annabel Goldie die aktuelle Lieferung von Uranmunition ihrer Regierung an die Ukraine, weil ihrer Meinung nach diese Munition ungefährlich sei. Dass die britische Atomenergiebehörde schon im April 1991, also einen Monat nach Ende der „Operation Wüstensturm“, das britische Verteidigungsministerium warnte, dass schon der Einsatz von 40 Tonnen in bewohnten Regionen über 500.000 Todesopfer verursachen könnte, scheint ihr nicht bekannt zu sein. Man fragt sich deshalb: Handelt die Staatssekretärin also völlig ignorant oder aus bewusst primitivem politischen Kalkül?

Nochmal genauer: Warum genau warnen Sie vor dem Gebrauch von Uranmunition?

Wenn Urangeschosse eine Panzerung durchdringen, entsteht eine Reibungshitze von bis zu 5000 Grad Celsius und das Uran verbrennt in diesen Geschossen zu keramisierten, wasserunlöslichen Nanopartikelchen, die 100 Mal kleiner sind als ein rotes Blutkörperchen. Das heißt, es entsteht praktisch ein Metallgas und dieses Metallgas ist weiterhin radioaktiv und hoch giftig. Werden diese radioaktiven und hoch giftigen Nanopartikelchen eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen, können sie im menschlichen oder tierischen Körper überall hinwandern: in alle Organe, ins Gehirn, in die weiblichen Eizellen und in den männlichen Samen. Überall wo sich dieses Uran 238 im Körper ablagert, kann es, und das ist inzwischen wissenschaftlich eindeutig bewiesen, zu folgenden Krankheitsbildern kommen:

  • einem Zusammenbruch des Immunsystems wie bei AIDS mit ansteigenden Infektionskrankheiten,
  • schweren Funktionsstörungen von Nieren und Leber,
  • hoch aggressiven Leukämien und anderen Krebserkrankungen,
  • Störungen im Knochenmark,
  • sowie genetischen Defekten und Missbildungen mit Aborten und Frühgeburten bei Schwangeren, wie wir das auch schon nach Tschernobyl gesehen haben und nun auch wieder nach der Fukushima-Katastrophe.

Sie äußern sich an dieser Stelle öffentlich. Haben Sie eine Botschaft an die Politik?

Wenn unsere Politik akzeptiert, dass eigentlich international geächtete Waffen wie Uranmunition und Streubomben eingesetzt werden, weil die Entscheidungen der amerikanischen Politik zu respektieren sind, bedeutet dies, dass sie die Entscheidung von 155 Ländern, die schon 2012 bei der UN-Generalversammlung dafür gestimmt haben, Uranmunition zu ächten, mit geradezu verächtlicher Nichtachtung belohnt. Bei so einer Verachtung von 155 Repräsentanten aus der ganzen Welt müssen die Parteien und ihre Repräsentanten und Politiker in Zukunft auch mit der Verachtung der Wähler gegenüber einer solchen Politik rechnen – hoffentlich passiert das bald.

Titelbild: Zerbor/shutterstock.com

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