11. September 1973 in Chile: Kampfjets und Panzer gegen eine demokratisch gewählte sozialistische Regierung

11. September 1973 in Chile: Kampfjets und Panzer gegen eine demokratisch gewählte sozialistische Regierung

11. September 1973 in Chile: Kampfjets und Panzer gegen eine demokratisch gewählte sozialistische Regierung

Ein Artikel von: Redaktion

Heute vor 50 Jahren, am 11. September 1973, wurde der chilenische Präsident Salvador Allende um 6.40 Uhr von seinen Mitarbeitern geweckt und über seltsame Bewegungen in Valparaíso informiert. Alfredo Joignant, Direktor der Kriminalpolizei, bestätigte, dass die Marine Truppen auf die Straße gebracht hat. Der Diplomat Marcos Orlando Letelier del Solar versuchte verzweifelt, mit den Generälen Montero, Pinochet und Leigh zu telefonieren, aber niemand antwortete. Er schaffte es, sich mit Vizeadmiral Patricio Carvajal Prado in Verbindung zu setzen, der ihn belog und sagte, er wisse von nichts … Der chilenische Autor Jorge Baradit zeichnet den Verlauf des nachweislich US-gestützten Putsches von den Morgenstunden des 11. Septembers bis zum letzten Atemzug von Salvador Allende nach.

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Um 7.20 Uhr waren die Straßen von Santiago leer. Ab und zu hörte man einen Mikrobus in der Ferne, der verschlafene Arbeiter zu ihren Arbeitsplätzen brachte. Jemand schaute aus dem Fenster seiner Wohnung auf die Stadt, die erwachte. Es war noch nicht Morgengrauen, er schaute auf den Kalender, es war der 11. September. Vor ihm der Hügel San Cristóbal, unten das Viertel Providencia, wo sich die Salvador Allende befand. Der Mann gähnte, kratzte sich am Kopf. Ein weißer Fiat 125 fuhr mit 90 km/h vorbei. Er runzelte die Stirn. Drei weitere passierten in rascher Folge, mit gleicher Geschwindigkeit. Er wusste es nicht, aber drinnen befand sich der Präsident der Republik mit einer Waffe in der Hand auf dem Weg zu seiner letzten Schlacht, umgeben von der GAP, seiner Gruppe persönlicher Freunde, die aus jungen Menschen in den Zwanzigern bestand.

Fast zur gleichen Zeit starteten die Hawker Hunter Kampfjets von Concepción aus mit der Mission, Antennen von Radio-Sendern der Unidad Popular zu zerstören, über Santiago zu kreisen und auf weitere Anweisungen zu warten, die sie noch nicht kannten.

Meine Mutter weinte und umarmte mich auf dem Fußboden des Hauses. Der Putsch hatte in Valparaíso begonnen, dieses Erdbeben würde Zeit brauchen, um Santiago aufzuwühlen.

Salvador Allende betrat die Moneda über Treppen und Gänge, verteilte die Menschen an Fenstern und strategischen Punkten. Es waren etwa zwanzig Leibwächter sowie achtzehn Detektive der chilenischen Kriminalpolizei, der einzigen Streitkraft, die der Verfassung und dem Präsidenten an jenem 11. September treu blieben. Man hörte Schreie und Rennen auf den Holzböden, Türen, die sich öffneten, Befehle von den Erfahrensten. Manchmal, nach so langer Zeit des Wartens auf die Konfrontation, wünschst du sie herbei, und die Aufregung fühlt sich gut an. Munition in Beuteln und Taschen. Sie hörten Lärm in der Ferne, sie dachten, es seien Bomben, aber es waren die Explosionen der Hawker Hunter Sura-Raketen, die die Antennen von Radio Corporación im Stadtviertel Florida zerstörten. Alle waren auf ihren Posten und richteten die Maschinengewehre und Pistolen nach draußen. Es waren Zivilisten, die eine Idee verteidigten. Die Moneda war wie gespickt mit kleinen Pistolen, die sich aus den Öffnungen streckten. Draußen aber waren Panzer und Panzerfäuste, Kanonen und Kampfjets.

Allende machte sich Sorgen um die Oberbefehlshaber, er glaubte immer noch, es sei nur ein Marineaufstand. „Armer Pinochet“, hörten sie ihn sagen, „Sie müssen ihn gefangen genommen haben.“

Mein Vater zog sich schnell an. Die Lastwagen waren weg. „Wo gehst du hin?“, fragte meine Mutter. „Ich muss mich bei meiner Gewerkschaftsgruppe, der PEGA, melden“, antwortete er, während er seine Schuhe anzog. Meine Mutter fing an, ihn anzuschreien, ob er verrückt sei, dass man ihn töten würde, ob er denn die Schreie von Tamara und Omars Töchtern nicht gehört habe, als man die beiden wegbrachte. „Ich bin ein Mann, keine Maus“, schrie mein Vater, aber das Weinen meiner Mutter machte uns Angst und meine Schwester und ich umklammerten seine Beine. Wir schrien. Dann umarmten wir vier uns gegenseitig. Meine Schwester erinnerte sich, dass die Hand meines Vaters sie so fest an sich gedrückt hat, dass man hinterher noch den Abdruck sah. Wir vier standen weinend aneinandergedrängt. Dann entschied sich mein Vater für seine Familie und blieb. Wir gingen in die Küche, den am besten geschützten Ort im Haus, meine Mutter stellte den Teekessel auf und schaltete das Radio ein. Es war 8.40 Uhr morgens und die Nationalhymne erklang. Während meine Mutter das Brot röstete, drehte mein Vater die Lautstärke auf. Eine barsche Stimme begann aus dem Lautsprecher zu dröhnen.

„Im Hinblick auf

Erstens: die äußerst schwere soziale und moralische Krise, in der sich das Land befindet.

Zweitens: die Unfähigkeit der Regierung, das Chaos zu kontrollieren.

Drittens: die ständige Zunahme paramilitärischer Gruppen, die von den Parteien der Unidad Popular ausgebildet werden, was das chilenische Volk in einen unvermeidlichen Bürgerkrieg führen würde.

Haben die Streitkräfte und Carabineros entschieden:

Erstens: Der Präsident der Republik muss sein hohes Amt sofort an die Streitkräfte und Carabineros Chiles übergeben.

Zweitens: Die Streitkräfte und die Carabineros sind vereint, um die verantwortungsvolle Mission des Kampfes für die Befreiung der Heimat vom marxistischen Joch zu beginnen…“.

In der Moneda konnte Allende es nicht glauben. Alle vereint?! Er allein gegen die gesamten Streitkräfte?! Selbst der gute Pinochet, der ihm noch am Vortag die Treue geschworen hatte, hat ihn verraten?

Dann rief er seine Partei an, aber in der Zentrale der Sozialistischen Partei herrschte ein totales Durcheinander, die Telefone antworteten nicht, die Befehle kamen nicht an, die Anweisungen kreuzten sich, die Pläne scheiterten. Der Putsch hatte noch nicht richtig begonnen und der Militärapparat der Partei funktionierte schon nicht mehr. Sie gaben den Befehl, Dokumente zu verbrennen und sich zurückzuziehen, ohne dass eine Konfrontation begonnen hatte. Es gab viel Willen und Mut, aber wenig Waffen und keine klare Führung.

Allende rief den Massenbeauftragten der Gewerkschaftszentrale CUT an, um ihn zu fragen, was sie tun würden, wie eine mögliche Verteidigung koordiniert werden würde, aber er fand ihn schlafend vor, er hatte keine Ahnung, was los war. Um 9.00 Uhr traf sich Altamirano mit dem Militärapparat der Partei, der die mangelnde Reaktionsfähigkeit der Gruppe beim Metallverarbeitungsbetrieb INDUMET beklagte. Die Organisation des Widerstandes war ein einziger Misserfolg.

Gleichzeitig gab die Gewerkschaftszentrale CUT am Morgen ihre einzige Erklärung ab, die die Arbeiter alarmierte, die Fabriken und Güter zu besetzen und den Widerstand zu organisieren. Aber es stand nicht drin, wie, wo und wann.

Allende erkannte, dass es keine organisierte Hilfe, keinen Volkswiderstand oder ähnliches geben würde. Eduardo «Coco» Paredes, chilenischer Arzt, Sozialist und Generaldirektor der Kriminalpolizei bot ihm einen Plan an: unter Feuerschutz zu den Fahrzeugen zu rennen, die ihn zur INDUMET und später zu irgendeiner Ortschaft bringen sollten, wo sie einen Widerstandsherd organisieren würden. Allende weigerte sich. Er war der Präsident und sein Platz war in der Moneda. Später bemerkte er, dass die im Palast stationierten Carabineros im Laufe des Morgens heimlich davongelaufen waren. Er beschwerte sich nicht, vielleicht hat er kaum merklich die Fäuste geballt. Er befahl, die Palasttore zu schließen. Er hob seine AK-47 auf und traf die Entscheidung, denen zu widerstehen, die ihn angriffen. Der Kampf würde jeden Moment beginnen. Sie blickten aus den Fenstern, alles war still. Natürlich hatten sie Angst, aber sie würden bleiben.

Das Warten war unerträglich. Alle Türen waren geschlossen, nicht nur die des Palastes, sondern auch die des Dialogs, der Unterstützung durch die Bevölkerung, des Widerstandes. Konzentrische Ringe umgaben sie, sie waren allein in diesem Gebäude Nummer 1805 im Zentrum des Vaterlandes, in diesem Kasten aus Ziegeln mit Mauern von einem Meter Stärke.

Die „Straße“ war still. Plötzlich konnte man in der Ferne die Raupenketten der heranrollenden Panzer hören und in der Ferne, unsichtbar hinter den Gebäuden, wurden Befehle geschrien. Allende setzte sich einen Stahlhelm auf. Der Arzt, der Republikaner, der Zivilist, der einen demokratischen Weg gegen die politischen Anführer suchte, die zeternd den bewaffneten Weg propagierten, sollte paradoxerweise derjenige sein, der eine Waffe nahm und diesen Weg mit Schüssen verteidigte.

Es sollten regierungstreue Kämpfer im Gebäude der Arbeiterversicherung sein, aber keiner kam ihnen zu Hilfe. Stattdessen positionierten sich die Scharfschützen der Armee auf den Dächern des Verteidigungsministeriums. Es soll Maschinengewehre in der Redaktion der Zeitung „La Nación“ gegeben haben, aber keiner der zugewiesenen Schützen erschien. Die Soldaten des Infanterieregimentes aus Buin aus der Provinz Maipo verschanzten sich hinter Erdhügeln, die durch die Bauarbeiten der U-Bahnlinie entstanden waren. Panzerfäuste und Gewehre tauchten nie in den Regierungsgebäuden auf. Die Panzer blockierten die angrenzenden Straßen. Das Land färbte sich langsam olivgrün.

Zu dieser Zeit erkannte Miguel Enríquez, Arzt, Politiker und Generalsekretär der Bewegung der Revolutionären Linken (MIR), dass er weder genügend Truppen noch Waffen erhalten hatte und beschloss, sich zurückzuziehen. Die Sozialistische Partei hatte es geschafft, einhundertfünfzig Widerstandskämpfer der GEO zu versammeln. Der Plan war, eine Militäreinheit anzugreifen, Waffen zu beschaffen, sich im Stadtteil San Miguel zu verschanzen und von dort aus zur Moneda vorzustoßen, um sich den anderen Gruppen anzuschließen, die sich sicherlich gebildet haben würden, und dann die Putschisten zu zerschlagen. Nichts davon ist passiert. Hundert Arbeiter der Textilfirma SUMAR meldeten sich freiwillig, um Waffen zu erhalten und den Widerstand zu organisieren, aber niemand kam, um sie zu bewaffnen. Alles war gescheitert.

Kurz vor 10.00 Uhr erschienen die Panzer von Brigadegeneral Javier Palacios Ruhmann mit ihren dröhnenden Motoren auf der Bühne des Geschehens, schwarzer Rauch kam aus ihren Luken und sie begannen eine Schießerei zur Begrüßung, die aus einigen alleinstehenden Gebäuden erwidert wurde. Einige Leibwächter feuerten mit einem schweren Maschinengewehr aus dem Gebäude für Öffentliche Arbeiten auf die Fahrzeuge. Die Panzer drehten ihre Geschütztürme und belegten die Wände der Gebäude in alle Richtungen mit großkalibrigen Geschossen. Noch heute sind die Löcher in einigen Fassaden zu sehen. Das Geräusch des Gewehrfeuers, der Schutt und die Schreie der Zivilisten kamen aus den Fenstern. Glas splitterte und fiel auf die Straße und zeigte an, dass die Schlacht um die Moneda begonnen hatte. Die Soldaten riefen sich gegenseitig Anweisungen zu, standen in Kiosken, an Ecken, rannten zu den Gräben, die von den Arbeiten der U-Bahn ausgehoben worden waren. Der Feind war oben. Alle Beamten, die an ihrem Arbeitsplatz angekommen waren, warfen sich auf den Boden und schützten sich vor den Kugeln, die in ihre Büros eindrangen und von den Decken abprallten. Allende befahl, sich von den Fenstern zu entfernen. Die Moneda und ihre Besetzer schlossen sich ein wie ein Gürteltier. Die Hawker Hunters Jets starteten im Süden von Santiago. Alle Akteure waren bereit; die Bühne war das Zentrum der Hauptstadt, das Zentrum des Landes. Der Präsident war in seinem Schützengraben und verstand, dass ihm in seinem Bunker nur der Widerstand für die Würde und die Geschichte blieb.

Ich stelle ihn mir voll beieinander vor, wie er klare Anweisungen erteilt und dabei scherzt. Ich sehe ihn in dem Bewusstsein, einen historischen Moment zu erleben, und wie er sich darauf vorbereitet, der Lage gewachsen zu sein. Mit beschleunigtem Herzschlag, die Haare zu Berge stehend, mit einer natürlichen Furcht – aber immer mit tadelloser Haltung – wie er gern zu sagen pflegte. Ich sehe ihn plötzlich nachdenklich, als er seine mehr als vierzig Jahre in der Politik Revue passieren lässt. Vielleicht erinnert er sich an Gespräche mit dem anarchistischen Schuhmacher Juan Demarchi während seiner Jugend in Valparaíso, an Dialoge, die ihn für immer auf den Weg der linken Ideen brachten. Sein langer Werdegang, der Traum eines von den Herrschenden verlassenen Volkes, das er durch das gesamte 20. Jahrhundert zu führen entschlossen war, um immer wieder aufs Neue zu versuchen, dieses Volk nach vorn zu bringen. Da waren Kundgebungen in abgelegenen Dörfern, bei denen die Bauern seine Hände nahmen und ihn baten, sie nicht zu vergessen, nicht im Stich zu lassen. Vielleicht erinnerte er sich an den jetzt so fernen 4. September 1970, als die Armen glaubten, den Himmel berühren zu können und dachten, dass das Ende ihres Leidens gekommen sei, als Salvador, ihr Genosse Präsident, zum ersten Mal die Moneda betrat. Und jetzt war er hier, mit einer Waffe in der Hand, um einen Trümmerhaufen zu verteidigen. Draußen die Kriegsmaschinen, Tonnen von Eisen, Sprengstoff und Wut. Da legte er das Gewehr beiseite, atmete tief durch, nahm das Telefon, das ihn mit Radio Magallanes verband, und begann nach einer Pause zu seinem Land zu sprechen:

Mitbürger.

Dies wird sicherlich meine letzte Gelegenheit sein, dass ich mich an Sie wenden kann. Die Luftwaffe hat die Sendemasten von Radio Portales und Radio Corporación bombardiert.

Meine Worte enthalten keine Bitterkeit, jedoch Enttäuschung. Sie werden die moralische Strafe sein für diejenigen, die ihren Schwur verraten haben: Soldaten Chiles, designierte Oberbefehlshaber, Admiral Merino, der sich selbst ernannt hat, der Herr Mendoza, dieser niederträchtige General, der noch gestern der Regierung seine Treue und Ergebenheit bekundete und sich heute zum Generaldirektor der Carabineros ernannt hat.

Angesichts dieser Tatsachen möchte ich den Werktätigen nur sagen:

Ich werde nicht zurücktreten!

In eine Periode historischen Übergangs gestellt, werde ich die Treue des Volkes mit meinem Leben entgelten. Und ich sage Ihnen: Ich habe die Gewissheit, dass die Saat, die wir in das würdige Bewusstsein Tausender und aber Tausender Chilenen gepflanzt haben, nicht herausgerissen werden kann. Sie haben die Gewalt, sie können uns unterjochen. Aber die sozialen Prozesse kann man weder durch Verbrechen noch durch Gewalt aufhalten. Die Geschichte ist unser, sie wird von den Völkern geschrieben.

Werktätige meines Vaterlandes!

Ich danke Ihnen für die stets bekundete Treue, für das Vertrauen, das Sie in einen Mann gesetzt haben, der nur die Verkörperung der Sehnsucht nach Gerechtigkeit war, der sein Wort gab, Verfassung und Gesetze zu achten, und der dies auch in die Tat umsetzte. In diesem entscheidenden Moment, dem letzten, in dem ich mich an Sie wenden kann: Mögen Sie diese Lehre beherzigen. Das Auslandskapital, der Imperialismus, vereint mit der Reaktion, schufen das Klima, damit die Streitkräfte mit ihrer Tradition brachen, die sie General Schneider lehrte und die Kommandeur Araya bekräftigte. Sie wurden Opfer des gleichen sozialen Sektors, der heute darauf aus ist, mit fremder Hilfe die Macht zurückzuerobern, um so seinen Besitz und seine Privilegien zu verteidigen.

Ich wende mich vor allem an die einfache Frau unseres Landes, an die Bäuerin, die an uns glaubte, an die Arbeiterin, die noch mehr arbeitete, an die Mutter, die um unsere Sorge um die Kinder wusste. Ich wende mich an die Vertreter der wissenschaftlich-technischen Intelligenz unseres Landes, an all die Patrioten unter ihnen, die seit Tagen gegen die Verschwörung der Berufsverbände arbeiten, jener Klassenverbände, die nur die Vorteile, die die kapitalistische Gesellschaft einigen wenigen einräumt, verteidigen.

Ich wende mich an die Jugend, an die, die sangen, die sich mit Fröhlichkeit und Kampfgeist einsetzten. Ich wende mich an die Männer Chiles, die Arbeiter, Bauern, Intellektuellen, an diejenigen, die man verfolgen wird; denn in unserem Lande wütet der Faschismus schon seit vielen Stunden mit Terroranschlägen, sprengt Brücken, blockiert Eisenbahnlinien und zerstört Öl- und Gasleitungen.

Demgegenüber steht das Schweigen derjenigen, die die Verpflichtung gehabt hätten, dagegen vorzugehen. Die Geschichte wird sie richten! Sicherlich wird Radio Magallanes zum Schweigen gebracht, und der ruhige Klang meiner Stimme wird nicht zu Ihnen gelangen. Das macht nichts. Sie werden mich weiter hören, ich werde immer unter Ihnen sein, zumindest die Erinnerung an mich, an einen würdigen Menschen, der der Sache des werktätigen Volkes die Treue hielt. Das Volk muss sich verteidigen, aber es soll sich nicht opfern. Das Volk darf sich nicht unterjochen und quälen lassen, aber es kann sich auch nicht erniedrigen lassen.

Werktätige meines Vaterlandes!

Ich glaube an Chile und seine Zukunft. Andere nach mir werden diese bitteren und dunklen Augenblicke überwinden, in denen der Verrat versucht, sich durchzusetzen. Sie sollen wissen, dass eher früher als später freie Menschen auf breiten Straßen marschieren werden, um eine bessere Gesellschaft aufzubauen.

Es lebe Chile! Es lebe das Volk! Es leben die Werktätigen! Dies sind meine letzten Worte. Ich habe die Gewissheit, dass mein Opfer nicht umsonst sein wird. Ich habe die Gewissheit, dass es zumindest eine moralische Lektion sein wird, die die Feigheit und den Verrat strafen wird.“

Es war 10.15 Uhr. Das Land hat die Stimme von Salvador Allende nie mehr live gehört.

Der Kampf würde jeden Moment beginnen. Der Offizier der Eskorte von Allende, Juan Seoane, rief seine sechzehn sogenannten „Detektive“ zusammen und sagte ihnen, dass er den Präsidenten nicht im Stich lassen, ihnen aber Handlungsfreiheit geben würde. Sie alle antworteten einstimmig, dass sie bei ihm bleiben würden, um im Palast zu sterben. Jeder wusste, dass der Kampf ungleich war. Die meisten waren sehr junge Menschen, viele hatten Familien außerhalb dieser Mauern. Allende bot ihnen an, den Palast zu verlassen, aber niemand bewegte sich.

Um 10.30 Uhr brach das Eis, als ein Panzer zum Feuern angewiesen wurde und mit großkalibrigem Maschinengewehr in den ersten Stock der Moneda schoss.

Alle warfen sich zu Boden, Glas splitterte, die Innenwände wurden von Projektilen durchsiebt, der Stuck platzte ab, die Möbel zersplitterten, Gobelins und Gemälde gingen zu Bruch. Die Belagerten schleppten sich zu den Fenstern und begannen, zwischen dem Kalkstaub und dem Pulvergeruch der Waffen nach außen zu schießen. Im Radio der Putschisten setzte sich Pinochets schrille Stimme gegen die ruhigeren Stimmen der Admiräle und Generäle der Luftwaffe durch. Nach und nach übernahm er die Kontrolle über die Situation, nach und nach begann er, der laute und grobe Führer zu werden, wie wir ihn später kennen lernten. „Bedingungslose Kapitulation, bedingungslose Kapitulation“, schrie er per Funk, während ein Schwarm von Kugeln im Zentrum von Santiago in alle Richtungen flog und die Moneda wie eine Wolke von Fliegen umgab.

Aus dem Regierungspalast bat man telefonisch darum, die sechs Frauen, darunter zwei Töchter des Präsidenten, aus dem Gebäude zu lassen. Beatriz Allende konnte sich nie verzeihen, dass sie ihren Vater verlassen hatte. Jahre später beging sie in Kuba Selbstmord. Die Offiziere akzeptierten, aber Pinochet schrie, dass sie mit der Verzögerungstaktik aufhören und sich ergeben sollten, um sie aus dem Land zu vertreiben. Leigh wollte unbedingt bombardieren, aber den Flugzeugen ging der Treibstoff aus und sie mussten zurückfliegen und auftanken. Leigh war empört, er hatte sich vor den anderen Truppenteilen lächerlich gemacht.

Ein frontaler Bodenangriff wurde beschlossen, bei dem sich Panzer entlang der Teatinos-Straße, der Alameda und dem Constituciónsplatz bewegten. Ihre Geschosse hinterließen riesige Löcher in den jahrhundertealten Mauern des Regierungspalastes. Detektiv Luis Henríquez lief durch die Gänge zu einer Stelle, von der er auf die Truppen schießen konnte und sah, wie Allende an einem Fenster liegend eine Stellung der Putschisten mit seiner Maschinenpistole unter Feuer nahm. Der Demokrat, der sein ganzes Leben lang für einen friedlichen Weg zum Sozialismus gekämpft hatte, musste sein Amt mit Schüssen verteidigen.

Die Panzer feuerten ihre Kanonen auf Mauern und Fenster ab. Jede Explosion erschütterte die Wände, Staub rieselte, Lampen fielen herab, Möbel wurden verschoben. Mehr als fünfzig Granaten schlugen ein und verursachten Brände sowie Schäden am Gemäuer.

Die Ohren schmerzten, der Brandgeruch begann sich bis in den zweiten Stock auszubreiten. Allende, seine Leibwache und die Detektive liefen durch die Gänge, um aus den Fenstern zu schießen und den Eindruck zu erwecken, als gäbe es mehr Leute, als sie in Wirklichkeit waren. Heute ist es das Bild, mit dem die meisten von uns gelernt haben zu leben, aber in jenem Moment sahen die Chilenen mit Unglauben und Schrecken den Regierungspalast, der von Panzern, Maschinengewehren und Gewehren angegriffen wurde. Es war ein Kampf, der nicht in den Ebenen oder in einem Teil unserer Wüste stattfand, sondern mitten in der Hauptstadt. Eine reguläre Armee, unsere Armee, mit ihrer enormen, von uns selbst bezahlten Feuerkraft griff sechzig Chilenen an, darunter den Präsidenten der Republik, die im Regierungsgebäude Schutz suchten. Der Lärm war unerträglich, das Bild war unerträglich.

Von der Moneda aus forderten sie ein Gespräch mit den Putschgenerälen; sie sagten, ein Treffen sei unumgänglich. Pinochet schrie hysterisch, dass er nichts von Parlamentariern hören wolle, er wollte bedingungslose Kapitulation. Er war verärgert über Leighs Verspätung. Er schlug im Radio vor, Allende aus dem Land zu bringen: „Das Angebot bleibt… aber das Flugzeug stürzt ab, Alter, wenn es fliegt“, scherzte er. Pinochet fühlte sich immer sicherer und übernahm im Laufe des Vormittags fluchend die Kontrolle über einen Putsch, den er nicht selbst vorbereitet hatte.

Es war 11.45 Uhr. Im Inneren des Palastes hörte man ein immer stärker werdendes Geräusch, das dann mit einem Tosen am Himmel über ihren Köpfen hinweg ging: Kampfjets. „Ich glaube nicht, dass sie es wagen“, sagte jemand. „Es macht keinen Sinn“, sagte ein anderer.

Der Anflug der Hawker Hunter in niedriger Höhe erschütterte alles, das Glas zitterte, die Bilder vibrierten an den Wänden und alle blickten instinktiv nach oben.

„Schnell, in den Keller!“ schrien sie, und es begann ein wildes Rennen, um Schutz zu suchen.

Die lärmenden Hawker Hunter machten ihre Stabilisierungsmanöver von Süden nach Norden und durchbrachen die Schallmauer. Das Getöse ließ die Leute an Bomben denken. Die Flugzeuge teilten sich in einer Parabelbahn, eines von ihnen drehte sich zur Seite und flog nach Süden Richtung Palast. Es kam schräg nach unten und schoss auf der Höhe der Metro-Station Mapocho seine Sura-Raketen ab, die am Haupttor der Moneda explodierten und es in einen Feuerball hüllten. Die Raketen des zweiten Flugzeugs fielen auf Dächer und in Gärten und verursachten ein schreckliches Getöse.

Im Inneren des Palastes brach Chaos aus, Schockwellen liefen durch das Gebäude, man sah umher geschleuderte Körper, Rauch, Staub und Feuer, während sich die Jets Richtung Süden entfernten. Es war der zweite Kampfeinsatz der chilenischen Luftwaffe in ihrer Geschichte, und zum zweiten Mal richtete er sich gegen die eigenen Landsleute, beide Einsätze an einem Septembertag. Unglaublich. Die Jets drehten um und griffen das Gebäude erneut an, diesmal mit ihren Maschinengewehren. Die Geschosse durchdrangen die Dächer und schlugen in das Holz sowie die Fliesen der hundertjährigen Böden ein, alles eingehüllt in schwarzen Rauch, den der Sprengstoff erzeugt hatte. Unglaublich.

Um 12.05 Uhr nahm eine Kamera im ehemaligen Hotel Carrera den Moment auf, als die Nationalflagge vor der Moneda in Flammen aufging und verschwand, verschluckt von orangefarbenen Feuerzungen. Draußen konnte man von überall in Santiago die Explosionen hören und die schwarze Rauchsäule über dem Stadtzentrum sehen, wie ein Vorzeichen für die Gewalt, die von den neuen Behörden zu erwarten war. Im Inneren des Palastes kamen alle aus ihren Stellungen hervor, bedeckt mit Kalk, Staub und mit Pfeifgeräuschen in den Ohren. Sie fühlten sich schwindelig und sie riefen sich gegenseitig. Unter ihnen war Allendes persönliche Sekretärin Miria Contreras, la Payita, die sich versteckt hatte, um nicht mit dem Rest der Frauen die Moneda verlassen zu müssen.

Im Zentrum von Santiago gab es einen Moment der Stille. Nur die Moneda war zu hören, knisternd im Feuer, geschwärztes Holz, ein rauchendes Herz. Weiter nördlich, im Haus des Präsidenten der Republik, in der Tomás-Moro-Straße, empfingen Maschinengewehrgarben der Leibgarde Allendes die Carabineros, die das Haus im Sturm erobern wollten. Die Nachbarn suchten nach den am besten geschützten Räumen und warfen sich verängstigt unter die Betten. Kugeln drangen in einige Häuser ein. Mindestens zwanzig Leibwächter bewachten das Gelände. Hortensia Bussi, die Frau des Präsidenten, hatte sich unter einen Tisch aus massivem Holz geflüchtet, als das Getöse der aus dem Zentrum heranfliegenden Jets zu hören war.

Die Schießereien, die Jets, die über das Haus hinwegfegten, eine Geschossgarbe von schwerem Kaliber ging durch die Decke und durchschlug den Boden der Räume. Die Leibwächter riefen Befehle und versuchten zu verhindern, dass die Carabineros durch einen ungeschützten Zugang hineingelangten. Die Jets kehrten zurück und der erste feuerte seine Raketen ab, aber er traf das Krankenhaus der Streitkräfte. Im Laufe der Jahre wurde bekannt, dass der Pilot, der das Ziel verfehlt hatte, der Sohn des Putschistengenerals Gustavo Leigh war. Das zweite Flugzeug landete einen Volltreffer, und das Dach einschließlich eines Teiles der Wände wurde mit einem ohrenbetäubenden Lärm in die Luft gesprengt.

Hortensia Bussi schützte sich unter dem Tisch und der persönliche Fahrer Allendes, Carlos Tello, arbeitete sich in dem Schutt zu ihr vor, um sie an der Hand zu nehmen und durch eine Seitentür aus dem Haus zu bringen. Er nutzte die Verwirrung aus, setzte sie ins Auto und fuhr mit hoher Geschwindigkeit durch die Straßen voller Polizeikontrollen zur mexikanischen Botschaft, wo man sie aufnahm und ihr Asyl gewährte.

Es war 13.00 Uhr. In der Firma INDUMET empfing die politische Kommission der MIR unter der Leitung von Miguel Enríquez unter Jubel die Waffen, die Joignant ihnen geschickt hatte. Zusammen mit Arnoldo Camú, dem juristischen Berater der Allende-Regierung von der Sozialistischen Partei, planten sie trotz ihrer geringen Zahl die Rettung von Allende, als sie von Carabineros eingekreist wurden: es gab eine Schießerei mit einigen Verwundeten, aber sie konnten fliehen. Sie sahen ein, dass sie nicht genügend Kräfte hatten, um Allende zu retten und gingen in die Illegalität. Die Kommunistische Partei (KPCh) wiederum berichtete, dass es keine Armeeabteilung gab, die der Regierung gegenüber loyal geblieben war. Man schloss die Diskussion ab und ordnete den totalen Rückzug an.

In der Moneda war die Verzweiflung groß. Seoane erhielt einen Anruf von der Kriminalpolizei:

„Sagen Sie dem Präsidenten, dass die Lage vom Militär beherrscht wird. Alles ist verloren.“

Nichts hatte funktioniert. Niemand war gekommen, um sie zu retten. Es gab keine Kolonnen von Arbeitern. Es gab keine Möglichkeit zu reagieren. Alles war verloren. Das politische Projekt war am Boden zerstört. Der Journalist Augusto Olivares, genannt „Perro“, (Hund) zog sich an einen Ort zurück, an dem er allein sein konnte und weinte. Er saß auf dem Boden, entmutigt, setzte die Uzi (automatische Maschinenpistole) an seine Schläfe und schoss. Alle rannten hin, als sie die Schüsse hörten. Dr. Jirón hielt den zertrümmerten Kopf. Olivares quälte sich für einige Augenblicke und starb. Allende kam angerannt, sah seinen Freund blutüberströmt und zeigte sich zum ersten Mal vor aller Augen offensichtlich angeschlagen. Dort lag der Leichnam von alledem.

In unserem Haus hörten wir Radio. Ich verstand nicht viel, ich war vier Jahre alt, aber meine Mutter weinte. Etwas Hässliches war im Kommen.

Es gab einige unregelmäßige, kleinere Feuergefechte an verschiedenen Punkten Santiagos, einschließlich der kubanischen Botschaft in Pocuro bei Valparaíso, weitere in anderen Regionen, in Valparaíso und Concepción, einige Schießereien in Antofagasta. Es gab nie kubanische Guerillas, keine sowjetischen Arsenale, keine paramilitärischen Gruppen, die an schweren Waffen ausgebildet worden waren und auch keine der anderen Alpträume, mit denen uns die Strategen des Terrors geschreckt hatten. Aber das war nicht mehr wichtig.

Niemand weiß, was Allende in diesen Minuten dachte, als er den Leichnam seines Freundes sah, die Moneda in Flammen, das Land bezwungen und der Traum zerstört. Er akzeptierte die Kapitulation. Er bat sie, eine Reihe zu bilden, um hinauszugehen, die Payita zuerst und er am Ende. Palacios befahl, das Feuer zu stoppen und rückte mit Truppen gegen die Moneda vor. Sie kamen durch die halboffene Tür der Morandé-Straße Nr. 80.

Pinochet bat unterdessen um ein Treffen aller Oberbefehlshaber der Teilstreitkräfte. Als sie ihn aufforderten, ins Zentrum der Stadt zu kommen, antwortete er: „Nein, hier oben“, im Stadtteil Peñalolén, wo sein Hauptquartier war. So etablierte er seine Vormachtstellung. Am Ende der Aktionen setzte Pinochet seine Position als Oberbefehlshaber der mächtigsten Truppe des Landes durch und auf wundersame Weise sich selbst als Anführer eines Prozesses, den andere begonnen hatten.

Außerhalb der Moneda ebbte die Schießerei ab, wurde schwach und schwächer. Allende organisierte die Kapitulation und bat alle, Ruhe zu bewahren. Es gab kein Licht in den Gängen. Die Niederlage war total, viel zu schnell. Sie lastete als große Bürde auf den Schultern von allen. Das Gas brannte in den Augen, sie verteilten Masken. Die Detektive im ersten Stock wurden gefangen genommen. Einer von ihnen kam herauf und schrie, dass das Militär bereits das Gebäude betreten habe. Allende befahl allen, ihre Waffen niederzulegen und einer nach dem anderen hinunter zu gehen. Er selbst ließ sich zurückfallen. Alle dachten, er würde versuchen, als Letzter herauszukommen. Der Präsident betrat den Saal der Unabhängigkeit, während der Rest mit erhobenen Händen zu den Soldaten hinabstieg, die unten auf sie warteten.

Die Unidad Popular war am Ende. Allende wollte nicht zulassen, dass sie ihn als Trophäe ausstellten. Er wollte sich nicht demütigen lassen, er vertrat ein ganzes Volk, das an ein Projekt der sozialen Gerechtigkeit geglaubt hatte. Umzingelt in einem Raum, allein im Rauch eines Landes in Flammen, das bald zu bluten beginnen würde, entschied er, dass er ihnen nicht den Triumph gönnen würde, ihn besiegt zu sehen. Es gab nichts mehr, wohin man sich zurückziehen konnte, man konnte nur noch in die Geschichte eingehen.

Salvador Allende, geboren in Santiago, in einem Viertel unweit von hier, setzte sich in einen Sessel, er nahm seine AK-47, legte sie an das Kinn und nachdem er wer weiß was gedacht hatte, nachdem er wer weiß welche Bilder gesehen hatte, drückte er ab. Die Schüsse töteten ihn sofort und bespritzen die Gobelins an den Wänden mit Blut. Seine Geschichte explodierte ausgehend von seinem Kopf. Er war ihnen entkommen, sie haben ihn nicht gefasst.

In meinem Haus umarmte mein Vater meine Mutter und schrie: „Sie haben Chicho getötet. Diese Hurensöhne haben ihn getötet!“, und diese Szene brannte sich als siedend heißes Tattoo in mein Gedächtnis ein. Es war alles vorbei.

Auszug aus dem Buch: „Das Ende eines Traumes oder der Putsch gegen die Regierung von Salvador Allende“ (Titel im Spanischen: La Dictadura). Das Buch ist unter diesem Link bestellbar.

Anmerkung der Redaktion: Das Buch, in Chile ein Bestseller, fand in Deutschland keinen Verleger, sodass sich der Lateinamerikanist Helmut Sonnenstädt dazu entschloss, es in Eigenregie und mit Hilfe ehemaliger Kommilitonen des renommierten Rostocker Lateinamerika-Instituts (später Sektion Lateinamerikawissenschaften) zu übersetzen und herauszugeben.

Titelbild: Museo de la Memoria y los Derechos Humanos de Santiago de Chile, Fotograf: Chas Gerretsen