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  1. Ampel entlastet Betriebe
  2. Deutschland verarmt, für den Spiegel ist das kein Problem
  3. Renten: Das Problem ist nicht die Demografie
  4. “Es ist erschütternd”: Viele Kürzungen geplant – ist der Sozialstaat in Gefahr?
  5. „WikiLeaks beendet Kriege“: Deswegen sollte Julian Assange ein freier Mann sein
  6. Militärhistoriker: Westen redet sich Ukraine-Krieg schön
  7. Müde und ausgezehrt – der Ukraine gehen die Soldaten aus
  8. Das fehlende Assessment: Die Ukraine kann nicht siegen
  9. Kriegstüchtigkeitstag: Deutsche Militärvorhaben
  10. Offener Brief von Oliver Ginsberg: Schluss mit der Anmaßung für Juden zu sprechen
  11. Der Oberlehrer
  12. Sloweniens Bürger ohne Rechte: Gelöschte Existenzen
  13. Meloni will ihre Macht zementieren
  14. Sprich den Kanzler nie mit »Herrn Bundeskanzler« an!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ampel entlastet Betriebe
    Die Ampel hat sich nach langem Ringen auf Maßnahmen geeinigt, um die hohen Stromkosten für produzierende Unternehmen zu dämpfen. Im kommenden Jahr sind Entlastungen in Höhe von bis zu 12 Milliarden Euro vorgesehen. „Wir schaffen mit den Maßnahmen jetzt für die nächsten Jahre eine Strompreisbrücke für die besonders energieintensive Industrie und für das produzierende Gewerbe“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
    Weil energieintensive Branchen stark unter hohen Kosten leiden, hat Habeck bereits im Mai ein Konzept für einen Industriestrompreis von 6 Cent pro Kilowattstunde vorgelegt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich dagegen gesperrt. Die jetzt gefundene Lösung unterscheidet sich erheblich von Habecks Vorschlag. So gelten die Entlastungen nicht nur für Unternehmen mit internationalem Wettbewerbsdruck, sondern für alle produzierenden. Außerdem sind die Entlastungen nicht an Bedingungen wie eine Standortsicherung, Zahlung von Tariflohn oder Investitionen in energiesparende Anlagen gebunden.
    Die Regierung will die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß senken. Das wird in den kommenden Wochen für 2024 und 2025 beschlossen. Die Senkung soll für weitere drei Jahre gelten, allerdings ist die Gegenfinanzierung noch offen. Bereits beschlossen ist die Stabilisierung der Netzgebühren. Bestehende Regelungen für die 350 Unternehmen, die am stärksten im internationalen Wettbewerb stehen, werden für fünf Jahre verlängert. Die Unternehmen müssen keine Eigenbeteiligung mehr leisten.
    Aus Regierungskreisen heißt es, dass alle Entlastungsmaßnahmen zusammen zu einem Strompreis von 6 bis 8 Cent pro Kilowattstunde führen würden. Von diesem Preis profitieren von der Bäckerei bis zur Aluminiumhütte alle produzierenden Unternehmen sowie die Land- und Forstwirtschaft.
    Quelle: taz

    dazu: Steuerrabatt für Unternehmen
    Mit einem »Strompreispaket« will die Bundesregierung Unternehmen des produzierenden Gewerbes ab 2024 für drei Jahre entlasten. Sollte im Bundeshaushalt für die Jahre 2026 bis 2028 »eine Gegenfinanzierung im Bundeshaushalt dargestellt werden« können, soll insbesondere die im Paket begriffene Absenkung der Stromsteuer für zwei weitere, also insgesamt fünf Jahre gelten, teilte die Ampelregierung am Donnerstag mit. Demnach soll das Vorhaben »so schnell wie möglich beschlossen werden«.
    Konkret sehen die Maßnahmen vor, neben dem beschlossenen Zuschuss von 5,5 Milliarden Euro zu den Netzentgelten die Stromsteuer für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes auf das in der EU zulässige Minimum zu senken. Der eigentlich bis Ende des Jahres befristete Spitzenausgleich werde dadurch »verstetigt«, hieß es. Für die Unternehmen wird die Stromsteuer dadurch von 15,37 Euro auf 50 Cent pro Megawattstunde gesenkt. Zudem soll künftig der Selbstbehalt der im Klima- und Transformationsfonds enthaltenen Strompreiskompensation – Umlage von Kosten durch den EU-Emissionshandel – für rund 350 Unternehmen wegfallen, »die am stärksten im internationalen Wettbewerb stehen«.
    Das Konzept hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) vergangene Woche im Gespräch mit dem Kölner Stadtanzeiger im wesentlichen als Gegenentwurf zum unter anderem vom DGB und der IG Metall (IGM) sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geforderten »Brücken«- bzw. Industriestrompreis skizziert. Während Habeck die Maßnahmen am Donnerstag als eine »wettbewerbsfähige Lösung« präsentierte, befand die IGM das vorgestellte Paket für unzureichend. Gewerkschaftsvorstand Jürgen Kerner erklärte auf jW-Anfrage, durch den von der Ampel präsentierten Beschluss werde »keine Verbesserung erzielt, aber weitere Verschlechterung verhindert«. Das Vorhaben sei von einem wirksamen »Brückenstrompreis« aber noch weit entfernt. Die geplanten Entlastungen der Regierung seien zudem nicht »an Bedingungen wie Tarifbindung, Standort- und Beschäftigungssicherung sowie Investitionen in die Transformation« geknüpft, kritisierte Kerner. Der DGB antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf eine jW-Anfrage.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Offenbar hat Wirtschaftsminister Habeck einen Goldesel im Stall.

  2. Deutschland verarmt, für den Spiegel ist das kein Problem
    Im Spiegel ist ein Artikel über die Gasversorgung in Deutschland erschienen, der vor Lügen nur so strotzt, weshalb sich ein näherer Blick darauf lohnt.
    Der Spiegel hat einen Artikel mit der Überschrift „Heizsaison – Darum ist Deutschlands Gasversorgung plötzlich so stabil“ veröffentlicht, der wirklich interessant ist. In dem Artikel freut sich der Spiegel, dass die deutschen Gasspeicher zu Beginn der Heizsaison randvoll sind und der Spiegel ist optimistisch, dass Deutschland gut durch den Winter kommt. Danach sieht es in der Tat aus, wenn der Winter nicht extrem kalt wird.
    Der Spiegel stellt es so dar, als sei die Energiekrise vorbei und schreibt:
    „Wie kam es zu der Kehrtwende – und wie stellt sich die Lage insgesamt dar?“
    Das ist ein komplexes Thema, bei dem es aber einen wichtigen Aspekt gibt, den der Spiegel in seinem Artikel nicht erwähnt. Das Statistische Bundesamt schreibt:
    „Im 1. Quartal 2023 wurden in Deutschland 132,8 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt und in das Netz eingespeist. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen mitteilt, waren das 7,8 % weniger Strom als im 1. Quartal 2022. Gründe für die ungewöhnlich niedrige Stromeinspeisung waren milde Temperaturen, hohe Strompreise und eine konjunkturelle Abschwächung.“
    Im Klartext: Deutschland verbraucht 2023 deutlich weniger Strom, weil die Strompreise so hoch sind. Und man kann im Wirtschaftsteil des Spiegel ständig lesen, dass die hohen Strompreise der Grund für die Wirtschaftskrise in Deutschland sind, was das Statistische Bundesamt als „konjunkturelle Abschwächung“ bezeichnet. Das bedeutet, dass die hohen Strompreise der Wirtschaft schaden und das wiederum bedeutet, dass die Wirtschaft weniger Strom verbraucht.
    Davon, dass es in Deutschland beim Gas eine „Kehrtwende“ im positiven Sinne gibt, wie der Spiegel seinen Lesern zu Beginn des Artikels suggeriert, kann also keine Rede sein.
    Quelle: Anti-Spiegel

    Anmerkung Christian Reimann: Ohne mediale Unterstützung – auch und insbesondere vom „Spiegel“ – könnte die Bundesregierung wohl nicht so eine für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sowie kleine und größere Unternehmen katastrophale Politik betreiben. Aussicht auf Besserung besteht jedoch leider kaum – sowohl bei den Medien als auch bei den bisherigen Parteien.

  3. Renten: Das Problem ist nicht die Demografie
    Das herrschende Renten-Narrativ lautet bekanntlich: “Die Renten” sind gefährdet, weil immer mehr Rentnerinnen und Rentner von immer weniger Beschäftigten finanziert werden müssen. Und mit den Babyboomern, die in den nächsten Jahren in die Rente gehen, werde es noch dramatischer. Deshalb müsse das Arbeitsleben verlängert und es müsse noch mehr privat etwa mit Aktienanlagen vorgesorgt werden.
    Schauen wir uns den Lügenkomplex rund um die Demografie genauer an.
    Es gibt wichtige Berufsgruppen, die haben überhaupt kein Rentenproblem: Im Gegenteil, ihre Renten sind hoch, sie sind gesichert, und sie steigen ständig. Und das ist ganz unabhängig davon, wie viele Rentner und wie viele Beschäftigte es in diesen Berufen gibt: Beamte, Abgeordnete, Ressortleiter öffentlich-rechtlicher Medien.
    Zu dieser Gruppe gehören die 1,38 Millionen Rentner, die vorher Beamte waren. Ihre gesetzlich geregelte Rente hängt überhaupt nicht davon ab, wie viele Beamte in Rente gehen und wie viele Beamte noch beschäftigt sind. Und die Höhe ihrer Bezüge hängt überhaupt nicht davon ab, was die Beamten vorher dafür eingezahlt haben, denn sie zahlen gar nichts ein.
    Der Staat zahlt aus den öffentlichen Haushalten des Bundes, der Bundesländer und der Kommunen die Renten. Sie heißen Pensionen und ihre durchschnittliche Höhe betrug zuletzt 3.170 Euro (Stand 2022).
    Dasselbe gilt für die Kirchenbeamten, übrigens auch für Priester und Bischöfe sowie für die deutschen Militärseelsorger christlicher und jüdischer Ausrichtung, die Panzer segnen und in Afghanistan jahrzehntelang die Verwüstung des Landes und die Tötung auch von Zivilisten abgesegnet haben. Gleiches gilt auch für die Berufssoldaten, die übrigens schon ab 55 Jahren in ihre höhere Rente gehen können.
    Ähnliches gilt für die gesetzlich geregelten Renten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Landtage und auch des Europäischen Parlaments, ebenfalls völlig unabhängig davon, wie viele oder auch weniger Abgeordnete es gibt. Und auch sie brauchen vorher gar keine Beiträge für ihre Abgeordneten-Einkommen einzuzahlen.
    Und noch viel besser haben es die politischen Vor-Ruhestands-Beamten, die Minister, Regierungschefs und Bundespräsidenten und auch die Intendanten und Ressortleiter der Medien, die von der Bevölkerung zwangsweise durch den Rundfunkbeitrag finanziert werden.
    Quelle: Werner Rügemer auf Telepolis

    dazu auch: DRV-Chef warnt vor neuen Einsparungen
    Die Beitragszahler müssen immer mehr versicherungsfremde Leistungen finanzieren, weil der Bund die Zuschüsse kürzt. Aktuell steht die Rentenversicherung finanziell aber gut da.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Dass der Bund versicherungsfremde Leistungen in zunehmendem Maße, wie hier noch mal beschrieben, aus den Beitragszahlungen der Versicherten deckt, statt aus Steuern, ist eine Unverschämtheit. Die normale Umlagerente aus Beiträgen wäre mehrere Prozent höher, wenn die versicherungsfremden Leistungen komplett von der Allgemeinheit getragen werden würden. Es ist dennoch wichtig, dass noch einmal auf diese Umverteilung zulasten der Versicherten hingewiesen wird. Allerdings reißt auch der Vorstandsvorsitzende der DRV gleich wieder den guten Eindruck ein: wieso plädiert er nicht für vernünftige Beitragserhöhungen, damit ordentliche Renten gezahlt werden können, sondern nimmt die weitere Aushöhlung der Umlagerente zugunsten der angeblichen “Kapitaldeckung” hin?

  4. “Es ist erschütternd”: Viele Kürzungen geplant – ist der Sozialstaat in Gefahr?
    Gerade dort, wo den Schwächeren der Gesellschaft geholfen wird, könnte es bald empfindliche Kürzungen geben. Verbände gehen angesichts dessen auf die Barrikaden und warnen: Was jetzt gekürzt wird, könnte eines Tages erst recht Kosten verursachen.
    Die Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege sehen durch die Kürzungspläne im Bundeshaushalt 2024 den Sozialstaat in Deutschland in Gefahr. Auf einer Kundgebung in Berlin warnten sie vor massiven Einschnitten in eine Vielzahl sozialer Angebote und einer damit einhergehenden nachhaltigen Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Anlass ist die kommende Woche anstehende Bereinigungssitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses, in der die Endfassung des Etatplans festgelegt wird.
    An der Protestaktion beteiligt sind der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband (AWO), der Deutsche Caritasverband (DCV), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Diakonie Deutschland, der Paritätische Gesamtverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).
    Quelle: n-tv
  5. „WikiLeaks beendet Kriege“: Deswegen sollte Julian Assange ein freier Mann sein
    Die Zeit vergeht und WikiLeaks-Gründer Julian Assange sitzt seit über vier Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis. Ein Skandal.
    Die Berliner Zeitung setzt sich für die Freilassung der Journalisten Julian Assange und Evan Gershkovich ein. Julian Assange sitzt in Großbritannien, Evan Gershkovich in Russland in Haft. Beide Journalisten werden zu Unrecht festgehalten. Wir fordern die britische und die russische Regierung dazu auf, die Journalisten unverzüglich freizulassen.
    Vieles wurde bereits über Julian Assange gesagt. Er gilt für viele als Freiheitsheld, der mit seiner Enthüllungsplattform WikiLeaks Anfang des Jahrzehnts unbequeme Wahrheiten verbreitete und den Journalismus für immer veränderte. Für andere ist er der Hacker-Ganove, der Spion, der Verbrecher Assange, der mit seinem skrupellosen Verhalten dazu beitrug, die Reputation der Vereinigten Staaten aufs Spiel zu setzen.
    Während die Öffentlichkeit darüber streitet, ob Assange ein Held oder ein Krimineller ist, sitzt der 52-Jährige seit 1675 Tagen im Hochsicherheitstrakt des Londoner Gefängnisses Belmarsh. Sein Verbrechen: Die Wahrheit veröffentlicht zu haben. Auch als „Guantánamo Englands“ bekannt, beherbergt Belmarsh einige der gefährlichsten Verbrecher der ganzen Welt. Terroristen und Massenmörder sind dort hinter dicken Stahlgittern inhaftiert. Einige von ihnen sind mittlerweile in andere Haftanstalten verlegt oder sogar entlassen worden, Julian Assange jedoch nicht.
    Quelle: Berliner Zeitung
  6. Militärhistoriker: Westen redet sich Ukraine-Krieg schön
    Der Westen ist auf einen Stellungkrieg Russlands gegen die Ukraine nicht vorbereitet, warnt der österreichische Militärhistoriker Markus Reisner im DW-Interview. Er sieht zwei Möglichkeiten. […]
    Viele haben diese Aussagen von Salunschnyj und Selenskyj als Meinungsdifferenzen wahrgenommen, die vielleicht zum ersten Mal so sichtbar wurden. Wie gefährlich ist das für die Unterstützung der Ukraine?
    Das ist ein Dilemma. Die Russen haben sofort den Ball aufgenommen und erklärt, dass die ukrainische Offensive gescheitert ist, sich auf General Saluschnyj berufend, der gesagt hat, es werde wohl “keinen tiefen und schönen Durchbruch geben”. Das Dilemma ist: Die Ukraine hat nicht all die Fähigkeiten gehabt, die sie gebraucht hätte. Das habe ich immer gesagt und man hat damals gemeint, mit der Moral würde man das schaffen. Das ist gegen jede militärische Logik. Auch General Saluschnyj hat vor einigen Monaten ganz klar über englische Medien ausgerichtet, wir stehen hier an der Front, ihr braucht uns nicht zu erklären, wie wir diesen Krieg führen müssen. Wir sind dankbar über jede Waffenlieferung, die wir bekommen, aber die Situation ist die, dass wir ohne Luftunterstützung nicht so wie aus dem NATO-Handbuch vorgehen können. Deshalb haben wir unsere eigenen Taktiken entwickelt. […]
    Ist der Westen auf einen Stellungkrieg in der Ukraine vorbereitet?
    Der Westen ist darauf nicht vorbereitet, weil der Westen sich seit 20 Monaten die Situation schönredet, und weil er meint, die Ukraine ist in der Lage, mit der Moral diesen russischen Bären zu besiegen. Das funktioniert so nicht. Aus meiner Sicht gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist, All-in zu gehen. Da müssten aber jede Woche vier bis fünf beladene Militärzüge in die Ukraine fahren. Das andere ist, selbstkritisch einzugestehen, dass es nicht möglich ist. Dann muss man das aber den Ukrainern sagen. Man muss dann möglicherweise mit Verhandlungen beginnen, aber mit dem Eingeständnis, dass die Ukraine als Staat so nicht mehr existieren wird, weil Russland sie zerstören wird.
    Quelle: Deutsche Welle
  7. Müde und ausgezehrt – der Ukraine gehen die Soldaten aus
    Am Anfang herrschte patriotische Euphorie, doch nun wird der brutale Stellungskrieg für die Truppen zum Albtraum. Entsprechend schwer ist die Rekrutierung neuer Soldaten geworden.
    Die Ukraine kämpft gegen Russland um ihr Überleben. Doch der Krieg ist im Land nicht überall gleich präsent: Während im Hinterland Raketenangriffe die Menschen gelegentlich aus ihrem sonst friedlichen Leben reißen, stehen die Orte in Frontnähe unter ständigem Artilleriebeschuss. Die Bürde der Verteidigung schultern Zehntausende von Soldaten, in einfachen Unterständen und unter hohen Verlusten. Manche sprechen von parallelen Realitäten.
    Die schwierigen Bedingungen des Armeedienstes führen dazu, dass der Ukraine nach zwanzig Monaten Abnutzungskrieg zunehmend die Soldaten fehlen. Der gewöhnlich schweigsame Oberbefehlshaber Waleri Saluschni sprach im „Economist“
    die unsicheren Perspektiven seines Landes an. Mit der kontroversen und unpopulären Forderung nach einer Ausweitung der Mobilmachung brach der General ein Tabu.
    Bisher hatte die Armeeführung stets gesagt, es fehle ihr an Material, nicht an Personal. Zwar stellt der General klar, dass Kiew kurzfristig die Soldaten nicht ausgingen. Aber wegen seiner größeren Bevölkerung verfüge Russland über ein dreimal höheres Potenzial. Deshalb müsse die Ukraine mehr Reserven bilden.
    Leicht sei dies nicht: „Die Länge des Krieges, beschränkte Optionen zur Rotation von Soldaten an der Front und Gesetzeslücken, die eine Vermeidung der Mobilisierung erleichtern, verringern die Motivation der Bürger stark, im Militär zu dienen.“ […]
    Die Realität ist jedoch geprägt von widersprüchlichen Regelungen und Änderungsvorschlägen: So beschloss das Parlament, die Werchowna Rada, im August ein Gesetz, das die Zahl der medizinischen Gründe für eine Dienstuntauglichkeit verringerte.
    Eine Vorlage fordert zudem Bußen in Höhe von monatlich umgerechnet 675 Euro für Wehrpflichtige, die im Ausland leben. So soll der Druck auf jene steigen, die sich der Mobilisierung durch Flucht entzogen haben.
    Quelle: Handelsblatt
  8. Das fehlende Assessment: Die Ukraine kann nicht siegen
    Die EU will Beitrittsgespräche mit der Ukraine führen – mitten im Krieg. Dafür hat sie alle möglichen Kriterien geprüft – nur nicht die Frage, wie es um den Krieg steht. Dieser Test würde negativ ausgehen.
    Kein einziges der zentralen Kopenhagener Kriterien wurde erfüllt, nur vier von sieben spezifischen Länder-Vorgaben hat die Ukraine bisher erreicht. Dennoch will die EU-Kommission nun Beitrittsgespräche führen.
    Zur Begründung führt Behördenchefin von der Leyen den „russischen Angriffskrieg“ an. Man dürfe das Land nicht allein lassen, sondern müsse es durch die EU-Perspektive unterstützen.
    Ein hehres Motiv, sogar die Linke hat die nun geplanten Verhandlungen begrüßt. Doch wie steht es eigentlich um diesen Krieg? Kann die Ukraine siegen, kann sie alle Gebiete zurückerobern?
    Nein, das kann sie nicht. Nicht mit Hilfe der USA, die wichtige Waffen zurückhalten und sich nach und nach zurückziehen. Und erst recht nicht mit der EU, die ihre eigenen Zusagen nicht erfüllt.
    Quelle: Lost in Europe
  9. Kriegstüchtigkeitstag: Deutsche Militärvorhaben
    Nach Jahren des Schrumpfens sei die Bundeswehr seit 2016 »personell wieder auf Wachstumskurs«, meldete das Internetportal der Armee Ende September und zugleich eine kleine Wachstumsdelle: Die Zahl der aktiven Soldaten fiel knapp unter die Marke von 181.000 (davon waren 24.100 Frauen), im August waren es noch 181.500. Ursache des Rückgangs war laut dem Blog Augengeradeaus.net vom 6. November der Rückgang von Freiwilligen, dafür habe sich die Zahl der Berufssoldaten erhöht. (…) Sein Minister Boris Pistorius (SPD) hatte ihm am 29. Oktober im ZDF den Marschbefehl »kriegstüchtig werden« erteilt, seitdem geht es so zackig weiter. Wo bisher »verteidigungsbereit« draufstand, ist nun auch Angriffskrieg nicht mehr ausgeschlossen. Pistorius macht offiziell, was seit dem NATO-Bombenkrieg gegen Jugoslawien 1999 stillschweigend Gewohnheit ist. (…) Die neue Ambition innerhalb der NATO ergibt sich daraus: Berlin will militärisches Schwergewicht nach den USA werden. Eingepreist ist, dass mit einer Figur wie Donald Trump im Weißen Haus das deutsch geführte EU-Europa im Krieg gegen Russland und dem geplanten gegen China selbständig handeln soll und muss – der Zugriff auf Atomwaffen wird längst erörtert. So war es Zufall und zugleich nicht Zufall, dass der 9. November 2023 zum deutschen Kriegstüchtigkeitstag wurde. Am Morgen verkündeten die Rüstungskonzerne Rheinmetall und Hensoldt satte Quartalsgewinne. Das Armeeministerium schickte am selben Tag »Eurofighter« nach Rumänien, um den Russen in Schach zu halten. Die dauerhafte Entsendung einer 4.000köpfigen »robusten« Brigade nach Litauen verhieß schon zuvor: Der wird jetzt in die Zange genommen. Am Nachmittag verkündete Pistorius endlich wieder verteidigungspolitische Richtlinien, die ersten seit 2011. Fehlte nur noch Johann Wadephul (CDU), der bei Welt-TV Armut wegen Überfluss kritisierte: Die Zeitenwender hätten zwar massenhaft Kriegsgerät bestellt, aber nicht an Personal, das es bedient, gedacht. Wer Großes vorhat, lässt sich von solchen Details und vom Datum nicht stören. Die Aussicht, neue deutsche Selbständigkeit zu erreichen, steht über Kleinkram. Der 9. November erhielt schon mal die passende Bedeutung.
    Quelle: Arnold Schölzel in junge Welt
  10. Offener Brief von Oliver Ginsberg: Schluss mit der Anmaßung für Juden zu sprechen
    Oliver Ginsberg entgegnete mit seinem Protestschreiben dem unsäglichen “Offenen Brief der mehr als 1000 Autoren für Solidarität mit den in Deutschland, Österreich und der Schweiz lebenden Jüdinnen und Juden und dem Staat Israel”
    An die Unterzeichnenden des Offenen Briefes,
    als Nachkomme einer jüdischen Familie, die unter dem Faschismus bis auf eine Person ausgelöscht wurde melde ich hiermit meinen schärfsten Protest an gegenüber ihrer Anmaßung für Jüdinnen und Juden in diesem Land sprechen zu wollen. Noch leben Menschen in diesem Land, die selbst oder deren Eltern und Großeltern Opfer der Shoah wurden. Diese haben eine eigene Stimme und benötigen ihre bevormundende, geschichtsvergessene und eurozentristische Fürsprache nicht.
    Im Übrigen hat auch der Staat Israel nicht das Recht für uns zu sprechen. Dieser Staat ist selbst das Ergebnis einer Kolonialisierungsideologie, die in ihrem völkisch-chauvinistischen Gepräge den rassistischen Kolonialisierungs- und Missionierungsbemühungen früherer Jahrhunderte in nichts nachsteht. Wenn ihnen angesichts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, welche die israelischen Streitkräfte schon zum wiederholten Mal an der palästinensischen Zivilbevölkerung verübt haben, angesichts des seit Jahrzehnten andauernden, illegalen und gewaltsamen Siedlerkolonialismus, angesichts der tausendfachen Schikanen, Verhaftungen und Folterungen in israelischen Gefängnissen nichts anderes einfällt als eine apologetische Bestätigung israelischer Selbstverteidigungsdoktrin, die nichts anderes ist als eine Legitimierung von Massenmord, dann wäre es besser ganz zu schweigen. Hören Sie auf in moralischer Überheblichkeit zu schwelgen. Sie haben nichts, rein gar nichts aus der Geschichte der Shoah gelernt.
    Quelle: Seniora.org
  11. Der Oberlehrer
    Deutsche Wirtschaftskreise üben scharfe Kritik am Scheitern des EU-Freihandelsabkommens mit Australien und an der fortdauernden Verschleppung weiterer EU-Freihandelsgespräche. Canberra hatte die Verhandlungen mit der EU Anfang vergangener Woche abgebrochen – für Brüssel ein schwerer Schlag: Die EU will mit Hilfe australischer Ressourcen von China unabhängiger werden. Auch das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur ist vom Scheitern bedroht: Die Mitgliedstaaten des südamerikanischen Bündnisses sind nicht bereit, sich den klar als Schikane empfundenen Brüsseler Forderungen zum Schutz des Regenwaldes ohne weiteres zu beugen. Ob eine Annäherung möglich ist, gilt als ungewiss. Die Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Indien und Indonesien stecken ebenfalls fest. Ursache für das Scheitern sind zum einen offenbar unüberbrückbare Interessensdivergenzen zwischen der deutschen Industrie und der französischen Landwirtschaft; zum anderen wird das Beharren der EU auf Umweltforderungen, wie Kommentatoren urteilen, als „Werteimperialismus“ wahrgenommen. Die Union, heißt es, führe sich gegenüber anderen Staaten „wie ein Oberlehrer“ auf.
    Quelle: German Foreign Policy
  12. Sloweniens Bürger ohne Rechte: Gelöschte Existenzen
    Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden Zehntausende Menschen aus allen Registern Sloweniens gestrichen. Viele kämpfen noch heute um ihren Status.
    Zwei Stunden wartet Irfan Beširević hinter hundert anderen Menschen vor dem Verwaltungsbüro in Ljubljana. Es ist November 1991, Beširević will die Staatsbürgerschaft der frisch gegründeten Republik Slowenien beantragen. Er hat sich hierhergeschleppt, obwohl er Tage zuvor, nach einem schweren Autounfall, erst aus dem Koma erwacht ist. Aber die Zeit rennt, wenn das Land, das man sein Zuhause nennt, einem eine Frist setzt, um Bürger zu werden.
    „Mein Antrag wurde abgelehnt und mein Ausweis zerschnitten. Ab da begannen meine Probleme“, erzählt Beširević heute am Kneipentisch in Ljubljana. Um vier Uhr nachmittags bestellt er das dritte Bier und raucht eine Zigarette nach der anderen. Er hat sein Schicksal schon Hunderte Male durch seinen dichten weißen Schnurrbart erzählt. Seine Hände sprechen an manchen Stellen immer noch mit, wenn er sich aufregt über diese große Ungerechtigkeit.
    Vor 31 Jahren erfuhr Irfan Beširević, dass er in Slowenien nicht mehr existierte – der jugoslawischen Republik, in der er seit seinem ersten Lebensjahr aufgewachsen und zur Schule gegangen war, später Arbeit fand und eine Familie gründete.
    Quelle: taz
  13. Meloni will ihre Macht zementieren
    Italien: Gesetzentwurf sieht Direktwahl des Regierungschefs vor.
    Nach einem Jahr des Zögerns will die faschistische italienische Regierungschefin Georgia Meloni nun ernst machen und ihre Macht zementieren. Ihre ursprüngliche Absicht, eine Art Präsidialregime zu errichten, in dem nach französischem Vorbild der Premier dem Staatspräsidenten unterstellt wird, hat sie aufgegeben, da eine Zustimmung durch den derzeitigen, noch bis 2029 amtierenden Präsidenten Sergio Mattarella fraglich wäre. Melonis Kabinett hat daher Ende vergangener Woche einen Gesetzentwurf verabschiedet, demzufolge der Premier unter Ausschluß des Parlaments direkt gewählt werden soll. Des Weiteren soll die Parteienkoalition, die den direkt gewählten Premier unterstützt, automatisch 55 Prozent der Sitze in beiden Parlamentskammern innehaben. Meloni argumentiert, daß die durchschnittliche Regierungszeit in Italien seit dem Zweiten Weltkrieg nur bei nur 14 Monaten lag. Eine Verfassungsreform, die den Weg zur Direktwahl des Premiers frei macht, würde daher für »mehr Stabilität« im Palazzo Chigi (Regierungssitz) sorgen. Die Befürchtung, mit der Reform würden die Rechte des Staatspräsidenten de facto aufgehoben, beschwichtigte sie mit der Erklärung, daß die Befugnisse des Colle, also des Präsidenten, »nicht untergraben« würden. Die kommunistische Tageszeitung »Il Manifesto« bezeichnete dies als pure Heuchelei, denn durch die Stärkung des Ministerpräsidenten würden die Befugnisse des Staatspräsidenten drastisch eingeschränkt. Zerbricht eine Regierung, kann der Staatspräsident derzeit nach neuen Mehrheiten im Parlament suchen – auch unter Einschluß der Oppositionsparteien – oder einen Technokraten einsetzten, der die Regierungsgeschäfte übernimmt. Letzteres geschah beispielsweise 2021: Ohne Neuwahlen hat Präsident Mattarella damals den Technokraten und früheren EZB-Chef Mario Draghi zum Ministerpräsidenten ernannt. Nach Melonis Plänen käme dafür in Zukunft nur ein Parlamentarier der – oder besser: ihrer – Regierungsmehrheit in Frage. Denn durch die Reform hätte Meloni in beiden Kammern »eine verfassungsmäßig gepanzerte Mehrheit«, kommentierte »Il Manifesto«.
    Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
  14. Sprich den Kanzler nie mit »Herrn Bundeskanzler« an!
    So oft wie der Bundeskanzler zu Bürgerdialogen geht, könnte man glauben: Es ist gut bestellt um die Bürgernähe. Wahr ist aber: Zwischen Politik und Souverän lagen noch nicht so weite Welten.
    Am Wochenende ging eine Szene aus dem aktuellen KanzlerGESPRÄCH in Mannheim viral. Ein älterer Herr nahm sich des Bundeskanzlers an. Er sorge sich um dessen Vergesslichkeit im CumEx-Skandal, erklärte er. Und außerdem, könne er nicht fähigere Minister einsetzen? Dass Deutschland die dümmste Regierung überhaupt habe, sei im Ausland längst schon Thema.
    Der Kanzler »antwortete« darauf. Er könne sich an das erinnern, an das er sich erinnert. Erfinden könne er nichts. Es gäbe ja eine Wahrheitspflicht. Unter uns: Er müsste sich gar nicht erinnern, es gibt ja Laptops – ach ja, wo sind die noch gleich hingekommen? Und zu den Ministern Habeck und Baerbock äußerte er sich so: Sie gäben sich große Mühe. Sie waren also stets bemüht: In einem Arbeitszeugnis steht das für ungenügende Arbeitsleistungen. In Deutschland 2023 scheint es aber ein Qualitätssiegel zu sein.
    Quelle: Overton Magazin