Und wieder mal eine Kampagne gegen die Gesetzliche Rente und für die Aktienrente. Der Sachverständigenrat machts möglich.

Und wieder mal eine Kampagne gegen die Gesetzliche Rente und für die Aktienrente. Der Sachverständigenrat machts möglich.

Und wieder mal eine Kampagne gegen die Gesetzliche Rente und für die Aktienrente. Der Sachverständigenrat machts möglich.

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Heute früh machte P.H. Höckelmann, ein Leser der NachDenkSeiten, auf eine Sendung der ARD aufmerksam, die gestern Abend lief und in der mit Berufung auf Mitglieder des Sachverständigenrates die Leistungsfähigkeit unseres Altersvorsorgesystems in Zweifel gezogen und die Hinwendung zur sogenannten Aktienrente empfohlen wurde. Unser Leser ‚Was sind das überhaupt für „Wirtschaftsweisen“?‘ und meint, es wäre mal wieder Zeit für einen Artikel der NachDenkSeiten zum Rententhema. – So ist es. Ich werde zunächst noch einige Äußerungen des Sachverständigenrates ergänzen und dann eine Reihe von früheren Beiträgen der NachDenkSeiten erwähnen und verlinken. In ihnen sind die Antworten auf die neuerdings gestellten Zweifel und Fragen gegeben. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Es ist eigentlich nicht auszuhalten, dass Zweifel, die im Laufe der letzten 25 Jahre immer wieder geäußert und widerlegt worden sind, nun wieder auf den Tisch gelegt werden – von erwachsenen Menschen, die sich Wissenschaftler nennen und dem sogenannten Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehören. Als Volkswirt und Fachkollege dieser angeblichen Sachverständigen kann ich da eigentlich nur verzweifeln.

Die Vorsitzende des Rates, Professor Monika Schnitzer, meint am Anfang, das Problem sei, dass viele Menschen in Rente gehen, die nicht genug Kinder bekommen haben. Und ihr Kollege Professor Martin Werding meint, wir hätten ein großes Problem mit der Alterung unserer Gesellschaft und deshalb dringenden Reformbedarf. Wir müssten die Regelaltersgrenze weiter anheben – darüber kann man nachdenken – und wir bräuchten eine ergänzende Kapitaldeckung, weil das ein Ausgleich sei für die gesunkene Geburtenrate.

Meine Tageszeitung ergänzt das Kapitel „ergänzende Kapitaldeckung“ mit einer Passage, die tief blicken lässt. Ich zitiere:

„Auch junge Menschen sollten sich auf dem Arbeitsmarkt üben, raten die Wirtschaftsweisen. Junge Menschen sollten ein staatliches Startkapital bekommen, etwa 10 Euro im Monat ab sechs Jahren, um dies in breit angelegten Aktienfonds zu investieren – in Begleitung durch Schulen und Eltern. Dadurch steige die finanzielle Bildung, und Kinder verlören Berührungsängste.“

In dieser zitierten Passage werden die Interessen sichtbar, die hinter dem Vorschlag stecken, die Gesetzliche Rente durch Formen der kapitalgedeckten Altersvorsorge zu ergänzen: die Finanzwirtschaft, die Banken, die Versicherungen und die Börsen suchen neue Kunden.

Die Relation von arbeitsfähigen und zur Beitragszahlung fähigen Menschen auf der einen Seite und Menschen im Rentenalter auf der anderen Seite hat sich im Laufe der letzten 100 Jahre ständig verschoben. Mit diesen Verschiebungen kann man fertig werden – dadurch, dass mehr Menschen in Arbeit kommen, dadurch, dass die Arbeit produktiver wird, also die Arbeitsproduktivität wächst, auch dadurch, dass der Beitragssatz ein bisschen angehoben wird. Das bestehende Rentensystem ist durchaus flexibel und diese Flexibilität hat dabei geholfen, in der Vergangenheit mit vielen Veränderungen fertig zu werden.

Im Folgenden werden bisherige Beiträge der NachDenkSeiten zitiert und verlinkt. Wenn Sie die Zeit aufbringen können, dann gewinnen Sie dabei auch einen kleinen Überblick über unsere Arbeit zum Thema Rente in den letzten 20 Jahren.

Wir beginnen mit der Mail, mit der wir auf die aktuelle Debatte und die neuen Äußerungen des Sachverständigenrates aufmerksam gemacht worden sind:

Liebe Redaktion

z.Z. läuft mal wieder eine Kampanie zur Durchsetzung der Aktienrente, dabei kommen nur die Befürworter zu Wort.

Ein gutes Beispiel dafür war die Sendung vom 08.11.2023 (fast schon unerträglich, sich das anzusehen): ardmediathek.de

Ist denn niemand da, der mal andere Argumente vorbringt? Fragt

Es wäre mal wieder Zeit für einen Artikel von Euch über das Rententhema, man kann das nicht alles so erdulden wie in der Kirche (von der Kanzel wird gesprochen und es darf weder geklatscht werden noch Buhrufe).

Vielen Dank.
P.H.Höckelmann

In meinem Buch „Die Reformlüge“ habe ich 40 Denkfehler der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Debatte beschrieben, analysiert und aufgespießt. Darunter sind drei Kapitel, die sich mit Demographie und Rente beschäftigen. Dazu nun nacheinander drei Texte:

27. Januar 2020 um 16:03
Erstaunliche Einsichten zur Bevölkerungsentwicklung beim Namensgeber der Rürup-Kommission. Dazu ein lesenswerter Text aus der „Reformlüge“: Denkfehler 5. : „Wir werden immer weniger“

10. Juni 2006 um 16:58
Denkfehler 6: »Wir werden immer älter. Der Generationenvertrag trägt nicht mehr.«
Albrecht Müller. Auszug aus „Die Reformlüge. 40 Denkfehler, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren“ / München 2004
Quelle: Denkfehler Nr. 6: “Wir werden immer älter …” [PDF – 117 KB]

Dazu, zum Denkfehler Nummer 7, noch ein Hinweis auf einen Artikel aus dem Jahr 2018. Er zeigt, dass die Diskussion im gleichen Stil weiterläuft:

06. Juli 2018 um 14:36
Denkfehler 7: „Jetzt hilft nur noch private Vorsorge.“

Der gestrige Artikel „Das internationale Große Geld beherrscht uns und die Europäische Union. Ihre Bosse entscheiden z.B. darüber, wie wir unsere Altersvorsorge organisieren. Demokratie gleich null.“ löste einige Leserbriefreaktionen aus. Zusammenstellung siehe unten. Im ersten Leserbrief wird auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung von gestern hingewiesen. Die SZ-Journalistin Boehringer schreibt dort: „Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist bekannt, dass das staatliche Rentensystem in Richtung Grundversorgung schrumpft.“ Sie wirbt dafür, sich mit dem Anlegen von Geld zu beschäftigen, auch für die private Altersvorsorge, denn „die Renten werden weiter sinken“. Wenn man das liest, dann kann man eigentlich nur noch verzweifeln. Diesen Denkfehler 7: “Jetzt hilft nur noch private Vorsorge.”-Artikel hatten die NachDenkSeiten am 4. Januar 2005 veröffentlicht. Der Text stammt aus meinem Buch „Die Reformlüge“, das im August 2004 erschien und in dem ich 40 Denkfehler, Mythen und Legenden abhandle. Das ist jetzt 14 Jahre her. Bei der Lektüre der Süddeutschen Zeitung und auch bei der Lektüre anderer Mails zum gestern veröffentlichten Artikel muss ich den Eindruck gewinnen, dass Aufklärung eigentlich nicht möglich ist. Albrecht Müller.

Mit Norbert Blüm, dem früheren Politiker von der CDU, zogen die NachDenkSeiten in Sachen Rente am gleichen Strick der Aufklärung. Hier ein Beitrag von ihm für die NachDenkSeiten (Wir vermissen ihn):

Die Rente ist noch immer sicher!“ von Norbert Blüm
09. März 2009 um 9:08
Ein Artikel von Norbert Blüm

Speziell zur Aktien-Rente haben wir Anfang dieses Jahres 2023 zwei Beiträge gebracht:

17. Januar 2023 um 11:13
Lindners Aktienrente ist da – ein Taschenspielertrick ohne Sinn und Verstand

27. Januar 2023 um 10:00
Operation Aktienrente: „Christian Lindner will mehr!“

Zum Schluss noch eine allgemeine Anmerkung zur reichhaltigen Quelle „NachDenkSeiten“: An den oben zitierten Hinweisen und Links auf Quellen in den NachDenkSeiten können Sie ablesen, dass es sich lohnt, gelegentlich in den NachDenkSeiten zu stöbern. Sie werden viele interessante Informationen finden. So wie hier aus aktuellem Anlass zur Rente.

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Sachverständigenrat Wirtschaft

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